Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2007, Az. IV ZR 129/06

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 2827

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[X.][X.]M NAMEN DES VOLKES URTE[X.]L [X.]/06 Verkündet am:

18. Juli 2007

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja [X.]/[X.] § 1 Abs. 3 Von der Regelung des § 1 Abs. 3 [X.]/[X.] wird die Ausübung jedweder auch ge-ringfügiger Tätigkeiten erfasst, die dem Berufsfeld des Versicherungsnehmers zuzu-ordnen sind (hier: [X.] eines selbständigen Architekten). [X.], Urteil vom 18. Juli 2007 - [X.]/06 - [X.] - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2007 für Recht erkannt: [X.] Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 25. April 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-ben, als es den Feststellungsantrag unter Zurückwei-sung der Berufung des [X.] auf die Berufung der [X.] abgewiesen und die Berufung des [X.] gegen die Abweisung des Anspruchs auf Krankenta-gegeld für die [X.] vom 1. April bis 20. April 2005 zu-rückgewiesen hat. Die Berufung der [X.] gegen das Teilurteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 14. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Die Berufung des [X.] wird zurückgewiesen, soweit sie sich ge-gen die Abweisung des [X.] für den 7. März, 10. März und 18. März 2005 richtet. [X.]m Übri-gen wird das vorbezeichnete Urteil auf die Berufung des [X.] geändert: Es wird festgestellt, dass das Krankenversicherungs-verhältnis zwischen den Parteien (Versicherungs-schein Nr. –

) auch im Hinblick auf die - 3 -

Krankentagegeldversicherung durch die fristlose Kün-digung der [X.] vom 30. März 2005 nicht been-det worden ist. Hinsichtlich des Anspruchs auf Krankentagegeld für die [X.] vom 1. April bis 20. April 2005 wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei[X.], auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das [X.] zurückverwiesen. [X.][X.] [X.]m Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines von der [X.] Versicherungsgesellschaft fristlos gekündigten [X.] und um einen Anspruch des [X.] auf Zahlung von Krankentagegeld. 1 Der Kläger, der in seinem Wohnhaus ein Architekturbüro betreibt und zuletzt einen Mitarbeiter beschäftigte, nahm im Jahre 1990 bei der [X.] zu verschiedenen Tarifen eine Krankheitskosten-, eine Pfle-gepflicht- und eine Krankentagegeldversicherung. Nach den vereinbarten Tarifen steht dem Kläger ein Krankentagegeld in Höhe von 76,69 • ab dem 8. Tag und in Höhe von weiteren 51,13 • ab dem 15. Tag einer Ar-beitsunfähigkeit zu. 2 - 4 -

3 Die für die Krankentagegeldversicherung vereinbarten [X.] ([X.][X.]) - insoweit übereinstimmend mit Vorschriften der Musterbedingungen 1994 für die Krankentagegeldversicherung ([X.]/[X.]) - bestimmen: § 1 Abs. 3 Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderwei-tigen Erwerbstätigkeit nachgeht.
§ 18 Abs. 2 Die gesetzlichen Bestimmungen über das außerordentli-che Kündigungsrecht bleiben unberührt.
[X.]m Jahre 2004 zeigte der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit an. Nachdem die Beklagte an den Kläger wiederholt Krankentagegeld geleis-tet hatte, stellte sie die Zahlungen am 22. Februar 2005 ein. 4 Die Beklagte, die daran zweifelte, dass der Kläger nach medizini-schem Befund nicht imstande war, seinen Beruf auszuüben, beauftragte ein Unternehmen mit der Überprüfung des [X.] im Hinblick auf eine tatsächliche Berufsausübung. Ein Mitarbeiter dieses Unternehmens, der Zeuge A. , nahm Kontakt mit dem Kläger auf und gab sich als [X.] aus. Es kam daraufhin im März 2005 zu drei Treffen mit dem Kläger. 5 Nachdem die Beklagte hiervon erfahren hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 30. März 2005 die fristlose Kündigung mit der [X.] - 5 -

[X.], der Kläger sei beruflich tätig geworden und habe gleichzeitig Krankentagegeld geltend gemacht.
Der Kläger hält die außerordentliche Kündigung für unberechtigt. Der [X.] sei eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht un-zumutbar. Es liege bereits ein zur Kündigung der [X.] nicht vor. Die Annahme einer tatsächli-chen Berufsausübung sei nicht gerechtfertigt. Jedenfalls sei er durch die Beklagte dazu unzulässig verleitet worden. 7 Das [X.] hat ein Teilurteil erlassen und die Nichtbeendi-gung der Krankheitskosten- und der Pflegepflichtversicherung [X.]. Soweit der Kläger darüber hinaus die Feststellung der [X.] der Krankentagegeldversicherung beantragt hat, hat das [X.] die Klage abgewiesen. [X.]m Hinblick auf den [X.] hat das [X.] die Klage - teilweise - in Höhe von 2.939,86 • abgewiesen. Die Parteien haben selbständige Berufungen eingelegt. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung der [X.] ist das Teilurteil geändert und die Klage betreffend den Feststellungsantrag insgesamt abgewiesen worden. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren - soweit darüber entschieden wurde - [X.]. 8 Entschei[X.]sgründe:

Die Revision hat überwiegend Erfolg. Das Krankenversicherungs-verhältnis besteht insgesamt fort. 9 - 6 -

10 A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der [X.] stehe ein Recht zur außerordentlichen Kündigung der Krankentagegeldversiche-rung zu. Der Kläger habe sich vertragswidrig verhalten, indem er in ei-nem [X.]raum, für den er Krankentagegeld geltend gemacht habe, [X.] in nicht völlig unbeachtlichem Umfang entfaltet ha-be, die als Berufsausübung einzustufen seien. Die Angaben des Zeugen [X.]seien verwertbar. Es sei nicht festgestellt worden, dass dieser den Kläger mit verwerflichen Mitteln zum Vertragsbruch verleitet habe. Die außerordentliche Kündigung habe auch die Krankheitskosten- und die Pflegepflichtversicherung unabhängig davon wirksam erfasst, ob von einem einheitlichen Versicherungsvertrag oder von rechtlich selbständi-gen Verträgen auszugehen sei. [X.]m Übrigen stehe dem Kläger für den 7. März, 10. März und 18. März 2005 ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld wegen nachgewiesener beruflicher Tätigkeit nicht zu. Aufgrund der wirksamen Kündigung sei der Zahlungsanspruch auch für die [X.] ab dem 1. April 2005 abzulehnen.

B. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in [X.] nicht stand. 11 [X.] Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts war die Beklagte bereits zur außerordentlichen Kündigung der Krankentagegeldversiche-rung nicht berechtigt. 12 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass den Parteien eines Versicherungsvertrages grundsätzlich ein Recht 13 - 7 -

zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB zu-steht. [X.]n § 18 Abs. 2 [X.][X.] wird ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen über das außerordentliche Kündigungsrecht verwiesen. Damit ist auch die Bestimmung des § 314 Abs. 1 BGB, die das aus dem Gebot von [X.] entwickelte Kündigungsrecht aus wichtigem Grund abgelöst hat, gemeint (vgl. Senatsurteil vom 3. Oktober 1984 - [X.] - [X.], 54 unter [X.]). 2. Zu beanstanden sind aber die von dem Berufungsgericht ange-führten Erwägungen, mit denen es eine Berechtigung zur außerordentli-chen Kündigung der Krankentagegeldversicherung angenommen und damit das Vorliegen eines wichtigen Grundes bejaht hat. Dem kann trotz eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 17. Januar 2001 - [X.] - VersR 2001, 370 unter [X.]) nicht ge-folgt werden. 14 a) Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung setzt [X.], dass Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar machen. 15 Für die private Krankenversicherung ist dabei im Hinblick auf ihre [X.] Funktion anerkannt, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung erst dann gegeben ist, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwer-wiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hint-anstellt. Das ist vor allem der Fall, wenn er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht (Senatsurteil vom 3. Oktober 1984 aaO unter [X.]; [X.] NJW-RR 2005, 1119; [X.], 644 f.; [X.] NJW-RR 2006, 1035; [X.] in 16 - 8 -

[X.]/[X.], [X.] Krankenversicherung 8. Aufl. [X.] [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 8 Rdn. 27).
Wie der Senat in seinem Urteil vom 3. Oktober 1984 (aaO unter [X.]) entschieden hat, erweckt derjenige, der Krankentagegeld wegen Ar-beitsunfähigkeit verlangt und dem Versicherer zwar die [X.] mitteilt, nicht aber den Umstand, dass er seinen Beruf ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit praktisch voll ausübt, den - unzutreffenden - [X.], er könne seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben und übe sie auch nicht aus. Er täusche damit Umstände vor, die eine Leistungspflicht des Versicherers ergeben und erschleiche sich damit diese [X.]. 17 b) Das Berufungsgericht hat zunächst mit Recht angenommen, dass der Kläger an den Tagen, an denen die Treffen mit dem Zeugen A.

stattgefunden haben, beruflich tätig geworden ist und er sich daher - weil er insoweit dennoch Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht hat - ver-tragswidrig verhalten hat. 18 aa) Bei der Bewertung, ob Tätigkeiten zur Berufsausübung gehö-ren oder nicht, kommt es auf das Berufsbild an, das sich aus der bis zum Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübten Tätigkeit der versi-cherten Person ergibt (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1992 - [X.] - [X.], 297 unter [X.][X.]; [X.], aaO § 1 [X.]/[X.] Rdn. 6). 19 Bei einem selbständigen Architekten, der ein Architekturbüro allein oder nur mit wenigen Mitarbeitern betreibt, gehören zur Erwerbstätigkeit neben den eigentlichen Architektenleistungen regelmäßig auch Tätigkei-ten zur Akquisition von Kunden. 20 - 9 -

21 [X.]) Das Berufungsgericht hat die von dem Kläger entfalteten [X.] zutreffend als Akquisitionsmaßnahmen gewertet, die darauf ge-richtet waren, den Zeugen [X.]als Kunden zu gewinnen.
Nach dem unstreitigen Vorbringen und den getroffenen [X.] haben sich der Kläger und der Zeuge [X.]im Wohnhaus des [X.], in dem sich zugleich dessen Architekturbüro befindet, über den von dem Zeugen - angeblich - geplanten Hausbau unterhalten, wobei es zunächst um das allgemeine Vorgehen ging. Bei den weiteren zwei Tref-fen nahm der Kläger auch Erörterungen anhand eines von dem [X.]mitgebrachten Grundstückplanes und anhand von Lichtbildern vor, die ein angebliches "Wunschhaus" des Zeugen zeigen und von [X.] zur Verfügung gestellt worden sind. Zudem hat der Kläger unstreitig die voraussichtlich anfallenden Baukosten nebst Nebenkosten über-schlägig beziffert und aufgelistet. 22 Der Bewertung als Akquisitionstätigkeit steht nicht entgegen, dass der erste Kontakt nicht durch den Kläger, sondern durch den Zeugen veranlasst wurde und die geführten Gespräche zwar im Wohnhaus des [X.], nicht aber direkt in Büroräumen stattgefunden haben. [X.] gilt im Hinblick darauf, dass es im Ergebnis nicht zu einer Be-auftragung des [X.] gekommen ist. Der Umstand, dass die [X.]en Tätigkeiten des [X.] nicht zu einer Gewinnerzielung geführt haben, ist ohne Belang. 23 [X.]) Die Annahme einer tatsächlichen Berufsausübung ist ungeach-tet dessen gerechtfertigt, dass der Kläger nur geringfügig beruflich tätig geworden ist. Von der Regelung des § 1 Abs. 3 [X.][X.] bzw. des § 1 24 - 10 -

Abs. 3 [X.]/[X.] wird jede berufliche Tätigkeit erfasst. Dies ergibt eine Auslegung der Klausel.
§ 1 Abs. 3 [X.]/[X.] gehört als Tarifbestimmung zu Allgemeinen Versicherungsbedingungen (vgl. [X.] aaO [X.]. [X.] Rdn. 14) und ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats daher so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungs-rechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine [X.]nteressen an ([X.]Z 123, 83, 85 und ständig). 25 Nach diesem Verständnis ist eine einschränkende Auslegung des Merkmals der Nichtausübung des Berufes in § 1 Abs. 3 [X.]/[X.] dahin-gehend, dass nur Tätigkeiten von bestimmter Art und gewissem Umfang den Krankentagegeldanspruch entfallen lassen können, abzulehnen (so aber [X.] VersR 1987, 1085; [X.], 452, 453; [X.], aaO § 1 [X.]/[X.] Rdn. 11 m.w.[X.]; [X.] in Bach/[X.], [X.]. § 1 [X.]/[X.] Rdn. 22 m.w.[X.]). Es genügen vielmehr jedwede auch geringfügige Tätigkeiten, die dem Berufsfeld des [X.] zuzuordnen sind. 26 Ausgehend vom Wortlaut wird der durchschnittliche Versiche-rungsnehmer erkennen, dass die [X.]/[X.] Leistungen im Falle einer durch Krankheit oder Unfall eingetretenen Arbeitsunfähigkeit zusagen. Aufgrund der Regelung des § 1 Abs. 3 [X.]/[X.] wird sodann deutlich, dass die allgemeine Leistungszusage nicht stets, sondern nur dann [X.] soll, wenn der Versicherte, der seine berufliche Tätigkeit nach [X.] - 11 -

zinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, diese bzw. eine anderweitige Erwerbstätigkeit auch tatsächlich nicht ausübt. Der Versicherer hat hinreichend erkennbar Versicherungsschutz nur für den Fall versprochen, dass einer Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen wird, der Versicherte also insoweit gänzlich untätig ist. [X.]m Falle der Aus-übung einer solchen Tätigkeit - ungeachtet von deren Art und Umfang - soll die Zusage ebenso wenig gelten wie bei nicht vollständiger Ein-schränkung der Arbeitsfähigkeit aus medizinischen Gründen (vgl. [X.] vom 25. November 1992 aaO unter [X.] c). Es lässt sich daher weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck der Krankentagegeldversi-cherung vereinbaren, dass der Versicherer leistungspflichtig ist, obwohl der Versicherte - wenn auch geringfügig - berufliche Tätigkeiten entfaltet.
[X.]m Einzelfall kann entsprechend den Ausführungen im Senatsurteil vom 25. November 1992 (aaO unter [X.] c) einer missbräuchlichen Beru-fung des Versicherers auf Leistungsfreiheit bei nur ganz geringfügiger Berufsausübung des Versicherten mit einer Korrektur nach § 242 BGB bzw. im Rahmen der bei einer Prüfung eines außerordentlichen Kündi-gungsrechts nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmenden wertenden Betrachtung begegnet werden. 28 c) Selbst wenn der Kläger angesichts der tatsächlichen Berufsaus-übung vorwerfbar Umstände vorgetäuscht hat, die eine Leistungspflicht der [X.] ergeben, und er sich damit Versicherungsleistungen [X.] oder zu erschleichen versucht hat, ist der [X.] die Fort-setzung der Krankentagegeldversicherung jedenfalls nicht unzumutbar. Dies ergibt die gebotene wertende Betrachtung, bei der nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die beiderseitigen [X.]nteressen abzuwägen sind. 29 - 12 -

30 Eine solche Betrachtung hat das Berufungsgericht nicht vorge-nommen. Seinen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die Fortsetzung der Krankentagegeldversicherung für die [X.] unzumutbar sein soll. Die angeführte Begrün[X.], der Kläger sei in einem [X.]raum, für den er die Zahlung von Krankentagegeld bean-sprucht habe, seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, reicht hierfür nicht aus. aa) Die ausgeübten beruflichen Tätigkeiten können bereits nach Art und Umfang nicht ein dem Kläger vorwerfbares Verhalten begründen, das die Annahme eines erheblichen Vertrauensbruchs rechtfertigt. 31 Übt der Versicherte seinen Beruf außerhalb des Rahmens von [X.] aus - wovon hier auszugehen ist - und begehrt er zugleich Versicherungsleistungen, liegt nach dem Senatsurteil vom 3. Oktober 1984 (aaO unter [X.]) zwar ein erheblicher Vertrauensbruch nahe. Dies gelte aber nicht, wenn sich seine Handlungen auf [X.] formelle Tätigkeiten wie beispielsweise das Unterzeichnen vorgefer-tigter Schriftstücke beschränken. [X.]m Rahmen der an [X.] ausgerichteten Prüfung ergebe sich die Unbeachtlichkeit derartiger Sachverhalte schon aus dem Umstand, dass dem Versicherten insoweit eine völlige Untätigkeit zum Erhalt des Versicherungsschutzes kaum [X.] werden könne. 32 Auch wenn sich die von dem Kläger ausgeübten Tätigkeiten nicht als rein formell im Sinne der genannten Rechtsprechung darstellen, ist der vorliegende Sachverhalt entsprechend zu bewerten. Nach den un-streitigen Umständen und den getroffenen Feststellungen ist der Kläger 33 - 13 -

lediglich an drei Tagen beruflich tätig geworden. Eine darüber hinausge-hende Berufsausübung wurde nicht festgestellt. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Kläger etwa voll berufstätig war und sich gleichwohl von dem Versicherer Tagegeld auszahlen ließ. [X.]m Übrigen werden gelegentliche [X.] ebenso wie formelle [X.] der Genesung nicht entgegenstehen, zumal der Kläger hier in zeit-lichem Abstand von mehreren Tagen und jeweils höchstens eine halbe Stunde tätig geworden ist. Ferner handelt es sich bei [X.] um Tätigkeiten, die allein im Vorfeld der eigentlichen vertragli-chen Leistungen erfolgen und selbst nicht die Grundlage der beruflichen Einkünfte darstellen. Ein völliges Unterlassen derartiger Tätigkeiten zum Erhalt des Versicherungsschutzes kann daher - noch dazu einem beruf-lich Selbständigen wie dem Kläger, der ein Unternehmen allein bzw. nur mit wenigen Mitarbeitern betreibt - kaum zugemutet werden. [X.]) Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, das Berufungsge-richt habe fehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der Kläger in dem [X.]-raum, in dem seine berufliche Tätigkeit festgestellt wurde, [X.] nicht erhalten hat. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Zahlungen von Krankentagegeld am 22. Februar 2005 eingestellt [X.]. Zwar setzt ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht zwingend ein vollendetes Erschleichen von Versicherungsleistungen voraus, son-dern kann auch bei einem Versuch des [X.] begründet sein (vgl. Senatsurteil vom 3. Oktober 1984 aaO unter [X.]). Die Leistungsein-stellung kann aber bei einer wertenden Betrachtung des Rechts zur [X.] Kündigung nicht unberücksichtigt bleiben. Mit der [X.] trotz weiterhin bescheinigter Arbeitsunfähigkeit bringt der Versicherer zum Ausdruck, er halte den Versicherungsnehmer den-noch für arbeitsfähig. Er kann deshalb nicht mehr uneingeschränkt [X.] - 14 -

auf vertrauen, dieser werde seine Berufstätigkeit in keiner Weise aus-üben. Der Wegfall des [X.] begründet - dem Versicherer erkennbar - für den Versicherungsnehmer die Notwendigkeit, auf ande-rem Wege für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Auch wenn der [X.] seinen Anspruch für berechtigt hält, kann der [X.] von ihm nicht erwarten, dass er sich bis zum Abschluss eines - im Ausgang zudem ungewissen - Rechtsstreits jeglicher Ausübung seiner Berufstätigkeit enthält. Es kommt hinzu, dass die nachteiligen Auswir-kungen einer Vertragsverletzung für einen Versicherer regelmäßig nicht eintreten oder geringer sind, wenn Versicherungsleistungen - ungeachtet aus welchem Grunde - nicht erbracht wurden.
[X.]) Gegen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der [X.]versicherung spricht zudem, dass diese bereits seit dem Jahre 1990 besteht. Dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien bereits zuvor durch ein Verhalten des [X.] beeinträchtigt worden ist, ist dem Vorbringen der [X.] nicht zu entnehmen. 35 [X.]) Danach kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Beklagte die Erkenntnisse zur tatsächlichen Berufsausübung des [X.] durch unzulässigen Einsatz des Zeugen [X.]als Testperson gewon-nen und sich daher selbst unredlich verhalten hat. Die Revision weist [X.] darauf hin, dass die Beklagte vor dem Einsatz des Zeugen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine vorgenommene oder bevorstehende tatsächliche Berufsausübung durch den Kläger hatte. Zwar bestanden bei der [X.] nach eigenem Vorbringen vor allem aufgrund der ein-geholten Gutachten Zweifel daran, dass der Kläger - nach medizini-schem Befund - arbeitsunfähig war. Dieser Umstand bietet aber nicht zugleich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinem Beruf 36 - 15 -

nachgegangen ist oder eine Bereitschaft zur künftigen Berufsausübung hatte, sich mithin (auch) im Hinblick auf das weitere Erfordernis einer Nichtausübung des Berufes vertragswidrig verhalten hat oder verhalten wird. Unter Berücksichtigung des Fehlens der erforderlichen Verdachts-lage und dem nach den getroffenen Feststellungen anzunehmenden - wenn auch nicht mit verwerflichen Mitteln vorgenommenen - nachhalti-gen Einwirken des [X.]auf den Kläger stellt sich das [X.] der [X.] als auf die Verschaffung eines Kündigungsgrundes gerichtet und damit unredlich dar.

[X.][X.] [X.]st danach bereits ein zur Kündigung der [X.] wichtiger Grund abzulehnen, ist ein solcher erst recht nicht für die darüber hinausgehend erklärte Kündigung der [X.] und der Pflegepflichtversicherung gegeben. Auf Weiteres kommt es nicht an. 37 [X.][X.][X.] Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist von den [X.] abgewiesen worden, soweit der Kläger die Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von 383,46 • (drei Tage zu je 127,82 •) für den 7. März, 10. März und 18. März 2005 begehrt. Wegen des [X.] für April 2005 ist die Sache zurückzuverweisen. 38 1. Der Kläger ist, wie bereits ausgeführt, an den vorgenannten Ta-gen im März 2005 beruflich tätig geworden. Ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld nach § 1 Abs. 1, 3 [X.][X.] ist daher insoweit nicht gegeben. 39 - 16 -

40 a) Der Kläger kann sich in der Revisionsinstanz nicht mit Erfolg auf ein mögliches Beweisverwertungsverbot berufen. Eine in diese Richtung führende Rüge der Revision geht ins Leere.
Ob ein derartiges Verbot wegen Eingriffs in ein verfassungsrecht-lich geschütztes [X.]ndividualrecht des [X.] in Betracht kommt, kann da-hinstehen, weil der Kläger jedenfalls das [X.] nach § 295 Abs. 1 ZPO verloren hat. Wurde bei einer Beweisaufnahme ein unzulässiges Beweismittel verwendet, findet die Bestimmung des § 295 Abs. 1 ZPO grundsätzlich Anwen[X.] ([X.], Urteil vom 19. Januar 1984 - [X.][X.][X.] ZR 93/82 - [X.], 458 unter [X.]; [X.] in [X.], ZPO 26. Aufl. § 295 Rdn. 3, § 286 Rdn. 15a ff.; Prütting in MünchKomm, ZPO 2. Aufl. § 295 Rdn. 2). Anhaltspunkte dafür, dass dies hier nicht anzunehmen ist, be-stehen nicht. 41 Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hat die Verwertung der Zeugenaussage vor dem [X.] im Termin am 16. September 2005 nicht gerügt; die Voraussetzungen für einen [X.]sverlust sind ge-geben. Es begegnet deshalb keinen rechtlichen Bedenken, dass das Be-rufungsgericht die Angaben des [X.]in seine Überzeugungs-bil[X.] mit einbezogen hat. 42 b) Darüber hinaus ist die Berufung der [X.] darauf, der Klä-ger sei beruflich tätig geworden und sie folglich nicht leistungspflichtig, unter dem Gesichtspunkt der Geringfügigkeit der ausgeübten Tätigkeiten des [X.] nicht missbräuchlich. Einer - wie dargelegt grundsätzlich in Betracht kommenden - Korrektur nach § 242 BGB bedarf es insoweit nicht. Dies ergibt die bei der Prüfung eines Anspruchs auf Zahlung von Krankentagegeld vorzunehmende Betrachtung. Anders als bei der [X.] - 17 -

fung einer Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung, die eine - für die Zukunft wirkende - Vertragsbeendigung zur Folge hat, kommt es bei einem Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld nur darauf an, ob die-ses für konkrete Tage verlangt werden kann oder nicht. Danach stellt sich die Berufsausübung durch den Kläger nicht als derart geringfügig dar, dass es der [X.] nach [X.] verwehrt ist, insoweit ihre Leistungsfreiheit geltend zu machen.
2. Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus einen Anspruch des [X.] auf Zahlung von Krankentagegeld für den [X.]raum vom 1. April bis zum 20. April 2005 in Höhe von 2.556,40 • (20 Tage zu je 127,82 •) abgelehnt hat, kann die Entschei[X.] mit der gegebenen Be-grün[X.] keinen Bestand haben. Auf die Wirksamkeit der Kündigung der Krankentagegeldversicherung kann aus den genannten Gründen nicht abgestellt werden. Das Berufungsurteil ist daher, soweit es den An-spruch des [X.] auf Zahlung von Krankentagegeld ab dem 1. April bis zum 20. April 2005 betrifft, aufzuheben und die Sache insoweit zur [X.] und Entschei[X.] an das [X.] zurückzuverwei-sen. Da die für den Anspruch erforderlichen Tatsachen - aus Sicht der 44 - 18 -

Vorinstanzen folgerichtig - bislang nicht festgestellt worden sind, wird dies unter Berücksichtigung des Parteivortrags und der Beweisangebote nachzuholen sein.
Terno [X.] [X.] Dr. [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entschei[X.] vom 14.10.2005 - 4 [X.]/05 - [X.], Entschei[X.] vom 25.04.2006 - 10 U 238/05 -

Meta

IV ZR 129/06

18.07.2007

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2007, Az. IV ZR 129/06 (REWIS RS 2007, 2827)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2827

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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