Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.09.2023, Az. B 7 AS 39/23 B

7. Senat | REWIS RS 2023, 8147

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - Formulierung einer konkreten Rechtsfrage


Tenor

Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 9. Februar 2023 werden als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

[X.] sind unzulässig, weil weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.]) noch der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) oder des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist. Der [X.] konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung [X.] nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.] entscheiden.

2

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur [X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

3

Die Kläger führen zwar zumindest sinngemäß aus, im Zusammenhang mit der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X dürfte die Frage, ob der Sozialleistungsträger im Rahmen eines [X.] keine eigenen Ermittlungen durchführen müsse, vielmehr den Abschluss eines Strafverfahrens abwarten dürfe, an den sich dann erst eine Anhörung (zur beabsichtigten Rücknahme) anschließe, von grundsätzlicher Bedeutung sein. Aus diesem Vorbringen lässt sich allerdings keine konkrete Rechtsfrage ableiten, die zur Entscheidung des [X.]s gestellt werden soll. Vielmehr kleiden die Kläger ihre Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des [X.] im konkreten Einzelfall lediglich in mehr oder weniger allgemein gehaltene Behauptungen ein, das [X.] hätte im vorliegenden Fall von einer früheren Kenntnis des Beklagten von den eine Aufhebung der Bewilligungsbescheide rechtfertigenden Umständen ausgehen müssen mit der Konsequenz, dass die Frist für die Rücknahme der [X.] schon verstrichen gewesen sei. Diese Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung vermag aber die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen (stRspr; vgl nur [X.] vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - [X.] 1500 § 160a Nr 7).

4

Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit die Kläger geltend machen, grundsätzlich klärungsbedürftig sei auch die Frage, ob von einem Sozialleistungsträger verlangt werde, dass er nach Kenntnis von Umständen, die die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides nach § 45 SGB X rechtfertigen könnten, eigene Ermittlungen beginne, oder ob er sich auf den Abschluss eines Strafverfahrens verlassen dürfe. Neben ihrer - für die Revisionszulassung unbeachtlichen - Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung würde die Beantwortung der formulierten Frage zudem eine kommentar- oder lehrbuchmäßige Aufarbeitung einer abstrakten Fragestellung verlangen, was aber nicht zur Aufgabe des [X.]s gehört (vgl nur [X.] vom 16.4.2018 - [X.] [X.] 2/18 B). Dies gilt ohne Einschränkungen auch, soweit die Kläger weiter ausführen, unterstellt, es dürfe auf den Abschluss eines Strafverfahrens gewartet werden, sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ein ggf durchzuführendes Anhörungsverfahren binnen eines Jahres nach Abschluss des Strafverfahrens durchgeführt werden dürfe oder aber unverzüglich mit der Versendung des Anhörungsschreibens begonnen werden müsse bzw welcher Zeitrahmen unter zeitnaher und zügiger Ermittlung verstanden werden müsse.

5

Auch den Zulassungsgrund der Divergenz haben die Kläger nicht ordnungsgemäß behauptet. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des [X.] abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das [X.] aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das [X.] dem [X.] widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des [X.] abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat ([X.] vom [X.]/21 B - RdNr 12 mwN). Daran fehlt es, wenn die Kläger vortragen, das Urteil des [X.] verstoße gegen Entscheidungen des [X.] bzw des [X.], ohne zugleich darzulegen, dass die aus ihrer Sicht abweichende Beurteilung des [X.] auf von diesem entwickelten abweichenden Kriterien beruht.

6

Nicht hinreichend dargetan ist schließlich der behauptete Verfahrensmangel. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB [X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]4; [X.] vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6).

7

Wer sich - wie hier - ua auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.] stützt, muss für die ordnungsgemäße Darlegung des behaupteten [X.] einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB [X.] vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] mwN). Die Kläger behaupten zwar ua, es liege eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht darin, dass das [X.] Blatt 67 ff Sonderband der staatsanwaltschaftlichen Akten nicht gewürdigt habe. Einen Beweisantrag, der bis zuletzt aufrechterhalten worden ist, bezeichnen sie (damit) aber nicht.

8

[X.] beruht auf §§ 183, 193 [X.].

        

Siefert

Harich

Neumann

Meta

B 7 AS 39/23 B

12.09.2023

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Duisburg, 28. August 2020, Az: S 41 AS 81/19, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.09.2023, Az. B 7 AS 39/23 B (REWIS RS 2023, 8147)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8147

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