Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2010, Az. V ZR 80/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10353

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Übertragung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung


Leitsatz

Der Befugnis der Wohnungseigentümer, Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche durch Mehrheitsbeschluss auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung zu übertragen (sog. Ansichziehen), steht nicht entgegen, dass nur einem Mitglied der Gemeinschaft ein Anspruch auf ordnungsgemäße Herstellung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zusteht .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der [X.] des [X.] vom 10. März 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft [X.] in [X.] Das gemeinsame Grundstück ist mit einem um das Jahr 1890 errichteten Mehrfamilienhaus bebaut. [X.] Eigentümerin war die Klägerin, die die entstandenen Einheiten bis auf vier Wohnungen veräußerte. Den Veräußerungen lagen überwiegend Kaufverträge über eine „gebrauchte Immobilie“ zugrunde. Nur zum Teil ging die Klägerin auch werkvertragliche Verpflichtungen ein. In einigen Verträgen übernahm sie die Renovierung des Treppenhauses. In dem mit den Erwerbern E. über die Eigentumswohnungen Nr. 1 und 11 geschlossenen Vertrag verpflichtete sie sich zur Beseitigung des Wasserschadens in der Wohnung Nr. 11, wobei nicht nur die sichtbaren Wasserschäden, sondern auch deren Ursachen beseitigt werden sollten. Die Wohnungen Nr. 8, 14, 15, 18, 19, 25 und 28 wurden von den Käufern an [X.] weiterveräußert.

2

In dem Gebäude kam es durch Wassereinbrüche zu Schäden am [X.]seigentum, für die die Klägerin nach Auffassung der Beklagten verantwortlich ist. Vor diesem Hintergrund fasste die Wohnungseigentümergemeinschaft am 6. Februar 2008 mit Stimmenmehrheit u.a. zu den Tagesordnungspunkten ([X.]) 4.1. und 4.2. folgende Beschlüsse:

„4.1. Die Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft [X.]. 27 beschließen zur Durchsetzung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des [X.]seigentums gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Sachmängelgewährleistungsrechte der Miteigentümer, insbesondere der Miteigentümer [X.] Nr. 1 + 11 an sich zieht. Die [X.] soll die alleinige Zuständigkeit haben, die Sachmängelgewährleistungsrechte bezüglich des [X.]seigentums geltend zu machen.

4.2. Die Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft [X.]. 27 beschließen, die WEG [X.]. 27 wird ermächtigt, die Sachmängelgewährleistungsrechte der Miteigentümer bezüglich der Rechte am [X.]seigentum im eigenen Namen geltend zu machen.“

3

Mit ihrer am 6. März 2008 eingegangenen und am 4. April 2008 begründeten Klage hat die Klägerin u.a. beantragt, die zu [X.] 4.1. und 4.2. ergangenen Beschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der genannten Beschlüsse ist die Berufung der Kläger erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision möchten die Kläger die Feststellung der Nichtigkeit bzw. die Ungültigkeitserklärung der genannten Beschlüsse erreichen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Wohnungseigentümergemeinschaft habe die Kompetenz zum Erlass der zu [X.] 4.1. und 4.2. ergangenen Beschlüsse zugestanden. Auf das [X.]seigentum bezogene Erfüllungs-, Nacherfüllungs- und primäre Mängelrechte seien Rechte im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 [X.], die gemeinschaftlich geltend gemacht werden könnten und die die Wohnungseigentümergemeinschaft daher durch Mehrheitsbeschluss habe an sich ziehen können. Die Herstellung, Instandhaltung und Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums unterfalle der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 [X.]. Sie sei auch dann im Interesse aller Wohnungseigentümer, wenn es nicht um eine Abweichung der allen Ersterwerbern nach der Baubeschreibung geschuldeten Beschaffenheit gehe. Der [X.] stehe nicht entgegen, dass nicht allen Wohnungseigentümern (Nach-)Erfüllungsansprüche gegen die teilende Eigentümerin zustünden. Der Wohnungseigentümergemeinschaft stehe es offen, solche Rechte selbst dann an sich zu ziehen, wenn nur (noch) einem einzigen Wohnungseigentümer ein Anspruch auf mangelfreie Herstellung des [X.]seigentums zustehe, sei es, weil der Verkäufer im Übrigen [X.] vereinbart habe, sei es, weil Ersterwerber mit Gewährleistungsrechten bereits aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschieden seien. Schließlich entspreche das Ansichziehen dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Denn auch bei Vorliegen unterschiedlicher Erwerbsverträge biete die verbindliche Willensbildung der [X.] den Vorteil, dass die (nur) in einzelnen Verträgen verankerten Ansprüche gebündelt und in einer für alle Beteiligten übersichtlichen Weise gegen den Verkäufer bzw. den Bauträger geltend gemacht würden. Vor diesem Hintergrund sei auch der die Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigende Beschluss zu [X.] 4.2. nicht zu beanstanden.

II.

5

Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Die zur Überprüfung gestellten Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft begegnen keinen Bedenken.

6

1. Das gilt zunächst für den zu [X.] 4.1. ergangenen Beschluss.

7

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft die [X.] zustand. Der Beschluss ist bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass sämtliche Ansprüche der Miteigentümer zur Ausübung auf die Wohnungseigentümergemeinschaft übergeleitet werden sollten, die auf die ordnungsgemäße „Herstellung des [X.]seigentums“ gerichtet sind. Darunter fallen die auf das [X.]seigentum bezogenen Erfüllungs-, Nacherfüllungs- und primäre Mängelrechte der Wohnungseigentümer. Deren Ausübung können die Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 2 i.V.m. §§ 21 Abs. 1 u. 5 Nr. 2 [X.] durch Mehrheitsbeschluss auf die Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen (vgl. auch [X.], 42, 47 ff. m.w.[X.]; [X.], NJW 2007, 1905, 1906 u. 1908; ferner Gesetzentwurf der Bundesregierung [X.]. 16/887 S. 61 sowie [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 10 Rdn. 428). Entgegen der Auffassung der Revision gälte dies selbst dann, wenn von vornherein allein den Erwerbern E. ein Anspruch auf Beseitigung der Ursache der an dem [X.]seigentum aufgetretenen Wasserschäden zugestanden hätte.

8

aa) Die Regelungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nur bei Bestehen gleichgerichteter Ansprüche sämtlicher Wohnungseigentümer annehmen zu wollen, wäre schon deshalb wenig überzeugend, weil es dann der teilende Veräußerer in der Hand hätte, ein Ansichziehen schon dadurch zu verhindern, dass er eine einzige Einheit in seinem Eigentum behielte oder nur mit einem der Erwerber einen (wirksamen) Gewährleistungsausschluss vereinbarte. Vor allem aber bliebe bei dieser Sichtweise außer acht, dass zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung auch die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gehört (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 [X.]). Dem steht die Herstellung des [X.]seigentums gleich. Die Beseitigung anfänglicher Mängel des [X.]seigentums berührt die Interessen der Wohnungseigentümer in gleicher Weise wie die Behebung von Mängeln, die erst später – etwa nach Ablauf der Gewährleistungsfrist – auftreten ([X.], 42, 47; [X.], NJW 2007, 1905, 1907).

9

Vor diesem Hintergrund unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass die Behebung solcher Mängel in den gemeinschaftlichen Verantwortungs- und Kompetenzbereich der Mitglieder der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fällt. Sowohl vor dem Eintritt von „Nachzüglern“ als auch nach dem Ausscheiden von Erwerbern ist die [X.] für die ordnungsgemäße Errichtung verantwortlich. Zwar bleiben auch die der [X.] noch nicht angehörenden oder wieder ausgeschiedenen Erwerber Inhaber ihrer vertraglichen Rechte. Es fehlt ihnen jedoch die [X.], soweit sie ihre Ansprüche auch in der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht allein hätten durchsetzen können (zutreffend [X.] in [X.], [X.], 10. Aufl., nach § 10 Rdn. 31). Die Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft überlagert auch in derartigen Konstellationen die individuelle Rechtsverfolgungskompetenz des Einzelnen. Die der [X.] der [X.] korrespondierende Einschränkung des einzelnen Wohnungseigentümers in der Ausübung seiner vertraglichen Rechte, die (dazu [X.] in [X.], aaO, nach § 10 Rdn. 30 ff.) ist dem jeweiligen Vertrag immanent (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 10 Rdn. 428; [X.], aaO, Rdn. 33). Das Vertragsverhältnis wird bereits mit dieser Beschränkung begründet ([X.], 42, 50). Dann aber liegt es auf der Hand, dass die Befugnis der Wohnungseigentümer, Rechte auf den Verband zur Ausübung zu übertragen, nicht davon abhängen kann, ob der Veräußerer noch weiteren Erwerbern gleichgerichtete Ansprüche eingeräumt hat.

bb) Allerdings ist es richtig, dass in Fällen, in denen nur ein einziger Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Herrichtung oder Instandsetzung des [X.]seigentums hat, nicht das Bedürfnis besteht, unterschiedliche Ansprüche gleichgerichtet zu bündeln (zu diesem Gesichtpunkt [X.], 42, 50). Das stellt die [X.] der Wohnungseigentümergemeinschaft indessen nicht in Frage. Die gemeinschaftliche Verantwortung der Wohnungseigentümer, das [X.]seigentum in einen ordnungsgemäßen Zustand zu überführen und es in diesem zu erhalten, besteht unabhängig davon, wie vielen Wohnungseigentümern Ansprüche auf Herstellung eines vertragsgerechten Zustandes zustehen. Das zeigt sich auch daran, dass Mangelbeseitigungsarbeiten am [X.]seigentum – sieht man von den Fällen der Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 [X.]) ab – nur mit Zustimmung der Wohnungseigentümer vorgenommen werden dürfen und eigenmächtig durchgeführte Maßnahmen auf Verlangen wieder rückgängig gemacht werden müssen (vgl. [X.] NZM 2001, 758; [X.] in [X.], aaO, nach § 10 Rdn. 28). Es ist Sache der Wohnungseigentümer darüber zu befinden, auf welche Weise Mängel am [X.]seigentum zu beseitigen sind (BGHZ aaO; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 10 Rdn. 428; [X.] in [X.], aaO, nach § 10 Rdn. 35).

b) Grundsätzlich entspricht es auch einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn auf das [X.]seigentum bezogene Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen werden. Die ordnungsgemäße Verwaltung erfordert es in aller Regel, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die Herstellung oder Instandsetzung des [X.]seigentums zu bewerkstelligen ist (vgl. [X.], 42, 50; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 10 Rdn. 428). Daher darf von einer Rechtsverfolgung durch die [X.] nur abgesehen werden, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist ([X.], NJW 2007, 1905, 1908; [X.]. in [X.], aaO, nach § 10 Rdn. 35). Solche liegen hier nicht vor.

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Beschluss nicht unbestimmt. Bei verständiger Würdigung des Beschlusses sollen sämtliche – auf die Herstellung des [X.]seigentums gerichteten – Ansprüche der Miteigentümer zur Ausübung übertragen werden. Unklarheiten bestehen danach nicht.

2. Der zu [X.] 4.2. ergangene Beschluss ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar folgt schon aus der Übertragung der [X.] auf die Wohnungseigentümergemeinschaft deren Befugnis, die betroffenen Rechte auch prozessual in eigenem Namen geltend zu machen. Soweit das Gesetz der Wohnungseigentümergemeinschaft die Befugnis verleiht, Rechte der Wohnungseigentümer durchzusetzen, handelt diese verfahrensrechtlich in gesetzlicher Prozessstandschaft (vgl. nur [X.], 42, 47; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 10 Rdn. 414; [X.] in [X.], aaO, nach § 10 Rdn. 62; jeweils m.w.[X.]). Indessen folgt aus dem Umstand, dass der angegriffene Beschluss danach eine an sich überflüssige Regelung enthält, nicht ohne weiteres, dass er deshalb keinen Bestand haben könnte (vgl. auch [X.], [X.], 892 ff.; [X.]/Jennißen in Jennißen, [X.], § 10 Rdn. 9; a.A. wohl [X.], aaO; vgl. auch BayObLG-[X.], 891 f.; KG NJW-RR 1993, 1104, 1105; [X.]/Bub, [X.] [2005], § 23 Rdn. 257; [X.]t, [X.] 2009, 353, 354 f.; Soergel/Stürner, [X.], 12. Aufl., § 23 [X.] Rdn. 6). Die offenbar vorsorglich beschlossene rechtsgeschäftliche Ermächtigung zielt auf eine Rechtswirkung ab, die mit der Rechtsordnung in Einklang steht. Sie stellt lediglich die verfahrensrechtliche Seite der materiellrechtlichen Regelung dar, die die Wohnungseigentümer in Ausübung ihrer [X.] getroffen haben. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn der Beschuss – wie hier – so gefasst ist, dass keine Zweifel an der Rechtslage aufkommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                     Klein                            Lemke

                [X.]t-Räntsch                          [X.]

Meta

V ZR 80/09

15.01.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 10. März 2009, Az: 55 S 165/08 WEG, Urteil

§ 10 Abs 6 S 3 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2010, Az. V ZR 80/09 (REWIS RS 2010, 10353)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10353

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