Bundessozialgericht, Urteil vom 17.05.2023, Az. B 8 SO 6/22 R

8. Senat | REWIS RS 2023, 6925

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch eines Sozialdienstleisters auf Zuschuss nach dem SodEG - Zuschusshöhe - Prognose für zukünftige Zeiträume - Spitzabrechnung für zurückliegende Zeiträume - Abzug vorrangiger Mittel vom Monatsdurchschnitt


Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 16. März 2022 und der Gerichtsbescheid des [X.] vom 28. April 2021 aufgehoben sowie der Bescheid des Beklagten vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2021 geändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Monate Juni und Juli 2020 weitere Leistungen nach dem [X.] in Höhe von 9539,29 Euro zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 9539,29 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Höhe von Zuschüssen nach dem Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und [X.] Dienste zur Bekämpfung der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise in Verbindung mit einem Sicherstellungsauftrag ([X.] <[X.]>) für die Monate Juni und Juli 2020.

2

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erbrachte [X.] auf Grundlage einer mit dem beklagten [X.] Landkreis geschlossenen Leistungs-, Qualitäts- und Prüfungsvereinbarung vom [X.] sowie einer Vergütungsvereinbarung vom [X.] in dessen Zuständigkeitsbereich Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des [X.] von Menschen mit Behinderungen - ([X.]) ua in Form von [X.] mit geistiger oder somatischer Behinderung oder Mehrfachbehinderung in Schulen (Schulbegleitung). Der Beklagte zahlte der Klägerin in der [X.] von März 2019 bis Februar 2020 für die Erbringung dieser Leistungen einen Betrag von 326 282,46 [X.] sowie im Juni und im Juli 2020 eine Leistungsvergütung für erbrachte Leistungen iHv 15 984,65 [X.] (Juni) bzw iHv 2741,74 [X.] (Juli).

3

Ab dem 16.3.2020 wurde infolge der COVID-19-Pandemie der reguläre Präsenzunterricht in [X.] Schulen eingestellt (§ 3 der [X.] vom 13.3.2020, [X.]). Die Klägerin stellte am [X.] bei dem Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem [X.] ab Juni 2020 bis voraussichtlich Ende September 2020. Dem Antrag beigefügt war eine Erklärung, mit der die Klägerin die Einsatzmöglichkeiten ihres Personals sowie ihrer Gebäude und Sachmittel einschließlich der rechtlichen [X.] und der tatsächlichen Einsatzfähigkeit und -bereitschaft darstellte und die Richtigkeit der Angaben versicherte.

4

Der Beklagte bewilligte für Juni und Juli 2020 einen monatlichen Zuschuss nach dem [X.] vorbehaltlich der Feststellung nachträglicher Erstattungsansprüche (Bescheid vom 12.11.2020; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Bei der Berechnung legte er 75 Prozent des monatlichen Durchschnitts der im [X.]raum März 2019 bis Februar 2020 erhaltenen Gesamtzahlungen zugrunde (im Bescheid berechnet mit 20 392,65 [X.]) und zog von diesem Betrag die bereits geleisteten Zahlungen ab. Daraus ergab sich für den Monat Juni 2020 ein Zuschuss iHv 4408 [X.] (20 392,65 [X.] - 15 984,65 [X.]) und für Juli 2020 ein Zuschuss iHv 17 650,91 [X.] (20 392,65 [X.] - 2741,74 [X.]).

5

Die Klage, gerichtet auf die Bewilligung von Zuschüssen iHv insgesamt 11 205,55 [X.] für den Monat Juni 2020 und iHv insgesamt 20 392,65 [X.] für den Monat Juli 2020, hilfsweise auf Neubescheidung des Antrags, hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 28.4.2021; Urteil des [X.] Landessozialgerichts <[X.]> vom 16.3.2022). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht die tatsächlich erhaltenen Zahlungen nicht vom monatlichen Durchschnitt der Zahlungen im vorangegangenen Jahreszeitraum, sondern vom Zuschuss selbst abgezogen. Das [X.] ermögliche lediglich eine Teilabsicherung und sei im Übrigen subsidiär. Im Rahmen der Ermessensausübung habe der Beklagte bei der [X.] diejenigen Mittel zu berücksichtigen, die im Wege der Erstattung nach § 4 [X.] zurückgezahlt werden müssten. Für einen Abzug vorrangiger Mittel vom Monatsdurchschnitt fänden sich weder im Gesetz selbst noch in den [X.] Anhaltspunkte.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 3 Satz 5 und § 4 [X.]. Die Berücksichtigung der zugeflossenen Mittel bei der Berechnung der Zuschüsse sei unzulässig, weil diese nach dem Wortlaut des § 4 [X.] erst nachträglich im Zuge des [X.] erfolgen dürfe. Jedenfalls entspräche es der gesetzgeberischen Zielsetzung, dass zugeflossene Mittel nur dann zum Abzug gebracht werden könnten, wenn sie 25 Prozent des Monatsdurchschnitts nach § 3 Satz 2 [X.] überstiegen. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Existenzsicherung der [X.] Dienstleister sei ohnehin mit einem regelhaft auf 75 Prozent des Monatsdurchschnitts begrenzten Zuschuss nicht gewährleistet. Im Fall der Klägerin seien weitere strukturelle Einsparungen nicht möglich.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] Landessozialgerichts vom 16. März 2022 sowie den Gerichtsbescheid des [X.] vom 28. April 2021 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2021 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für Juni und Juli 2020 weitere Leistungen nach dem [X.] in Höhe von 9539,29 [X.] zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] Landessozialgerichts vom 16. März 2022 sowie den Gerichtsbescheid des [X.] vom 28. April 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2021 zu verurteilen, über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem [X.] für die Monate Juni und Juli 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Zuschüsse für Juni 2020 iHv 6797,55 [X.] und Juli 2020 iHv 2741,74 [X.].

Der [X.] ist nach dem Geschäftsverteilungsplan ([X.]) des Bundessozialgerichts (BSG) für die Entscheidung über die vorliegende Streitigkeit zuständig. Die im [X.] insoweit - unabhängig von der Bindungswirkung nach § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz ([X.]) - vorausgesetzte Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit folgt daraus, dass die Zuschussgewährung auf einem Rechtsverhältnis zum [X.] Dienstleister nach Teil 2 Kap 8 des [X.] beruht, für das der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (§ 7 Abs 2 [X.] idF des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des [X.] sowie weiterer Gesetze vom 9.12.2020, [X.] 2855 iVm § 51 Abs 1 [X.] und § 51 Abs 1 [X.]). Nach dem [X.] folgt die Zuständigkeit des erkennenden [X.]s aus seiner Zuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des [X.] (Teil A Abschn [X.] a [X.]).

Gegenstand der Klage ist der Bescheid des [X.] vom 12.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] (§ 95 SGG). Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit dem Ziel, neben der Änderung des Verwaltungsakts zugleich eine bezifferte höhere Leistung zu erhalten, auf die nach ihrem Vortrag der Höhe nach ein entsprechender Rechtsanspruch besteht. Dieses Ziel erreicht sie zulässigerweise im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG), als die ihr Vorbringen von Beginn an auszulegen ist. Lediglich mit ihrem Hilfsantrag will sie eine Neubescheidung durch den [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Fall erreichen, dass die Höhe des Zuschusses nach dem [X.] - entgegen ihrer Auffassung - im Ermessen des [X.] steht; dieses Ziel verfolgt sie im Wege der zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG).

Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Zuschüsse ist § 3 Satz 1 [X.] (idF des Gesetzes zu [X.] Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-[X.] <[X.]> vom 20.5.2020, [X.] 1055). Danach zahlen die Leistungsträger nach § 12 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]) zur Erfüllung ihres besonderen Sicherstellungsauftrags nach dem [X.] monatliche Zuschüsse an die einzelnen [X.] Dienstleister für den Zeitraum, in dem die [X.] Dienstleister durch Maßnahmen nach § 2 Satz 2 [X.] beeinträchtigt sind, und gewährleisten so den Bestand der [X.] Dienstleister [X.] im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs (§ 2 Satz 1 [X.]). Voraussetzung für die Gewährung von Zuschüssen nach dem [X.] ist, dass der [X.] Dienstleister mit der Antragstellung erklärt, alle ihm nach den Umständen zumutbaren und rechtlich zulässigen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Arbeitskräfte, Räumlichkeiten und Sachmittel in Bereichen zur Verfügung zu stellen, die für die Bewältigung von Auswirkungen der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise geeignet sind (§ 1 Satz 1 [X.]). Maßnahmen, die Ansprüche auf einen Zuschuss auslösen, sind hoheitliche Entscheidungen, die im örtlichen Tätigkeitsbereich des [X.] Dienstleisters unmittelbar oder mittelbar seinen Betrieb, die Ausübung, die Nutzung oder die Erreichbarkeit von seinen Angeboten beeinträchtigen (vgl § 2 Satz 3 [X.]).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen an die Klägerin für Juni und Juli 2020 liegen vor. Der Beklagte ist gemäß § 5 Satz 1 [X.] iVm § 1 [X.] zum [X.] vom [X.] (GVBl, 329) in seinem sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich der für die Aufgabenwahrnehmung nach dem [X.] zuständige Leistungserbringer. Er erbringt als Träger der Eingliederungshilfe nach § 94 [X.] iVm § 1 Abs 1, § 2 Abs 1 [X.] zum [X.] Sozialgesetzbuch vom 13.9.2018 (GVBl, 590) Sozialleistungen nach §§ 11 und 28a [X.].

Die Klägerin, eine juristische Person, ist als [X.]r Dienstleister iS des § 2 Satz 2 iVm § 2 Satz 1 [X.] leistungsberechtigt. Sie stand zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der hier in Rede stehenden hoheitlichen Maßnahme, der Einstellung des regulären Schulbetriebs in [X.] ab dem 16.3.2020, mit dem [X.] in einem Rechtsverhältnis und hat auf Grundlage der insoweit geschlossenen Vereinbarungen [X.] Leistungen der Schulbegleitung nach Teil 2 des [X.] erbracht. Sie hat innerhalb der Geltungsdauer des Gesetzes den nach § 1 Satz 1 [X.] erforderlichen Antrag gestellt und mit diesem eine Erklärung nach § 1 Satz 1 und 2 [X.] abgegeben, in welcher Form ihr Personal sowie ihre Gebäude und Sachmittel eingesetzt werden könnten. Sie hat nach den unangegriffenen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) mit der Erklärung die ihr nach Art und Umfang zumutbaren und rechtlich zulässigen Unterstützungsmöglichkeiten bezogen auf den Einzelfall hinreichend glaubhaft gemacht (vgl dazu BT-Drucks 19/18107 [X.]; [X.] in [X.]/Meßling/[X.], COVID-19, [X.] - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 16 RdNr 24), indem sie die entsprechenden rechtlichen [X.] und die tatsächliche Einsatzfähigkeit und Einsatzbereitschaft dargelegt und die Richtigkeit der Angaben versichert hat.

Die Klägerin ist auf Grundlage der bindenden Feststellungen des [X.] auch [X.] beeinträchtigt gewesen, ihre Leistungen im bisherigen Umfang zu erbringen, sodass der Beklagte zur Gewährleistung des Bestandes grundsätzlich verpflichtet war (§ 2 Satz 1 [X.]). Den Feststellungen ist hinreichend zu entnehmen, dass aufgrund des in der [X.] zur Bekämpfung des Corona-Virus allgemein angeordneten Fernbleibens der Schülerinnen und Schüler vom Unterricht der reguläre Schulbetrieb nur noch in eingeschränktem Umfang stattgefunden hat und die von der Klägerin angebotenen Leistungen entsprechend nur noch eingeschränkt erbracht werden konnten. Insoweit liegt eine zumindest mittelbare Beeinträchtigung durch eine hoheitliche Entscheidung vor, die bereits anzunehmen ist, wenn die Zusammenarbeit zwischen Leistungsträger und [X.] Dienstleistern gestört ist (vgl BT-Drucks 19/18107 [X.] f; [X.] in [X.]/Meßling/[X.], COVID-19, [X.] - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 16 RdNr 53; [X.], [X.], 211, 212; [X.], NZS 2020, 837, 838).

Zutreffend macht die Klägerin geltend, dass ihr für Juni und Juli 2020 höhere als die von dem [X.] bewilligten Zuschüsse zustehen. Zwar hat der Beklagte zu Recht die tatsächlich im Juni und Juli zugeflossenen Vergütungen bereits im Zeitpunkt der Bewilligung berücksichtigt. Diese Zahlungen sind jedoch vom Monatsdurchschnitt der aus den im Zeitraum März 2019 bis Febr[X.]r 2020 an die Klägerin geleisteten Zahlungen abzusetzen, nicht dagegen vom Höchstbetrag der Zuschüsse (75 Prozent des Monatsdurchschnitts).

§ 3 [X.] regelt auch die Höhe des Zuschusses: Der monatliche Zuschuss beträgt höchstens 75 Prozent des Monatsdurchschnitts, der im Regelfall - wie auch hier - aus den im Zeitraum März 2019 bis Febr[X.]r 2020 geleisteten Zahlungen in den von § 2 [X.] erfassten Rechtsverhältnissen gebildet wird (§ 3 Satz 2 Halbsatz 1, Satz 5 [X.]). Der Beklagte hat bei der Berechnung zu Recht nur die bereits zugeflossenen Mittel im Zeitraum März 2019 bis Febr[X.]r 2020 zugrunde gelegt (326 282,46 [X.]), was die Klägerin auch nicht beanstandet. Wie der Monatsdurchschnitt zu berechnen ist, wenn in den Zahlungen durchlaufende Posten enthalten sind (dazu [X.] in [X.]/Meßling/[X.], COVID-19, [X.] - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 16 Rd[X.]4 f; Gutachten des [X.] vom 3.11.2020, [X.] 2021, 54, 56), braucht nicht entschieden zu werden. Anhaltspunkte für einen solchen Sachverhalt sind auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht ersichtlich. Eine gegenüber § 3 Satz 5 [X.] nach oben abweichende Höchstgrenze für den Zuschuss durch den Landesgesetzgeber (vgl § 5 Satz 1 [X.]) ist in [X.] nicht erfolgt. Auf den Rundungsfehler im Centbereich bei der abschließenden Bestimmung der Höchstgrenze von 75 Prozent kommt es ausgehend vom bezifferten Antrag der Klägerin nicht an, weil sie schon aus anderen Gründen Anspruch auf die geltend gemachte weitere Zahlung hat.

Weitere ausdrückliche Vorgaben für die Bestimmung der [X.] macht § 3 [X.] nicht. Lediglich daraus, dass § 3 Satz 5 [X.] von einem Höchstbetrag ausgeht, ist zu schließen, dass eine niedrigere Festsetzung in Betracht kommt. Dies entspricht dem Gesetzeszweck, wonach gesetzlich sichergestellt werden soll, dass der Bestand der [X.] Dienste und Einrichtungen sowohl in dem Zeitraum, in dem entsprechende Kapazitäten zur Hilfeleistung während der [X.] benötigt werden, als auch künftig nach deren Ende ungefährdet bleibt. Dieser besondere Sicherstellungsauftrag gilt jedoch nur, soweit die [X.] Dienste und Einrichtungen nicht mit vorrangigen verfügbaren Mitteln ihren Bestand absichern können (BT-Drucks 19/18107 [X.] f).

Die Höhe der danach auszuzahlenden Zuschüsse liegt - anders als die Vorinstanzen meinen - nicht im Ermessen des Leistungsträgers, sondern ist im Grundsatz durch eine Prognoseentscheidung zu ermitteln, die gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl zuletzt BSG vom [X.] LW 1/17 R - [X.], 1 = [X.]-5868 § 3 [X.], RdNr 24 mwN). In diese Entscheidung sind voraussichtliche Zuflüsse und denkbare Einsparungen einzubeziehen. Erfolgt - wie im zugrunde liegenden Sachverhalt - die Entscheidung über die Gewährung der Zuschüsse erst nachträglich für einen im Zeitpunkt der Bewilligung bereits abgeschlossenen Zeitraum, findet indes keine Prognose mehr statt; denn eine solche ist [X.] (BSG vom [X.] LW 1/17 R - [X.], 1 = [X.]-5868 § 3 [X.], RdNr 20). Anders als etwa die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl § 30 [X.]) zu einem bestimmten Zeitpunkt, an die sich eine dauerhafte Rechtsfolge anschließt (vgl dazu BSG vom 1.3.2018 - [X.] [X.] 22/16 R - [X.]-3250 § 14 [X.] RdNr 20; BSG vom 31.10.2012 - [X.] R 1/12 R - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.], RdNr 26; BSG vom 18.10.2022 - B 12 KR 2/21 R - RdNr 17, zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 10 [X.] vorgesehen), entfällt bei Bewilligung des Zuschusses für die Vergangenheit der Anlass für eine Prognoseentscheidung. In der Konstruktion des [X.] ist die Korrektur der Entscheidung aus [X.] durch einen Erstattungsanspruch (vgl § 4 [X.]) angelegt. Liegt der Zeitraum, für den der Zuschuss gewährt wird, in der Vergangenheit, sind die für die Bestimmung der Höhe relevanten Positionen (Zuflüsse und Einsparungen) auf Grundlage der entsprechenden Angaben des Berechtigten zu ermitteln und von den zu gewährenden Leistungen abzuziehen (BT-Drucks 19/18107 [X.] f).

Den Normen des [X.] lässt sich dagegen nicht die Vorgabe entnehmen, dass die Leistungsträger bei Bestimmung der Leistungshöhe Ermessen auszuüben haben. Kennzeichen der [X.] ist, dass einer Behörde durch Rechtsvorschrift die Entscheidungsfreiheit eingeräumt ist, zwischen mehreren - nach Maßgabe zu beachtender Tatbestandsvoraussetzungen - rechtlich zulässigen Entscheidungen aus [X.] unter Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen Einzelner sachgerecht zu wählen (vgl [X.] in [X.]/Bonk/[X.], Verwaltungsverfahrensgesetz <[X.]>, 10. Aufl 2023, § 40 RdNr 13 ff; [X.]/[X.], [X.], § 39 Rd[X.], Stand November 2021). § 3 [X.] weist insoweit schon keinen für eine Ermessensvorschrift typischen Wortlaut ("kann", "darf", "ist befugt", "ist berechtigt") auf (vgl [X.] [X.], 6. Aufl 2019, § 39 Rd[X.]). Ein Ermessen kann sich zwar auch aus dem Gegenstand oder der Struktur der Norm ergeben (vgl [X.] in [X.]/Bonk/[X.], [X.], 10. Aufl 2023, § 40 RdNr 21 ff; [X.] [X.], 6. Aufl 2019, § 39 Rd[X.] f). Hierauf weist im Fall der Zuschüsse nach dem [X.] aber nichts hin: Sie sollen als Zuschüsse besonderer Art, die nicht dem Vertrags- oder Zuwendungsrecht unterfallen, in einer Höhe gewährt werden, die der Erfüllung des [X.] - der Gewährleistung des Bestandes der [X.] Dienstleister - dient. Diese Vorgabe ermöglicht keine Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Belangen bzw anhand von [X.], wie sie für eine Ermessensvorschrift typisch ist. Die Gesetzesbegründung verweist zudem darauf, dass die [X.] im Rahmen einer summarischen Prüfung bestimmt werden soll. Nach der Begründung soll insbesondere der tatsächliche Zufluss anderer vorrangiger Mittel berücksichtigt werden, sodass sich der Zuschuss im Regelfall im Bereich von 50 bis 75 Prozent bewegen werde (BT-Drucks 19/18107 [X.] zu § 3). Diese Formulierung weist nicht auf eine Abwägungsentscheidung, sondern vielmehr auf einen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vollständig aufklärbaren Sachverhalt und damit auf eine Prognoseentscheidung hin, bei der im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung unter Berücksichtigung aller für die Beurteilung der künftigen Entwicklung im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung erkennbaren Umstände zu würdigen und als hypothetische Tatsache festzustellen sind (vgl zum Maßstab etwa BSG vom 1.3.2018 - [X.] [X.] 22/16 R - [X.]-3250 § 14 [X.] RdNr 20).

Dabei hat die Bestimmung der [X.] unter Berücksichtigung im Zeitpunkt der Bewilligung bereits zugeflossener Mittel zu erfolgen, obwohl der Erstattungsanspruch nach § 4 [X.] frühestens drei Monate nach der letzten Zuschusszahlung des maßgeblichen Zeitraumes der Zuschussgewährung entsteht (§ 4 Satz 4 [X.]). Zu den im Rahmen der Bewilligungsentscheidung zu berücksichtigenden Tatsachen bei der Berechnung der [X.] zählen auch die bereits vom [X.] Dienstleister erhaltenen vorrangigen Mittel nach § 4 Satz 1 und 2 [X.], weshalb dieser schon bei Beantragung verpflichtet ist, den Zufluss mitzuteilen (§ 3 Satz 7 [X.]). Diese mit dem [X.] eingefügte ausdrückliche Verpflichtung steht neben der Anzeigepflicht im Rahmen der Erstattungsforderung (§ 4 Satz 6 [X.]) und soll der Berechnung der [X.] dienen (vgl BT-Drucks 19/18966 [X.]). Auf diese Weise wird eine Überkompensation des [X.] Dienstleisters vermieden, dem die in § 4 Satz 1 und 2 [X.] aufgezählten Leistungen als "bereite Mittel" schon im Zeitpunkt der Bewilligung zur Verfügung stehen ([X.] in [X.]/Meßling/[X.], COVID-19, [X.] - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 16 RdNr 59). Soweit die Weiterführung des Betriebs mit anderen Mitteln möglich ist, besteht kein Anspruch auf Zuschüsse ([X.], NZS 2020, 837, 839); in diesem Sinne ist der Zuschuss nach § 3 [X.] subsidiär (vgl auch BT-Drucks 19/18107 [X.], 36).

Zu einer doppelten Berücksichtigung der vorrangigen Mittel kommt es dabei nicht, wie die Klägerin aber meint. Erfolgt eine Anrechnung bereits im Rahmen der Bewilligungsentscheidung und ist dem Leistungsträger der Zufluss mithin bereits bekannt, ist für einen nachträglichen Erstattungsanspruch erkennbar kein Raum (allgemein zur systematischen Einordnung des Erstattungsanspruchs nach § 4 [X.] [X.] in [X.]/Meßling/[X.], COVID-19, [X.] - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 16 Rd[X.]6). Lediglich ungerechtfertigte Bereicherungen sollen über einen Erstattungsanspruch auszugleichen sein (vgl BT-Drucks 19/18107 [X.]). Die Berücksichtigung der tatsächlichen Zuflüsse bereits im Rahmen der Bewilligungsentscheidung stellt damit eine Ausprägung des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 [X.] ) abgeleiteten Prinzips dar, dass ein Anspruch nicht durchzusetzen ist, wenn der Gläubiger das Erlangte sofort wieder herausgeben müsste ("dolo agit qui petit quod statim redditurus est"); denn auch bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruches steht dem Leistungsträger kein Entscheidungsfreiraum zu, sofern dem [X.] Dienstleister vorrangige Mittel iS des § 4 [X.] tatsächlich zugeflossen sind.

Die tatsächlich zugeflossenen vorrangigen Mittel sind aber entgegen der Auffassung des [X.] und der Vorinstanzen vom zugrunde zu legenden Monatsdurchschnitt, nicht vom Höchstbetrag des Zuschusses abzusetzen (so auch [X.], DVfR Forum E, [X.]-2023; [X.], [X.] 2022, 116, 118; ähnlich Gutachten des [X.] vom 3.11.2020, [X.] 2021, 54, 57; anders [X.], Häufige Fragen zum Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und [X.] Dienste zur Bekämpfung der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise in Verbindung mit einem Sicherstellungsauftrag, Stand 24.1.2022, [X.]). Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der mit dem [X.] beabsichtigten Sicherung der Liquidität der [X.]. Das Gesetz geht von der Vorstellung aus, dass für einen kostendeckenden Betrieb des Dienstes monatlich die durchschnittlich im Jahr vor der [X.] zugeflossene Vergütung notwendig ist; diese Vergütungen sind der Ausgangswert für die Berechnung des Zuschusses. Der Zuschuss selbst ist - sofern ein Land keinen Gebrauch von der Ermächtigung zur Bestimmung höherer Zuschüsse macht - auf 75 Prozent beschränkt, weil der Bundesgesetzgeber weiter davon ausgeht, dass die Liquidität des [X.]s über diesen Prozentsatz hinaus - prognostisch - anderweitig gesichert ist. In der Gesetzesbegründung wird die pauschale Verminderung um 25 Prozent vom Monatsdurchschnitt mit regelmäßig zu erwartenden Zuflüssen und ggf Einsparungen bei variablen Kosten begründet. Während der [X.] nur eingeschränkten Betätigungsmöglichkeiten werden geringere Kosten anfallen und/oder vorrangige Leistungen den Ausfall kompensieren (BT-Drucks 19/18107 [X.]). Vorrangige Mittel, deren Zufluss in erster Linie im Raum stehen und die deshalb bereits in der Gesetzesbegründung genannt sind, sind zu erwartende Zahlung von Kurzarbeitergeld ([X.]) wie auch die fortgezahlte, ggf verminderte Vergütung aus den [X.]. Bestehen Anhaltspunkte für weitere zu erwartende bzw der Höhe nach 25 Prozent voraussichtlich übersteigende Mittel iS des § 4 Satz 1 oder Satz 2 [X.] einerseits oder weitergehende Einsparungsmöglichkeiten andererseits, sind sie in die Prognoseentscheidung einzubeziehen mit der Folge, dass sich ein Zuschuss von unter 75 Prozent ergibt. Damit gilt für eine Bewilligung für bereits abgelaufene Zeiträume, dass die Mittel wie auch die tatsächlich stattgehabten Einsparungen zwar Berücksichtigung finden, weil sie entsprechend die Liquidität des Dienstleisters beeinflusst haben, aber auch insoweit der Monatsdurchschnitt Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe ist.

In diesem Sinne bietet das [X.] nur eine Teilabsicherung, die je nach der tatsächlichen Lage der Dienstleister durch vorrangige Zuflüsse ergänzt wird (vgl [X.] in [X.]/Meßling/[X.], COVID-19, [X.] - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 16 Rd[X.]6). Erreichen die vom Gesetzgeber unterstellten Kompensationsmöglichkeiten tatsächlich 25 Prozent des Monatsdurchschnitts nicht (wie vorliegend bei der Klägerin im Juli 2020), muss der Dienstleister dies aus Sicht des Bundesgesetzgebers als [X.]e Folge hinnehmen. Eine höhere Absicherungsquote bleibt der Entscheidung des [X.] überlassen. Mehrkosten für die Leistungsträger entstehen auf Grundlage der vom [X.] vorgenommenen Auslegung entgegen der Auffassung des [X.] nicht: Die ursprünglich für die Erbringung der Leistungen eingeplanten Haushaltsmittel werden - wie dies der Gesetzgeber voraussetzt - [X.] für die Sicherstellung des Bestandes der Dienstleister eingesetzt. Der Zuschuss bleibt aber auch bei der vorgenommenen Auslegung subsidiär, soweit die Bestandssicherung mit anderen Leistungen (insbesondere auch mit Zahlungen aus den Vergütungsverträgen) erreicht wird (vgl BT-Drucks 19/18107 [X.]).

Für die Berücksichtigung von weiteren Positionen, die bei der Bemessung des Zuschusses im Juni oder Juli 2020 zu berücksichtigen wären, ist vorliegend nichts ersichtlich und von den Beteiligten auch nichts vorgetragen. Neben dem Zufluss vorrangiger Mittel sind in der Gesetzesbegründung zwar denkbare Einsparungen von variablen Kosten genannt, die - wie ausgeführt - die gesetzgeberische Entscheidung, den Zuschuss auf höchstens 75 Prozent zu begrenzen, leiten (vgl BT-Drucks 19/18107 [X.]; [X.], NZS 2020, 837, 838). Im vorliegenden Einzelfall sind in der Rückschau auf Grundlage der von den Beteiligten unangegriffenen, den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] solche Einsparungen bei der Klägerin in den bezeichneten Monaten aber tatsächlich nicht eingetreten; es lässt sich aufgrund der personalintensiven Struktur der von ihr erbrachten Leistungen der Schulbegleitung auch nicht erkennen, in welchem Rahmen relevante Einsparungen bei variablen Kosten hätten erzielt werden können.

Im Ergebnis besteht für Juni 2020 ein Anspruch auf einen Zuschuss iHv 11 205,55 [X.] und für Juli 2020 iHv 20 392,65 [X.], also den vom [X.] berechneten Höchstbetrag für den Zuschuss, den die Klägerin allein geltend gemacht hat. Zur Zahlung der Differenzbeträge gegenüber der Bewilligung - insgesamt 9539,29 [X.] - hat der [X.] entsprechend verurteilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin ist keine Leistungsempfängerin iS des § 183 Satz 1 SGG; denn die Zuschüsse nach dem [X.] stellen keine Sozialleistungen im weiteren Sinne dar, sondern werden anstelle von Vergütungen aus einem Vertragsverhältnis iS der §§ 123 ff [X.] und als Kompensation für eine Bereitschaft zum Einsatz in der [X.]bekämpfung gewährt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

        

Krauß 

Scholz

Bieresborn

Meta

B 8 SO 6/22 R

17.05.2023

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Darmstadt, 28. April 2021, Az: S 17 SO 36/21 SDE, Gerichtsbescheid

§ 2 SodEG, § 3 SodEG, § 4 SodEG, § 7 SodEG, § 39 SGB 1, § 94 Abs 1 SGB 9 2018, § 51 Abs 1 Nr 10 SGG, § 54 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.05.2023, Az. B 8 SO 6/22 R (REWIS RS 2023, 6925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6925

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 4 AS 4/23 R (Bundessozialgericht)


B 6 SF 1/23 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - Streitigkeiten über Abrechnungen nach der Coronavirus-Testverordnung - Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs …


B 4 AS 5/22 R (Bundessozialgericht)

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Übernahme der Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung - Höhe des Zuschusses …


B 4 AS 2/22 R (Bundessozialgericht)

Sozialgeld - Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 bei zwei volljährigen Partnern in einer Bedarfsgemeinschaft …


6 AZR 215/20 (Bundesarbeitsgericht)

Zuschuss zum Übergangsgeld nach § 22 Abs. 2 TVöD-V - Begriff der "tatsächlichen Barleistung"


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.