Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2005, Az. XII ZR 291/01

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3089

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/01 Verkündet am: 15. Juni 2005 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB §§ 554 Abs. 1 Satz 1 a.F. (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 n.F.), 242 [X.] Zur Frage der Verwirkung des Rechts zur fristlosen Kündigung bei zunächst hin-genommenem, aber weiter auflaufendem Rückstand mit einem Teil des [X.] (hier: Mehrwertsteuer). [X.], Urteil vom 15. Juni 2005 - [X.]/01 - [X.] Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], Dr. [X.] und die Richterin Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 21. September 2001 auf-gehoben. Die Berufung der [X.] zu 1 gegen das Endurteil der 34. Zi-vilkammer des [X.] vom 21. September 2000 wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 2 seine eigenen außergerichtlichen Kosten sowie als Gesamt-schuldner neben der [X.] zu 1 die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin; im übrigen trägt die Beklagte zu 1 die Kosten der Rechtsmittelverfahren allein. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin verlangt von der [X.] zu 1 (nachstehend: die [X.]) Räumung und Herausgabe von Räumen in einem Büro- und Geschäftshaus, die sie ihr mit schriftlichem Vertrag vom 28./29. Juni 1995 für die [X.] bis zum 31. Juli 2005 zum Betrieb eines Wohnheims für betreutes Wohnen vermietet - 3 - hatte. § 4 Nr. 3 des [X.] bestimmt, daß zu dem Mietzins die [X.] zu leisten sei. Durch [X.] vom 2./4. August 1995 einigten die Parteien sich [X.] die zusätzliche Anmietung eines Stellplatzes in der Tiefgarage ab 1. Sep-tember 1995 zu einem monatlichen Mietzins von 80 DM zuzüglich [X.]. In der Folgezeit machte die Beklagte geltend, die von der Klägerin aus-geübte Option zur Mehrwertsteuer sei umsatzsteuerrechtlich nicht zulässig ge-wesen. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1996 kündigte sie der Klägerin an, die laufenden Mietzahlungen ab November 1996 um die Mehrwertsteuer zu kürzen, und zahlte diese seitdem nicht mehr. Mit Anwaltsschreiben vom 15. Mai 1997 widersprach die Klägerin der Rechtsauffassung der [X.], behielt sich die Nachforderung der [X.] vor und erklärte, die Streitfrage solle einer Regelung zugeführt wer-den. Nach einer Zahlungsaufforderung vom 11. Juli 1997 mit Fristsetzung [X.] die späteren Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 9. September 1997 die Beklagte erneut auf, die einbehaltene Mehrwertsteuer bis spätestens 25. September 1997 nachzuentrichten; sie würden es bedauern, ihrer Mandan-tin nach Ablauf dieser Frist empfehlen zu müssen, Klage zu erheben. Mit Schreiben vom 20. November 1998 teilten sie der [X.] mit, die Umsatz-steuerproblematik werde mit dem zuständigen Finanzamt geklärt; anschließend würden sie auf die Angelegenheit zurückkommen. Mit weiterem Schreiben vom 8. Juli 1999 wiesen die späteren Prozeßbe-vollmächtigten darauf hin, daß ein erheblicher Mietrückstand aufgelaufen sei, der eine fristlose Kündigung rechtfertige. Bevor sie der Klägerin empfehlen würden, diese auszusprechen und den Rückstand geltend zu machen, erhalte - 4 - die Beklagte Gelegenheit, den Anspruch auf Nachentrichtung der einbehaltenen Beträge bis zum 25. Juli 1999 schriftlich dem Grunde nach anzuerkennen; die Klägerin sei dann zu einer angemessenen Ratenzahlungsvereinbarung bereit. Andernfalls müßten sie ihr empfehlen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu [X.]. Nachdem die Beklagte ein solches Anerkenntnis nicht abgegeben hatte, erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 17. September 1999 die [X.] und forderte die Beklagte sowie den das Wohnheim betreibenden Untermieter (Beklagter zu 2) zur Räumung bis 28. September 1999 auf. Nach Erhebung und Zustellung der Räumungsklage sowohl gegen die Beklagte als auch deren Untermieter im Oktober 1999 zahlte die Beklagte den streitigen Mietrückstand in Höhe von 114.204 DM unter Vorbehalt. Das [X.] gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] zu 2 wurde zurückgenommen, die der [X.] führte zur Auf-hebung des landgerichtlichen Urteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden war, und insoweit zur Abweisung der Klage. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die der Senat angenommen hat.

Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzli-chen Urteils. - 5 - [X.] Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die fristlose Kündigungserklärung der Klägerin vom 17. September 1999 habe das auf zehn Jahre fest abgeschlossene Mietverhältnis nicht vorzeitig beendet - auch nicht als ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist. Die fristlose Kündigung sei unwirksam. Zwar hätte die Beklagte die [X.] nicht einbehalten dürfen, zumal im Berufungsverfahren unstreitig geworden sei, daß die Klägerin die Mehrwertsteuer auf die Miete tatsächlich abgeführt habe. Ihre Option zur Mehrwertsteuer sei nach Maßgabe der Über-gangsvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG wirksam. Darauf komme es aber letztlich nicht an, weil die Beklagte auch im Falle einer unzulässigen Option ei-nen Mietzins entrichten müsse, dessen Höhe dem vereinbarten Mietzins zuzüg-lich Mehrwertsteuer entspreche. Dies ergebe die - im Falle der Unzulässigkeit der Option - erforderliche ergänzende Auslegung des Vertrages im Hinblick dar-auf, daß die Klägerin mit den vereinbarten Mehrwertsteuerbeträgen ersichtlich einen Teil ihrer Bau- und Finanzierungskosten im Wege des Vorsteuerabzugs habe abdecken wollen. Wäre dies nicht möglich erschienen, hätte sie den [X.] entsprechend höher kalkuliert und die Beklagte sich dem aller [X.] nach nicht widersetzt. Die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung ergebe sich aber aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Die Klägerin habe ihr Recht zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges verwirkt, weil sie diesen jahrelang [X.] habe. Zumindest stelle die Kündigung eine unzulässige Rechtsaus-übung dar, nachdem die Klägerin die mit Schreiben vom 9. September 1997 in den Raum gestellte Zahlungsklage nicht erhoben und den Einbehalt der [X.] weitere eineinhalb Jahre hingenommen habe, ohne die Kündigung - 6 - zuvor konkret anzudrohen. Eine solche Androhung sei auch in ihrem Schreiben vom 8. Juli 1999, in dem lediglich die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung angesprochen worden sei, nicht enthalten. Die Beklagte habe mit einer Kündi-gung um so weniger zu rechnen brauchen, als die Klägerin entgegen ihrem Schreiben vom 20. November 1998 das Ergebnis der angestrebten Klärung mit dem Finanzamt nicht mitgeteilt habe. Hingegen hätte eine unmißverständliche Kündigungsandrohung zur Nachzahlung der einbehaltenen Beträge geführt, wie das Verhalten der [X.] nach Zustellung der Klage zeige. Auch als ordentliche Kündigung habe die Kündigungserklärung der Klä-gerin das Mietverhältnis nicht beendet, da dessen Befristung bis zum 31. Juli 2005 wirksam sei. Zwar entspreche der durch [X.] zustande gekom-mene Mietvertrag über den zusätzlichen Stellplatz nicht der Schriftform des § 566 BGB (a.F.). Dies stehe der Wahrung der Schriftform des ursprünglichen [X.] aber nicht entgegen, weil der Mietvertrag über den Stellplatz ein separater, zusätzlicher Vertrag und kein den [X.] abändernder Nachtrag hierzu sei. I[X.] Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand. 1. Auf die Frage der Wahrung der Schriftform kommt es nicht an, weil die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges schon als solche zur Beendigung des [X.] geführt hat und den geltend gemachten Räumungsanspruch begründet. - 7 - 2. Ein die fristlose Kündigung rechtfertigender langfristiger Zahlungsrück-stand in Höhe von weit mehr als zwei Monatsmieten (§ 554 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F.) lag vor. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die ver-einbarte Mehrwertsteuer geschuldet, wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen und läßt revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revisionserwiderung erinnert hiergegen nichts. 3. Die Klägerin war - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - hier auch nicht ausnahmsweise wegen ihres vorausgegangenen Verhaltens gehindert, von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung Gebrauch zu machen. Die Klägerin hat der Einbehaltung der Mehrwertsteuer ab November 1996 mit Schreiben vom 15. Mai 1997 und damit zu einem [X.]punkt widerspro-chen, bis zu dem eine Verwirkung ihres frühestens Ende 1997 entstandenen Kündigungsrechts noch nicht in Betracht kam. Jeweils im Abstand von zwei Monaten hat sie die Beklagte zudem unter Fristsetzung zur Zahlung [X.] und - wenn auch sehr zurückhaltend - Klage angedroht. Die Beklagte durfte deshalb auch weiterhin nicht darauf vertrauen, die Klägerin werde aus dem er-folglosen Ablauf der gesetzten [X.] nicht die gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen ziehen. Aber selbst wenn man - mit dem Berufungsgericht - annähme, wegen der im November 1998 in Aussicht gestellten Klärung mit dem Finanzamt und dem nachfolgenden Schweigen der Klägerin bis zum 8. Juli 1999 sei es dieser [X.], eine Kündigung auf Rückstände aus weiter zurückliegenden [X.]räumen zu stützen, wäre die hier ausgesprochene fristlose Kündigung vom [X.] 1999 nach § 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. auch allein wegen des nach diesem [X.]punkt hinzugekommenen weiteren Rückstandes erneut gerechtfertigt und insoweit nicht treuwidrig gewesen. Denn spätestens mit diesem Schreiben vom - 8 - 8. Juli 1999 hat die Klägerin unmißverständlich darauf hingewiesen, daß der Rückstand eine fristlose Kündigung rechtfertige. Auch wenn diese nur mit der Formulierung angedroht wurde, daß die anwaltlichen Vertreter der Klägerin ihr die Kündigung (nebst Erhebung der Zahlungsklage) anraten würden, sofern die Beklagte den Anspruch nicht bis zum 28. September 1999 zumindest dem Grunde nach anerkenne, mußte die Beklagte auch ohne weitere Vorwarnung mit einer solchen Kündigung rechnen. Sie durfte nicht darauf vertrauen, daß die Klägerin der Empfehlung ihrer Anwälte nicht folgen werde. 4. Das [X.] hat dem Räumungsanspruch gegen die Beklagte [X.] zu Recht stattgegeben. Diese Entscheidung kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen selbst treffen, da weiterer entscheidungserheblicher Sachvortrag nicht zu erwarten ist. [X.][X.] [X.] [X.] [X.]

Meta

XII ZR 291/01

15.06.2005

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2005, Az. XII ZR 291/01 (REWIS RS 2005, 3089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3089

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