Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.06.2010, Az. 4 AZR 944/08

4. Senat | REWIS RS 2010, 5833

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Gegenstand

Auslegung einer tarifvertraglichen Verweisungsklausel


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2008 - 3 [X.]/08 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2008 - 1 Ca 1092b/07 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und im Hauptausspruch zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 889,35 Euro brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. September 2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Parteien haben die Kosten erster und zweiter Instanz je zur Hälfte zu tragen. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch über die Verpflichtung der [X.], dem Kläger einen Stundenlohn in Höhe von 15,04 Euro brutto nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der [X.] mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des [X.] vom 20. August 2007 ([X.]) statt der von ihnen einzelvertraglich vereinbarten 13,54 Euro brutto zu zahlen.

2

Der Kläger war bei der [X.] in der [X.] vom 6. Juni 2006 bis zum 18. Juli 2007 als Fliesenleger beschäftigt. Er ist Mitglied der [X.] ([X.]), vormals [X.] ([X.]). Die Beklagte ist Mitglied der Innung des Baugewerbes [X.]. Diese ist seit Ende der 1980er Jahre nicht mehr Mitglied im [X.]. Sie schloss aber unter dem 23. Mai 1990 mit der [X.], [X.], den Tarifvertrag über die Anwendung der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes ([X.]). Der darin [X.]. in Bezug genommene „[X.] … für das Bauhauptgewerbe im [X.]“ wurde zuletzt am 19. April 2000 als [X.] (Lohntabellen) für das Bauhauptgewerbe im [X.] gültig vom 1. April 2000 bis 31. März 2002 ([X.]) zwischen dem [X.] [X.] e.V., dem [X.] und der [X.], [X.], abgeschlossen. [X.] ausdrücklicher Regelung galt dieser [X.] mit der Kündigung des zentralen [X.], der ebenfalls am 19. April 2000 abgeschlossen worden war, als gleichzeitig gekündigt. Dieser zentrale Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der [X.] mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des [X.] - [X.] 2000 - wurde zum 31. März 2002 gekündigt.

3

Der Kläger beansprucht für den Klagezeitraum einen tariflichen Stundenlohn von 15,04 Euro brutto statt der arbeitsvertraglich vereinbarten 13,54 Euro brutto und daraus sich ergebend ein Differenzentgelt von 864,00 Euro brutto. Mit dem [X.] werde die Gleichbehandlung mit den Beschäftigungsverhältnissen bei Arbeitgebern, die unmittelbar an die Tarifverträge im Bauhauptgewerbe gebunden seien, bezweckt. Da seit dem 1. April 2002 kein [X.] mehr abgeschlossen worden sei, fänden nunmehr aufgrund der Verweisung in § 2 Nr. 1 [X.] die Lohnsätze des bezirksübergreifenden [X.] vom 20. August 2007 - abgeschlossen mit Wirkung zum 1. April 2007 zwischen dem [X.], dem [X.] und der [X.] - Anwendung auf sein Arbeitsverhältnis. Die [X.] seien über viele Jahre als zusätzliche regionale Regelungen zum [X.] vereinbart worden. Sie stellten lediglich dessen Ausformungen dar, den sie nicht veränderten, sondern nur ergänzten. Mit Schreiben vom 28. Juni 2007 hat der Kläger die Differenzbeträge für die Monate April und Mai 2007 (240,00 Euro und 252,00 Euro) geltend gemacht. Die Beklagte kam dem nicht nach, woraufhin der Kläger unter dem 30. August 2007 Klage erhob, mit der er zugleich seine Ansprüche für die Monate Juni und Juli 2007 (252,00 Euro und 120,00 Euro) geltend gemacht hat.

4

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 864,00 Euro brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. August 2007 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung nach den Lohnsätzen des [X.] vom 20. August 2007. Der [X.] sei nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich auf den [X.] bezogen. Bei dessen Wegfall ergebe sich keine automatische Bezugnahme auf der [X.]. Vielmehr sei in einem solchen Fall gemäß § 3 Abs. 3 [X.] zwischen den Tarifvertragsparteien neu zu verhandeln.

6

Beide Vorinstanzen haben der Klage, die unter Einschluss einer Forderung auf Zahlung des tariflichen 13. [X.] ursprünglich auf einen Gesamtbetrag von 1.753,35 Euro gerichtet war, insgesamt stattgegeben. Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision ihren Klageabweisungsantrag nur noch weiter, soweit sie zur Zahlung von 864,00 Euro verurteilt worden ist. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der [X.]n ist begründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.]n, soweit sie in der Revisionsinstanz angefallen ist, zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat gegen die [X.] keinen Anspruch auf Zahlung der beanspruchten Entgeltdifferenz von 864,00 Euro brutto. Der [X.] vom 20. August 2007 ist nicht lückenfüllend nach § 2 Nr. 1 [X.] an die Stelle des nicht mehr neu abgeschlossenen, nur noch nachwirkenden [X.] getreten. Zudem besteht auch kein Anspruch auf den Tariflohn in der Höhe des letzten [X.], da dieser nach seiner Kündigung einzelvertraglich durch eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 [X.] ersetzt werden konnte und ersetzt wurde.

8

I. Im [X.] heißt es auszugsweise:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich           

        

Fachlich und räumlich:

Alle Betriebe und selbständigen [X.] der Innung des Baugewerbes Neumünster, die unter den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes fallen.

        

Persönlich:

Alle gewerblichen Arbeitnehmer, Angestellte und Auszubildende, die unter den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes fallen.

        

§ 2     

        

Leistungen           

        

Es gelten alle allgemeinverbindlichen Tarifverträge des Bauhauptgewerbes sowie alle nachfolgend aufgeführten Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe in der jeweils geltenden Fassung:

                 

Gewerbliche Arbeitnehmer           

                 

1.    

Bezirkslohntarifvertrag und Ausbildungsvergütungen für das Bauhauptgewerbe im [X.]

                 

2. - 4.

…       

                 

Angestellte           

                 

5. - 13.

…       

        

§ 3     

        

Inkrafttreten und Laufdauer           

        

Dieser Tarifvertrag tritt am 01. April 1990 in [X.] und ist mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten - erstmalig zum 31. März 1991 - kündbar.

        

Die Parteien sind sich einig, daß, wenn sich die Zugehörigkeit der Tarifvertragsparteien dieses Vertrages zu den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes verändert, dieser Tarifvertrag ohne Kündigung endet.

        

Werden für das Bauhauptgewerbe andere als die in diesem Vertrag aufgeführten Verträge abgeschlossen, so verpflichten sich die Tarifvertragsparteien dieses [X.], unverzüglich in Verhandlungen hierüber einzutreten.“

9

II. Entgegen der Auffassung des [X.]s verweist § 2 Nr. 1 [X.] nicht mangels Fortschreibung der [X.] über den Wortlaut hinaus auf den jeweils aktuellen, bundesweit geltenden Entgelttarifvertrag [X.].

1. Der [X.] findet normativ auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung.

a) Zweifel an der Tarifzuständigkeit der Innung des Baugewerbes [X.] zum Abschluss des [X.] bestehen nicht. Ihr ist nach § 54 Abs. 3 Nr. 1 HwO [X.] verliehen, der auch nicht die vom Innungsverband - hier [X.] - geschlossenen Tarifverträge entgegenstehen, weil die Innung vor Abschluss des [X.] aus dem Innungsverband ausgetreten ist.

b) Der ungekündigte, zwischen der Innung des Baugewerbes [X.] und der [X.], [X.], geschlossene [X.] gilt zwischen dem Kläger und der [X.]n gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] unmittelbar und zwingend.

aa) Die [X.] führt als Mitglied der Innung des Baugewerbes [X.] einen Betrieb, der unter den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes iSd. § 1 Abs. 2 des [X.] für das Baugewerbe (BRTV) fällt.

[X.]) Die Tarifgebundenheit des Klägers, der gewerblicher Arbeitnehmer im Sinne des persönlichen Geltungsbereichs nach § 1 [X.] ist, folgt gemäß § 3 Abs. 1 [X.] aus seiner Mitgliedschaft in der [X.], die Rechtsnachfolgerin der tarifschließenden [X.] [X.] ist. Die normative Geltung des [X.] wurde durch die Fusion und Umbenennung der [X.] in die [X.] zum 1. Januar 1996 nicht berührt (vgl. im Einzelnen [X.] 12. Dezember 2007 - 4 [X.] - [X.]E 125, 169).

2. Es bestehen keine Zweifel an der Zulässigkeit der Verweisung in § 2 Nr. 1 [X.] als Delegation tariflicher [X.] (zu den Kriterien ua. [X.] 29. August 2007 - 4 [X.] - Rn. 28, [X.] [X.] § 4 Nr. 27 = EzA [X.] § 4 Nachwirkung Nr. 41). Der betriebliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich des [X.] und des [X.] stimmen überein und die Bezugnahme ist hinreichend bestimmt. Die in Bezug genommenen Tarifverträge werden genau bezeichnet.

3. § 2 Nr. 1 [X.] enthält eine zeitdynamische Bezugnahme, die den [X.] nicht erfasst.

a) Die Anwendbarkeit des [X.] ergibt sich nicht aus einer am Wortlaut und dem im Tarifvertrag zum Ausdruck gekommenen Sinn des [X.] orientierten Auslegung.

aa) Die Auslegung eines [X.] durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen ([X.] 19. September 2007 - 4 [X.] - Rn. 30, [X.]E 124, 110). Dabei folgt die Auslegung des normativen Teiles eines [X.] nach ständiger Rechtsprechung des [X.] den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Somit ist zunächst vom [X.] auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem [X.] ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des [X.], ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., etwa 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 14, [X.] [X.] § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 3 und 26. Januar 2005 - 4 [X.] - mwN, [X.]E 113, 291, 299).

[X.]) § 2 [X.] ist eine zeitdynamische Verweisungsbestimmung, weil in ihm die betreffenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung in Bezug genommen werden.

cc) Die Bezugnahme in § 2 [X.] erfasst nach ihrem Wortlaut nicht den [X.]. § 2 [X.] enthält eine genaue Bezeichnung der Tarifverträge, die im Geltungsbereich des [X.] maßgebend sein sollen. Der [X.] gehört nicht dazu.

(1) Verwiesen wird einerseits auf „alle allgemeinverbindlichen Tarifverträge des Bauhauptgewerbes“. Dies löst keine über einen Hinweis auf die Rechtslage hinausgehenden Wirkungen aus, weil diese Tarifverträge auch ohne den [X.] bereits aufgrund ihrer Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs. 4 [X.] die nicht durch Mitgliedschaft tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihres Geltungsbereichs erfassen.

(2) Verwiesen wird auf der anderen Seite auf „alle nachfolgend aufgeführten Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe in der jeweils geltenden Fassung“. Damit wird aus der Gesamtzahl der Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe durch „nachfolgend aufgeführt“ eine konkret bezeichnete und abschließende Auswahl vorgenommen. Hierzu gehören unter der Rubrik „Gewerbliche Arbeitnehmer“ der „Bezirkslohntarifvertrag und Ausbildungsvergütungen für das Bauhauptgewerbe im [X.]“, womit der [X.] gemeint ist. Der [X.] ist nicht aufgeführt und von der Verweisung nicht erfasst.

(a) Die Verweisung auf „Bezirkslohntarifvertrag und Ausbildungsvergütungen für das Bauhauptgewerbe im [X.]“ ordnet die Anwendung des [X.] an, auch wenn dessen Überschrift nicht die „Ausbildungsvergütungen“ enthält. Diese sind jedoch im [X.] geregelt. Mit der Verweisung wird nur zusätzlich klargestellt, dass sich im Geltungsbereich des [X.] nicht nur die Löhne, sondern auch die Ausbildungsvergütungen nach den bezirkstariflichen Festlegungen richten sollen.

(b) Die Liste der „nachfolgend aufgeführten Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe“ in § 2 [X.] bezeichnet unter dreizehn Ordnungsziffern dreizehn konkrete Tarifverträge, die für gewerbliche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie für Angestellte im Bereich der Innung des Baugewerbes [X.] gelten sollen. Diese Aufzählung ist abschließend. Der Tarifvertragstext enthält keinen Hinweis darauf, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien weitere oder andere Tarifverträge wie der [X.] ebenfalls übernommen werden sollen.

dd) Diese Auslegung des insoweit eindeutigen [X.]s entspricht dem erkennbaren Sinn der Erklärung der Tarifvertragsparteien des [X.], so wie er sich auch im tariflichen Gesamtzusammenhang widerspiegelt. Die Auffassung des [X.]s, dass vom Sinn und Zweck des [X.] abgewichen würde, wenn bei [X.] von [X.]n im [X.] die Mitglieder der Innung des Baugewerbes [X.] in der Folge auch von dem den [X.]n zugrunde liegenden bundesweit geltenden [X.] abgekoppelt würden, findet nicht nur keinen Niederschlag im [X.]. Dessen Tarifvertragsparteien haben vielmehr sogar in § 3 Abs. 3 [X.] einen dem entgegenstehenden Regelungswillen zum Ausdruck gebracht.

(1) Bezüglich der Höhe der Arbeitsentgelte haben die Tarifvertragsparteien auf den regionalen Tarif Bezug genommen, der auch gegolten hätte, wenn die Innung des Baugewerbes [X.] Mitglied im [X.] geblieben wäre. Dazu hat das [X.] ausgeführt, dass es Sinn und Zweck des [X.] vom 23. Mai 1990 war zu verhindern, dass der nur auf innerorganisatorische Streitigkeiten zurückzuführende Austritt der Innung des Baugewerbes [X.] aus dem [X.] dazu führt, die Tarifbindung der Mitglieder dieser Innung im Hinblick auf die Vergütungsansprüche der beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer entfallen zu lassen.

(2) Dieser Regelungshintergrund könnte zunächst dafür sprechen, den [X.] als in der Sache von § 2 Nr. 1 [X.] mitumfasst anzusehen. Denn nach der Beendigung der Fortführung der [X.] im [X.] läuft bei Wortlaut getreuer Umsetzung des [X.] das Entgeltgefüge der Innungen des Baugewerbes des [X.] auseinander, weil für die Mitglieder der Innung des Baugewerbes [X.] anders als für die Mitglieder anderer Innungen, die nach wie vor Mitglied im Baugewerbeverband des [X.] sind, der [X.] nicht zur Anwendung kommt.

(3) Davon abgesehen, dass dieser Regelungshintergrund und ein daraus gefolgerter Gleichstellungswille in den materiell-rechtlichen Bestimmungen des [X.] nicht zum Ausdruck kommt, steht der vom [X.] vertretenen Auslegung durchgreifend § 3 Abs. 3 [X.] entgegen. In dieser auf das Zustandekommen anderer als der aufgelisteten Tarifverträge im Bauhauptgewerbe bezogenen Bestimmung kommt der Wille der Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, nur die in § 2 [X.] ausdrücklich genannten Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung ohne weiteres zur Geltung zu bringen. Neue Tarifentwicklungen im Bauhauptgewerbe außerhalb der aufgeführten [X.] sollen erst auf der Grundlage einer Einigung in Neuverhandlungen zwischen der Innung des Baugewerbes [X.] und der [X.]/[X.], zu deren unverzüglicher Aufnahme sich beide Tarifvertragsparteien verpflichten, für das Baugewerbe [X.] übernommen - oder auch nicht übernommen - werden.

(a) Die Tarifautonomie als Möglichkeit und Aufgabe der Tarifvertragsparteien, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen eigenverantwortlich zu regeln, schließt es zwar nicht aus, die [X.] zu delegieren oder auf jeweils andere Tarifnormen zu verweisen. Mit einer insoweit zulässigen Verweisung geht jedoch die jederzeit bestehende Möglichkeit der Tarifvertragsparteien einher, die Delegation oder Verweisung wieder aufheben (vgl. [X.] 10. November 1982 - 4 [X.] - [X.]E 40, 327, 335), modifizieren oder ersetzen zu können und nicht durch die Ausgestaltung der Kündigungsregelungen eine zeitlich zu lange Bindung einzugehen ([X.] 29. August 2007 - 4 [X.] - Rn. 28 mwN, [X.] [X.] § 4 Nr. 27 = EzA [X.] § 4 Nachwirkung Nr. 41). Diese grundsätzliche Wertung ist auch bei der Auslegung einer tarifvertraglichen Verweisung zu berücksichtigen. Sie spricht dafür, eine Verweisung im Zweifel eng auszulegen.

(b) Der Verhandlungsvorrang des § 3 Abs. 3 [X.] erfasst auch den Fall der Ersetzung des nicht fortgeführten [X.] durch einen anderen nicht bezirklichen Tarifvertrag.

(aa) Die Tarifvertragsparteien haben in § 3 Abs. 3 [X.] vereinbart, dass sie sich zum unverzüglichen Eintritt in Verhandlungen verpflichten, wenn für das Bauhauptgewerbe andere als die im [X.] aufgeführten Verträge abgeschlossen werden.

([X.]) Damit haben sie für den Fall, dass anstelle eines der in § 2 Einleitungssatz und Nr. 1 bis 13 aufgeführten Verträge ein anderer Tarifvertrag abgeschlossen oder in den bezirklichen Arbeitsverhältnissen des Bauhauptgewerbes außerhalb von [X.] heranzuziehen ist, eine in sich abgeschlossene Auffangregelung vereinbart. Der Tatbestand von § 3 Abs. 3 [X.] ist nicht, wie das [X.] annimmt, auf „andere Tarifverträge“ iSv. thematisch „zusätzlichen“ Tarifverträgen beschränkt. „Andere“ Tarifverträge [X.] sind nach dem [X.] sämtliche Tarifverträge des Bauhauptgewerbes, die weder allgemeinverbindlich noch in § 2 Nr. 1 bis 13 [X.] aufgeführt sind. Dieses Auslegungsergebnis steht auch in Übereinstimmung mit dem vom [X.] herangezogenen Regelungshintergrund. Bei verbliebener Mitgliedschaft der Innung des Baugewerbes [X.] im [X.] hätte die Innung bei jedem Neuabschluss von Tarifverträgen die Möglichkeit der Einflussnahme auf den innerverbandlichen Willen gehabt, ob der betreffende Tarifvertrag abgeschlossen oder übernommen werden soll. Die nach dem Austritt fehlende [X.] gleicht § 3 Abs. 3 [X.] aus. Damit ist eine Erstreckung der Geltungsanordnung auf andere Tarifverträge, auch wenn diese noch so sehr mit einem der in § 2 Nr. 1 bis 13 [X.] aufgeführten Tarifverträge verbunden sein sollten, angesichts des tariflichen Regelungsziels des [X.] ausgeschlossen. Daran ändert auch eine gemeinsame Kündigungsregelung für die [X.] und den [X.] wie in § 10 Abs. 2 [X.] nichts. Sie dokumentiert die Verbundenheit der beiden Regelungen, die ohne Mitwirkung der Baugewerbeinnung [X.] zustande gekommen sind, ändert aber an dem Rechtssetzungsvorbehalt der Parteien des [X.] in § 3 Abs. 3 [X.] nichts.

b) Die Anwendbarkeit der Regelungen des vom Kläger angeführten [X.] vom 20. August 2007 ergibt sich auch nicht aufgrund einer ergänzenden Auslegung von § 2 Nr. 1 [X.] nach Nichtfortschreibung des [X.].

aa) Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass eine Vereinbarung eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (statt aller [X.] 9. Dezember 2008 - 3 [X.] - Rn. 25; 21. April 2009 - 3 [X.]/07 - Rn. 31, [X.] BetrAVG § 2 Nr. 60).

[X.]) Die Kündigung des [X.] 2000 und die unterbliebene Fortschreibung der [X.] für das Bauhauptgewerbe im [X.] lässt innerhalb des [X.] keine Regelungslücke entstehen. Die Verweisung auf den [X.] im [X.] bezieht sich seit dessen Kündigung auf den nachwirkenden [X.] 2000.

(1) Es entspricht der Rechtsprechung des [X.], dass die Tarifvertragsparteien in [X.] die Übernahme fremder Tarifregelungen im jeweiligen [X.] vereinbaren können. Dies ist Inhalt ihrer allgemeinen [X.] (29. August 2007 - 4 [X.] - Rn. 28, [X.] [X.] § 4 Nr. 27 = EzA [X.] § 4 Nachwirkung Nr. 41; 18. Februar 2003 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 105, 5; 13. August 1986 - 4 [X.] - [X.] MTV [X.] § 2 Nr. 1 = EzA [X.] § 1 Auslegung Nr. 15; 3. Dezember 1985 - 4 [X.] - [X.]E 50, 277, 285, 287; vgl. auch 24. November 1999 - 4 [X.] - zu I 1 e [X.] der Gründe, [X.]E 93, 34; anders noch 30. Januar 1990 - 1 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 64, 94, 98). Darin eingeschlossen ist auch der [X.] der Nachwirkung iSv. § 4 Abs. 5 [X.].

(2) Die Einbeziehung des [X.] in den [X.] „in der jeweils geltenden Fassung“ führt zu dessen Einbeziehung mit seinem jeweiligen Inhalt und in seinem jeweiligen [X.]. Dies ergibt sich bereits aus dem Wort „geltend“ in der Verweisungsnorm in § 2 Einleitungssatz [X.]. Für eine Übereinstimmung im [X.] spricht zudem, dass die Tarifvertragsparteien des [X.] im Wesentlichen den Zustand herzustellen beabsichtigten, welcher bei unmittelbarer Tarifgeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge bestünde.

(3) Auch der Wegfall der Dynamik des [X.] und deren Ersetzung innerhalb des Bauhauptgewerbes im Übrigen durch die Entwicklung des [X.] hat nicht zu einer lückenhaften Regelung im [X.] geführt. Dessen Tarifvertragsparteien haben für eine derartige Tarifentwicklung eine Verhandlungspflicht zur Prüfung der Übernahme festgelegt. Wenn es auf dieser Grundlage nicht zu der Übernahme einer anderweitigen, zwingend wirkenden Entgeltdynamik kommt, entspricht dies einer der von den Tarifvertragsparteien des [X.] von vornherein mit einbezogenen Möglichkeit.

III. Die angegriffene Entscheidung des [X.]s stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ein höherer als der vereinbarte Stundenlohn von 13,54 Euro brutto ergibt sich nicht aus § 2 Nr. 1 [X.] iVm. [X.] Abschnitt A Nr. 3 III 2 (Fliesenleger) des nachwirkenden [X.] 2000.

Es kann dahinstehen, ob auf der Grundlage des Klagebegehrens durch die Gerichte für Arbeitssachen auch der nachwirkende [X.] 2000 zur - teilweisen - Rechtfertigung der Klageforderung herangezogen werden könnte. Die Parteien des Rechtsstreits haben für ihr am 6. Juni 2006 begründetes Arbeitsverhältnis eine arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung über 13,54 Euro brutto je Stunde als andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 [X.] getroffen. Diese geht dem nach § 2 Nr. 1 [X.] im Arbeitsverhältnis der Parteien nur noch nachwirkend geltenden [X.] 2000 vor.

IV. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in dem Umfang zu tragen, in dem er unterlegen ist (§ 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Winter    

        

        

        

    Zugleich für den ehrenamtlichen Richter
Jürgens, der wegen Endes seiner Amtszeit
an einer Unterzeichnung verhindert ist.
Bepler    

        

    Grimm    

                 

Meta

4 AZR 944/08

16.06.2010

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Neumünster, 23. Mai 2008, Az: 1 Ca 1092b/07, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.06.2010, Az. 4 AZR 944/08 (REWIS RS 2010, 5833)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5833

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 Sa 101/17

5 AZR 230/11 (F)

5 AZR 232/11 (F)

5 Ca 363/16

12 Sa 755/18

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