Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2014, Az. 4 StR 416/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 1556

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 416/14

vom
6. November
2014
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 6.
November
2014
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Bielefeld vom 22.
April 2014 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwur-gericht zuständige Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sieben
Jah-ren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er [X.] die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg und führt zur Aufhe-bung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1
-
3
-
I.
1.
Nach den Feststellungen führte der Angeklagte am Morgen des Tatta-ges eine Begegnung mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, der Neben-klägerin,
herbei,

.dass sie um 9.30
Uhr ihre Arbeit in einem Restaurant aufzunehmen hatte und mit dem in der unverschlossenen ([X.] abgestellten Fahrrad zur Arbeitsstelle zu fahren pflegte. Er begab sich in die Garage, verschloss diese von innen und stellte das Fahrrad seiner Ehefrau nach hinten, damit sie weiter in die Garage hineingehen musste. Dann versteckte
er
sich hinter dem Pkw des Nachbarn auf der anderen
Seite der Doppelgarage
und rauchte Zigaretten. Er beabsichtigte, sich erst zu erkennen zu geben, wenn seine Ehefrau ihr Fahrrad erreicht und ergriffen hatte, um es herauszuschieben. Die
Nebenklägerin
öffne-te das Garagentor mit einem zuvor aus ihrer Wohnung geholten Schlüssel. Als sie stärkeren Tabakgeruch wahrnahm, schaute sie sich nach dem Angeklagten um, entdeckte aber weder ihn noch sein
entgegen seinen Gepflogenheiten
etwas weiter entfernt geparktes Fahrzeug. In der Annahme, dass sich ihr [X.] jedenfalls jetzt nicht mehr in der Garage aufhalten würde, ging sie zu
ihrem Fahrrad und ergriff den Lenker. In diesem Moment sprang der [X.] hervor; er
schloss zügig das Garagentor. Sodann ging er schnell auf seine Ehefrau zu und fragte sie
unter anderemHündin gestern telefoniert? Mit einem R.

dass ihn das nichts angehe. Daraufhin legte er von hinten den linken Arm um ihren Oberkörper und zog sie rückwärts so nahe an sich heran, dass sie seinen Körper spürte. Während er sie auf diese Weise festhielt, holte er mit der rechten Hand einen bislang unter seiner Kleidung verborgenen, ca. 30
cm langen
[X.] hervor und hielt ihn seiner Ehefrau vorne etwa mittig an ihren r-2
-
4
-
derlichen Sicherheit feststellen können, ob der Angeklagte diesen Spieß bereits mitgebracht oder in der Garage gefunden und in seine Kleidung gesteckt hatte. Ich bringe

kräftig mit der Spitze in

Kauf nahm und die von ihm zuvor geschaffene Überraschungssituation bewusst es nicht,
die Hand des Angeklagten mit dem Spieß wegzuziehen. Nach ihrem Empfinden stach er so-dann den [X.] noch tiefer in
ihren Hals. [X.] später sackte sie zusammen und der Angeklagte zog den Spieß aus
der Wunde. Dabei nahm er an, dass seine Frau lebensgefährlich verletzt sei und sterben werde. Er ging noch längere [X.] in der Garage umher, ohne sich um die Nebenklägerin
zu kümmern; diese stellte sich tot. Schließlich verließ er die Garage, zog [X.] von außen zu und verschloss es. Auch zu diesem [X.]punkt ging
er
weiterhin davon aus, dass er seine Ehefrau so schwer verletzt hatte, dass sie sterben würde. Die Geschädigte konnte jedoch auf sich aufmerksam machen und [X.] zunächst notärztlich und sodann stationär in einem Klinikum medizinisch versorgt
und gerettet.
2.
Das [X.] ist von einem versuchten [X.]. Die Geschädigte sei im [X.]punkt des Betretens ihrer Garage arg-
und wehrlos gewesen. Sie habe sich vergewissert, dass [X.] sich nicht in ihrer Nähe aufhalte und deshalb nicht mit einem erheblichen Angriff gegen ihre kör-perliche Unversehrtheit gerechnet. Das habe der Angeklagte gewusst, der sich auch darüber im Klaren gewesen sei, dass die Geschädigte infolge ihrer Arglo-sigkeit wehrlos gewesen sei, also insbesondere keine effektive Gegenwehr ha-be leisten können. Die Wehrlosigkeit sowie das [X.] zeig-der Auswahl des Tatorts und dem planmäßigen [X.]
-
5
-
hen
des Angeklagten. Er habe das Fahrrad bewusst in den hinteren Bereich der Garage geschoben, um zu erreichen, dass sie weiter in diese habe hineingehen müssen. Er habe sie auf diese Weise überrascht, als er aus dem Versteck her-vorgetreten
sei und das Garagentor geschlossen habe. Anschließend habe er ihren Oberkörper von hinten umfasst und sie festgehalten, um ihr auch insoweit keine körperliche Gegenwehr zu ermöglichen.
II.
Die Verurteilung wegen eines versuchten [X.] gemäß §
211 Abs.
2, §§
22, 23 Abs.
1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Be-denken.
1.
Die Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte zur heimtücki-schen Tötung seiner Ehefrau unmittelbar angesetzt hat.
[X.] handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg-
und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilf-losen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein
Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (st. Rspr.; vgl. u.a. [X.], Urteil vom 27.
Juni 2006

1
StR
113/06, [X.], 502 mwN). Für das bewusste Ausnutzen von Arg-
und Wehrlosigkeit ist es erforderlich, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. hierzu zuletzt [X.], Urteil vom 4
5
6
-
6
-
31.
Juli 2014

4
StR
147/14). Die Rechtsprechung hat den Grundsatz, dass Heimtücke Arglosigkeit des Angegriffenen bei [X.] voraussetzt, für [X.] typische Ausnahmefälle modifiziert (vgl. [X.], Urteile
vom 17.
Januar 1968

2
StR 523/67, [X.]St 22,
77, 79
f., und vom 4.
Juli 1984

3
StR
199/84, [X.]St 32, 382, 385
f.; Beschluss vom 4.
Juni 2013

4
StR
180/13). Ein sol-cher Ausnahmefall liegt etwa vor, wenn der Täter das Opfer mit Tötungsvorsatz planmäßig in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei [X.] der Tat noch fortwirken ([X.], Urteil vom 17.
Januar 1968, aaO; [X.] vom 7.
April 1989

3
StR
83/89, [X.], 364; Urteile vom 14.
Juni 1960

1
StR
73/60, und vom 9.
Dezember 1980

1
StR
620/80).
Nach diesen Maßstäben ist hier nicht belegt, dass der Angeklagte heimtückisches Vorgehen in seine Vorstellung aufgenommen hatte, als er zur Tötung seiner Ehefrau un-mittelbar ansetzte:
Das [X.] ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass er seine Ta(seiner Ehefrau)

der Urteilsgründe erst für den [X.]punkt entnehmen, indem er die Geschädigte von hinten umklammerte, ihr die Spitze des [X.]es an den Hals hielt t-telbar darauf folgenden Tatgeschehen
hat das Schwurgericht seine Annahme gehandelt. Dann aber
war die Geschädigte in dem Moment, in dem der [X.], also bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten An-griffs, nicht mehr arglos. Denn der Angeklagte hatte von hinten den linken Arm um ihren Oberkörper gelegt und ihr
die Spitze des [X.] spürbar an den Hals gehalten; in dieser Situation hatte
er ihr angekündigt, sie zu töten. Die Annahme 7
-
7
-
eines versuchten [X.] kann hier auch nicht auf die aufgezeigte Ausnahme von dem Grundsatz, dass Heimtücke Arglosigkeit des Angegriffenen bei [X.] voraussetzt, gestützt werden. Denn auch in den Fällen, in denen der Täter das Opfer in eine Falle lockt, hat die Rechtsprechung stets daran festgehalten, dass der Täter bereits in
diesem Moment
mit Tötungsvorsatz
handelt ([X.], Urteile
vom 4.
Juli 1984

3
StR
199/84, [X.]St 32, 382,
384, vom 11.
März 2003

1
StR
507/02 [Rn.
32], und
vom 10.
Februar 2010

2
StR 503/09, [X.], 450). Daran fehlt es hier:
Sämtliche Verhaltenswei-sen des Angeklagten, die das [X.] auf
UA
22
f. zum Beleg der Ausnut-zung der Arg-
und Wehrlosigkeit des Opfers anführt, liegen vor dem [X.]punkt, in dem der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen erstmals seinen
Tötungsvorsatz gefasst
hat.
2.
Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. [X.], [X.] vom 27.
Juni 2000

4
StR
211/00; [X.] in [X.], 7.
Aufl., §
353 Rn.
12 mwN), sodass es nicht darauf ankommt, ob das [X.] rechtsfeh-lerfrei von einer Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
3 StGB ausgegangen ist.
III.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es sich empfehlen dürfte,
die Herkunft der Tatwaffe zu klären. Jedenfalls ist der [X.]punkt zu be-stimmen, zu dem der Angeklagte (spätestens) den [X.] in seiner Klei-dung verborgen hat. Auch erscheint es ohne nähere Erläuterung widersprüch-lich, wenn der Tatrichter davon ausgeht, der Angeklagte habe zumindest ein 8
9
-
8
-
Gespräch mit seiner Ehefrau erzwingen wollen (UA
9), in der Beweiswürdigung jedoch zur Widerlegung der einen Tötungsvorsatz bestreitenden Einlassung des Angeklagten maßgeblich darauf abhebt, der Angeklagte habe in Kenntnis des Arbeitsbeginns seiner Ehefrau gewusst, dass für ein klärendes Gespräch gar keine [X.] gewesen sei
(UA
19).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 416/14

06.11.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2014, Az. 4 StR 416/14 (REWIS RS 2014, 1556)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1556

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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