Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZB 68/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2664

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 68/11
vom
2. Oktober 2012
in dem Rechtsstreit

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2
-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 2. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von Pentz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-schluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 30. November 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.
[X.]: 389,75

Gründe:
I.
Die Antragstellerin
nahm
die Antragsgegnerin
wegen einer Wort-
und Bildberichterstattung über die Fernsehsendung "[X.]"
in der Online-Ausgabe der B.
im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlas-sung in Anspruch. Das [X.] gab dem Antrag statt und erlegte der An-tragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf. Den Gegenstandswert setzte das In einem
weiteren
Verfahren
erwirkte die [X.]
-
3
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rin
wegen der
gleichen Berichterstattung in der Publikation einer mit der An-tragsgegnerin konzernrechtlich verbundenen
Verlagsgesellschaft gegen diese eine Unterlassungsverfügung.
In ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die
Antragstellerin
eine Vergütung in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr.
3100 nebst Auslagenpauschale, Umsatzsteuer und Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von insgesamt 872,80

Die Rechtspflegerin beim [X.] hat dem Antrag
entsprochen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Verfolgung der Unter-lassungsansprüche in getrennten Verfahren sei rechtsmissbräuchlich und die hierdurch verursachten Mehrkosten nicht notwendig im Sinne des §
91 Abs.
1 Satz 1 ZPO. Die Antragstellerin
müsse sich so behandeln lassen, als habe
sie
beide Verlagsgesellschaften
in einem Verfahren in Anspruch genommen. In diesem Fall wäre
lediglich eine Verfahrensgebühr aus den addierten Gegen-standswerten
der
beiden Einzelverfahren (80.000

und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt
1.880,20

angefallen,
die
nach dem Verhältnis der Gegenstandswerte zueinander zu einem Viertel, d.h. in Höhe von 470,05

,
auf das vorliegende Verfahren entfalle. Hinzuzurechnen seien noch die [X.] werden könne.
Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der vom Kammergericht
zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgeg-nerin ihr Begehren weiter.

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II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass der von der [X.] erhobene Einwand der rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden könne. Das [X.] diene lediglich dazu, die vom Prozessgericht ge-troffene Kostengrundentscheidung der Höhe nach auszufüllen und sei deshalb auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die
Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten. Die Entscheidung zwischen den [X.] und komplizierter Rechtsfragen sei in diesem Verfah-ren nicht vorgesehen. Nach diesen Grundsätzen könne der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht überprüfen, ob das Vorgehen einer [X.] gegen mehrere [X.]en oder das Vorgehen mehrerer [X.]en gegen eine [X.] in getrennten Verfahren rechtsmissbräuchlich sei. Bei dieser Frage gehe es nicht um die Ausfüllung einer konkreten Kostengrundentscheidung, sondern um die Kürzung der Erstattungsansprüche aufgrund umfangreicher materiell-rechtlicher Erwägungen, die die Entscheidungsmacht und die Entscheidungs-möglichkeiten des [X.] überschreite und in die Kompetenz des [X.] gehöre.

III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entge-gen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einst-weiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des 3
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5
-

durch §
574 Abs.
1 Satz 2, §
542 Abs.
2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist ([X.], Beschluss vom 27.
Feb-ruar 2003 -
I
ZB 22/02, [X.]Z 154, 102, 103 f.). Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbständige [X.] mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist ([X.], Beschlüsse vom 6.
April 2005 -
V
ZB 25/04, [X.], 2233; vom 19. April 2007 -
I
ZB 47/06, [X.], 999 Rn.
8; vom 6. Dezember 2007 -
I
ZB 16/07, [X.], 2040 Rn.
6).
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des [X.] ist der von der Antragsgegnerin
erhobene Einwand, die Antragstellerin
habe
durch das Erwirken von gleichlautenden
und auf identische Veröffentlichungen
gestützten
Unterlassungsverfügungen
in ge-trennten Verfahren ungerechtfertigt
Mehrkosten verursacht, im [X.] zu berücksichtigen.
a) Es erscheint allerdings fraglich, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die getrennte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche entstandenen [X.] Rechtsanwaltsgebühren mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO gewesen seien (vgl.
[X.], Beschluss vom 8. Juli 2010 -
V
ZB 153/09, NJW-RR 2011, 230 Rn.
14 für den Fall einer An-fechtungsklage mehrerer Kläger gegen denselben Beschluss der Wohnungsei-gentümer;
[X.] Köln, [X.] 2011, 536; [X.], [X.] 2003, 1381, 1382; [X.], [X.] 1972, 522, 523; [X.]/Wache in [X.], [X.] ZPO, §
91 Rn.
119 (Stand: April 2012)). Denn die [X.] richtet sich nicht nach §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO, sondern nach §
91 Abs.
2 Satz 1 Halbs.
1 ZPO. Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsie-genden [X.] in allen Prozessen zu erstatten. Die Norm bildet insofern eine 6
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-
6
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Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grundsätzlich gebote-nen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. November 2011 -
XII
ZB 458/10, NJW 2012, 459 Rn.
35; vom 26. April 2005 -
X
ZB 17/04, [X.], 2317; vom 27. März 2003 -
V
ZB 50/02, juris Rn.
6; vom 4. Februar 2003 -
XI
ZB 21/02, NJW 2003, 1532, jeweils mwN; [X.], [X.], 1301, 1302; [X.]/Giebel, 3. Aufl., § 91
Rn. 47; [X.] in [X.], aaO, §
104 Rn.
22
(Stand: April 2012), jeweils mwN). Diese Frage kann indes offen bleiben.
b) Denn der
Einwand der Antragsgegnerin ist im Kostenfestsetzungsver-fahren jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu berück-sichtigen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] und des [X.] unterliegt jede Rechtsausübung -
auch im Zi-vilverfahren
-
dem aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot ([X.], Beschlüsse vom 10. Mai 2007 -
V
ZB 83/06, [X.]Z 172, 218 Rn.
13 f.; vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, [X.], 2257 Rn.
12
f.; Urteil vom 19. Dezember 2001 -
VIII
ZR 282/00, [X.]Z 149, 311, 323; [X.], NJW 2002, 2456, jeweils mwN). Als Ausfluss dieses
auch das gesamte [X.] beherrschenden Grundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wah-rung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das [X.] als rechts-missbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen [X.] und Glau-ben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kosten-festsetzungsverfahren abzusetzen sind ([X.], Beschlüsse vom 31. August 8
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2010 -
X
ZB 3/09, NJW 2011, 529 Rn.
10; vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, aaO Rn.
12 ff.; KG, [X.] 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; [X.], [X.] 2001, 427, 428; [X.], [X.] 2001, 105; [X.]/Giebel, aaO Rn.
41, 48, 110; [X.]/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
91 Rn.
9; [X.]/Wache in [X.], aaO, §
91 Rn.
152 (Stand: April 2012); [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 70.
Aufl., §
91 Rn.
140; von [X.]/[X.], [X.], 20.
Aufl., Rn.
[X.]; vgl. auch [X.] vom 1. März 2011 -
VI
ZR 127/10, [X.], 184).
bb) So kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der An-tragsteller
die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebens-vorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, [X.], 2257 Rn.
13; [X.], [X.] 1982, 602; 2002, 486; 2011, 648, 649; KG, [X.] 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; [X.], [X.] 2001, 105 f.; [X.], [X.]
2001, 427, 428). Gleiches gilt für [X.] in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevoll-mächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend iden-tischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den-
oder dieselben Antragsgegner vorgegangen sind (vgl. [X.] Frank-furt am Main, [X.] 1974, 1599; [X.], [X.] 2001, 427, 428; [X.], [X.] 2001, 105 f.; KG, [X.] 2000, 414, 415; 2002, 172, 173; [X.]/Giebel, aaO Rn.
110; [X.]/[X.], aaO; [X.]/Wache in [X.], aaO Rn.
119.8 (Stand: April 2012)).
10
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8
-

c) Nach dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug
genommenen [X.] der Antragsgegnerin, das mangels entsprechender Feststellungen
des [X.]
im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen ist, erweist sich das [X.] der Antragstellerin, soweit es auf die Erstat-tung der durch die getrennte Rechtsverfolgung entstandenen Mehrkosten ge-richtet ist, als rechtsmissbräuchlich. Danach hatte
die Antragstellerin die An-tragsgegnerinnen wegen der identischen Berichterstattung in der Online-Ausgabe der B.
einerseits und der Printausgabe der B.
a.
S.
andererseits
mit jeweils gleichlautenden Schreiben abgemahnt und anschließend mit jeweils gleichlautenden Verfügungsanträgen
beim [X.] Berlin auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung der gleichartigen Unterlassungsansprüche sind weder ersichtlich noch darge-tan. Insbesondere begründet die Aktenbearbeitung und Abwicklung eines Ver-fahrens, in dem ein Antragsteller gleichgerichtete Ansprüche aus einem einheit-lichen Lebensvorgang gegen zwei Antragsgegnerinnen verfolgt, keine erhöhten Anforderungen, die eine getrennte Rechtsverfolgung als sachgemäß erschei-nen lassen könnten (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 2005 -
I
ZR 300/02, NJW-RR 2006, 474 Rn.
21).
3. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache zur [X.] an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO). Sollte sich das [X.] als rechtsmissbräuchlich erweisen, müsste sich die Antragstellerin
kostenrechtlich so behandeln lassen, als habe sie
ein einziges Verfahren gegen die beiden Antragsgegnerinnen als Streitgenossen geführt (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, juris Rn.
6 (in-soweit nicht in [X.], 2257
abgedruckt); KG, [X.] 2000, 414, 416; 2002, 172, 174; [X.], [X.] 2001, 105; MünchKomm-ZPO/Giebel, aaO, §
91 Rn.
110; [X.] in [X.], aaO, §
104 Rn.
25 11
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(Stand: April 2012)). Sie
könnte die Kosten der Rechtsverfolgung dann nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig im Verhältnis der [X.] zum -
gemäß §
22 Abs.
1 RVG ermittelten
-
(fiktiven) Gesamtgegenstandswert eines einheitlichen Verfahrens (vgl. KG, [X.] 2002, 172, 174).

Galke
[X.]
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.09.2010 -
27 O 491/10 -

KG Berlin, Entscheidung vom 30.11.2011 -
2 W 204/10 -

Meta

VI ZB 68/11

02.10.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZB 68/11 (REWIS RS 2012, 2664)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2664

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VI ZB 68/11

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