Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.10.2011, Az. VII R 55/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 2028

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) LOHNSTEUER

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Gegenstand

Keine Korrektur der Anrechnungsverfügung nach Zahlungsverjährung - Anrechnungsverfügung als deklaratorischer Verwaltungsakt - Beginn der Verjährungsfrist bei zu Unrecht in der Anrechnungsverfügung festgesetzter Erstattung - Änderung der Festsetzung von Nachzahlungszinsen


Leitsatz

Führt die Anrechnung tatsächlich nicht festgesetzter und geleisteter Vorauszahlungen wie der Lohnsteuer dazu, dass in der Anrechnungsverfügung eine Abschlusszahlung nicht oder in zu geringer Höhe ausgewiesen wird, so erlischt der festgesetzte Steueranspruch nach Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist (Anschluss an das Urteil des Senats vom 27. Oktober 2009 VII R 51/08, BFHE 227, 327, BStBl II 2010, 382) .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) auf Rückzahlung zuviel erstatteter Lohnsteuer wegen einer fehlerhaften [X.] in Anspruch genommen.

2

Die Kläger sind für 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die Steuerfestsetzung von 1998 wurde 1999 zu Lasten der Kläger geändert, auf deren Einspruch hin jedoch 2002 auf den ursprünglich ausgewiesenen Betrag herabgesetzt. In der zusammen mit diesem Änderungsbescheid erlassenen [X.] ist --neben anderen, zutreffend erfassten [X.] aufgrund eines Eingabefehlers die für den Kläger einbehaltene Lohnsteuer zu hoch angesetzt worden. 2008 bemerkte das [X.] diesen Fehler, erließ eine geänderte [X.], forderte von den Klägern als Gesamtschuldner den zu Unrecht erstatteten Steuerbetrag zurück und setzte entsprechende Zinsen fest. Auf den hiergegen von den Klägern erhobenen Einspruch ist der angefochtene Abrechnungsbescheid ergangen, in dem das [X.] an der Rechtmäßigkeit seiner geänderten [X.] festhielt.

3

Das Finanzgericht ([X.]) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Die [X.] habe gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 4 der Abgabenordnung ([X.]) geändert werden dürfen, weil die Kläger die Unrichtigkeit der ursprünglichen [X.] zumindest hätten erkennen müssen. Die Ermessensausübung des [X.] sei nicht weiter begründungsbedürftig gewesen, weil es sich um einen Fall intendierten Ermessens handele. Auch die Jahresfrist des § 130 Abs. 3 [X.] sei gewahrt, weil das [X.] erst im August 2008 die Rechtswidrigkeit der [X.] erkannt habe. Zahlungsverjährung stehe der Rückforderung nicht entgegen. Denn der Rückzahlungsanspruch des [X.] sei erst durch Änderung der [X.] im November 2008 entstanden. Das gelte auch nach der zu dem hier einschlägigen § 37 Abs. 2 [X.] vertretenen materiellen Rechtsgrundtheorie; denn auch nach dieser könne eine nach materiellem Recht ohne rechtlichen Grund erfolgte Zahlung erst dann zurückgefordert werden, wenn der entsprechende Bescheid nach [X.] Recht aufgehoben oder geändert worden sei (Hinweis auf das Urteil des Senats vom 29. Oktober 2002 [X.], [X.], 88, [X.] 2003, 43). Aus der neueren Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu § 228 [X.] ergebe sich nichts anderes. Zwar erfasse danach die Zahlungsverjährung festgesetzte Einkommensteuer auch insoweit, als sie bei der Festsetzung der Abschlusszahlung nicht berücksichtigt worden sei, wie auch umgekehrt eine festgesetzte Abschlusszahlung durch nachträgliche Anrechnung von [X.] nach Fristablauf nicht verringert werden könne (Hinweis auf die Urteile vom 12. Februar 2008 [X.], [X.]E 220, 225, [X.] 2008, 504, und vom 27. Oktober 2009 [X.]/08, [X.]E 227, 327, [X.] 2010, 382). Im Streitfall gehe es jedoch nicht um die Fälligkeit festgesetzter Einkommensteuer. Vielmehr habe eine materiell-rechtliche Prüfung des angeblichen Steuererstattungsanspruchs der Kläger erstmals im November 2008 stattgefunden. Die vorgenannten Urteile des [X.] könnten nicht so verstanden werden, dass ein Anspruch zahlungsverjähren könne, bevor er überhaupt entstanden sei. Würde die Rechtsprechung des [X.] auch auf eine Konstellation angewandt, wie sie im Streitfall vorliege, würde die Frist des § 130 Abs. 3 [X.] ausgehöhlt.

4

Die Zinsfestsetzung des [X.] sei in Bestandskraft erwachsen und daher ihre Rechtmäßigkeit nicht mehr zu prüfen.

5

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger. Sie meinen, der Rückzahlungsanspruch des [X.] sei verjährt. Der Rückzahlungsanspruch des [X.] sei durch die rechtsgrundlose Auszahlung einer Steuererstattung im Jahr 2002 entstanden. Das gelte auch unter Berücksichtigung der damals erlassenen fehlerhaften [X.], die keinen Rechtsgrund darstelle, der dem Anspruch des [X.] nach § 37 Abs. 2 [X.] entgegengestanden hätte. Die auf einem bloßen Versehen beruhenden Auszahlungen hätten lediglich den Charakter einer Information über den Kassenstand (Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 19. Oktober 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 200). Entgegen der Ansicht des [X.] ergebe sich im Übrigen aus den in dem Urteil angeführten Entscheidungen des [X.], dass die ursprüngliche fehlerhafte [X.] bzw. die darauf beruhende rechtsgrundlose Auszahlung die [X.] gesetzt habe. Nach deren Ablauf könnten weder fällig gewordene steuerliche Ansprüche geltend gemacht werden noch auf fällig gewordene Steuern etwas angerechnet werden. Die vom [X.] vertretene abweichende Rechtsansicht könne auch deshalb nicht überzeugen, weil eine rechtsgrundlose Steuererstattung danach faktisch nicht zahlungsverjähren könnte; denn die [X.] wäre überhaupt erst in Gang gesetzt, wenn das [X.] seinen Fehler erkennt. Wenn im Übrigen nach der Rechtsprechung des [X.] eine materiell-rechtlich geschuldete, aber nicht festgesetzte Steuer nach Ablauf von fünf Jahren erlösche, so müsse dies erst recht für eine Auszahlung gelten, die auf einem Eingabefehler und damit letztlich auf einem bloßen Realakt beruhe. Der Streitfall unterscheide sich nicht wesentlich von Fällen einer versehentlichen Doppelüberweisung eines Steuererstattungsbetrages, in denen fraglos die Verjährung des Erstattungsanspruches mit der Doppelzahlung beginne.

6

Das [X.] macht sich im Wesentlichen die Argumentation des angefochtenen Urteils zu eigen. Selbst wenn der Rückzahlungsanspruch bereits mit der überhöhten Auszahlung der Steuererstattung entstanden wäre, wäre keine Zahlungsverjährung eingetreten, weil gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 [X.] der Fristenlauf erst mit der Festsetzung der Rückzahlung begonnen habe.

7

Im Übrigen hält das [X.] die in § 130 Abs. 3 [X.] getroffene Regelung für ausreichend, die Prinzipien des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit bei einer Änderung einer [X.] zu wahren.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Kläger ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), soweit es um die Rückforderung erstatteter Steuer geht. Das Urteil des [X.] verletzt insofern Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O). Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 [X.]O), weil der Rückzahlungsanspruch des [X.] gemäß § 228 [X.] durch Verjährung erloschen ist.

9

Ansprüche aus dem Steuerverhältnis unterliegen nach § 228 [X.] einer besonderen Zahlungsverjährung, die nach fünf Jahren eintritt. Die Frist beginnt nach § 229 Abs. 1 [X.] mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt.

Sinn und Zweck dieser Vorschrift hat der erkennende [X.] in seinem Urteil in [X.], 327, [X.], 382 dahin erläutert, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehren soll, was der Steuerpflichtige aufgrund der gegen ihn ergangenen Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und [X.] noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist. Nicht nur fällig gewordene steuerliche Ansprüche können nach Ablauf der [X.] nicht mehr geltend gemacht werden. Vielmehr kann auch auf fällig gewordene Steuern nichts mehr angerechnet und dadurch kein Erstattungsanspruch mehr ausgelöst werden. Die Änderung einer [X.] nach Ablauf der durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung gemäß § 220 Abs. 2 Satz 2, § 229 Abs. 2 [X.] in Lauf gesetzten Frist ist danach ungeachtet dessen auszuschließen, ob es um die nachträgliche Anrechnung durch Steuerabzug entrichteter Beträge und eine daraus folgende Verringerung der Abschlusszahlung bzw. eine Erstattungsforderung des Steuerpflichtigen geht oder umgekehrt um die Korrektur einer solchen Anrechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen mit der Folge einer Erhöhung der Abschlusszahlung bzw. einer Steuernachforderung des Finanzamts.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen durfte die vom [X.] aus Anlass der Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 erlassene (fehlerhafte) [X.] nach Ablauf von fünf Jahren seit Erlass dieses Bescheides nicht mehr geändert werden. Der von dem [X.] im angefochtenen Urteil sinngemäß vertretenen Auffassung, jene Rechtsgrundsätze könnten im Streitfall nicht angewandt werden, weil andernfalls der Rückzahlungsanspruch des [X.] verjährt sei, bevor er überhaupt entstanden sei, folgt der [X.] nicht.

Anspruch i.S. des § 229 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist zwar der Zahlungsanspruch, der jedoch als ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 218 Abs. 1 Satz 1 [X.] seine Grundlage in einem Steuer(festsetzungs)bescheid hat. Ein auf Rückzahlung der in einer [X.] zu Unrecht ausgewiesenen Beträge gerichteter Zahlungsanspruch des [X.] scheint zwar nach § 220 Abs. 2 Satz 2 [X.] erst dadurch fällig zu werden, dass das [X.] die ursprünglich ergangene [X.] ändert. Denn diese ist nach der Rechtsprechung des [X.]s ein (feststellender) Verwaltungsakt und nicht eine bloße Kassenmitteilung ohne rechtliche Bindungswirkung (Urteil des [X.]s vom 15. April 1997 [X.], [X.], 506, [X.] 1997, 787). Würde man darauf --ähnlich wie bei der Änderung einer Steuerfestsetzung-- abstellen, [X.] der Lauf der [X.] gemäß § 229 Abs. 1 [X.] erst mit Erlass des betreffenden Änderungsbescheides und liefe folglich vor Erlass des mit dem Änderungsbescheid in der Regel verbundenen [X.] im Allgemeinen nicht ab (vgl. Urteil des [X.]s in [X.], 327, [X.], 382).

Die [X.] ist indes ein deklaratorischer, bloß bestätigender Verwaltungsakt, der keine Ansprüche begründet, die nicht bereits unabhängig von der [X.] bestehen. Er zieht lediglich die rechnerischen Folgen aus anderweit begründeten Rechten und Pflichten (Urteil des [X.]s vom 18. Juli 2000 [X.]-33/99, [X.], 405, [X.] 2001, 133). Dementsprechend hat der [X.] für den Lauf der [X.] auf die festgesetzten steuerlichen Ansprüche abgestellt und erkannt, diese könnten nach Ablauf der [X.] nicht mehr geltend gemacht werden. Auf fällig gewordene Steuern könne nichts mehr angerechnet und dadurch ein Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 [X.] nicht mehr ausgelöst werden (Urteil des [X.]s in [X.], 225, [X.] 2008, 504).

Wie insbesondere auch § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] erkennen lässt, ist § 229 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf den Fall zugeschnitten, dass sich der Zahlungsanspruch aus einer Entscheidung im Steuerfestsetzungsverfahren ergibt. Deshalb unterliegt z.B. der im Steuerfestsetzungsverfahren ausgewiesene Steueranspruch nach der [X.]srechtsprechung ab dem Zeitpunkt seiner Festsetzung der ([X.], auch wenn vom Finanzamt eine einkommensteuerrechtliche Abschlusszahlung gemäß § 36 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der [X.] nicht ausgewiesen worden ist. Entsprechendes hat der [X.] für den umgekehrten Fall entschieden, dass eine Abschlusszahlung ausgewiesen worden ist, dabei jedoch entgegen § 36 Abs. 4 EStG geleistete Vorauszahlungen nicht berücksichtigt worden sind; der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Verrechnung oder Rückzahlung solcher Vorauszahlungen verjähre dann, wenn seit jener Abrechnungsentscheidung die in § 228 [X.] bezeichnete Frist abgelaufen sei.

Wann die ([X.]sfrist für Ansprüche zu laufen beginnt, die sich nicht unmittelbar aus Steuerfestsetzungen ergeben, nämlich durch die Verrechnung der festgesetzten Steuer mit der festgesetzten oder mit [X.] angemeldeten (und, wie § 36 Abs. 2 EStG voraussetzt, geleisteten) Vorauszahlungen gemäß § 36 Abs. 4 EStG, sondern infolge irrtümlicher Berücksichtigung in Wahrheit nicht festgesetzter Steuerbeträge in der [X.] entstehen, mag damit, wie das [X.] tatsächlich meint, noch nicht entschieden sein. Allerdings ist auch das, was die [X.] insoweit als vermeintlich festgesetzte und gezahlte Lohnsteuer ausweist, nicht bloße Kassenmitteilung, sondern feststellender Verwaltungsakt (der Beschluss in [X.], 200 ist in diesem Zusammenhang nicht einschlägig). Für die Regelungswirkung einer Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob sie von einem zutreffenden Sachverhalt ausgeht oder (hier: mangels tatsächlichen Lohnsteuereinbehalts) fehlerhaft und deshalb rechtswidrig ist.

Führt eine solche Anrechnung vermeintlich festgesetzter und geleisteter Vorauszahlungen dazu, dass eine Abschlusszahlung trotz entsprechender Steuerfestsetzung nicht oder --gemessen an dieser-- in zu geringer Höhe ausgewiesen wird, erlischt indes der festgesetzte Steueranspruch gemäß § 232 [X.] ebenso wie in dem der eingangs dargestellten Rechtsprechung des [X.]s zugrunde liegenden Fall einer aus anderen Gründen fehlerhaften Abrechnung. Der [X.] hat jene Rechtsprechung maßgeblich auf Sinn und Zweck der Vorschriften über die Zahlungsverjährung gestützt. Nach Ablauf einer angemessenen Frist (fünf Jahre), nachdem die für die Berechnung der Zahlungspflichten maßgeblichen Daten feststehen, insbesondere die Steuer durch Erlass eines Steuerbescheides oder einer entsprechenden Steueranmeldung festgesetzt worden sei, könnten bislang nicht geltend gemachte Zahlungspflichten nicht mehr erhoben werden, und zwar weder Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen noch Zahlungsansprüche des Finanzamts. Diese Zielsetzung des Gesetzes verlangt es, dass dies ungeachtet der Gründe der zunächst fehlerhaften Abrechnung immer dann gilt, wenn sich bei der Abrechnung ein Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen ergeben hat und der entsprechende Betrag gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG an den Steuerpflichtigen ausgezahlt worden ist. Der (Zahlungs-)Anspruch des Finanzamts auf Rückzahlung eines solchen Betrages mag zwar, wie das [X.] ausgeführt hat, erst entstehen und damit fällig werden, wenn das Finanzamt seine [X.] ändert, weil es die Fehlerhaftigkeit seiner Abrechnung erkennt. "Grundlage" dieses Anspruches, der die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis i.S. des § 218 Abs. 1 Satz 1 [X.] lediglich "verwirklicht", sind jedoch die im Steuerfestsetzungsverfahren ergangenen Entscheidungen, deren Erlass die Zahlungsverjährung auch dann in Lauf setzt, wenn sie nicht den Inhalt haben, den das Finanzamt bei seinen Entscheidungen im Steuererhebungsverfahren, insbesondere bei der Abrechnung gemäß § 36 Abs. 4 EStG, unterstellt.

So ist auch der hier streitige Rückzahlungsanspruch des [X.] die bloße Folge des Fehlens einer Lohnsteuerfestsetzung (und eines dementsprechenden [X.]) in der vom [X.] bei der Abrechnung zugrunde gelegten Höhe. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, bei der Anwendung der Vorschriften über die Zahlungsverjährung, insbesondere auch des § 229 Abs. 1 Satz 1 [X.], auf die im Erhebungsverfahren getroffenen (deklaratorischen, wenn auch mit Regelungswirkung versehenen) Entscheidungen und die Fälligkeit der dadurch ausgewiesenen Ansprüche statt auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Steuer festgesetzt worden ist (hier: die geänderte Steuerfestsetzung), über die das Finanzamt abgerechnet hat.

Die Revision weist im Übrigen mit Recht darauf hin, dass andernfalls ein Anspruch des Finanzamts auf Rückzahlung einer in einer [X.] zu Unrecht festgesetzten Erstattung im Festsetzungsverfahren gar nicht festgesetzter Steuer(vorauszahlunge)n erst fünf Jahre, nachdem dieses die Rechtswidrigkeit der Steuererstattung erkannt hat, verjährte und damit die Verjährungsfrist insoweit praktisch ins Leere liefe. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein. Ebenso würde es, worauf die Revision ebenfalls mit Recht hinweist, dem deklaratorischen Charakter der Abrechnung in einer [X.] nicht gerecht, bei einer auf deren Fehlerhaftigkeit beruhenden Erstattungszahlung die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs des Finanzamts nicht beginnen zu lassen, wohl aber bei einer fehlerhaften Zahlung des Finanzamts, der ein entsprechender Ausweis in einer [X.] nicht vorausgegangen ist.

§ 130 Abs. 3 [X.] kann den Rechtsfrieden schon deshalb nicht in der erforderlichen Weise wahren, weil die dort festgelegte Frist erst zu laufen beginnt, wenn das Finanzamt die Rechtswidrigkeit seiner Steuererstattung erkannt hat.

Dass nach der vorstehend entwickelten Auslegung des [X.] des Finanzamts möglicherweise verjährt, bevor das Finanzamt diesen überhaupt wahrnimmt, spricht nicht gegen diese. Vorbehaltlich des § 199 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist es für Verjährungsfristen geradezu typisch, dass sie rein objektiven Charakter haben (vgl. dazu schon das [X.]surteil in [X.], 327, [X.], 382).

Nach alledem kann das [X.] auch im vorliegenden Fall keinen Rückzahlungsanspruch wegen der unrichtigen (rechtsgrundlosen) Anrechnung von Beträgen in der [X.] geltend machen, weil seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese [X.] und der ihr zugrunde liegende Steuerbescheid ergangen sind, bereits fünf Jahre (§ 228 Satz 2 [X.]) verstrichen waren.

Zu ändern ist das Urteil des [X.] ferner insofern, als es --wie sich aus den Entscheidungsgründen am Ende ergibt-- eine Änderung der [X.] mit der Begründung abgelehnt hat, diese sei bestandskräftig geworden. Diese rechtliche Würdigung wird nämlich dem Umstand nicht gerecht, dass die Klage --was der erkennende [X.] ohne Bindung an die Bewertung des [X.] selbst beurteilen kann-- nicht dahin zu verstehen ist, die Kläger begehrten im gerichtlichen Rechtsschutzverfahren auch die Aufhebung der in der angefochtenen [X.] enthaltenen [X.]. Das [X.] selbst hat das Einspruchsschreiben der Kläger, in dem die [X.] ausdrücklich angesprochen worden ist, nicht als Angriff gegen die [X.] verstanden (was die Annahme, die in dieser Hinsicht schweigende Klage enthalte einen solchen Angriff, widersprüchlich erscheinen lässt). Vor allem aber hatten die Kläger keinen Anlass die [X.] anzufechten, denn gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] ist die [X.] zu ändern, wenn die Anrechnung von [X.] "zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird". Diese Vorschrift ist ihrem Sinn entsprechend, der Anrechnungsentscheidung als Grundlagenbescheid der akzessorischen [X.] Geltung zu verschaffen, auch dann anzuwenden, wenn die Änderung einer Anrechnung von [X.] im Rechtsbehelfsverfahren aufgehoben wird [X.]/Rüsken, [X.], 10. Aufl., § 233a Rz 41).

Meta

VII R 55/10

25.10.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 6. August 2010, Az: 2 K 1207/10, Urteil

§ 37 Abs 2 AO, § 218 Abs 2 AO, § 228 AO, § 229 Abs 1 S 1 AO, § 233a Abs 5 S 1 AO, § 36 Abs 4 EStG 1997, § 130 Abs 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.10.2011, Az. VII R 55/10 (REWIS RS 2011, 2028)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2028

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