Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2023, Az. I ZB 104/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3355

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des [X.] - 7. Zivilkammer - vom 26. Oktober 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die für den Gläubiger, das [X.]  , tätige Gerichtskasse [X.]betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen fälliger Gerichtskostenforderungen.

2

Die Gerichtskasse beantragte im Juni 2022 die Abnahme der Vermögensauskunft und bei unentschuldigtem Fernbleiben des Schuldners den Erlass eines Haftbefehls gegen diesen. Der nicht qualifiziert elektronisch signierte Antrag schließt mit der Angabe "gez. S.  Sachbearbeiter/in" und einem maschinell aufgedruckten Siegel der Gerichtskasse. Er wurde über das elektronische Gerichts- und [X.] (nachfolgend auch: EGVP) der Gerichtskasse an das EGVP des Amtsgerichts zur Weiterleitung an den zuständigen Gerichtsvollzieher übermittelt.

3

Der Schuldner gab die Vermögensauskunft nicht ab. Der Gerichtsvollzieher übersandte den Vorgang an das Vollstreckungsgericht zur Entscheidung über den Haftbefehlsantrag.

4

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen [X.] weiter.

5

B. Das Beschwerdegericht hat angenommen, es genüge nicht, dass der [X.] auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht werde. Dass eine Person erkennbar die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehme, sei nur gewährleistet, wenn die Anforderungen an ein gerichtliches elektronisches Dokument gemäß § 130b ZPO erfüllt seien; eine zusätzliche Übermittlung in Papierform sei dann entbehrlich.

6

C. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

7

I. Gerichtskosten werden gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 2 Abs. 1 [X.] ([X.]) von den [X.] vollstreckt, soweit - wie im [X.]   - die Landesregierungen keine anderen Behörden bestimmen. Die Abnahme der Vermögensauskunft beantragen die [X.] nach § 7 Satz 1 [X.] bei dem zuständigen Gerichtsvollzieher; dieser Antrag ersetzt nach § 7 Satz 2 [X.] den vollstreckbaren Schuldtitel. Gleiches gilt für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2014 - [X.], [X.] 2015, 146 [juris Rn. 15]).

8

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 753 Abs. 4 Satz 1 und 2 ZPO können schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien als elektronisches Dokument beim Gerichtsvollzieher eingereicht werden. Für das elektronische Dokument gelten § 130a ZPO, auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnungen sowie § 298 ZPO entsprechend. § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO bestimmt, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss. Zu den sicheren Übermittlungswegen gehört nach § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZPO der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Gemäß § 753 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit § 130d Satz 1 ZPO sind Behörden verpflichtet, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.

9

Der [X.] hat - allerdings vor Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs - entschieden, dass der [X.] zur Beitreibung von Gerichtskosten nach der Justizbeitreibungsordnung (inzwischen: [X.]) schriftlich gestellt werden muss, weil er den schriftlichen Schuldtitel ersetzt. Da dieser Antrag die alleinige Voraussetzung für die Anordnung von staatlichem Zwang und damit die einzige Urkunde ist, die der Gerichtsvollzieher oder die Gerichtsvollzieherin und das Vollstreckungsgericht von der Gerichtskasse erhalten, dürfen keine Zweifel an seiner Echtheit bestehen. Deshalb ist ein unterschriebener und mit einem Dienstsiegel versehener [X.] erforderlich. Dadurch wird gewährleistet, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar wird, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt. Dabei genügt die Wiedergabe des Namens des Verfassers in Maschinenschrift, wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2014 - [X.], [X.] 2015, 146 [juris Rn. 16]). Hierbei handelt es sich nicht um ein [X.] Formerfordernis, sondern um Anforderungen, die sich aus den Besonderheiten des Justizbeitreibungsverfahrens und somit aus dem Verfahrensrecht ergeben.

II. Die Gerichtskasse ist im Streitfall befugt, die Anträge auf Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802c Abs. 1 Satz 1 ZPO) und auf Erlass eines Haftbefehls (§ 802g Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu stellen. [X.] ist dessen ungeachtet das [X.]   als Gläubiger der [X.] Forderung. Soweit § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] bestimmt, dass an die Stelle des Gläubigers die Vollstreckungsbehörde tritt, betrifft dies die Vertretungsbefugnis und nicht die Gläubigerstellung (vgl. BeckOK.Kostenrecht/[X.], 41. Edition [Stand 1. April 2023], § 6 [X.] Rn. 119 mwN).

III. Der [X.] entspricht den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen, wenn er entweder von der ihn verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert worden ist oder von der ihn verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO). Weitere Formerfordernisse bestehen nicht. Insbesondere können die nach der [X.]srechtsprechung geltenden Anforderungen an einen in Papierform eingereichten [X.] zur Beitreibung von Gerichtskosten nach § 7 Satz 1 und 2 [X.] (vgl. Rn. 9) auf einen elektronisch eingereichten [X.] nicht übertragen werden. Gleiches gilt für die vom Beschwerdegericht herangezogene Vorschrift des § 130b ZPO, die die Errichtung elektronischer Dokumente durch [X.], Rechtspfleger, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle oder Gerichtsvollzieher regelt, soweit die Zivilprozessordnung eine handschriftliche Unterzeichnung vorschreibt.

1. Für eine (einfache) Signatur genügt die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens der verantwortenden Person (vgl. [X.], Beschluss vom 7. September 2022 - [X.] 215/22, NJW 2022, 3512 [juris Rn. 10]; Anders in [X.], ZPO, 81. Aufl., § 130a Rn. 22; [X.]/von [X.], 48. Edition [Stand 1. März 2023], § 130a Rn. 16; [X.]/[X.], Stand 17. Februar 2023, § 130a ZPO Rn. 207; [X.], [X.], 92, 94). Diesem Erfordernis ist durch die Angabe "gez. S.  Sachbearbeiter/in" genügt.

2. Bislang fehlen hinreichende Feststellungen dazu, ob die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZPO erfolgt ist.

a) Nach § 6 Abs. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach ([X.]) können Behörden zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Einhaltung bestimmter Anforderungen ein besonderes elektronisches Behördenpostfach nutzen. Unter anderem muss nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 [X.] feststellbar sein, dass das elektronische Dokument vom [X.] versandt wurde. Gemäß § 6 Abs. 3 Halbsatz 1 [X.] steht das elektronische Gerichts- und [X.] eines Gerichts einem besonderen elektronischen Behördenpostfach gleich, soweit diese Stelle Aufgaben einer Behörde nach Absatz 1 wahrnimmt.

Die Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs durch eine berechtigte Person wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis ([X.]) bestätigt. Dabei handelt es sich um eine elektronische Signatur, die an eine Nachricht angebracht wird, wenn das [X.] nach Authentifizierung und Identifizierung des [X.]s in einem sicheren Verzeichnisdienst geführt wird und der [X.] zum Zeitpunkt der Erstellung der Nachricht sicher an dem Postfach angemeldet ist. Ob das eingegangene Dokument über einen sicheren Übermittlungsweg versandt worden ist, lässt sich (allein) anhand eines Prüfvermerks, [X.] oder [X.] zuverlässig erkennen, nicht aber aus dem Dokument selbst (vgl. [X.]/[X.] aaO § 130a ZPO Rn. 197 bis 203 mwN; [X.], Beschluss vom 23. Februar 2021 - 21 [X.] 19.33891, juris Rn. 5 bis 7; bei Übersendung aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach vgl. [X.], 28 [juris Rn. 25 bis 32]).

b) Der Gläubiger hat im Beschwerdeverfahren zwar vorgebracht, der [X.] sei auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen eines vertrauenswürdigen [X.] für den [X.] bislang jedoch nicht festgestellt.

3. Die von § 753 Abs. 4 Satz 2 ZPO in Bezug genommenen Voraussetzungen des § 130a ZPO legen die formellen Anforderungen an den Schuldtitel ersetzende [X.] nach dem [X.] abschließend fest.

a) Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (vgl. [X.], [X.] 2022, 218 [juris Rn. 2]; [X.], Beschluss vom 18. Oktober 2022 - 33 M 1616/22, BeckRS 2022, 28383 Rn. 5 und 7) bedarf es im elektronischen Rechtsverkehr keiner zusätzlichen Einreichung des [X.]s in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel (vgl. [X.], Beschluss vom 23. September 2022 - 5 [X.], juris Rn. 9; [X.], Beschluss vom 28. Februar 2023 - 16 T 2080/23, BeckRS 2023, 5786 Rn. 7; [X.], Beschluss vom 18. Oktober 2022 - 33 M 1112/22, BeckRS 2022, 28342 Rn. 2 und 14 f.; [X.], [X.] 2022, 269 [juris Rn. 4]; BeckOK.Kostenrecht/[X.] aaO § 7 [X.] Rn. 9a; [X.]/[X.] aaO § 753 Rn. 8.2).

aa) Einem solchen Erfordernis steht bereits die nach § 753 Abs. 5, § 130d ZPO bestehende Pflicht zur elektronischen Einreichung des [X.]s entgegen, die sonst ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde (vgl. [X.], Beschluss vom 6. September 2022 - 16 M 361/22, juris Rn. 15; [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2022 - 666 M 1788/22, juris Rn. 50 bis 52; [X.], Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem [X.]: Anlaufschwierigkeiten und eine Gesetzeslücke (?) im elektronischen Rechtsverkehr, https://ervjustiz.de/gastbeitrag-zwangsvollstreckungsverfahren-nach-dem-justizbeitreibungsgesetz-anlaufschwierigkeiten-und-eine-gesetzesluecke-im-elektronischen-rechtsverkehr - zuletzt abgerufen am 6. April 2023; zu § 5 Abs. 4 VwVG NW vgl. [X.], Beschluss vom 22. August 2022 - 665 M 867/22, juris Rn. 56 bis 58).

bb) Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, den elektronischen Rechtsverkehr auch auf das Justizbeitreibungsverfahren zu erstrecken (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften, BT-Drucks. 18/9698, [X.]). Es sollte sichergestellt werden, dass die neu eingeführten Regeln über den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichtsvollziehern auch insoweit greifen, als diese [X.] nach der Justizbeitreibungsordnung unmittelbar entgegennehmen. Eine Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs im Justizbeitreibungswesen sei in der Sache von erheblicher praktischer Bedeutung, weil ein Großteil der nach der Justizbeitreibungsordnung abzuwickelnden Verfahren Massenverfahren seien, bei denen die entsprechenden Vollstreckungsbehörden durch elektronische Einreichung ihrer [X.] eine Verwaltungsvereinfachung erzielen könnten (BT-Drucks. 18/9698, [X.]5).

Diesem erklärten Willen des Gesetzgebers widerspräche es, wenn an [X.] nach dem [X.] strengere Anforderungen gestellt würden als an sonstige [X.]. Dies kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass solchen [X.]n titelersetzende Funktion zukommt, weil der Gesetzgeber auch für diese den elektronischen Rechtsverkehr einführen wollte, um eine Verwaltungsvereinfachung zu erzielen. Eine zusätzliche Einreichung in Papierform würde hingegen den Aufwand für die Vollstreckungsbehörden erhöhen.

cc) Aus den Vorschriften der §§ 754a, 829a ZPO, nach denen bei einer Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid in bestimmten Fällen die Übermittlung einer Abschrift des Schuldtitels als elektronisches Dokument genügt (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom 23. September 2021 - I [X.] 9/21, [X.] 2022, 9 [juris Rn. 16 bis 19]), lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Sie enthalten Ausnahmen von dem Grundsatz, dass dem Vollstreckungsorgan die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels zu übergeben ist (vgl. hierzu auch § 754 ZPO). Für die Vollstreckung nach dem [X.], bei der kein vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich ist, sondern dieser nach § 7 Satz 1 und 2 [X.] durch den Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft ersetzt wird, treffen sie von vornherein keine Aussage.

b) Der elektronisch eingereichte [X.] muss auch nicht qualifiziert elektronisch signiert sein; vielmehr ist die (einfache) Signatur in Verbindung mit einem sicheren Übermittlungsweg der qualifizierten elektronischen Signatur nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO gleichgestellt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juni 2022 - 2 T 142/22, juris Rn. 16; [X.], Beschluss vom 23. September 2022 - 5 [X.], juris Rn. 9; [X.], Beschluss vom 31. Mai 2022 - 24 M 45380/22, BeckRS 2022, 14954 Rn. 5; [X.], [X.] 2022, 219 [juris Rn. 16 und 19 f.]; [X.], [X.] 2022, 269 [juris Rn. 4]; BeckOK.Kostenrecht/[X.] aaO § 7 [X.] Rn. 9a; [X.]/[X.] aaO § 753 Rn. 8.2; aA [X.], Beschluss vom 6. September 2022 - 16 M 361/22, juris Rn. 5 bis 13; [X.], [X.], 160 [juris Rn. 18]; [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2022 - 666 M 1788/22, juris Rn. 6 bis 57; [X.], [X.] 2022, 220 [juris Rn. 6 bis 13]; zu § 5 Abs. 4 VwVG NW vgl. [X.], Beschluss vom 22. August 2022 - 665 M 867/22, juris Rn. 3 bis 47).

aa) Durch die Einreichung über einen sicheren Übermittlungsweg ist die Authentizität des [X.]s mit Blick auf dessen Herkunft von der dazu befugten Behörde gewährleistet (vgl. [X.]/von [X.] aaO § 130a Rn. 17; [X.] aaO). Damit wird der Gefahr begegnet, dass nicht zu der Behörde gehörende Personen einen fingierten [X.] einreichen.

bb) Zwar trifft es zu, dass die einfache Signatur in Verbindung mit der Übermittlung über ein besonderes elektronisches Behördenpostfach oder das elektronische Gerichts- und [X.] eines Gerichts - anders als die qualifizierte elektronische Signatur - keine Möglichkeit bietet, die Herkunft des Antrags von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. August 2022 - 665 M 867/22, juris Rn. 40; [X.], Beschluss vom 6. September 2022 - 16 M 361/22, juris Rn. 10; [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2022 - 666 M 1788/22, juris Rn. 38; [X.]/[X.] aaO § 130a ZPO Rn. 214). Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass sowohl das besondere elektronische Behördenpostfach als auch das elektronische Gerichts- und [X.] nicht für eine natürliche Person eingerichtet werden können (vgl. [X.]/[X.] aaO § 130a ZPO Rn. 293).

Die damit verbundene Unmöglichkeit der zweifelsfreien Zuordnung einer versandten Nachricht zu einer handelnden Person ist hinzunehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2020 - 1 [X.]/20, juris Rn. 5; [X.], [X.], 1543 [juris Rn. 4 f.]; Anders in [X.] aaO § 130a Rn. 23; [X.], [X.], 92, 95). Der [X.] bestimmt nach § 8 Abs. 1 [X.] die natürlichen Personen, die Zugang zum besonderen elektronischen Behördenpostfach erhalten sollen, und stellt ihnen das Zertifikat und das [X.] zur Verfügung. Die [X.] dürfen das Zertifikat nach § 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht an Unbefugte weitergeben und haben das [X.] geheim zu halten. Der [X.] hat gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 [X.] zu dokumentieren, wer zugangsberechtigt ist, wann das Zertifikat und das [X.] zur Verfügung gestellt wurden und wann die Zugangsberechtigung aufgehoben wurde; er stellt gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 [X.] zugleich sicher, dass der Zugang zu seinem besonderen elektronischen Behördenpostfach nur den von ihm bestimmten [X.] möglich ist. Durch diese Regelungen ist sowohl die Verantwortlichkeit der Behörde im Außenverhältnis als auch die Zuordnung zu einer im Innenverhältnis legitimierten Person hinreichend gewährleistet (vgl. [X.]/[X.] aaO § 753 Rn. 8.2). Sollte der Gerichtsvollzieher gleichwohl Zweifel an der Urheberschaft des aus der einfachen Signatur hervorgehenden Sachbearbeiters hegen, steht es ihm frei, sich dieser Urheberschaft zum Beispiel durch Nachfrage bei der Vollstreckungsbehörde zu vergewissern.

cc) Auch aus der Vorschrift des § 802d Abs. 2 ZPO, die die Übermittlung eines vorhandenen Vermögensverzeichnisses an einen Gläubiger regelt, ergibt sich nichts anderes. Im Fall der elektronischen Übermittlung muss der Gerichtsvollzieher danach unter anderem eine qualifizierte elektronische Signatur anbringen. Daraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass der Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft im Justizbeitreibungsverfahren ebenfalls einer solchen qualifizierten elektronischen Signatur bedürfte.

c) Sind die Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO eingehalten, ist auch die Anbringung eines aufgedruckten Dienstsiegels nicht erforderlich; erst recht bedarf es keines Stempel- oder Prägesiegels auf dem [X.] ([X.], [X.], 381 [juris Rn. 18 bis 22]; vgl. hierzu auch [X.], [X.], 160 [juris Rn. 20 bis 42]). Nach §§ 724, 725 ZPO ist zwar die vollstreckbare Ausfertigung eines Urteils mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Hierfür reicht ein über die [X.] des Gerichts aufgedrucktes Gerichtssiegel nicht aus (zu § 29 Abs. 3 GBO aF vgl. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2016 - V [X.] 88/16, [X.], 1951 [juris Rn. 20 bis 23]; für das Mahnverfahren vgl. ergänzend § 703b ZPO). Die Verweisung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erstreckt sich jedoch nicht auf die genannten Vorschriften. Für den [X.] nach § 7 Satz 1 und 2 [X.], der den Schuldtitel und auch dessen vollstreckbare Ausfertigung ersetzt, hat der Gesetzgeber daher kein solches Formerfordernis vorgesehen. Dies erscheint auch sachgerecht, weil dem Risiko, dass nicht zu der Behörde gehörende Personen einen fingierten [X.] einreichen, durch das Erfordernis eines sicheren Übermittlungswegs begegnet wird (vgl. Rn. 24).

D. Danach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 4 ZPO). Das Beschwerdegericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO vorliegen, insbesondere ob der [X.] der Gerichtskasse mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis übermittelt wurde.

Koch     

  

Schwonke     

  

Feddersen

  

Schmaltz     

  

Odörfer     

  

Meta

I ZB 104/22

06.04.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Limburg, 26. Oktober 2022, Az: 7 T 122/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2023, Az. I ZB 104/22 (REWIS RS 2023, 3355)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3355

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