Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2017, Az. I ZB 111/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8794

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:290617BIZB111.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 111/16
vom
29. Juni
2017
in der Rechtsbeschwerdesache

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 29.
Juni
2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert,
Dr.
Kirchhoff,
Dr.
Löffler
und die Richterin Dr.
Schwonke

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]

2.
Zivilsenat
vom 14.
November 2016 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Gründe:
[X.] Das [X.] hat die auf die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke und einer [X.] Marke der Zweigniederlassung [X.] der Klägerin ge-stützte Klage mit Urteil vom 7.
April 2016 abgewiesen. Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 18.
April 2016 zugestellte Urteil am 18.
Mai 2016 Berufung einge-legt. Mit Schriftsatz vom 20.
Juli 2016, der bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen ist, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die [X.] begründet.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 14.
November 2016 den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dazu hat es ausgeführt:

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3
-
Das Wiedereinsetzungsgesuch scheitere an dem der Klägerin zuzurech-nenden, in mehrfacher Hinsicht schuldhaften Verhalten ihres Prozessbevoll-mächtigten. Dieser habe nicht für zusätzliche Sicherungsvorkehrungen gesorgt, die angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts erforderlich gewesen seien. Auch
hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Vorla-ge einer falschen Akte am 20.
Juni 2016 zum Anlass für eine Nachforschung nehmen müssen. Überdies
habe er in dem Wiedereinsetzungsantrag vom 20.
Juli 2016 nicht vorgetragen, dass er in seiner Kanzlei eine wirksame [X.] am Abend eines jeden [X.] organisiert habe.
I[X.] Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin hat keinen Er-folg.
1. Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 in Verbindung mit
§
238 Abs.
2 Satz
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbe-schwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbe-schwerde ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt weder den Anspruch der Klägerin auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip) noch deren [X.] auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG.
2. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist für die Begründung der Berufung einzuhalten. Ihr Prozessbevollmächtigter hat diese Frist schuldhaft versäumt.
Dieses
Verschulden muss sich die Klägerin gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zu [X.] wirksamen Fristenkontrolle auch die Anordnung
gehört, die Erledigung der 3
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-
4
-
fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden [X.] anhand des Fris-tenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschlie-ßend selbständig zu überprüfen (st.
Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 25.
Februar 2016

III
ZB
42/15, NJW 2016, 1742 Rn.
10; Beschluss vom 10.
November 2016
I
ZB
29/16, juris Rn.
9; Beschluss vom 9.
März 2017

IX
ZB
1/16, juris Rn.
9; Beschluss vom 25.
April 2017
XI
ZB
18/16, juris Rn.
10, jeweils mwN). Dass die [X.] des [X.] diesen Anforderungen genügt hat, lässt sich dem Wiedereinsetzungsantrag vom 20.
Juli 2016 nicht entnehmen.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht auch nicht gemäß §
139 ZPO verpflichtet, die anwaltlich vertretene Klägerin vor der Zurückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand
auf dessen nicht ausreichende Begründung hinzuweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
November 2013
III
ZB
29/13, juris Rn.
10; Beschluss vom 28.
Januar 2016
III
ZB
110/15, juris Rn.
9). Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle stellt, sind bekannt und müssen einem Rechtsanwalt auch ohne richterlichen Hinweis geläufig sein. Wenn sein Vortrag dem
nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären oder zu füllen sind, sondern erlaubt den Schluss [X.], dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2003
V
ZB
28/13, NJW 2004, 367, 369;
Beschluss vom 24.
Januar 2012
II
ZB
3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn.
12;
Beschluss vom 12.
Mai 2016
V
ZB
135/15, NJW 2016, 3789 Rn.
31).
Es ist auch davon auszugehen, dass die danach als fehlend anzusehen-de Tagesabschlusskontrolle für die Fristversäumung ursächlich war. Die Rechtsbeschwerde kann nicht mit Erfolg geltend machen, bei der [X.] wäre der Mitarbeiterin erneut der Fehler unterlaufen, der zur Vorlage der falschen Akte geführt habe. Es ist nichts dafür ersichtlich, weshalb der nach 8
9
-
5
-
ihrem Vortrag gut ausgebildeten und richtig unterwiesenen Mitarbeiterin
des Prozessbevollmächtigten der Klägerin das im [X.] notierte, für die Unterscheidung der Parallelverfahren maßgebliche interne Aktenzeichen bei
dieser Kontrolle entgangen wäre
und sie den
nach Angabe der Rechtsbe-schwerde nicht nachvollziehbaren
ler wiederholt hätte.
b) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die die Ablehnung der Wiedereinsetzung selbständig tragende Beurteilung des [X.]sgerichts, die Wiedereinsetzung sei der Klägerin auch deshalb zu versa-gen, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Vorlage der falschen Ak-te am 20.
Juni 2016 nicht zum Anlass für eine Nachforschung genommen habe.
aa) Eine Pflicht des Rechtsanwalts zur Nachfrage und Nachforschung kommt
nur, aber auch immer dann
in Betracht, wenn hierfür ein konkreter Anlass besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Dezember 2009
IX
ZB
238/08, juris Rn.
11; Beschluss vom 5.
Juni 2012
VI
ZB
16/12, NJW 2012, 2522 Rn.
10; Beschluss vom 19.
September 2013
IX
ZB
52/12, NJW 2014, 226 Rn.
9; Urteil vom 24.
September 2015
IX
ZR
206/14, NJW 2015, 3519 Rn.
11).
bb) Ein solcher konkreter Anlass bestand im Streitfall. Die [X.] des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hatte diesem am 20.
Juni 2016 unter Hinweis auf eine im [X.] für diesen Tag notierte nicht erledigte Berufungsbegründungsfrist eine Akte vorgelegt. Da die aus der vorgelegten Akte ersichtliche Frist bereits am 18.
Mai
2016 abgelaufen und zudem erledigt war, konnte sich die im [X.] notierte Frist nicht
auf diese Akte bezie-hen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte wegen der sich deshalb aufdrängenden
Zweifel, dass an diesem Tag in einer anderen Sache eine Beru-fungsbegründungsfrist ablief, eine Nachforschung vornehmen müssen. Diese hätte nach Lage der Dinge anhand der notierten internen Aktenzeichen zur Aufdeckung der Verwechslung geführt und
gegebenenfalls nach Stellung ei-10
11
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-
6
-
nes erstmaligen Fristverlängerungsantrags gemäß §
520 Abs.
2 Satz
3 ZPO

die Versäumung der Frist verhindert.
c) Nach den Ausführungen zu vorstehend II
2
a und b kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die [X.] der Frist zur
Begründung der Berufung auch schon deshalb [X.] verursacht hat, weil er keine im Hinblick auf die Besonderheiten des [X.] gebotenen besonderen Sicherungsvorkehrungen getroffen hat.
II[X.] Nach allem ist die Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.04.2016 -
17 O 1133/14 -

O[X.], Entscheidung vom 14.11.2016 -
2 U 73/16 -

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Meta

I ZB 111/16

29.06.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2017, Az. I ZB 111/16 (REWIS RS 2017, 8794)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8794

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