Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2015, Az. XII ZB 227/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1371

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:021215XIIZB227.12.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 227/12

vom

2. Dezember 2015

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 68 Abs. 3, 278
Hat das Beschwerdegericht ein neues Sachverständigengutachten eingeholt, auf das es seine Entscheidung hauptsächlich zu stützen beabsichtigt, ist der Betroffene vor der Entscheidung erneut persönlich anzuhören. Dem Verfahrenspfleger ist die Teil-nahme an dem Anhörungstermin zu ermöglichen.
[X.], Beschluss vom 2. Dezember 2015 -
XII ZB 227/12 -
LG Rostock

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
2.
Dezember 2015
durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 29.
März 2012
aufgehoben.
Die Sache
wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens,
an das
Land-gericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert:
3.000

Gründe:
I.
Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist die Verlängerung einer seit 2005 bestehenden Betreuung und eines Einwilligungsvorbehalts.
Für den Betroffenen
besteht seit 2005 eine Betreuung mit den Aufgaben-kreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, Behördenangelegenheiten, Versicherungsangelegenheiten, Sozialangelegen-heiten und [X.]. Außerdem
ist
ein Einwilligungsvorbehalt im
Bereich der Vermögenssorge angeordnet worden. Der
Betroffene hat
mehrfach die Aufhebung der Betreuung beantragt. Das Amtsgericht hat
nach vorheriger 1
2
-
3
-
Einholung eines Sachverständigengutachtens und persönlicher Anhörung des Betroffenen
die Betreuung
und den Einwilligungsvorbehalt verlängert. In dem betreffenden Beschluss
hat das Amtsgericht ferner einen Verfahrenspfleger
bestellt.
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts
gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Beschwerdegericht
zunächst wegen
Verfristung als unzu-lässig verworfen. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat
den Beschluss des [X.] aufgehoben und die Sache
zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen
(Senatsbeschluss vom 4.
Mai 2011

XII
ZB
632/10

FamRZ 2011, 1049). Das Beschwerdegericht
hat da-raufhin
ein weiteres
Sachverständigengutachten eingeholt und dieses dem Be-troffenen zugeleitet. Der Verfahrenspfleger hat das Gutachten zur Stellungnah-me erhalten. Sodann hat das Beschwerdegericht
die Beschwerde des [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die erneute Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des ange-fochtenen Beschlusses
und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gegen eine Entscheidung über die Verlängerung einer bereits bestehenden Betreuung (§
295 FamFG) auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG, vgl. Senatsbeschluss vom 15.
September 2010

XII
ZB
166/10

FamRZ 2010, 1897).
3
4
5
-
4
-
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das Beschwerdegericht
hat seine Entscheidung auf §
1896 Abs.
1 BGB gestützt und dazu ausgeführt, das in der Beschwerdeinstanz eingeholte Sachverständigengutachten komme zu dem Ergebnis, dass bei dem [X.] in Folge eines schweren Schädel-Hirn-Traumas aus dem Jahre 1982 eine tiefgreifende anhaltende organische Persönlichkeitsveränderung/-störung be-stehe. In der aktuellen klinischen Untersuchung habe sich diese organische Persönlichkeitsstörung in einer schweren Störung der kognitiven Fähigkeiten, insbesondere hinsichtlich der eigenen Handlungsplanung und des Vorherse-hens persönlicher und [X.] Konsequenzen des eigenen Handelns,
gezeigt. Die psychische Störung bewirke, dass der Betroffene anhaltend nicht in der [X.] sei, sinnvoll und eigenverantwortlich für seine persönlichen Angelegenheiten Sorge zu tragen.
b) Die angegriffene Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hätte den Betroffenen erneut persönlich anhören müssen.
[X.])
Allerdings kann das Beschwerdegericht nach §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG
von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 26.
Februar 2014

XII
ZB
503/13

FamRZ 2014, 828 Rn.
5 mwN).
Nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung vorgetragene Tatsachen oder eine Ände-rung der Sachlage erfordern aber nur dann keine
erneute Anhörung, wenn [X.] Tatsachen oder die Änderung offensichtlich für die Entscheidung unerheblich sind ([X.]/Sternal FamFG 18.
Aufl. §
68 Rn.
59 mwN). Zieht das Beschwer-degericht für seine Entscheidung mit einem neuen Sachverständigengutachten 6
7
8
9
-
5
-
eine neue Tatsachengrundlage heran, die nach der amtsgerichtlichen Anhörung datiert, so ist
eine erneute Anhörung des
Betroffenen dagegen geboten (Se-natsbeschluss vom 2.
September 2015

XII
ZB
138/15
FamRZ 2015, 1959 Rn.
13).
bb) Danach durfte das Beschwerdegericht von einer persönlichen Anhö-rung des Betroffenen nicht absehen, weil es
seine Entscheidung hauptsächlich auf das von ihm neu
eingeholte Sachverständigengutachten gestützt hat.

cc) Die Entscheidung beruht auch auf dem Verfahrensfehler, da nicht ausgeschlossen ist, dass das Beschwerdegericht bei erneuter Anhörung des Betroffenen unter Hinzuziehung des Verfahrenspflegers zu einer anderen Ent-scheidung gelangt wäre.
c) Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, im Hinblick auf die
in der [X.],
speziell gegen die [X.] der Betreuung im Wirkungskreis Gesundheitsfürsorge,
geltend gemachten Bedenken
weitere Ermittlungen anzustellen.
Insbesondere ist dem Verfahrenspfleger Gelegenheit zu geben, an der
gebotenen
persönlichen Anhö-rung des Betroffenen teilzunehmen.
Der Verfahrenspfleger durfte nicht erst durch den amtsgerichtlichen Beschluss
bestellt werden, durch den die Verlängerung der Betreuung ange-ordnet wurde. Der Mindeststandard der Gewährung rechtlichen Gehörs ver-pflichtet das Gericht, dem zu bestellenden Verfahrenspfleger als Verfahrensbe-teiligtem

274 Abs.
2 FamFG) grundsätzlich vor einem Eingriff in die Rechts-sphäre des Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Ermittlungser-gebnis zu geben ([X.]ObLG NJW-RR 1988, 72
zu Art.
10 [X.]. UnterbrG

OLG München
OLGR 2006, 784). Deshalb muss im Hauptsacheverfahren der Verfahrenspfleger vor der abschließenden Anhörung des Betroffenen bestellt 10
11
12
13
-
6
-
und ihm Gelegenheit gegeben werden, an dem Anhörungstermin teilzunehmen (zur Unterbringung siehe insoweit Senatsbeschluss vom 2.
März 2011

XII
ZB
346/10

FamRZ 2011, 805
Rn.
17
ff.; MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
276 Rn.
14).

Dose

[X.]

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.08.2010 -
32 XVII 445/05 -

LG Rostock, Entscheidung vom 29.03.2012 -
3 T 345/10 -

Meta

XII ZB 227/12

02.12.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2015, Az. XII ZB 227/12 (REWIS RS 2015, 1371)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1371

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XII ZB 227/12

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