Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.02.2015, Az. IX R 6/14

9. Senat | REWIS RS 2015, 15786

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Gegenstand

Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheides als Voraussetzung für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides über den verbleibenden Verlustvortrag


Leitsatz

1. NV: Die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags setzt nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010, BGBl I 2010, 1768) voraus, dass der Einkommensteuerbescheid des Verlustentstehungsjahrs verfahrensrechtlich geändert werden kann oder eine Änderung deshalb unterbleibt, weil er eine Steuer von 0 € festsetzt.

2. NV: § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010, wonach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG auf alle nach dem 13. Dezember 2010 abgegebenen Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags anzuwenden ist, ist verfassungsgemäß.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 6. Januar 2014  13 K 329/13 F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die Durchführung einer [X.].

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss im Jahr 2005 eine Berufsausbildung zum Flugzeugmechaniker ab. Im Streitjahr 2008 absolvierte er eine weitere Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer. Am 19. November 2010 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für 2008 ab, in der er u.a. im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer als Werbungskosten geltend machte. Das seinerzeit zuständige Finanzamt folgte dieser Einordnung nicht, sondern ließ die Aufwendungen lediglich nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben im Rahmen des [X.] von 4.000 € zum Abzug zu. Mit Einkommensteuerbescheid vom 6. Dezember 2010 setzte es die Einkommensteuer auf 0 € fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führte er an, die Ausbildungskosten zum Verkehrsflugzeugführer seien als Kosten einer Zweitausbildung als Werbungskosten zu berücksichtigen. Zudem seien noch die von ihm erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nebst der anrechenbaren Lohnsteuern zu berücksichtigen. Nachdem der Kläger eine Lohnsteuerbescheinigung hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nachgereicht hatte, nahm er mit Schreiben vom 10. März 2011 den Einspruch wieder zurück. Am 24. März 2011 erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2008, der die bislang nicht erfassten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit enthielt und im Abrechnungsteil eine Lohnsteuererstattung vorsah. Der geänderte Einkommensteuerbescheid wies wiederum eine Einkommensteuer in Höhe von 0 € aus.

3

Am 12. Dezember 2011 gab der Kläger eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2008 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) ab. Darin erklärte er bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vorab entstandene Werbungskosten für die Ausbildung zum Verkehrspiloten in Höhe von insgesamt 25.979 €. Am 30. Januar 2012 lehnte das [X.] den Antrag auf [X.] ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2014  13 K 329/13 F, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2014, 835, ab. Die vom Kläger begehrte [X.] auf den 31. Dezember 2008 werde durch § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 i.d.[X.] 2010 ([X.] 2010 vom 8. Dezember 2010, [X.], 1768) ausgeschlossen. Die Anwendungsregel des § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG verstoße auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

5

Mit seiner Revision bringt der Kläger vor, die geltend gemachten Ausbildungskosten seien in der Folge der Entscheidung des [X.] ([X.]) vom 10. Juli 2008 IX R 86/07 ([X.]/NV 2009, 363) anzuerkennen. Eine Verbindung zwischen Einkommensteuerfestsetzung und [X.] habe es im Streitjahr nicht gegeben. Die Möglichkeit der [X.] sei ihm durch das [X.] 2010 und die Neufassung von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG genommen worden, indem eine inhaltliche Bindung des [X.]sbescheids an den Einkommensteuerbescheid festgeschrieben worden sei. Diese Bindungswirkung beinhalte jedoch einen Wertungswiderspruch. Denn bei einer Einkommensteuerfestsetzung auf 0 € unterbleibe eine Steuerfestsetzung. Daher gebe es auch keine Besteuerungsgrundlagen, die für das [X.]sverfahren bindend seien. Die Bindungswirkung greife zudem nicht ein, wenn bei von Beginn an zutreffender Behandlung die streitigen Verluste im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt worden wären. Die Regelung gelte zudem erstmals für Verluste, für die nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben worden sei. Das [X.] verkenne, dass er bereits am 19. November 2010 die Einkommensteuererklärung 2008 abgegeben habe, die die geltend gemachten Werbungskosten und damit den Verlust enthalten habe. Damit habe er zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf [X.] gestellt. Die Neuregelung im [X.] 2010 sei zudem verfassungswidrig. Die Neuregelung entfalte echte Rückwirkung und greife verfassungswidrig in abgeschlossene Veranlagungszeiträume ein. Er habe im Hinblick auf die Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, [X.]E 201, 156, [X.] 2003, 403) schutzwürdiges Vertrauen in die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen bilden können. Dieses Vertrauen sei der Grund für das von ihm angestrengte [X.] gewesen. In Gestalt der Ausbildungskosten habe er aufgrund dieses Vertrauens Dispositionen getätigt.

6

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2014  13 K 329/13 F sowie den Ablehnungsbescheid vom 30. Januar 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2013 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2008 in Höhe von 23.746 € festzustellen.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

9

Zutreffend hat das [X.] die vom Kläger begehrte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2008 auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. durch das [X.] 2010 abgelehnt (1.). Die Anwendung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des [X.] 2010 auf den Feststellungszeitpunkt 31. Dezember 2008 ist

auch von [X.] wegen nicht zu beanstanden (2.).

1. Auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 und § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des [X.] 2010 scheidet eine Feststellung des verbleibenden [X.] auf den 31. Dezember 2008 aus.

a) Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. [X.] Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach Abs. 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz 2 EStG). Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 [X.]O gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des [X.] 2010). Nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des [X.] 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur insoweit abweichend berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.

Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des [X.] 2010 wird eine inhaltliche Bindung des [X.]sbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist. Die Besteuerungsgrundlagen sind im Feststellungsverfahren so zu berücksichtigen, wie sie der letzten bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung zugrunde liegen. Die [X.] entfällt, wenn der Einkommensteuerbescheid des betroffenen Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar ist. Ist der Steuerbescheid dieses Veranlagungszeitraums bestandskräftig und berücksichtigt er keinen Verlust, kommt eine [X.] daher nur noch in Betracht, wenn der Steuerbescheid des [X.] nach den Vorschriften der Abgabenordnung änderbar ist (vgl. [X.]/Schlenker, § 10d EStG Rz 224; [X.], [X.] --[X.]-- 2013, 1636, 1636 f.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 10d EStG Rz 127; [X.]mann, in [X.][X.], EStG § 10d Rz D 90; [X.] in [X.], EStG, 13. Aufl., § 10d Rz 23; [X.]/[X.], [X.] --DStR-- 2011, 345, 346; [X.]/[X.], EStG, 33. Aufl., § 10d Rz 47; [X.] in [X.]/[X.], § 10d EStG Rz 347; [X.], [X.] 2011, 2191, 2197 f.). Nach der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des [X.] 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur insoweit abweichend von der Einkommensteuerfestsetzung des [X.] berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Ist eine Änderung des Einkommensteuerbescheids unabhängig von der fehlenden betragsmäßigen Auswirkung auch verfahrensrechtlich nicht möglich, bleibt es bei der in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des [X.] 2010 angeordneten Bindungswirkung.

b) Daran gemessen schließt die fehlende Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten bei der Einkommensteuerfestsetzung 2008 den Erlass eines [X.]sbescheids auf den 31. Dezember 2008 aus. In der letzten bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2008, im Bescheid vom 24. März 2011, sind die streitigen [X.] nicht im Rahmen des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) als (vorab entstandene) Werbungskosten berücksichtigt, sondern lediglich nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als beschränkt abziehbare Sonderausgaben im Rahmen der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) abgezogen worden. Da eine Berücksichtigung der Aufwendungen als (vorab entstandene) Werbungskosten versagt worden ist, scheidet nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des [X.] 2010 eine Berücksichtigung auch im Rahmen der erstmaligen [X.] aus.

Eine von der Einkommensteuerfestsetzung abweichende Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlagen (allein) im Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des [X.] 2010 ist nicht möglich. Denn die Änderung des [X.] ist nicht allein deshalb unterblieben, weil eine Aufhebung, Änderung oder Berichtigung mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer nicht möglich war. Vielmehr konnte eine Änderung des [X.] deswegen nicht erfolgen, weil dieser wegen der Rücknahme des eingelegten Einspruchs zwischenzeitlich bestandskräftig geworden war und eine Änderungsvorschrift nach der Abgabenordnung nicht eingreift.

c) § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des [X.] 2010 sind auch zeitlich auf die [X.] auf den 31. Dezember 2008 anwendbar. Die Vorschriften sind erstmals anzuwenden für Verluste, für die nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG). Nach den insoweit bindenden Feststellungen des [X.] (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) hat der Kläger seinen Antrag auf [X.] am 12. Dezember 2011 und damit erst nach dem 13. Dezember 2010 und nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben.

2. Die Regelung des § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des [X.] 2010, wonach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG auf alle nach dem 13. Dezember 2010 abgegebenen Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags anzuwenden ist, ist auch von [X.] wegen nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des [X.] überschreitet die Regelung des § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des [X.] 2010 nicht die Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das [X.] ([X.]) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes liegen daher nicht vor.

a) Nimmt man eine Rückwirkung durch das Inkraftsetzen von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG durch § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des [X.] 2010 an, weil der zur [X.] führende Verlust fast zwei Jahre vor der Gesetzesänderung entstanden ist und dem Kläger für den streitigen Feststellungszeitraum bis zum Inkrafttreten der Neuregelung im Dezember 2010 die Möglichkeit der [X.] offen gestanden hat (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 17. September 2008 IX R 70/06, [X.], 50, [X.], 897), ist die Rückwirkung im Rahmen der Abwägung zwischen den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen (vgl. dazu BTDrucks 17/2249, S. 51 f.) und dem Vertrauen des [X.] auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage von [X.] wegen nicht zu beanstanden.

Die Möglichkeit einer [X.] trotz bereits bestandskräftiger und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer Einkommensteuerveranlagung ist dem Kläger erst durch die BFH-Urteile in [X.], 50, [X.], 897, vom 17. September 2008 IX R 69/06 ([X.], 555), vom 17. September 2008 IX R 65/06 ([X.], 385), vom 17. September 2008 IX R 81/07 ([X.], 386), vom 17. September 2008 IX R 92/07 (nicht veröffentlicht) und vom 14. Juli 2009 IX R 52/08 ([X.], 453, [X.], 26; vgl. dazu [X.], [X.], 18, 21) eingeräumt worden. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG a.F. war dem Steuerpflichtigen damit auch bei einer zuvor bestandkräftig auf 0 € festgesetzten Einkommensteuer und sogar bei einem dieser zugrundeliegenden positiven Gesamtbetrag der Einkünfte noch eine anschließende erstmalige gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] eröffnet. Mit dieser Rechtsprechungsänderung ist es dem Steuerpflichtigen ermöglicht worden, in größerem zeitlichen Abstand nach Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung noch erstmalig den Erlass von [X.]sbescheiden zu beantragen (vgl. dazu u.a. [X.], a.a.[X.], S. 21; [X.], a.a.[X.], S. 2196 f.).

b) Mit der Änderung in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des [X.] 2010 hat der Gesetzgeber die vor Ergehen der geänderten BFH-Rechtsprechung geltende Rechtslage wiederhergestellt (vgl. BTDrucks 17/2249, S. 51 f.; so auch [X.], [X.] 2013, 1636, 1637; [X.]/[X.], § 10d EStG Rz 127; [X.], a.a.[X.], § 10d Rz 23; [X.]/[X.], [X.], 345, 346; [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 10d Rz 47). Vor Ergehen der o.g. BFH-Urteile lehnten Rechtsprechung und Finanzverwaltung übereinstimmend die erstmalige Feststellung des verbleibenden [X.] ab, wenn die Einkommensteuerveranlagung des betroffenen Jahres bestandskräftig und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar war (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97, [X.], 523, [X.], 3, und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, [X.], 545, [X.] 2002, 817, jeweils m.w.N.; H 115 Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 2001 Stichwort "Feststellungsbescheid" sowie im Schrifttum [X.], in [X.], EStG, 7. Aufl., § 10d Rz 36, 39; [X.]/[X.], DStR 2005, 1794, 1798; [X.], E[X.] 2006, 1576).

Diese Auffassung war zwar nicht unumstritten, aber gefestigt (kritisch zur Rechtsprechung vgl. [X.], [X.] 2003, 234, 235; Gassen in [X.]/[X.]/ [X.], [X.], Kommentar, § 10d Rz 90; [X.], DStR 1989, 191, 238; [X.]/[X.], [X.] 1997, 452, 452 f.; [X.]/[X.], DStR 1999, 1257; [X.]/[X.], [X.] --[X.]-- 2002, 551, 553; [X.], [X.] 2003, 295, 300 f.; [X.]/[X.], EStG, 26. Aufl., § 10d Rz 48; [X.], Der [X.] 2001, 187, 189; [X.], [X.], 345). Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen der Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und dem Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der Rechtslage in diesem Fall nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, [X.]E 127, 1, [X.], 76, unter [X.], und vom 2. Mai 2012  2 BvL 5/10, [X.]E 131, 20, unter [X.] (2).

c) Zudem ist hier im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 6. Dezember 2010 zunächst Einspruch eingelegt hatte, mithin auch nach Inkrafttreten der Änderung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG durch das [X.] 2010 am 14. Dezember 2010 die Einkommensteuerfestsetzung für 2008 noch änderbar war und eine Änderung nur mangels Auswirkung auf die festgesetzte Steuer unterblieben wäre. Hätte der Kläger seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 6. Dezember 2010 nicht am 10. März 2011 zurückgenommen, wäre auf der Grundlage von § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG i.d.[X.] vom 7. Dezember 2011 ([X.], 2592) sowie der BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 VI R 31/07 ([X.], 1797) und in [X.], 156, [X.] 2003, 403, unter [X.], die den Abzug von Kosten einer Zweitausbildung zulassen, eine Berücksichtigung der Aufwendungen im Wege eines [X.]sbescheids möglich gewesen.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 6/14

10.02.2015

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 6. Januar 2014, Az: 13 K 329/13 F, Gerichtsbescheid

§ 10d Abs 4 S 4 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 10d Abs 4 S 5 EStG 2009 vom 08.12.2010, § 52 Abs 25 S 5 EStG 2009 vom 08.12.2010, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.02.2015, Az. IX R 6/14 (REWIS RS 2015, 15786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15786

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