Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.12.2016, Az. II R 21/14

2. Senat | REWIS RS 2016, 1266

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Gegenstand

Besteuerung eines durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruchs - Pflichtteilsanspruch als Geldanspruch - Besteuerung mehrerer Erwerbe in einem Bescheid


Leitsatz

Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass und unterliegt beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls. Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben kommt es nicht an.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 3. April 2013  4 K 1973/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe nach seinem im September 2008 verstorbenen Vater ([X.]rblasser --[X.]--). [X.] hatte mit seiner im April 2008 vorverstorbenen [X.]hefrau ([X.]F) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und sein [X.]rbe nach dem Tod der [X.]F ausgeschlagen.

2

Am 16. Januar 2009 machte der Kläger den infolge der [X.]rbausschlagung entstandenen Pflichtteilsanspruch des [X.] am Nachlass der [X.]F in Höhe von 400.000 € geltend.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte gegen den Kläger zuletzt mit Änderungsbescheid vom 2. Dezember 2009, ausgehend von einem steuerpflichtigen [X.]rwerb von 2.601.072,05 €, [X.]rbschaftsteuer in Höhe von 455.240 € auf den Todeszeitpunkt fest. Auf den hiergegen erhobenen [X.]inspruch erhöhte das [X.] nach einem entsprechenden [X.] die [X.]rbschaftsteuer durch [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 auf 531.373 €. Dabei rechnete es u.a. den vom Kläger geltend gemachten Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 € dem erbschaftsteuerrechtlichen [X.]rwerb hinzu. Dies begründete das [X.] damit, dass die [X.]rbschaftsteuer für den durch den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger des [X.] geltend gemachten Pflichtteil gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ([X.]rbStG) erst mit der Geltendmachung am 16. Januar 2009 entstanden sei. Im vorliegenden Fall gehe es jedoch nicht um die Besteuerung des Pflichtteils des [X.] nach der [X.]F, sondern um den Nachlass des [X.], der auf den Kläger übergegangen sei.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Pflichtteilsanspruch des [X.] sei Bestandteil des auf den Kläger übergegangenen Nachlasses. Der Kläger unterliege der [X.]rbschaftsteuer allein wegen des [X.]rwerbs durch [X.]rbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.]rbStG). Die Geltendmachung des [X.] sei zwar Voraussetzung für die Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.]rbStG, nicht aber für die Berechnung der Bereicherung im Falle eines [X.]rwerbs von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.]rbStG. Die [X.]ntscheidung ist in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte ([X.]FG) 2013, 1154 veröffentlicht.

5

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.]rbStG. Diese Norm sei nach Sinn und Zweck so auszulegen, dass ein Pflichtteil immer erst mit seiner Geltendmachung der Besteuerung unterliege. Der [X.]rwerb des [X.] durch ihn --den [X.] nach § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) habe nicht bereits mit dem Tode des [X.] der [X.]rbschaftsteuer unterlegen, sondern erst bei Geltendmachung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.]rbStG. [X.]ine zweimalige Besteuerung eines Anspruchs komme nicht in Betracht. Der angefochtene [X.]rbschaftsteueränderungsbescheid in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung sei nichtig, weil er die Steuer nicht auf die unterschiedlichen Steuerentstehungszeitpunkte für den [X.]rwerb aufgrund des [X.]rbanfalls und den [X.]rwerb des geltend gemachten [X.] aufgliedere.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.]rbschaftsteueränderungsbescheid vom 2. Dezember 2009 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 dahingehend zu ändern, dass die [X.]rbschaftsteuer auf 455.373 € herabgesetzt wird.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass ein vom [X.]rblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch beim [X.]rben der Besteuerung aufgrund [X.] nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.] unterliegt. Auf die Geltendmachung des [X.] durch den [X.]rben kommt es nicht an.

9

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] unterliegt der [X.]rwerb von Todes wegen der [X.]rbschaftsteuer. Als [X.]rwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der [X.]rwerb durch [X.]rbanfall (§ 1922 [X.]), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. [X.]) oder aufgrund eines geltend gemachten [X.] (§§ 2303 ff. [X.]). [X.]rbanfall ist der Übergang der [X.]rbschaft auf den oder die [X.]rben (§ 1942 [X.]). Nach § 1922 [X.]. § 1942 [X.] geht das vererbbare Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den oder die [X.]rben über, d.h. der [X.]rbe oder die [X.]rben ([X.]rbengemeinschaft) treten umfassend in die Rechtsposition des [X.]rblassers ein (Fischer in Fischer/Jüptner/ [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 3 Rz 100).

a) Maßgebend für die Bestimmung, welche Vermögensgegenstände am Stichtag dem Vermögen des [X.]rblassers zuzuordnen sind und als Nachlassvermögen auf den oder die [X.]rben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, ist allein das Zivilrecht. [X.]ine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist insoweit ausgeschlossen. Dies folgt bereits aus der ausdrücklichen Verweisung in § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.] auf § 1922 [X.] (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 15. Oktober 1997 II R 68/95, [X.], 248, [X.] 1997, 820; [X.] vom 23. Januar 1991 II B 46/90, [X.], 233, [X.] 1991, 310; [X.], [X.]rbschaftsteuer- und  Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 14a; [X.] in [X.] [X.], § 10 [X.] Rz 8a; [X.] in [X.], [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10, Rz 10; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 10 Rz 16; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 4. Aufl., § 10 [X.] Rz 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10, Rz 33; [X.] in [X.]/ [X.], [X.], Bis 30. Juni 2016, § 10 [X.] Rz 33 --Aktualisierung vom 10. November 2016--; R [X.] 12.2 Abs. 2 Satz 1 der [X.] 2011).

b) Auch ein vom [X.]rblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass.

aa) Nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann ein Abkömmling des [X.]rblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der [X.]rbfolge ausgeschlossen ist, von dem [X.]rben den Pflichtteil verlangen. Das gleiche Recht steht den [X.]ltern und dem [X.]hegatten des [X.]rblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der [X.]rbfolge ausgeschlossen sind (§ 2303 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen [X.]rbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

bb) Der überlebende [X.]hegatte, der die [X.]rbschaft ausschlägt, kann neben dem Ausgleich des Zugewinns den Pflichtteil auch dann verlangen, wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustände (§ 1371 Abs. 3  1. Halbsatz [X.]). Dem die [X.]rbschaft ausschlagenden [X.]hegatten bleibt somit im Falle des gesetzlichen Güterstands das Pflichtteilsrecht erhalten. Durch diese Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der überlebende [X.]hegatte ein schutzwürdiges Interesse an der Ausschlagung haben kann. [X.]r soll in seiner [X.]ntschließung, ob er die [X.]rbschaft mit erhöhtem gesetzlichen [X.]rbteil oder den Ausgleich des Zugewinns zusammen mit dem Pflichtteil wählen will, frei sein ([X.]/Brudermüller, [X.], 76. Aufl., § 1371 Rz 19).

cc) Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch (Urteil des [X.] --BGH-- vom 1. Oktober 1958 V ZR 53/58, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1958, 1964; [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 2303 Rz 7), der nach § 2317 Abs. 1 [X.] bereits mit dem [X.]rbfall als Vollrecht entsteht und von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten gehört (vgl. [X.] vom 8. Juli 1993 IX ZR 116/92, [X.], 183), und zwar unabhängig davon, ob er gegen den oder die [X.]rben geltend gemacht wird (vgl. [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 3 Rz 147). Der Pflichtteilsanspruch ist zwar nur unter den Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 der Zivilprozessordnung, d.h. bei vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit pfändbar, so dass ein Pfändungsgläubiger dem Pflichtteilsberechtigten die Geltendmachung des Anspruchs nicht aufzwingen kann (vgl. [X.] vom 6. Mai 1997 IX ZR 147/96, NJW 1997, 2384). Der bereits mit dem [X.]rbfall zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch ist jedoch nach § 2317 Abs. 2 [X.] vererblich und übertragbar und gehört somit beim Ableben des Pflichtteilsberechtigten zu dessen Nachlass. Der [X.]rbe des Pflichtteilsberechtigten kann den durch [X.]rbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruch geltend machen, selbst wenn der verstorbene Pflichtteilsberechtigte dies persönlich zu Lebzeiten unterlassen hatte (so auch [X.] in [X.]/[X.], § 3 [X.] Rz 211.1; [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 3, Rz 154).

c) Die Geltendmachung des [X.] ist bei einem ererbten (derivativen) Pflichtteilsanspruch für die Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.] --anders als beim originären Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.]-- nicht erforderlich.

aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.] gilt ein Pflichtteilsanspruch erst dann als [X.]rwerb von Todes wegen, wenn er (vom Pflichtteilsberechtigten) geltend gemacht wird. Dem bloßen zivilrechtlichen [X.]ntstehen des Anspruchs auf einen Pflichtteil mit dem [X.]rbfall (§ 2317 Abs. 1 [X.]) kommt erbschaftsteuerrechtlich im Rahmen der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.] noch keine Bedeutung zu.

Damit weicht das [X.]rbschaftsteuerrecht vom Zivilrecht ([X.]) ab. Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines [X.] ist im Interesse des Berechtigten geschehen und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann [X.]rbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt (vgl. [X.]-Urteil vom 19. Februar 2013 II R 47/11, [X.], 186, [X.] 2013, 332, Rz 11, m.w.[X.]). Damit wird die [X.]ntschließungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten respektiert und zugleich der Tatsache Rechnung getragen, dass der Pflichtteil nicht --anders als die [X.]rbschaft (§ 1942 Abs. 1 [X.]) oder ein Vermächtnis (§ 2180 Abs. 1 [X.])-- ausgeschlagen, der Rechtsanfall also nicht rückwirkend beseitigt werden kann (vgl. [X.] in [X.] [X.], a.a.[X.], § 3 [X.] Rz 118; [X.] in Troll/[X.]/ [X.], a.a.[X.], § 3 Rz 224; [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 3 Rz 159). Die "Geltendmachung" des [X.] besteht in dem ernstlichen Verlangen auf [X.]rfüllung des Anspruchs gegenüber dem [X.]rben. Ist dies geschehen, entsteht die [X.]rbschaftsteuer für den [X.]rwerb des [X.] (§ 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.]) nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung ([X.]-Urteil in [X.], 186, [X.] 2013, 332, Rz 12).

bb) Diese erbschaftsteuerrechtliche Besonderheit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.] [X.]. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.], wonach der [X.]rwerb des [X.] nur bei dessen Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten der [X.]rbschaftsteuer unterliegt, gilt nicht für den [X.]rwerb eines [X.] durch [X.]rbanfall (derivativer [X.]rwerb). Für diesen [X.]rwerb entsteht die Steuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.]. § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bereits mit dem Tode des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen [X.]rben ankommt.

(1) Der Wortlaut des Gesetzes fordert lediglich für die 3. Alternative des § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] eine "Geltendmachung" des [X.].

(2) Dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist ein über den Wortlaut der Norm hinausgehendes [X.]rfordernis der "Geltendmachung" nicht zu entnehmen. Rechtfertigung für das zeitliche Hinausschieben der Besteuerung eines originär erworbenen [X.] ist u.a. die [X.]ntschließungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten. Wegen der aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen in § 2303 [X.] notwendigen familiären Verbundenheit zwischen dem [X.]rblasser und dem Pflichtteilsberechtigten soll letzterem die [X.]ntscheidung darüber vorbehalten sein, ob er den originär erworbenen Pflichtteilsanspruch gegen den oder die [X.]rben durchsetzen will. Verstirbt jedoch der Pflichtteilsberechtigte, ohne dass er zu Lebzeiten seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, besteht das den Pflichtteilsanspruch begründende persönliche Näheverhältnis nicht mehr. Unerheblich ist, ob der [X.]rbe des Pflichtteilsberechtigten zu dem Verpflichteten ebenfalls in einem vergleichbaren Näheverhältnis steht.

(3) Der Umstand, dass ein Pflichtteilsanspruch --anders als eine [X.]rbschaft oder ein [X.] nicht ausgeschlagen werden kann, steht dieser Gesetzesauslegung nicht entgegen. Der ererbte (derivative) Pflichtteilsanspruch ist Teil des Nachlasses, der auf den [X.]rben nach § 1922 [X.] übergeht. Dem [X.]rben steht es frei, die [X.]rbschaft nach § 1942 Abs. 1 [X.] auszuschlagen und damit den Rechtsanfall --einschließlich des erworbenen [X.]-- insgesamt rückwirkend zu beseitigen.

(4) [X.]ntgegen der Auffassung des [X.] besteht im Rahmen dieser Gesetzesauslegung nicht die Gefahr einer doppelten Besteuerung "eines" [X.]. Der originär nach den §§ 2303 ff. [X.] in der Person des Pflichtteilsberechtigten entstandene und von diesem geltend gemachte Pflichtteilsanspruch wird nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.] besteuert, während sich die Besteuerung eines nach den §§ 1922, 2303 ff. [X.] ererbten (derivativen), durch den verstorbenen Pflichtteilsberechtigten nicht geltend gemachten [X.] beim [X.]rben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.] richtet. Macht der [X.]rbe des Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch später geltend, so entsteht dafür keine [X.]rbschaftsteuer. [X.]s kommt somit nicht zu einer doppelten Besteuerung des [X.]rwerbs des [X.]. Die Geltendmachung führt lediglich dazu, dass der Verpflichtete den Pflichtteil gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 [X.] als Nachlassverbindlichkeit abziehen kann.

d) Aus der [X.]ntscheidung des [X.] in [X.], 186, [X.] 2013, 332 folgt keine andere Beurteilung. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betraf den Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist. Der [X.] hat hierzu entschieden, dass trotz des zivilrechtlichen [X.]rlöschens des [X.] infolge der Konfusion erbschaftsteuerrechtlich das Recht des Pflichtteilsberechtigten zur Geltendmachung des Pflichtteils als Folge der Regelung in § 10 Abs. 3 [X.] bestehen bleibt. Dieser [X.]ntscheidung ist nicht zu entnehmen, dass auch der ererbte Pflichtteilsanspruch unter § 3 Abs. 1 Nr. 1  3. Alternative [X.] fällt.

2. Nach diesen Grundsätzen ist das [X.] im Streitfall zu Recht zu dem [X.]rgebnis gekommen, dass der ererbte Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 € der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.] unterliegt und daher dem [X.]rwerb des [X.] hinzuzurechnen ist.

3. Der vom [X.] erlassene [X.]rbschaftsteueränderungsbescheid vom 2. Dezember 2009 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 ist --entgegen der Ansicht des [X.]-- nicht mangels hinreichender Bestimmtheit nichtig i.S. des § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

a) Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO) und die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Werden mehrere [X.]rwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid besteuert, bedarf es neben der genauen Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände, [X.]) besteuert werden sollen, für jeden Steuerfall einer gesonderten Festsetzung der Steuer. [X.]s ist unzulässig, bei mehreren Lebenssachverhalten die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag ohne Aufgliederung zusammenzufassen (vgl. [X.]-Urteil vom 20. November 2013 II R 64/11, [X.]/NV 2014, 716, Rz 28-30, jeweils m.w.[X.]). Bei der Auslegung des Bescheids ist nicht allein auf dessen Tenor abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung (vgl. [X.]-Urteil vom 22. August 2007 II R 44/05, [X.][X.] 218, 494, [X.] 2009, 754, Rz 15 f.).

b) Sowohl aus dem Tenor der [X.]inspruchsentscheidung als auch aus ihrer Begründung ergibt sich, dass das [X.] von nur einem Steuerfall ([X.]rwerb durch [X.]rbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.]) mit einem einheitlichen Steuerentstehungszeitpunkt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] (Tod des [X.]rblassers) ausgegangen ist. Zwar führt das [X.] in der [X.]inspruchsentscheidung aus, dass die [X.]rbschaftsteuer für einen geltend gemachten Pflichtteil gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] erst mit der Geltendmachung des [X.] entsteht. [X.]s hat aber zugleich deutlich gemacht, dass es im Streitfall hierauf nicht ankommt, da es ausschließlich um die Besteuerung des auf den Kläger übergegangenen Nachlasses des [X.] geht. Dieses [X.]rgebnis ist nach den oben dargelegten Grundsätzen (II.1.) zutreffend. [X.]ine Aufgliederung der Steuerfestsetzung in mehrere [X.]rwerbe war deshalb nicht geboten.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 21/14

07.12.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 3. April 2013, Az: 4 K 1973/10, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 Buchst b ErbStG 1997, § 10 Abs 3 ErbStG 1997, § 1371 Abs 3 BGB, § 1922 BGB, § 1937 BGB, § 1942 BGB, §§ 2147ff BGB, § 2180 Abs 1 BGB, § 2303 BGB, § 2317 BGB, § 10 Abs 5 Nr 2 ErbStG, § 2147 BGB, § 119 Abs 1 AO, § 125 Abs 1 AO, § 157 Abs 1 AO, § 852 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.12.2016, Az. II R 21/14 (REWIS RS 2016, 1266)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1266

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