Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.12.2011, Az. VIII B 27/11

8. Senat | REWIS RS 2011, 674

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Gegenstand

Erfolgreiche Beschwerde gegen abgelehnte Urteilsberichtigung - Keine Kostenfreiheit für das Beschwerdeverfahren


Leitsatz

1. NV: Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Urteilsberichtigung kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich die Berichtigung auf einen Umstand beziehe, auf den es nach der Auffassung des Finanzgerichts nicht ankomme, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden ist mit dem Ziel, die Rechtsauffassung des Finanzgerichts in diesem Punkt zu überprüfen .

2. NV: Gehen die Beteiligten übereinstimmend vom Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit aus und hat das Finanzgericht in dem die Berichtigung ablehnenden Beschluss sogar mitgeteilt, wie sie zu beseitigen wäre, kann der Bundesfinanzhof die Berichtigung selbst vornehmen .

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) hat die begehrte Urteilsberichtigung durch Beschluss vom 16. Dezember 2010 abgelehnt. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hatten u.a. geltend gemacht, das [X.] sei in den Entscheidungsgründen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der zugestellte Briefumschlag mit der Steuernummer der Kläger beschriftet gewesen sei. Die Steuernummer habe unstreitig nicht auf dem Umschlag gestanden. Die Beteiligten und das Gericht hätten den Umschlag in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen. Das Gericht habe außerdem im Tatbestand seines Urteils die Beschriftung des Umschlags vollständig und richtig wiedergegeben. Danach befand sich die Steuernummer nicht auf dem Umschlag.

2

Das [X.] hat zwar das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit bejaht und ausgeführt, es hätte an der entsprechenden Stelle in den Entscheidungsgründen lauten müssen: "..., dass auf der [X.] nur die Steuernummer der Kläger angegeben, die zuzustellenden Schriftstücke dort und auf dem Umschlag jedoch nicht näher konkretisiert worden sind". Das [X.] hat den Antrag gleichwohl abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es fehle das für eine Berichtigung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, denn nach der Rechtsauffassung des Gerichts komme es nicht darauf an, ob der Umschlag überhaupt beschriftet gewesen sei. Im Übrigen lägen keine offenbaren Unrichtigkeiten vor.

3

Gegen den Beschluss haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das [X.] nicht abgeholfen hat. Mit der Beschwerde wird nur noch geltend gemacht, das [X.] habe zu Unrecht das Vorliegen des [X.] für den [X.] verneint. Das im Ausgangsverfahren beklagte Finanzamt ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Urteilsberichtigung gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist die Beschwerde gegeben (§ 128 Abs. 1 [X.]O; Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 17. Februar 2011 IX [X.]/10, [X.], 831).

5

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Soweit das [X.] den [X.] wegen fehlenden [X.] abgelehnt hat, kann die Entscheidung keinen Bestand haben.

6

a) Jede Rechtsverfolgung vor Gericht setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. [X.] vom 12. Februar 1987 [X.], [X.] 1987, 786; vom 18. August 1992 [X.]/91, [X.] 1993, 479, m.w.N.). Auch ein Berichtigungsbegehren ist deshalb nur zulässig, wenn eine Beschwer dargetan ist ([X.] vom 28. Oktober 2005 [X.], [X.] 2006, 565; vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 107 Rz 1). Das Rechtsschutzbedürfnis kann aber nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich die Berichtigung auf einen Umstand beziehe, auf den es nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht ankomme, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden ist mit dem Ziel, die Rechtsauffassung des [X.] in diesem Punkt überprüfen zu lassen.

7

b) So liegt es im Streitfall. Ob die Beschriftung des zuzustellenden Umschlags, wie vom [X.] angenommen, bei der Zustellung nach § 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes für die Wirksamkeit der Zustellung generell unerheblich ist, wollen die Antragsteller im Revisionsverfahren überprüfen lassen. Sie haben deshalb mit der gegen das zu berichtigende Urteil erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde u.a. die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage geltend gemacht. Bei dieser Sachlage muss das Gericht in der Sache über das Berichtigungsbegehren entscheiden.

8

3. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der ablehnenden Vorentscheidung und zur Stattgabe des [X.]s. Der [X.] kann die Berichtigung selbst vornehmen.

9

a) Für die Entscheidung über die Berichtigung des Urteils ist der [X.] zuständig, wenn gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist (vgl. [X.] vom 12. März 2004 [X.], [X.] 2004, 1114).

b) Eine offenbare Unrichtigkeit liegt vor, soweit das [X.] in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, der Umschlag sei mit der Steuernummer der Kläger versehen gewesen. Eine offenbare Unrichtigkeit kann auch die Entscheidungsgründe betreffen ([X.] vom 5. Februar 2002 [X.]/01, [X.] 2002, 1032). Vom Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit sind im Streitfall nicht nur die Beteiligten ausgegangen. Auch das [X.] hat in dem die Berichtigung ablehnenden Beschluss eingeräumt, dass insofern eine offenbare Unrichtigkeit vorliege und angegeben, wie sie zu beseitigen sei. Danach besteht keine Veranlassung, die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das [X.] zurückzuverweisen.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O, da die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg hat. Anders als für das zur jeweiligen Instanz gehörende Berichtigungsverfahren selbst besteht für das Beschwerdeverfahren keine Kostenfreiheit (vgl. [X.] in [X.] 2002, 1032; vom 19. November 2003 [X.]/03, [X.] 2004, 515).

Meta

VIII B 27/11

08.12.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 16. Dezember 2010, Az: 3 K 97/09, Beschluss

§ 107 Abs 1 FGO, § 128 Abs 1 FGO, § 135 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.12.2011, Az. VIII B 27/11 (REWIS RS 2011, 674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 674

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