Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2004, Az. IV ZR 219/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2715

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 219/03

Verkündet am:

23. Juni 2004

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2004

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 2. Zi-vilsenats des [X.] in [X.] vom 4. September 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der M. T. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin). [X.] betrieb, ab dem 1. September 1995 vertreten durch den [X.], einen Elektro-Einzelhandel; zu diesem Zwecke hatte sie im [X.] Bahnhofstraße 5a in [X.] das Keller-, Erd- und erste Obergeschoß angemietet. Bei der [X.] unterhielt sie eine [X.] und Betriebsunterbrechungsversicherung, der die Allge-meinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung ([X.] 1987) - 3 -

und die Zusatzbedingungen für die [X.] ([X.] 1987) zugrunde lagen.

Im [X.] Bahnhofstraße 5a, das im Miteigentum der [X.] (GbR) [X.] /[X.] steht, blieben seit dem Jahre 1992 das zweite und dritte Obergeschoß ungenutzt. Die GbR-Gesellschafter [X.]und [X.]waren bis zum 31. August 1995 zu-gleich Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. In den Wintern 1992 bis 1996 stellten sie in den leerstehenden Räumlichkeiten Heizlüfter auf und führten Kontrollgänge durch. In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1996 kam es während einer seit November 1995 anhaltenden starken [X.]periode im dritten Obergeschoß zu einer Leckage an einem der über [X.] verlaufenden [X.], die der Kläger auf Erosion, die Beklagte auf einen [X.]schaden zurückführt. Durch das austretende Lei-tungswasser kam es zu Überschwemmungen in den darunterliegenden Stockwerken. Die Gemeinschuldnerin, die ihren Anspruch gegen die [X.] an die Sparkasse [X.] abgetreten hat, hat den ihr entstandenen Schaden an Einrichtung und Vorräten und aus der darauf beruhenden Betriebsunterbrechung zuletzt mit 72.098,29 • beziffert. Die Beklagte lehnt Versicherungsleistungen unter anderem deshalb ab, weil die Ge-meinschuldnerin ihr die von den leerstehenden Räumlichkeiten ausge-hende erhöhte Gefahr nicht angezeigt und überdies den Versicherungs-fall grob fahrlässig herbeigeführt habe, indem sie keine Maßnahmen zum Schutz der frostgefährdeten Leitungen ergriffen habe.

Das [X.] hat der Leistungsklage nebst Zinsen stattgege-ben, das [X.] sie auf die Berufung der [X.] abgewie-- 4 -

sen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.

I. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte sei wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die Gemein-schuldnerin leistungsfrei. Es habe über einen Zeitraum von mehreren Jahren die von den leerstehenden Räumlichkeiten ausgehende dauernde und jedem einleuchtende Gefahr eines [X.]s bestan-den. Diese Gefahr habe eine Pflicht der Gemeinschuldnerin zum [X.] begründet, der sie durch Betätigen der vorhandenen [X.] an den Steigleitungen zum zweiten und dritten Obergeschoß [X.] nachkommen müssen. Ein Absperren hätte bei einem [X.]- oder auch Korrosionsschaden auf jeden Fall den Austritt einer größeren Menge Wasser verhindert. Die notwendige Kenntnis von der Gefahrenlage [X.]n die früheren Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin in ihrer gleich-zeitigen Eigenschaft als Miteigentümer des Gebäudes gehabt. Die [X.] hätten schon in den Jahren 1992 bis 1995 auch zum Schutze des Vermögens der Gemeinschuldnerin entsprechende [X.] einleiten müssen. Daß diese Maßnahmen außerhalb des [X.] durchzuführen gewesen wären, sei dabei ohne Belang. Dieses Unterlassen habe über den Zeitpunkt des Ausscheidens der Ge-- 5 -

schäftsführer fortgewirkt, denn im Februar 1996 sei der Schadensfall eingetreten.

Die Beklagte könne sich zudem auf Leistungsfreiheit wegen der nicht erfolgten Anzeige einer Gefahrerhöhung berufen. Dabei bedeute das Nichtbeheizen der Räume im zweiten und dritten Obergeschoß eine Gefahrerhöhung auch für die darunter liegenden versicherten Räume, denn mit Wasser gefüllte Leitungen könnten bei [X.] zerstört werden und erhebliche Schäden verursachen. Die Gefahrerhöhung habe seit dem Jahre 1992 bestanden, so daß die damaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin spätestens im Winter 1992/93 zur Anzeige bei der [X.] verpflichtet gewesen seien. Die Geschäftsführer hätten [X.] von der Gefahrerhöhung gehabt, was daraus folge, daß sie versucht hätten, der Gefahr durch - wenn auch völlig ungeeignete - Maßnahmen zu begegnen. Das schlichte Auswechseln der Person der Geschäftsfüh-rer, wie hier zum 1. September 1995 geschehen, führe nicht notwendig dazu, daß der alte Kenntnisstand der juristischen Person vollständig [X.]; zumindest für eine Übergangszeit sei ihr die Kenntnis ehemaliger Geschäftsführer zuzurechnen.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Dabei kommt es auf die Fragen, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zulassung der Revision gegeben haben, nicht an oder sie sind durch die bisherige Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet; dennoch war der Senat an die Zulassung gebunden (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).
- 6 -

1. Nach § 6 Nr. 2 Abs. 1 und 2 [X.] 1987 darf der Versicherungs-nehmer nach Stellung des [X.] ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder gestatten. Er hat jede Gefahrerhöhung, die ihm bekannt wird, dem Versicherer unverzüg-lich anzuzeigen, und zwar auch dann, wenn sie ohne seinen Willen ein-tritt. Wird die Anzeige nicht gemacht, so ist der Versicherer nach § 6 Nr. 2 Abs. 3 [X.] 1987, der auf die §§ 23 bis 30 [X.] und damit auch auf § 28 Abs. 1 [X.] verweist, von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht auf Grundlage des bisherigen Vorbringens rechtsfehlerhaft bejaht.

a) Es hat bereits keine Feststellungen zum Beginn des [X.] getroffen. Den von den Parteien eingereichten Versi-cherungsunterlagen ist zu entnehmen, daß die Gemeinschuldnerin bei der [X.] eine Leitungswasserversicherung mit Beginn zum 1. Mai 1993 genommen hat. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des [X.], wie er in der [X.] enthalten ist, ist der Versicherungsvertrag sogar erst unter dem 9. August 1995 zustande gekommen. In beiden [X.] findet die Ansicht des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei spätestens im Winter 1992/93 zur Anzeige einer Gefahrerhöhung im [X.] des § 6 Nr. 2 [X.] 1987 verpflichtet gewesen, keine tatsächliche Grundlage. Denn es war noch kein Versicherungsverhältnis zur Beklag-ten begründet, so daß die vom Berufungsgericht angenommene nach-trägliche Gefahrerhöhung nicht gegeben sein konnte.
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b) Auch im weiteren ist den Erwägungen des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu folgen. Es hat die bei der Prüfung einer Ge-fahrerhöhung zu beachtenden Grundsätze unzutreffend angewandt.

(1) Durch die Bestimmungen der §§ 23 ff. [X.], auf die § 6 Nr. 2 Abs. 3 [X.] 1987 verweist, soll das Gleichgewicht zwischen Prämien-aufkommen und Versicherungsleistung erhalten bleiben. Der Versicherer soll nicht gezwungen sein, am Versicherungsvertrag festzuhalten, ob-wohl sich die Risikolage so geändert hat, daß das Verhältnis zwischen Risiko und Prämie nicht mehr der Risikolage entspricht, die er bei [X.] voraussetzen durfte. Von einer Ge-fahrerhöhung kann demnach nur dann gesprochen werden, wenn nach-träglich eine Gefahrenlage eingetreten ist, bei der der Versicherer den in Rede stehenden Versicherungsvertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte. Folgerichtig kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf einzelne Gefahrumstände an; statt dessen ist zu fragen, wie sich die Gefahrenlage ab Antragstel-lung (§ 6 Nr. 2 Abs. 2 [X.] 1987, § 29a [X.]) im ganzen entwickelt hat. Dabei sind alle ersichtlichen gefahrerheblichen Tatsachen in Betracht zu ziehen. Soweit den gefahrerhöhenden Umständen gefahrvermindernde entgegenstehen, sind sie gegeneinander abzuwägen ([X.], 156, 158; Senatsurteil vom 5. Mai 2004 - [X.]/03 - unter [X.] bei [X.] abrufbar).

(2) Das Berufungsgericht hat diese Prüfung nicht vorgenommen.

Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, daß der Leerstand nicht die Geschäftsräume der Gemeinschuldnerin, sondern die darüber [X.] 8 -

genden Räumlichkeiten im zweiten und dritten Obergeschoß betraf. Es haben sich nicht die Gegebenheiten der versicherten Sache selbst nach-träglich verändert, es war lediglich ihr äußeres Umfeld betroffen. Soweit das Berufungsgericht der Auffassung ist, auch Einflüsse außerhalb der versicherten Sache seien geeignet, das bei Antragstellung vorausgesetz-te Verhältnis zwischen Prämie und Risiko zu Lasten des Versicherers zu verschieben, hätte es die Risikolage in ihrer Gesamtheit untersuchen müssen. Während sich bei einem Leerstand von Räumlichkeiten einer-seits das Risiko erhöht, daß infolge unzureichender Beheizung und War-tung der Rohre ein [X.] eintritt und nicht alsbald ent-deckt wird, fallen andere für Leitungswasserschäden typische Risikour-sachen weg, die von regelmäßig genutzten Räumen ausgehen, wie etwa aufgrund ungenügender Beaufsichtigung wasserführender Haushaltsge-räte oder von Verstopfungen der [X.]. Damit hat sich das [X.] nicht auseinandergesetzt; eine - nach der erforderlichen Gefahrenaufrechnung - verbleibende überschießende Gefahrensituation ist auch sonst nicht ersichtlich.

(3) Sofern das Berufungsgericht davon ausgehen wollte, ein [X.] Umstand - wie hier eine strenge winterliche [X.]periode - sei geeignet, die allgemeine Risikolage nachhaltig zu Lasten des [X.] zu verändern, so übersieht es, daß ein solcher Zustand nicht durch-gehend seit dem Winter 1992/93 bestanden haben kann, er vielmehr durch das Einsetzen der frostfreien Jahreszeit unterbrochen worden ist. Mit dem Wegfall der Gefahrerhöhung ist aber auch die Anzeigepflicht gegenstandslos geworden (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1975 - [X.]/73 - [X.], 845 unter [X.]). Die vom Berufungsgericht ange-nommene Anzeigepflicht der vormaligen Geschäftsführer hätte zu Beginn - 9 -

des betreffenden [X.] jeweils neu eingesetzt und mit seinem Ablauf geendet, denn nur während der [X.]periode ist denkbar, daß ein Zustand erhöhter Gefahr geschaffen wurde, der seiner Natur nach [X.] war, von so langer Dauer zu sein, daß er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell fördern konnte (vgl. [X.], 311, 317; Se-natsurteil vom 27. Januar 1999 - [X.]/97 - [X.], 484 unter 2 a). Darüber hinaus gilt auch hier, daß es das Berufungsgericht hinsicht-lich der [X.]perioden ab 1992 an einer Gesamtabwägung aller gefahr-erheblichen Umstände hat fehlen lassen.

c) Danach ist für die Leistungsfreiheit der [X.] nur maßgeb-lich, ob die Gemeinschuldnerin eine im konkreten Winterhalbjahr 1995/96 eingetretene Gefahrerhöhung entgegen § 6 Nr. 2 Abs. 2 [X.] 1987, § 27 Abs. 2 [X.] nicht zur Anzeige gebracht hat.

(1) Dazu gehört nach den genannten Bestimmungen neben der ob-jektiven Gefahrerhöhung die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der erhöhten Gefahr. Diese Kenntnis konnte zu der betreffenden [X.] der Geschäftsführer [X.]haben. Auf die Zurechnung von Kenntnissen der vormaligen Geschäftsführer [X.]

und [X.] kommt es schon deshalb nicht an, weil bislang nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist, daß es in den Jahren zuvor überhaupt anzeigepflichtige Zu-stände erhöhter Gefahr gab. Die Hinweise des Berufungsgerichts auf un-zureichende Maßnahmen der Geschäftsführer setzen sich zudem nicht mit den Anforderungen auseinander, die sich aus § 7 [X.] 1987 erge-ben. Sollten die Geschäftsführer diesen Anforderungen auch mit Blick auf die leer stehenden Räume genügt haben, dürfte eine Gefahrerhö-- 10 -

hung bereits aus diesem Grunde ausscheiden. Damit erübrigt sich zu-gleich die vom Berufungsgericht als [X.] erachtete Frage nach der - zumindest "übergangsweisen" - Zurechnung des Kenntnis-standes der ehemaligen Geschäftsführer nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt. Davon abgesehen, läßt es die Entscheidungserheblichkeit die-ser Frage nicht erkennen, weil es lediglich zum Ausdruck gebracht hat, es "neige einer solchen Annahme zu".

(2) Zum Kenntnisstand des Geschäftsführers [X.]

im [X.] und danach hat das Berufungsgericht keine näheren [X.] getroffen. Nach dem eigenen Vortrag der [X.] in der Beru-fungsinstanz haben die Gesellschafter der [X.]

und [X.]in den oberen Geschossen regelmäßig Kontrollgänge vorgenommen, von denen der Geschäftsführer [X.] wußte. Das Berufungsgericht hat sich nicht dazu geäußert, ob der Geschäftsführer S.

über diese Kenntnis, daß sich die Gesellschafter um die oberen Geschosse küm-merten, hinaus auch wußte, welche Maßnahmen - etwa das Aufstellen von Heizlüftern - im einzelnen ergriffen wurden und daß diese den zu beachtenden Sicherheitsvorschriften nicht genügten. Nur dann aber wäre zu prüfen, ob der Geschäftsführer [X.]insgesamt davon auszuge-hen hatte, daß ein gefahrerhöhender Zustand nicht beseitigt und daher der [X.] anzuzeigen war.

(3) Der Umstand, daß die Gesellschafter der GbR zugleich Gesell-schafter der Gemeinschuldnerin und deren frühere Geschäftsführer ge-wesen sind, ist unbeachtlich, solange diese im Winter 1995/96 nicht ne-ben dem Geschäftsführer [X.]Repräsentanten oder Wissensvertre-ter der Gemeinschuldnerin gewesen sind. [X.] ist dabei, wer - 11 -

in nicht ganz untergeordneter Stellung vom Versicherungsnehmer [X.] in einem Teilbereich damit betraut ist, an dessen Stelle - oder an Stelle des dazu berufenen Organs - für das Versicherungsverhältnis rechtserhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen (vgl. [X.], in: [X.]/Langheid, [X.] 2. Aufl. § 6 Rdn. 167; [X.], § 6 [X.] Rdn. 249; [X.], § 16 [X.] Rdn. 56). Als Repräsentant ist anzusehen, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf-grund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten und befugt ist, selbständig in einem ge-wissen, nicht ganz unbedeutendem Umfang für den [X.] zu handeln (Risikoverwaltung; [X.], 250, 252 f.). Zu beidem hat weder die Beklagte substantiiert vorgetragen, noch liegen sonst dazu Feststellungen vor.

d) Selbst wenn der Geschäftsführer [X.] Kenntnis von einer Erhöhung der Gefahr erlangt hätte, ohne diese der [X.] unverzüg-lich zur Anzeige zu bringen, hätte dem Berufungsgericht immer noch die Prüfung oblegen, ob dem Kläger der [X.] gelungen ist (§ 6 Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] 1987, § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 [X.]). Er hat geltend gemacht, der [X.] sei nicht frostbe-dingt, sondern auf eine Erosion des [X.]s zurückzuführen; es sei zu einer allmählichen Wandstärkereduzierung gekommen, die dem vorhandenen Innendruck nicht mehr habe entgegenwirken können. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, insbesondere das in dem zwischen den Parteien geführten selbständigen Beweisver-fahren zur Klärung der Ursache der Leckage eingeholte Sachverständi-gengutachten nicht gewürdigt. Dazu hätte nach § 493 Abs. 1 ZPO Veran-lassung bestanden; berufen sich beide oder auch nur eine Partei auf - 12 -

Tatsachen, über welche selbständiger Beweis erhoben worden ist, erfolgt die Beweisverwertung von Amts wegen ([X.]/[X.], ZPO 24. Aufl. § 493 Rdn. 1; Musielak/[X.], ZPO 3. Aufl. § 493 Rdn. 2).

2. Auch die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Voraussetzungen des subjektiven Risikoausschlusses des § 61 [X.] be-jaht hat, sind nicht frei von [X.]. Die sich für diese Vorschriften ergebenden "Fragen des Pflichtenkreises eines Versicherungsnehmers" sind allerdings durch die Rechtsprechung des Senats geklärt; einer Zu-lassung der Revision hätte es mithin - entgegen der Auffassung des Be-rufungsgerichts - nicht bedurft.

a) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Dazu bedarf es nicht stets eines [X.]s des Versicherungsnehmers. Tritt der Versicherungsfall ein, weil er trotz dringender Gefahr die ihm möglichen, geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zum Schutze des versicherten Gegenstandes nicht ergriffen hat, so hat er den Versicherungsfall durch Unterlassen "herbeigeführt", denn er hat das ursächliche Geschehen in der Weise beherrscht, daß er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zuließ, ob-wohl er die geeigneten Mittel zum Schutze des versicherten Interesses in der Hand hatte und bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange davon ebenso Gebrauch machen konnte und sollte, wie eine nicht versicherte Person. Um den Versicherungsschutz andererseits nicht unangemessen zu beschränken, muß der Versicherungsnehmer das zum Versicherungs-fall führende Geschehen gekannt haben, wobei notwendig und ausrei-chend die Kenntnis von Umständen ist, aus denen sich ergibt, daß der - 13 -

Eintritt des Versicherungsfalles in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist. Nur dann setzt sich der Versicherungsnehmer, der es durch Untätigkeit zum Eintritt des [X.] hat kommen lassen, mit der Inanspruchnahme der [X.] regelmäßig ebenso treuwidrig mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch wie derjenige, der den Versicherungsfall durch [X.] herbeigeführt hat (Senatsurteile vom 14. April 1976 - [X.] - [X.] 1976, 827; vom 14. Juli 1986 - [X.] - [X.], 962 unter [X.]).

b) Das Berufungsgericht hält der Gemeinschuldnerin eine solche Untätigkeit vor. Es hat angenommen, sie habe den Versicherungsfall [X.] herbeigeführt, daß ihr Geschäftsführer es unterlassen habe, die Absperrhähne der zu den oberen Stockwerken führenden Steigleitungen zu betätigen, um auf diese Weise im Falle eines frost- oder erosionsbe-dingten Schadens den Austritt einer größeren Menge Wasser zu [X.]. Die erforderliche Kenntnis von der Gefahrenlage hätten schon die früheren Geschäftsführer [X.] und [X.]
gehabt, die bereits in den Jahren 1992 bis 1995 in der Lage und verpflichtet gewesen wären, ent-sprechend tätig zu werden. Das übersieht abermals, daß die Gefahren-lage, soweit sie das Berufungsgericht auf einen drohenden frostbeding-ten [X.] zurückführen möchte, mit Ende der winterli-chen [X.]perioden ihre Erledigung gefunden hatte und erst im [X.] Winter neu eintrat. Während der frostfreien Jahreszeit bestand keine Pflicht zum Betätigen der [X.]; ohnehin hätten sich Versäumnisse nicht ausgewirkt, weil sie nicht ursächlich für den späteren Versicherungsfall geworden sein können. Auf eine Kenntnis der beiden vormaligen Gesellschafter von der (früheren) Gefahrenlage - 14 -

kommt es mithin schon deshalb nicht an. Soweit das zum Versicherungs-fall führende Geschehen seine Ursache in einer Erosion des Leitungs-rohres gefunden haben sollte, wie der Kläger behauptet, hat das [X.] nicht festgestellt, daß bereits in den vorangegangenen [X.] während der Amtszeit der Geschäftsführer [X.]

und [X.]eine dringende und praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehende Gefahr für [X.] bestand; dagegen spricht bereits der [X.] erst im Februar 1996. Für den Geschäftsführer [X.] fehlt es ebenfalls an den genannten Feststellungen. Das Berufungsgericht hat sich noch nicht einmal damit auseinandergesetzt, ob er überhaupt wußte, daß [X.] vorhanden waren, und ob er zu diesen freien Zugang hatte.

c) Schließlich ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen das Berufungsgericht einen - von § 61 [X.] vorausge-setzten - gesteigerten [X.] für gerechtfertigt hält. Insbesondere hat es in seine Überlegungen nicht einbezogen, daß aus Sicht des Geschäftsführers [X.] die Gesellschafter der GbR im zweiten und dritten Obergeschoß regelmäßige Kontrollgänge vornahmen, er also möglicherweise darauf vertrauen durfte, daß von dieser Seite ausreichende Maßnahmen zur Abwehr von Leitungswasserschäden ge-troffen wurden. Zu den Anforderungen, die an das Vorliegen einer [X.] Fahrlässigkeit zu stellen sind, verweist der Senat auf seine - 15 -

bisherige Rechtsprechung (Senatsurteile vom 12. Oktober 1988 - [X.] - [X.], 141 unter 1 und 2; vom 14. Juli 1986 aaO unter [X.]; vom 29. Januar 2003 - [X.]/01 - [X.], 364 unter [X.]).

Terno [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 219/03

23.06.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2004, Az. IV ZR 219/03 (REWIS RS 2004, 2715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2715

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