Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2023, Az. 2 ARs 159/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2858

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Gegenstand

Bestimmung des zuständigen Gerichts zur Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung durch den BGH als gemeinschaftliches oberes Gericht


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Bestimmung des zur Entscheidung über den Widerruf der im Gesamtstrafenbeschluss des [X.] vom 4. März 2022, [X.]. 445 [X.] – 64 Js 1349/18 – 83/19, bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung berufenen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Strafvollstreckungskammern der [X.] und [X.] streiten über die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Widerruf der mit Gesamtstrafenbeschluss (§ 460 StPO) des [X.] vom 4. März 2022, [X.]. 445 [X.] – 64 Js 1349/18 – 83/19, bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung.

I.

2

1. Nachdem sich der Verurteilte bis zum 28. Dezember 2017 zur Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren aus dem Urteil des [X.] vom 2. August 2010 in einer im Landgerichtsbezirk [X.] gelegenen Justizvollzugsanstalt befunden hatte, diese vollständig vollstreckt worden und kraft Gesetzes (noch nicht beendete) Führungsaufsicht eingetreten war (§ 68f Abs. 1 Satz 1 StGB), wurde er mit weiteren Urteilen des [X.] vom 11. Dezember 2018, [X.]. 401 Ds 1185/18, in Gestalt des Urteils des [X.] vom 27. Februar 2019, [X.]. 11 [X.] Js 1075/18-8/19, und vom 30. Juni 2020, [X.]. 445 [X.] 64 Js 1349/18-83/19, jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die vorgenannten Freiheitsstrafen wurden mit Beschluss des [X.] vom 4. März 2022 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückgeführt, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beschluss ist seit dem 19. März 2022 rechtskräftig.

3

Bereits zuvor hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] mit Verfügung vom 7. Januar 2022 die Bewährungsaufsicht in dem Bewährungsverfahren 445 [X.] 64 Js 1349/18-83/19 [X.] (Urteil des [X.] vom 30. Juni 2020) übernommen und die Beteiligten mit Verfügung vom 8. Februar 2022 zu einem drohenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung angehört, da sich der Verurteilte in einem weiteren Strafverfahren seit dem 2. September 2021 in Untersuchungshaft in der [X.]befunden hatte, worüber der Bewährungshelfer des Verurteilten das [X.] mit Schreiben vom 8. Dezember 2021 zum dort befindlichen Bewährungsheft in Kenntnis gesetzt hatte. Dieses Verfahren endete mit Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2021, mit dem gegen den Verurteilten eine Freiheitstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde. Mit am 29. Dezember 2021 eingetretener Rechtskraft schloss sich taggleich die Organisationshaft des Verurteilten in der [X.]an. Seit dem 9. Februar 2022 befindet sich der Verurteilte in der [X.], gelegen im [X.].

4

Mit Beschluss vom 26. April 2022 widerrief die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] „die Strafaussetzung aus dem Gesamtstrafenbeschluss des [X.]“ vom 4. März 2022. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hob das [X.] mit Beschluss vom 1. August 2022 die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer [X.] wegen örtlicher Unzuständigkeit auf; örtlich zuständig sei vielmehr das [X.].

5

2. Aufgrund der Beschwerdeentscheidung des [X.] gab die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] die Sache am 29. August 2022 an die Strafvollstreckungskammer des [X.] ab, die das Verfahren unter Darlegung ihrer Rechtsauffassung, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] zuständig sei, am 10. Oktober 2022 dorthin zurückleitete. Das Landgericht [X.] sah sich an einer (erneuten) Übernahme aufgrund der im Beschwerdeverfahren ergangenen Entscheidung des [X.] gehindert. Das [X.] erklärte sich daraufhin mit Beschluss vom 14. Dezember 2022 für örtlich unzuständig und hat die Sache gemäß § 14 StPO dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

6

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist abzulehnen. Zwar handelt es sich bei den Landgerichten [X.] und [X.] um solche, die in den Zuständigkeitsbereich verschiedener Oberlandesgerichte ([X.] bzw. [X.]) fallen. Eine Bestimmung des für die Entscheidung einer Sache zuständigen Gerichts durch den [X.] als gemeinschaftliches oberes Gericht nach § 14 StPO ist aber nur dann möglich, wenn die Zuständigkeit eines der streitenden Gerichte gegeben ist (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Februar 1983 – 2 [X.], BGHSt 31, 244; vom 27. Juni 1975 – 2 [X.], BGHSt 26, 162; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 14 Rn. 4). Das ist hier nicht der Fall. Zur Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Gesamtstrafenbeschluss des [X.] vom 4. März 2022, [X.]. 445 [X.] 64 Js 1349/18 - 83/19, ist die Strafvollstreckungskammer des [X.] berufen.

7

Die nach dem Eintritt der Führungsaufsicht zunächst gemäß § 462a Abs. 1 Satz 2, § 463 Abs. 7 StPO bestehende und gemäß § 462a Abs. 4 Satz 3 StPO auch die Widerrufsentscheidung betreffend der in den Urteilen des [X.] vom 11. Dezember 2018 und 30. Juni 2020 bewilligten [X.] zur Bewährung (§ 453 StPO) erfassende Fortsetzungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] – die seit dem Eingang des [X.] vom 8. Dezember 2021 beim [X.], dem Gericht erster Instanz, mit diesen Widerrufen befasst war (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2007 – 2 [X.]) – endete mit Eintritt der Rechtskraft des nachträglichen [X.] vom 4. März 2022 am 19. März 2022. Denn mit der Einbeziehung der jeweiligen Freiheitsstrafen in die neu gebildete und zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe haben diese ihre Selbstständigkeit verloren (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 2004 – 2 [X.]). Mit der neu gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe war die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] aber vor den Zeitpunkten, in denen gegen den Verurteilten zunächst Organisationshaft und sodann seit dem 9. Februar 2022 die mit Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2021 angeordnete Maßregel vollzogen wurden, noch nicht befasst.

8

Da sich der Verurteilte im insoweit nunmehr maßgeblichen Zeitpunkt am 19. März 2022 bereits im Maßregelvollzug in einer im [X.] gelegenen Einrichtung befand, ist die Strafvollstreckungskammer des [X.] gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1, § 463 Abs. 1 StPO zur Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung berufen.

[X.]     

      

Appl     

      

Zeng   

      

Meyberg     

      

Schmidt     

      

Meta

2 ARs 159/23

25.04.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 14 StPO, § 453 StPO, § 462a Abs 1 S 2 StPO, § 462a Abs 4 S 3 StPO, § 463 Abs 7 StPO, § 68f Abs 1 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2023, Az. 2 ARs 159/23 (REWIS RS 2023, 2858)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2858

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