Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2013, Az. XI R 37/11

11. Senat | REWIS RS 2013, 7191

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Gegenstand

(Kein Kindergeldanspruch aus den Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 - Voraussetzungen für eine Kindergeldberechtigung wegen Behandlung als nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt Steuerpflichtiger - Selbständigkeit des Verfahrens der Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Verfahren der Einkommensteuerfestsetzung - Keine Berücksichtigung eines neuen Tatsachenvortrags im Revisionsverfahren)


Leitsatz

Die Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 begründen als Kollisionsregeln keinen unmittelbaren Anspruch auf Kindergeld aus Unionsrecht. Ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG besteht nur, wenn die mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind .

Tatbestand

1

I. [X.]treitig ist, ob der [X.]läger und Revisionskläger ([X.]läger) für den [X.]treitzeitraum März 2005 bis August 2006 einen Anspruch auf Gewährung von [X.]indergeld für seine im März 1987 geborene [X.] [X.] und seinen im Oktober 1992 geborenen [X.] M hat.

2

Der [X.]läger stammt aus Oberschlesien und besitzt sowohl die [X.] als auch die [X.] [X.]taatsangehörigkeit. Er war vom 1. März 2005 bis zum 18. April 2006 und vom 29. Mai 2006 bis zum 16. August 2006 als Elektromonteur bei der [X.] sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Zeitraum von März 2005 bis April 2006 war er für [X.] zur Ausführung von Aufträgen in [X.] tätig.

3

Den Antrag auf Gewährung von [X.]indergeld für seine [X.]inder, die mit ihrer Mutter --der Ehefrau des [X.]lägers-- in der Familienwohnung in [X.] leben, lehnte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) ab, weil der [X.]läger weder seinen Wohnsitz in [X.] durch Vorlage eines Mietvertrages und Nebenkostenabbuchungen noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt durch Vorlage von Einsatzplänen des Arbeitgebers nachgewiesen habe.

4

Einspruch und [X.]lage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) entschied, der [X.]läger habe für den Zeitraum März 2005 bis Januar 2007 keinen Anspruch auf [X.]indergeld. Er habe weder nach § 8 der Abgabenordnung ([X.]) seinen Wohnsitz noch gemäß § 9 [X.] seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nachgewiesen.

5

Ein Anspruch auf [X.]indergeld ergebe sich auch nicht aus § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.]. § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG), weil der [X.]läger nicht den Nachweis geführt habe, dass er auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt worden sei.

6

Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2011, 1437.

7

Der [X.]läger stützt seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts. Die in der Entscheidung des [X.] --BFH-- (Urteil vom 7. April 2011 III R 89/08, [X.], 1324) dargestellten Gründe träfen auch auf den vorliegenden [X.]treitfall zu. Bereits nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei es unmöglich, dass er, der [X.]läger, täglich zwischen Oberschlesien und den jeweiligen Arbeitsorten in [X.] gependelt sei.

8

Das [X.] verkenne den Regelungszweck der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der [X.]ysteme der [X.]n [X.]icherheit auf Arbeitnehmer und [X.]elbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern ([X.] 1408/71), wenn es ihm die Ansprüche auf [X.]indergeld versage, weil er in [X.] beschäftigt sei. [X.]eine jeweiligen Arbeitgeber hätten ihren [X.]itz in [X.]. Da nach der [X.] 1408/71 jeweils nur die Regelungen eines Landes Anwendung finden sollten, werde das Territorialitätsprinzip insoweit verdrängt. Auch aus dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 12. Juni 2012 [X.]/10 und [X.]/10 --Hudzinski und [X.] (Deutsches [X.]teuerrecht/Entscheidungsdienst --D[X.]tRE-- 2012, 999) ergebe sich, dass er die Anspruchsvoraussetzungen für das von ihm beantragte [X.]indergeld erfülle.

9

[X.]chließlich seien die zutreffenden Erwägungen des [X.] Münster (Urteil vom 27. August 2010  4 [X.] 2550/09 [X.]g, [X.] 2010, 2006), wonach ein Arbeitnehmer, der nach der Beendigung eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt nach [X.] verlegt, für eine Übergangszeit von 90 Tagen inländisches [X.]indergeld erhalte, wenn er für diesen Zeitraum [X.] Leistungen aus der inländischen Arbeitslosenversicherung beziehe, auf den vorliegenden [X.]treitfall anwendbar.

Nachdem der [X.]läger im Revisionsverfahren mit [X.]chriftsatz vom 23. August 2011 den [X.]treitzeitraum auf März 2005 bis August 2006 begrenzt hat, beantragt er sinngemäß,
das Urteil des [X.] sowie den Ablehnungsbescheid vom 10. August 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für die [X.]inder [X.] und M [X.]indergeld ab März 2005 bis August 2006 festzusetzen,
hilfsweise, die [X.]ache an das [X.] zurückzuverweisen.

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

[X.]ie tritt dem Vorbringen des [X.]lägers entgegen.

Entscheidungsgründe

I[X.] Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Kläger im Streitzeitraum keinen Anspruch auf Kindergeld hat.

1. Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG, wer
"1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
a) nach § 1 Abs. 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
b) nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird."

2. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, den Senat nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] hatte der Kläger im Streitzeitraum weder einen Wohnsitz i.S. des § 8 [X.] noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 9 [X.] im Inland.

a) Das [X.] hat ausgeführt, der Kläger habe keine Wohnung oder andere Räumlichkeiten zum dauerhaften Wohnen vorgehalten. Auch hinsichtlich der ihm von seinem Arbeitgeber überlassenen Wohnung in der [X.] in [X.] habe er eine tatsächliche Nutzung der Räumlichkeiten als eigene Wohnung nicht nachgewiesen. Des Weiteren habe der Kläger auch keine Umstände nachgewiesen, aufgrund derer von der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S. des § 9 [X.] im Inland während des [X.] auszugehen gewesen sei.

Revisionsrechtlich beachtliche Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze hat der Kläger hiergegen nicht vorgebracht (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteile vom 24. Januar 2008 V R 12/05, [X.], 310, BStBl II 2009, 60, unter [X.]; vom 25. Juni 2009 V R 25/07, [X.], 407, [X.], 239, unter [X.]; vom 4. Mai 2011 XI R 35/10, [X.], 379, [X.], 836, Rz 32). Dass es das [X.] nach der über zwölfmonatigen Beschäftigung in [X.] nicht als belegt ansah, dass er wieder im Inland einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe, verstößt bereits deshalb nicht --wie geltend gemacht-- gegen Denkgesetze, weil nicht dargelegt worden ist, wo der Einsatzort des [X.] lag; es ist daher nicht ausgeschlossen, dass dieser weiterhin im Ausland lag.

b) Der Umstand, dass demgegenüber das Finanzamt ([X.]) bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2005 und 2006 von einem inländischen Wohnsitz ([X.], [X.]) ausgegangen ist und deshalb eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG angenommen hat, entfaltet --wie das [X.] zutreffend entschieden hat-- keine Bindungswirkung für die Kindergeldfestsetzung durch die Familienkasse. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt für die Anspruchsberechtigung nur einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus und stellt nicht auf die einkommensteuerrechtliche Behandlung ab. Das Gesetz geht daher davon aus, dass es sich bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung um unterschiedliche Verfahren handelt, so dass der Einkommensteuerbescheid hinsichtlich des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend ist (vgl. [X.]-Urteile vom 20. November 2008 III R 53/05, [X.], 564; vom 24. Mai 2012 III R 14/10, [X.], 239, [X.], 897, Rz 12).

3. Zutreffend ist das [X.] auch davon ausgegangen, dass der Kläger nicht [X.] § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist.

Anders als bei § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a EStG macht das Gesetz bei § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG die Anspruchsberechtigung von der einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Antragstellers abhängig (ebenso [X.]-Urteil in [X.], 239, [X.], 897, Rz 13; [X.] in [X.]/ [X.], [X.], Kommentar, Fach A, [X.] Kommentierung, § 62 Rz 42 ff.; [X.] in [X.]/ [X.], § 62 EStG Rz 56; [X.]/[X.]/Stahl/[X.], Kindergeldrecht im öffentlichen Dienst, § 62 EStG [X.]. III/A.1 Rz 57; [X.]/[X.], in: [X.][X.], EStG, § 1 Rz D 206). Der Senat verweist zur weiteren Begründung auf das [X.]-Urteil in [X.], 239, [X.], 897, mit dem der II[X.] Senat die in dem Urteil des [X.] in [X.], 564 im Rahmen eines obiter dictums vertretene andere Auffassung aufgegeben hat. Der II[X.] Senat hat dort u.a. darauf hingewiesen, dass diese Auslegung verhindere, dass der Antragsteller gegenüber Finanzamt und Familienkasse unterschiedliche Angaben machen kann, indem er z.B. zunächst gegenüber dem Finanzamt einen tatsächlich nicht bestehenden Wohnsitz in [X.] angibt, um dort bei geringen Einkünften einen Nullbescheid auf Basis der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zu erlangen, und dann --im Falle einer genaueren Prüfung der Wohnortvoraussetzungen im Verfahren der [X.] gegenüber der Familienkasse eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG beantragt.

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des [X.] wurde der Kläger von dem zuständigen [X.] nicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, sondern nach § 1 Abs. 1 EStG zur Einkommensteuer veranlagt. Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG scheidet daher aus.

4. Die hiergegen erhobenen Einwendungen des [X.] greifen nicht durch.

a) Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die in der Entscheidung des [X.] (Urteil vom 7. April 2011 III R 89/08, [X.]/NV 2011, 1324) dargestellten Gründe träfen auch auf ihn zu.

Denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist nicht mit dem des Streitfalls vergleichbar. Dort hat der Arbeitnehmer behauptet, mehr als sechs Monate zeitlich zusammenhängend im Inland gearbeitet und seinen Inlandsaufenthalt jeweils nur kurzfristig für Heimfahrten nach [X.] unterbrochen zu haben. Wenn dies zutrifft und er an seinen Arbeitstagen im Inland übernachtet hat, wären die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland nach § 9 Satz 2 [X.] erfüllt ([X.]-Urteil in [X.]/NV 2011, 1324, Rz 13 f.). Abweichend hiervon liegt der Vorentscheidung im Streitfall zugrunde, dass der Kläger von März 2005 bis April 2006 in [X.] auf Montage war und sich auch für den Zeitraum danach in einem Arbeitseinsatz außerhalb [X.]s befunden haben könnte. Diese Würdigung des [X.] ist --wie [X.] revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Entgegen der Ansicht des [X.] ergibt sich auch keine abweichende rechtliche Beurteilung aus dem Regelungszweck der [X.] 1408/71.

aa) Soweit der Kläger geltend macht, durch die Regelungen der [X.] 1408/71 werde das Territorialitätsprinzip verdrängt, beruft er sich auf die Erwägungsgründe und die Vorschriften des Titels II der [X.] 1408/71, nach denen sich die auf innerhalb der [X.] zu- und abwandernde Erwerbstätige anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmen.

Die Erwägungsgründe 1, 4, 8 bis 10 der [X.] 1408/71 lauten:

1 "Die Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über [X.] Sicherheit gehören zur Freizügigkeit von Personen und sollen zur Verbesserung von deren [X.]ebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen."

4 "Es ist angezeigt, die Eigenheiten der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über [X.] Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine Koordinierungsregelung vorzusehen."

8 "Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern, soll jeweils das System der [X.]n Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden."

9 "Zahl und Reichweite der Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger als Ausnahme von der allgemeinen Regel gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt, sind so klein wie möglich zu halten."

10 "Um die Gleichbehandlung aller im Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen am besten zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, im Allgemeinen die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet der Betreffende seine Arbeitnehmer- oder Selbständig[entätigkeit] ausübt."

Unter dem Titel II ("Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften") sieht Art. 13 ("[X.]") der [X.] 1408/71 vor:
"(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat; ..."

Art. 14 ("Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine abhängige Beschäftigung ausüben") der [X.] 1408/71 lautet:
"Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
1. a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist. ..."

bb) Die Vorschriften des Titels II der [X.] 1408/71 bezwecken, wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 4 und 8 sowie aus Art. 13 Abs. 1 der [X.] 1408/71 ergibt, dass der Betroffene grundsätzlich nur dem System der [X.]n Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegt, damit es nicht wegen der parallelen Anwendung mehrerer nationaler Rechtsvorschriften zur gänzlichen Versagung [X.]n Schutzes oder zur Kumulierung von Ansprüchen und Beitragspflichten kommt (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 14. Oktober 2010 [X.]/09 --Schwemmer--, Slg. 2010, [X.], Rz 40; --Hudzinski und [X.] in [X.], 999, Rz 41; [X.], [X.] --DStR-- 2012, 1894). Sie stellen daher --wie das [X.] zu Recht erkannt [X.] dar und begründen keinen eigenständigen Anspruch auf Kindergeld (vgl. [X.]-Urteil --Hudzinski und [X.] in [X.], 999, Rz 42, 44; [X.]/Treiber, § 62 EStG Rz 23). Da Art. 48 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] lediglich eine Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsieht, entschied der [X.] in dem Urteil --Hudzinski und [X.] ([X.], 999, Rz 42), dass "im Übrigen die materiellen und formellen Unterschiede zwischen den Systemen der [X.]n Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen der dort Versicherten durch diese Bestimmung nicht berührt [werden], so dass jeder Mitgliedstaat dafür zuständig bleibt, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die [X.]eistungen eines Systems der [X.]n Sicherheit gewährt werden". Der [X.] geht daher davon aus, dass ein Anspruch auf Kindergeld nur besteht, wenn die nationalen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. [X.], [X.], 1894, 1896 f.). Diese sind --wie [X.] im Streitfall nicht gegeben.

c) Soweit der Kläger vorbringt, aus dem Urteil des [X.] --Hudzinski und [X.] ([X.], 999) ergebe sich, dass er die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld erfülle, ist dem aus den unter I[X.]4.b bb erläuterten Gründen nicht zu folgen. Die Vorschriften des Titels II der [X.] 1408/71 stellen nach dem genannten [X.]-Urteil lediglich Kollisionsregeln dar.

d) Der Kläger kann sich für seine Auffassung nicht auf den vom [X.] Münster (Urteil in E[X.] 2010, 2006) entschiedenen Fall stützen. Denn dieser ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Der Entscheidung des [X.] Münster lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Arbeitnehmer, der nach Beendigung eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt nach [X.] verlegt, noch für eine Übergangszeit von 90 Tagen inländisches Kindergeld erhielt, weil er für diesen Zeitraum [X.] [X.]eistungen aus der inländischen Arbeitslosenversicherung (vgl. Art. 69 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a ii und Art. 2 Abs. 1 der [X.] 1408/71) bezog. Die für diesen Personenkreis bestehenden Sonderregelungen sind auf den Streitfall nicht anwendbar.

e) Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger während des Revisionsverfahrens eingereichten Dokumenten und dem Vortrag von neuen Tatsachen. Denn im Revisionsverfahren kann ein neuer Tatsachenvortrag gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O nicht berücksichtigt werden (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 25. Januar 2005 I R 52/03, [X.]E 209, 5, [X.], 514; vom 24. August 2011 I R 5/10, [X.]/NV 2012, 271, Rz 35).

Meta

XI R 37/11

20.03.2013

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 27. Oktober 2010, Az: 2 K 1271/07, Urteil

§ 1 Abs 1 EStG 2002, § 1 Abs 3 EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, Art 48 AEUV, Art 13 EWGV 1408/71, Art 14 EWGV 1408/71, § 8 AO, § 9 AO, § 118 Abs 2 FGO, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2013, Az. XI R 37/11 (REWIS RS 2013, 7191)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7191

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