Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.07.2018, Az. 4 StR 227/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6750

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Gegenstand

(Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsmittelverzichts)


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. November 2017 wird als unzulässig verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge und mit Brandstiftung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat.

2

1. Der Angeklagte hat nach Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung einen wirksamen [X.] erklärt (§ 302 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

3

a) Dem liegt das folgende, entsprechend protokollierte Geschehen am letzten Tag der Hauptverhandlung zugrunde:

4

Unmittelbar nach der Urteilsverkündung und der Rechtsmittelbelehrung hat der Angeklagte erklärt, dass er das Urteil „sofort annehmen wolle“; er „bestehe darauf“, das Urteil anzunehmen. Gleichzeitig äußerte er, dass der Vorsitzende „ein Märchen“ erzählt habe und dass er kein Mörder sei. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass sich aus diesem Zusatz ergebe, dass der Angeklagte mit dem Urteil nicht einverstanden sei, äußerte dieser, dass er „ja doch keine Chance habe“ und das Urteil deshalb annehmen wolle. Auf den weiteren Hinweis des Vorsitzenden, dass sich der Angeklagte dies überlegen solle, äußerte dieser erneut, dass er „darauf bestehe“, das Urteil anzunehmen.

5

b) Aus diesen Erklärungen des Angeklagten ergibt sich ein wirksamer [X.].

6

aa) Für das Vorliegen eines [X.]s kommt es nicht darauf an, dass das Wort „verzichten“ benutzt wird, sondern maßgeblich ist der Gesamtsinn der Erklärung (vgl. [X.], Beschluss vom 11. März 2003 - 1 StR 60/03, bei [X.], [X.], 225, 228; Beschluss vom 18. August 1988 - 4 StR 316/88, [X.]R [X.] § 302 Abs. 1 Satz 1 [X.] 7; KK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 302 Rn. 11; [X.]/[X.], 26. Aufl., § 302 Rn. 21; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 302 Rn. 20). Die Erklärung, das Urteil werde „angenommen“, enthält regelmäßig einen [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 18. August 1988 - 4 StR 316/88, aaO; [X.], [X.], 215; [X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO). Vorliegend sind die mehrfachen und unmissverständlichen Erklärungen des Angeklagten, er wolle das Urteil annehmen, eindeutig in dem Sinne zu verstehen, dass auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet worden ist. Entgegen den Ausführungen des [X.] ist auch nichts dafür ersichtlich, dass es sich um eine bloß in die Zukunft gerichtete Absichtserklärung handelte, zumal der Angeklagte erklärt hat, das Urteil „sofort“ annehmen zu wollen, und ausdrücklich abgelehnt hat, sein Vorgehen zu überdenken.

7

Die zusätzlichen Äußerungen des Angeklagten, wonach er kein „Mörder“ sei und der Vorsitzende „ein Märchen“ erzählt habe, stehen der Annahme eines [X.]s nicht entgegen, da ein solcher nicht voraussetzt, dass das verkündete Urteil für inhaltlich richtig gehalten wird. Zudem hat der Angeklagte seinen Verzichtswillen auch noch nachdrücklich geäußert, nachdem ihn der Vorsitzende auf Bedenken am Vorliegen eines [X.]s hingewiesen hatte. Spätestens hierdurch wurden etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erklärung ausgeräumt.

8

Ebenso wenig stellt es die Wirksamkeit des [X.]s in Frage, wenn es sich bei der Erklärung des Angeklagten um eine wütende Spontanäußerung gehandelt haben sollte; auch der in emotionaler Aufgewühltheit erklärte [X.] ist wirksam (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 3 StR 545/16, [X.], 186 [[X.]]; Beschluss vom 25. Februar 2014 - 1 StR 40/14, [X.], 533, 534; Beschluss vom 20. April 2004 - 1 StR 14/04, bei [X.], [X.], 257, 261). Vorliegend kommt hinzu, dass der strafrechtlich erheblich vorbelastete Angeklagte in der Vergangenheit wiederholt zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und bereits zweimal seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist - er mithin gerichtserfahren ist und sich nicht erstmals mit einer gravierenden Verurteilung konfrontiert sah.

9

bb) Auch der Verteidiger hat nicht zu erkennen gegeben, dass bezüglich der Frage eines einzulegenden Rechtsmittels noch Erörterungsbedarf bestehe, was der Wirksamkeit des Verzichts des Angeklagten hätte entgegenstehen können (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 12. Februar 1963 - 1 StR 561/62, [X.]St 18, 257 ff.; Beschluss vom 7. März 2017 - 3 StR 545/16, aaO; Beschluss vom 25. Februar 2014 - 1 StR 40/14, aaO). Vielmehr hat der Verteidiger ausweislich des [X.] keine Erklärung abgegeben.

cc) Dass die Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht vorgelesen und genehmigt worden ist, ist für ihre Wirksamkeit ebenfalls ohne Belang; dieser Umstand betrifft lediglich die Frage des Nachweises (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2014 - 1 StR 40/14, aaO; Beschluss vom 13. Januar 2000 - 4 StR 619/99, [X.], 441 f.; Beschluss vom 9. Mai 1988 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 302 Abs. 1 Satz 1 [X.] 5). Vorliegend wurde die inhaltliche Richtigkeit des [X.] von keinem Verfahrensbeteiligten in Frage gestellt. Angesichts der Unmissverständlichkeit der protokollierten Äußerungen des Angeklagten bedurfte es auch keiner weiteren Nachforschungen durch den Senat.

2. Durch den wirksamen [X.] ist das Urteil des [X.]s Dortmund vom 21. November 2017 rechtskräftig geworden. Infolge eines von dem Angeklagten selbst erklärten [X.]s ist auch ein später eingelegtes Rechtsmittel des Verteidigers wirkungslos (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2014 - 1 StR 40/14, aaO; [X.]/[X.], aaO, § 297 Rn. 10; SSW-[X.]/Hoch, 3. Aufl., § 297 Rn. 5). Die Revision war daher gemäß § 349 Abs. 1 [X.] mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] als unzulässig zu verwerfen.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Ri[X.] [X.] ist im
Urlaub und daher gehindert
zu unterschreiben.

                                   

Sost-Scheible

        

Quentin     

        

Feilcke     

        

Meta

4 StR 227/18

03.07.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 21. November 2017, Az: 37 Ks 16/16

§ 211 StGB, § 302 Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.07.2018, Az. 4 StR 227/18 (REWIS RS 2018, 6750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6750

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 227/18

Zitiert

1 StR 40/14

3 StR 545/16

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