Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.04.2011, Az. X B 142/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 7515

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Gegenstand

Anforderung an die Sachverhaltsfeststellung bei einer Gesamtwürdigung


Leitsatz

1. NV: Eine "Sachverhaltsunterstellung", die gegen die Pflicht zur Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens verstoßen würde, liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn alle vom FG in seine Gesamtwürdigung einbezogenen Sachverhaltsmerkmale auf konkrete Feststellungen gestützt werden, die zuvor mit den Beteiligten erörtert worden sind .

2. NV: Einwendungen gegen ein Schreiben des finanzgerichtlichen Prüfers, das sich das FG nicht erkennbar zu eigen gemacht hat, sind nicht zur Darlegung eines Verfahrensmangels geeignet .

Gründe

1

Die Beschwerde ist --bei erheblichen Zweifeln an ihrer Zulässigkeit im [X.]inblick auf die Erfüllung der Darlegungsanforderungen des § 116 [X.]bs. 3 [X.]atz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.] jedenfalls unbegründet.

2

1. Innerhalb der [X.] hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ausschließlich einen Verfahrensmangel (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 3 [X.]O) in Gestalt eines Verstoßes gegen § 96 [X.]bs. 1 [X.]atz 1 [X.]O gerügt. [X.]o habe das Finanzgericht ([X.]) den [X.] nicht vollständig erfasst. [X.]uch sei es von [X.] ausgegangen, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen seien.

3

Es kann offenbleiben, ob der Kläger derartige Verfahrensmängel in schlüssiger Weise geltend gemacht hat; sie liegen jedenfalls nicht vor.

4

a) Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer zwei Tankstellen ([X.] und [X.]) in derselben [X.] selbst; eine weitere, in der [X.] belegene Tankstelle verpachtet er. In materiell-rechtlicher [X.]insicht war zwischen den Beteiligten im Klageverfahren streitig, ob der Kläger damit einen einheitlichen Gewerbebetrieb i.[X.]. des § 2 [X.]bs. 1 des [X.] (Gew[X.]tG) oder aber drei selbständige Gewerbebetriebe unterhält. Letzteres entsprach der vom Kläger vertretenen [X.]uffassung; dies hätte die mehrfache Gewährung des Freibetrags und [X.]taffeltarifs nach § 11 Gew[X.]tG in der im [X.]treitjahr 2002 geltenden Fassung zur Folge.

5

Das [X.] ist in dem angefochtenen Urteil auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung zu der [X.]uffassung gekommen, der Kläger habe einen einheitlichen Gewerbebetrieb unterhalten. In seiner klageabweisenden Entscheidung hat es die folgenden [X.]achverhaltsmerkmale angeführt, die aus [X.]icht des [X.] für die Einheitlichkeit sprachen:

6

- Einheitliche Bezeichnung des Betriebs in den vom Kläger verwendeten Rechnungsformularen unter Verwendung des Plurals "Tankstellen", [X.]ngabe aller drei Tankstellen in [X.], [X.] und [X.] sowie der für die Tankstellen [X.] und [X.] geführten Bankkonten;

7

- mit dieser einheitlichen [X.]ußendarstellung stehe in Zusammenhang, dass Geschäftspartner des [X.] ihre Rechnungen "in Einzelfällen" nicht an diejenige Tankstelle adressiert hätten, der die jeweilige Eingangsleistung zuzuordnen sei; hierfür könne der Kläger nicht seine Geschäftspartner verantwortlich machen;

8

- es habe nicht geklärt werden können, in welchem Umfang der [X.]chriftverkehr für sämtliche Tankstellen einheitlich von [X.] aus geführt worden sei, weil der Kläger trotz [X.]ufforderung seine Geschäftsbriefe nicht vorgelegt habe;

9

- die Buchführung sei für alle drei Tankstellen von [X.] aus unter Einsatz der dortigen Betriebsmittel geführt worden;

-       die drei Betriebsteile seien gleichartig und befänden sind räumlich zueinander im näheren Einzugsgebiet;

-       zwar seien die Buchführungen und Jahresabschlüsse grundsätzlich getrennt erstellt worden; die [X.]ufteilung der Umsatz- und Lohnsteuern sowie die hinsichtlich eines Teils der Forderungen erforderlichen Korrekturen seien aber nicht zeitnah durchgeführt worden;

-       die verpachtete Tankstelle in [X.] sei nach dem Inhalt des Pachtvertrags lediglich als unselbständige Verkaufsstelle der Betriebsstätte [X.] anzusehen;

-       nicht nur gelegentlich, sondern immer wieder seien bei der [X.]nlieferung von Kraftstoff zu einer der Tankstellen des [X.] Restmengen bei einer anderen Tankstelle des [X.] abgeladen worden;

-       das Betriebsgrundstück der Tankstelle [X.] sei in der für die Tankstelle [X.] aufgestellten Bilanz aktiviert worden; die für [X.] angefallenen [X.]chuldzinsen seien durch entsprechende [X.] und Einlagebuchungen im wirtschaftlichen Ergebnis der Betriebsstätte [X.] belastet worden;

-       auch wenn grundsätzlich die [X.]rbeitnehmer einer einzigen Tankstelle fest zugeordnet gewesen seien, sei in zwei Fällen aus der Kasse der Tankstelle [X.] Barlohn an [X.]rbeitnehmer der Tankstelle [X.] ausgezahlt worden.

b) Der Kläger hat nicht dargelegt, inwiefern diese [X.]achverhaltsmerkmale auf "[X.]" des [X.] im [X.]inne des vom Kläger angeführten Urteils des [X.] (BF[X.]) vom 6. Dezember 1995 [X.] (BF[X.]/NV 1996, 554, unter II.2.) beruhen sollen. Vielmehr hat das [X.] alle genannten [X.]achverhaltsmerkmale auf konkrete Feststellungen gestützt, die dem Kläger zudem bereits im Laufe des Klageverfahrens durch einen Erörterungstermin, umfangreiche [X.]inweisschreiben sowie in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden waren, und die das [X.] aufgrund der entsprechenden Einwendungen des [X.] im Rahmen der Urteilsfindung modifiziert und präzisiert hat.

c) [X.]uch ergibt sich aus der Beschwerdebegründung des [X.] nicht, dass das [X.] den [X.] nicht vollständig erfasst haben könnte.

Die insgesamt 33-seitige Beschwerdebegründung besteht --nach einleitenden [X.]usführungen zu den [X.]nforderungen des § 96 [X.]O ([X.] 1 bis 6 mitte der Beschwerdebegründung)-- im Wesentlichen aus wörtlichen Wiederholungen des während des Klageverfahrens vom Kläger eingereichten [X.]chriftsatzes vom 30. [X.]pril 2009 ([X.] 6 mitte bis [X.] 32 unten der Beschwerdebegründung entsprechen weitgehend [X.] 3 oben bis [X.] 31 mitte des [X.]chriftsatzes vom 30. [X.]pril 2009). Wesentlich neue Textpassagen finden sich in der Beschwerdebegründung lediglich auf [X.] 17 (betreffend die Würdigung eines Zeugenbeweises) sowie auf [X.] 27 ([X.]inweis auf vom [X.] unzutreffend mitgeteilte Bankkontonummern); diese sind indes für die Darlegung des vom Kläger lediglich geltend gemachten Verfahrensfehlers ohne Belang.

Mit dem genannten [X.]chreiben vom 30. [X.]pril 2009 hat der Kläger zu [X.]inweisen des finanzgerichtlichen Prüfers [X.]tellung genommen, die ihm im Erörterungstermin am 31. März 2009 sowie im [X.]chreiben des finanzgerichtlichen Prüfers vom 6. [X.]pril 2009 übermittelt worden waren. Der Kläger meint nun sinngemäß, das [X.] habe sein [X.]chreiben vom 30. [X.]pril 2009 in [X.] nicht als [X.] erfasst.

Indes ergibt sich sowohl aus den [X.]kten als auch aus dem angefochtenen Urteil, dass gerade das Gegenteil der Fall ist: [X.]oweit es dem Kläger im [X.]chreiben vom 30. [X.]pril 2009 gelungen ist, die vom finanzgerichtlichen Prüfer aufgezeigten Einzelsachverhalte und vorläufig gezogenen [X.]chlussfolgerungen zu widerlegen oder zumindest in Zweifel zu ziehen, ist das [X.] diesem Vorbringen des [X.] gefolgt. [X.]n keiner [X.]telle des Urteils hat das [X.] sich diese vom Kläger widerlegten oder in Zweifel gezogenen [X.]achverhaltsdarstellungen oder vorläufigen [X.]chlussfolgerungen des Prüfers zu eigen gemacht. Die Beschwerdebegründung, die in diesem Zusammenhang durchgängig auf die [X.]chreiben des finanzgerichtlichen Prüfers, nicht aber auf das angefochtene Urteil Bezug nimmt, geht insoweit ins Leere, so dass mit diesen [X.]usführungen ein Verfahrensmangel schon im [X.]nsatz nicht dargelegt werden kann.

[X.]oweit dem Kläger hinsichtlich eines Teils der Rechnungen seiner Geschäftspartner die Widerlegung der [X.]inweise des finanzgerichtlichen Prüfers nicht gelungen ist, hat das [X.] diese "Vermischung" der einzelnen Betriebsstätten in zulässiger Weise in seine Gesamtwürdigung einbezogen, dabei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um "konkrete Einzelfälle" handele. Damit hat das [X.] deutlich zu erkennen gegeben, dass der gesamte --von ihm in Betracht gezogene-- [X.] umfassender ist als diese Einzelfälle. Dass das [X.] den --unbelegten-- Behauptungen des [X.] zu den Ursachen der von seinen Geschäftspartnern vorgenommenen Rechnungsadressierung nicht gefolgt ist, weil dieser trotz mehrfacher [X.]ufforderungen seine eigenen Geschäftsbriefe nicht vorgelegt hatte, ist mindestens naheliegend. Im Übrigen gehört auch die Verletzung von Mitwirkungspflichten zum "[X.]", den das [X.] würdigen kann und muss.

Ferner bemängelt der Kläger --wie bereits im [X.], dass der finanzgerichtliche Prüfer lediglich weniger als 1 % der Geschäftsvorfälle und ca. 3 % der Kraftstofflieferungen beanstandet habe. Damit sei der überwiegende Teil des [X.]s nicht einbezogen worden. Indes wird aus dem angefochtenen Urteil hinreichend deutlich erkennbar, dass das [X.] --über die von ihm aufgezeigten Umstände hinaus-- durchaus von einer Trennung zwischen den einzelnen Tankstellen ausgegangen ist bzw. das entsprechende Vorbringen des [X.] als wahr unterstellt hat. Es hat jedoch im Rahmen seiner Gesamtwürdigung den festgestellten Verbindungen zwischen den drei Tankstellen ein so großes Gewicht zugemessen, das die [X.]nnahme dreier getrennter Betriebe ausschließe. Damit greift der Kläger im [X.] lediglich die Gesamtwürdigung des [X.] an, was im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht zum Erfolg führen kann. Eine ungenügende Erfassung des [X.]s wird mit den [X.]usführungen des [X.] hingegen nicht dargelegt.

Im Übrigen sind die Feststellungen des [X.] zu Einzelsachverhalten angesichts des erheblichen Umfangs der [X.] (24 Ordner, 3 Boxen, 3 [X.]efter), der eine Vollerhebung ausschließt, lediglich als [X.]tichproben anzusehen. [X.]inzu kommt auch hier, dass der Kläger seine Geschäftsbriefe trotz mehrfacher [X.]ufforderung nicht vorgelegt hat und damit dem [X.] einen erheblichen Teil dessen, was zum [X.] gehören würde, bewusst nicht zugänglich gemacht hat. Weil der Inhalt dieser Geschäftsbriefe unbekannt geblieben ist, gibt es keinen Beleg für die Behauptung des [X.], 99 % der Geschäftsvorfälle seien nicht zu beanstanden.

2. [X.]oweit der Kläger erstmals in einem am 20. März 2011 eingegangenen [X.]chriftsatz als weiteren Verfahrensmangel auch einen Verstoß des [X.] gegen die [X.]achaufklärungspflicht rügt, war zu diesem Zeitpunkt die höchstens dreimonatige [X.] des § 116 [X.]bs. 3 [X.]ätze 1 und 4 [X.]O bereits abgelaufen. Nach [X.]blauf der Begründungsfrist können neue Zulassungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden (BF[X.]-Beschluss vom 7. Dezember 2010 [X.]/09, BF[X.]/NV 2011, 564, unter 2., m.w.N.).

Darüber hinaus erschöpft sich auch der [X.]chriftsatz vom 20. März 2011 im Wesentlichen in einer wörtlichen Wiederholung des bereits während des Klageverfahrens eingereichten [X.]chreibens vom 30. [X.]pril 2009.

Meta

X B 142/10

14.04.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 11. Mai 2010, Az: 8 K 2613/05 G, Urteil

§ 96 Abs 1 S 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.04.2011, Az. X B 142/10 (REWIS RS 2011, 7515)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7515

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