Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2012, Az. V ZR 233/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2119

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:

19. Oktober 2012

Weschenfelder

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 46
Die Anfechtungsklage kann auf einen abtrennbaren Teil des Beschlusses beschränkt werden. An der [X.] fehlt es jedoch grundsätzlich, wenn eine Sonderum-lage um einen bestimmten Betrag reduziert werden soll.
Eine in unzulässiger Weise beschränkte Anfechtungsklage ist im Zweifel als Anfech-tung des ganzen Beschlusses auszulegen.

[X.], Urteil vom 19. Oktober 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Dr.
Schmidt-Räntsch und
Dr.
[X.] und
die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 18 des [X.] vom 14. September 2011 aufgehoben.
Die Sache
wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]en bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Ei-gentümerversammlung vom 15. November 2007 beschlossen die [X.], in den Wohnungen eine Schwammsanierung durchzuführen sowie in den Erdgeschosswohnungen 002 und 003 eine neue Stahlbetonsohle einzuzie-hen und sie gegen Feuchtigkeit zu isolieren. Die geschätzten Kosten
von 1
-
3
-

dem Verteilungsschlüssel beglichen werden. In der Folgezeit forderte die Ver-walterin für die Schwammsanierung die [X.] Zahlung von insgesamt
h-waren zum 15. Mai und 15. Juni 2008 zur Zahlung fällig.
Nachdem Bedenken aufgekommen waren, ob der Beschluss vom [X.] hinreichend bestimmt war, fassten die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 31. März 2009 folgenden Beschluss:
Die von der Versammlung angeforderten Umlagen zum 15.05.2008 über 0k-
e-schosswohnungen 002 und 003. Die Umlagen sind, soweit sie noch nicht entrichtet wurden -
zu zahlen bis zum 15.04.2009. Die [X.] ist beigelegt, sie richtet sich nach den Miteigen-tumsanteilen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, mit der die Klägerin -
soweit hier von Interesse -
beantragt hat, den Umlagebeschluss vom 31. März 2009 hinsichtlich der Kosten der Scn-sichtlich der Kosten der Sanierung der Erdgeschosswohnungen 002 und 003 in Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

2
3
-
4
-

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage mangels berechtig-ten Interesses unzulässig, da das Klagebegehren auf
eine nicht herstellbare Rechtsfolge gerichtet sei. Zwar könne ein Beschluss auch teilweise angefoch-ten werden, wenn sich die Anfechtung auf einen abtrennbaren Teil des [X.] beziehe. Daran fehle es hier jedoch. Die [X.] habe den einheitlichen Beschluss gefasst, einen insgesamt bestehenden Kapitalbedarf h-folgende Verteilung des Betrages auf die Kosten der Schwammsanierung und die Kosten der Sanierung der Erdgeschosswohnungen diene lediglich dazu, die angedachten Verwendungszwecke für die Sonderumlage zu bezeichnen, nicht aber dazu, den Beschluss in zwei Teile aufzuspalten. Einzelne Teilbeträge oder Rechnungsposten einer beschlossenen Sonderumlage könnten aber nicht zum Gegenstand einer Anfechtungsklage gemacht werden, vielmehr müsse sich die Anfechtung auf den gesamten Beschluss erstrecken. Da die Klägerin
die An-fechtung, wie sich aus dem nach Wortlaut und Zweck eindeutigen Inhalt ihres Klageantrags ergebe,
auf einen Teil des Beschlusses beschränkt habe, könne ihr gemäß §
308 Abs. 1
ZPO nicht mehr zugesprochen werden, als sie [X.] habe. Im Übrigen habe das Amtsgericht aus zutreffenden Erwägungen die Klage als unbegründet abgewiesen.

II.
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht erachtet
das Berufungsgericht die Anfechtungsklage wegen unzulässiger Teilanfechtung des Beschlusses für un-zulässig.
4
5
-
5
-

1. Die Klägerin hat den [X.] insgesamt angefochten. Ihre Anfechtungsklage richtet sich sowohl gegen den auf die Schwammsanie-rung der Wohnungen als auch gegen den auf die Sanierung der beiden Erdge-schosswohnungen entfallenden
Umlagebetrag.
Daher kann die von dem [X.] erörterte Frage dahinstehen, ob die Anfechtungsklage allein auf den die Schwammsanierung betreffenden Teil des
Beschlusses
hätte be-schränkt werden können.
2. Der Annahme einer unbeschränkten Anfechtung steht nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des Klageantrags der Umlagebeschluss hinsichtlich der Kosten der Sanierung der Erdgeschosswohnung

unwirksam erklärt werden soll.
a) Der Wortlaut des Klagebegehrens legt zwar eine auf die Höhe der be-schlossenen Umlage beschränkte Anfechtung nahe. Eine derartige [X.] wäre aber unzulässig.
Allerdings kann die Anfechtung auf einen abtrennbaren Teil des [X.] beschränkt werden. Bei der Anfechtung etwa einer Abrechnung ist eine Beschränkung rechtlich möglich, wenn es sich um einen rechnerisch selb-ständigen und abgrenzbaren Teil der Abrechnung handelt ([X.], Beschluss vom 4.
Dezember 2009 -
V [X.], NJW 2010, 2127 Rn. 6; Beschluss vom 15.
März 2007 -
V [X.], [X.]Z 171, 335 Rn. 12; [X.], NJW-RR 2001, 10; [X.] in Bärmann, [X.], 11. Aufl., § 43 Rn. 135; [X.]/[X.], 5. Aufl., §
46 [X.] Rn.
6).
An der erforderlichen Abtrennbar-keit des angefochtenen Beschlussgegenstandes fehlt es
jedoch
grundsätzlich, wenn sich die Anfechtungsklage allein gegen die Höhe einer Umlage
richtet. Könnte eine Sonderumlage für unwirksam erklärt werden, soweit sie einen be-stimmten Betrag übersteigt, würde sich der übrig bleibende Teil des [X.] inhaltlich von dem in der Versammlung gefassten Beschluss unterscheiden, 6
7
8
9
-
6
-

da durch eine Reduzierung des [X.] das Finanzierungskonzept verändert worden wäre. Das Gericht ist im Beschlussanfechtungsverfahren aber nicht befugt, die im Beschluss getroffene Regelung inhaltlich zu ändern, oder durch geeignet erscheinende andere Maßnahmen zu ergänzen oder zu ersetzen. Vielmehr hat es sich auf die Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses zu beschränken (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
September 1998 -
V [X.], [X.]Z 139, 288, 299; [X.], NJW-RR
2001, 10; [X.], [X.], 191
f.; [X.]/[X.], BGB [2005], § 43 [X.] Rn. 45; [X.] in Bärmann, [X.], 11.
Aufl., §
46 Rn. 71). Daher darf es eine beschlossene Son-derumlage grundsätzlich nicht um einen bestimmten Betrag reduzieren ([X.], [X.] 2012, 54; [X.] [X.] 2012, 51).
b) Ist die Anfechtung nach dem Wortlaut des Klageantrags auf einen nicht abtrennbaren Teil des Beschlusses beschränkt worden,
führt dies aber nicht zwangsläufig zur Unzulässigkeit der Klage.
aa) Eine in unzulässiger Weise beschränkte Anfechtungsklage ist im Zweifel grundsätzlich als Anfechtung des ganzen Beschlusses auszulegen
([X.], NJW-RR 2001, 10; [X.]/[X.], 5. Aufl. 2009, §
46 [X.] Rn. 6). Würde man die [X.] am buchstäblichen Sinn ihrer Wort-wahl festhalten und dementsprechend den Klageantrag dahingehend auslegen, dass nur eine Teilanfechtung gewollt ist, verstünde man das Begehren in einem Sinne, in dem es von vornherein keinen Erfolg haben kann. Das verstößt gegen den [X.], wonach eine [X.] mit ihrer Prozesshandlung im Zweifel das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung ver-nünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht ([X.], [X.] vom 10.
November 2009 -
XI [X.], NJW-RR 2010, 275 Rn. 9 mwN). Dementsprechend liegt auch hier eine Auslegung dahin nahe, dass die Klägerin den Beschluss zwar insgesamt anfechten, ihre materiell-rechtlichen 10
11
-
7
-

Einwendungen aber auf die Höhe der beschlossenen Sonderumlage beschrän-ken wollte und dass sie mit der ausdrücklichen Hervorhebung des in Streit ste-ch ihr Interesse im Sinne des §
49a Abs. 1 GKG verdeutlichen wollte.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht die Vorschrift des §
308 Abs.
1 ZPO einer solchen Auslegung nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass das Gericht nicht befugt ist, einer [X.] etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Hieraus folgt aber nicht, dass ein Klageantrag nicht ausge-legt werden dürfte; die Auslegung dient gerade der Feststellung des Beantrag-ten. Kommt eine Auslegung des Klageantrags abweichend von dessen Wortlaut in Betracht, ist das Gericht allerdings nicht nur zu einem Hinweis verpflichtet (§
139 Abs. 1 ZPO); zur Vermeidung einer Verletzung von §
308 Abs. 1 ZPO muss es sich vielmehr vergewissern, dass seine Auslegung
des Klageantrags dem Willen des [X.] entspricht (vgl. Musielak, ZPO, 9. Aufl., § 308 Rn. 3;
Wieczorek/Schütze/Rensen, ZPO, 3.
Aufl., § 308 Rn. 22). Anderenfalls [X.] die Gefahr, dass das Gericht durch eine vom [X.]willen nicht mehr gedeck-te Auslegung des Klageantrags die Grenzen des § 308 ZPO überschreitet.

An der notwendigen Aufklärung des von der Klägerin Gewollten fehlt es hier. Nach dem Protokoll der mündlichen
Verhandlung hat das Berufungsgericht die Klägerin lediglich darauf hingewiesen,
dass es dazu neige, mangels Teil-barkeit des Beschlussgegenstandes von einer unzulässigen Klage auszugehen. Es hat ihr hingegen nicht die Möglichkeit
eingeräumt, ihren Klageantrag
und das mit ihm verfolgte Begehren zu erläutern. Dieses Versäumnis ist jedoch dadurch behoben worden, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] klargestellt
hat, ihr Antrag sei dahingehend zu verstehen, dass sie den Beschluss insgesamt anfechten wolle und lediglich ihre Einwendungen auf 12
13
-
8
-

die Höhe der beschlossenen Umlage beschränkt
habe.
Demgemäß ist von [X.] unbeschränkten Anfechtung auszugehen.

III.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es über die Begründetheit der zulässigen Klage befinden kann. Der [X.] kann mangels der erforderli-chen Feststellungen nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst [X.]. Die vom Berufungsgericht hilfsweise gemachten Ausführungen zur Begründetheit der Klage gelten als nicht geschrieben und sind vom Revisions-gericht nicht zu beachten ([X.], Urteil vom 3. Juli 2009 -
V [X.], RNotZ
2010, 133; Urteil vom 25. November 1966 -
V
ZR 30/64, [X.]Z 46, 281, 284 f.).

Stresemann

Schmidt-Räntsch

[X.]

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.04.2010 -
102D C 49/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.09.2011 -
318 [X.]/10 -

14

Meta

V ZR 233/11

19.10.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2012, Az. V ZR 233/11 (REWIS RS 2012, 2119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2119

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 233/11 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumsverfahren: Beschränkung der Anfechtungsklage auf einen abtrennbaren Teil des Beschlusses; Reduzierung einer Sonderumlage auf einen …


V ZR 148/17 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumssache: Eintritt der Gestaltungswirkung eines stattgebenden Gestaltungsurteils; Ersetzung des Beschlusses der Wohnungseigentümer durch Versäumnisurteil


36 S 5297/18 WEG (LG München I)

Sondernutzungsrecht oder Vermietung?


V ZR 132/22 (Bundesgerichtshof)

Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen: Beschwerdewertbemessung bei Beschluss über die Erhöhung der Instandhaltungsrücklage


10 K 2973/18 (Verwaltungsgericht Aachen)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 233/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.