Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2009, Az. IV ZR 274/06

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 3418

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am:

20. Mai 2009

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.]/[X.] 94 § 1 (3) In der Krankentagegeldversicherung ist Maßstab für die Prüfung der [X.] der bisher ausgeübte Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung. Daher kann der Versicherer den Versicherten nicht darauf verweisen, unter Kapitalein-satz eine Weiterführung seiner bisherigen Tätigkeit unter geänderten [X.] zu ermöglichen.
[X.], Urteil vom 20. Mai 2009 - [X.]/06 - [X.]LG Itzehoe
- 2 -

[X.] hat durch [X.], [X.], [X.], [X.] und die [X.] [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2009 für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zi-vilsenats des [X.] in [X.] vom 12. Oktober 2006 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als der Antrag der Klä-gerin auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 102.679,84 • nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent-punkten über dem Basiszinssatz aus 32.489,62 • seit dem 18. Juli 2003 und aus 70.190,22 • seit dem 12. Dezember 2005 abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Klägerin, die als selbständige [X.] seit 1999 einen Beschaffungsservice für Werbemittel betreibt, hielt bei der [X.], der die [X.]

dingungen für die Krankentagegeldversicherung in der Fassung der Mus-terbedingungen 1994 des [X.] ([X.]/[X.] 94) nebst Tarifbedingungen der Beklagten zugrunde lagen. Sie verlangt von der Beklagten für die [X.] vom 2. Dezember 2002 bis ein-schließlich 30. November 2004 Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 103.193,68 •, wobei sie noch offene Versicherungsbeiträge in Abzug bringt. Seit einem Treppensturz am 2. Februar 2002 leidet die Klägerin an Schmerzen im Bereich der rechten Schulter, vor allem beim Anheben und Tragen von schwereren Lasten; ärztlich diagnostiziert wurde ein Im-pingementsyndrom (Schulterengpasssyndrom). Die Beklagte zahlte nach Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen das vereinbarte Krankentagegeld von 171,28 • täglich bis einschließlich 1. Dezember 2002 und stellte dann ihre Zahlungen ein. 2 Im Juli 2003 beauftragte die Beklagte ein Detektivunternehmen mit der Überprüfung, ob die Klägerin trotz der ihr attestierten [X.] einer beruflichen Tätigkeit nachgehe. Zwei Mitarbeiter dieses [X.] nahmen Kontakt zu der Klägerin auf und gaben unter falschem Namen vor, als Kunden bzw. für Kunden Interesse an den von ihr ange-botenen Werbemitteln zu haben. Die Klägerin präsentierte den [X.] bei drei verabredeten Treffen im August und September 2003 ihre Werbemittel. Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom [X.] und weiterem Schriftsatz vom 27. November 2003 die [X.] mit der Begründung, dass die Klägerin beruflich tätig geworden sei und gleichzeitig Kranken-tagegeld gefordert habe. 3 - 4 -

4 Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei ausschließlich im Außen-dienst ihres Betriebes tätig gewesen und habe Kunden mit zwei 25 kg schweren Musterkoffern und einer 15 kg schweren Reisetasche mit [X.] besucht, die Werbemittel präsentiert, zum Kauf angeboten und Be-stellungen entgegengenommen. Dazu sei sie aufgrund ihrer [X.] nicht mehr in der Lage, weil sie die Koffer und die Tasche nicht mehr aus dem Kofferraum ihres Cabrios heben und zu den Kun-denbesuchen tragen könne.
Das [X.] hat die Klage unter anderem insoweit abgewie-sen, als die Klägerin einen Anspruch auf Krankentagegeld in Höhe von 32.489,62 • für den [X.]raum vom 2. Dezember 2002 bis zum 30. Juni 2004 geltend gemacht hat. Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Forderung auf 103.193,68 • erhöht hat, ist erfolglos geblieben. Diesen [X.] verfolgt die Klägerin mit ihrer Revision weiter. 5 Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg und führt zur weitgehenden Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückver-weisung der Sache an das Berufungsgericht. 6 [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht eine vollständige Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht fest, auch wenn davon auszugehen sei, dass die Klägerin nahezu ausschließlich im Außendienst mit der Ak-quisition in der von ihr beschriebenen Art und Weise befasst gewesen sei. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum es der Klägerin nicht möglich 7 - 5 -

und zumutbar gewesen sein solle, die konkrete Trage- und [X.] durch nahe liegende, einfache Maßnahmen zu verringern, etwa durch Verwendung von Trolleys. Problematisch sei bei einem Schultereng-passsyndrom nach den Ausführungen des Sachverständigen allerdings das Anheben von Lasten von 10 bis 20 kg in der [X.], wie sie beim Heben der Musterkoffer aus dem Kofferraum oder dort [X.] vorkomme. Dem könne die Klägerin aber zumutbar dadurch begeg-nen, dass sie sich ein Fahrzeug ohne Ladekante, etwa einen Kombi, an-stelle ihres Cabrios mit hoher Ladekante anschaffe. Damit ließe sich die problematische [X.] vermeiden; zudem ließen sich die Koffer auch mit dem linken Arm leichter hinein- oder herausheben.
Für den [X.]raum ab dem 1. November 2003 habe die Klägerin auch deshalb keine Krankentagegeldansprüche mehr, weil die Beklagte den Vertrag mit Wirkung ab diesem [X.]punkt wirksam fristlos gekündigt habe. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung ergebe sich [X.], dass die Klägerin versucht habe, für die drei Tage, an denen sie die [X.] mit den Detektiven wahrgenommen habe, Kranken-tagegeldleistungen zu erlangen. 8 I[X.] Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 9 1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Krankentagegeld zu Unrecht mit der Begründung versagt, sie hätte die Trage- und [X.] durch Umgestaltung ihrer Musterkoffer verringern und das Anheben von Lasten in der [X.] durch An-schaffung eines anderen Fahrzeugs ohne Ladekante vermeiden können. Damit hat das Berufungsgericht von der Klägerin eine dem Wesen der 10 - 6 -

Krankentagegeldversicherung fremde Umorganisation der Arbeitsabläufe verlangt. a) In der Krankentagegeldversicherung setzt der Eintritt eines [X.] neben der medizinisch notwendigen Heilbehandlung ei-ne in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit voraus (§ 1 (2) Satz 1 [X.]/[X.] 94). Arbeitsunfähigkeit liegt gemäß § 1 (3) [X.]/[X.] 94 vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizini-schem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese Defini-tion der Arbeitsunfähigkeit knüpft an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkei-ten an. Dementsprechend bemisst sich die Arbeitsunfähigkeit nach der bisherigen Art der Berufsausübung, selbst wenn der Versicherte noch andere Tätigkeiten ausüben kann ([X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 1 [X.]/[X.] 94 Rdn. 6 m.w.[X.]). Daher ist der Versicherer nicht berechtigt, den Versicherungsnehmer auf so genannte [X.] oder gar sonstige, auf dem Arbeitsmarkt angebotene Erwerbstätigkeiten zu [X.] ([X.]surteile vom 9. Juli 1997 - [X.] - [X.], 1133 unter [X.]; vom 25. November 1992 - [X.] - [X.], 297 unter [X.]). Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte mindestens 50 % der von seinem Berufsbild allgemein umfassten Tätigkeiten noch ausüben kann; sofern ihm die bisherige Berufsausübung völlig unmöglich geworden ist, muss er sich nicht darauf verweisen lassen, eine seinen verbliebenen beruflichen Fähigkeiten entsprechende andere Arbeit auf-zunehmen ([X.]surteil vom 25. November 1992 aaO; [X.] aaO m.w.[X.]). Hingegen ist der Versicherte nicht arbeitsunfähig, wenn er ge-sundheitlich zu einer - wenn auch nur eingeschränkten - Tätigkeit in sei-nem bisherigen Beruf imstande geblieben ist ([X.]surteil vom 25. [X.] - 7 -

vember 1992 aaO). Ob der Versicherte seinem Beruf nicht mehr in der bisherigen Ausgestaltung nachgehen kann, ist durch einen Vergleich der Leistungsfähigkeit, die für die bis zur Erkrankung konkret ausgeübte Tä-tigkeit erforderlich ist, mit der noch verbliebenen Leistungsfähigkeit fest-zustellen ([X.] aaO Rdn. 7 m.w.[X.]).
b) Das Berufungsgericht hat bei seiner Vergleichsbetrachtung zwar berücksichtigt, wie die Außendiensttätigkeit der Klägerin vor ihrem Unfall tatsächlich gestaltet war, ihr aber eine andere Arbeitsorganisation abver-langt. Damit hat es außer [X.] gelassen, dass Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprä-gung ist. Mit Blick darauf kann der Versicherer den Versicherten nicht darauf verweisen, durch Umorganisation seiner Arbeitsabläufe, notfalls mit dem dazu erforderlichen Kapitaleinsatz, die Voraussetzungen für die Wiederausübung seines Berufs zu schaffen. Ob und inwieweit der [X.] nach Treu und Glauben gehalten ist, über die medizinische Be-handlung hinaus an der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit aktiv mitzuwirken, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist er nicht [X.], seine berufliche Tätigkeit durch Austausch oder Veränderung der bislang eingesetzten Arbeitsmittel neu zu organisieren. Für die Be-rufsunfähigkeitsversicherung hat der [X.] bereits entschieden, dass sich der Versicherte eine nachträglich entstandene [X.] nicht zu seinem Nachteil anrechnen lassen muss, wenn er diese durch eine eigene Anstrengung geschaffen hat, zu der er dem [X.] gegenüber weder aufgrund einer vertraglich vereinbarten Oblie-genheit noch aufgrund seiner Schadensminderungspflicht verpflichtet war. Eine solche überobligationsmäßige Anstrengung liegt z.B. vor, wenn der Versicherte durch Kapitaleinsatz sein Unternehmen erweitert ([X.] vom 28. April 1999 - [X.] - [X.], 958 unter [X.] 12 - 8 -

b). Dies gilt erst recht für die Krankentagegeldversicherung, die nur auf die bisherige Berufstätigkeit des Versicherten abstellt und eine Verwei-sung auf andere Erwerbstätigkeiten nicht kennt. Auch bei der [X.] wäre es unbillig, dem Versicherer, der an dem un-ternehmerischen Risiko des Versicherten nicht beteiligt ist, Leistungs-freiheit zu gewähren, wenn der Versicherte seinen Betrieb nicht anders gestaltet. Ebenso wenig kann der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld frei werden, wenn der Versicherte nicht seine Tätigkeit durch einen - unter Umständen mit erheblichem Kapital-aufwand verbundenen - Austausch der Arbeitsmittel verändert.
Demnach kann die Beklagte der Klägerin nicht anlasten, dass [X.] nicht ihr Cabrio, mit dem sie zu den [X.]n fuhr, ge-gen einen anderen PKW mit niedrigerer Ladekante tauschte und die Musterkoffer nicht durch kleinere Koffer oder Trolleys ersetzte. Ob dem Versicherten im Einzelfall eine Veränderung seiner Arbeitsmittel zumut-bar ist, wenn der Versicherer die ihm dafür entstehenden Kosten über-nimmt, kann dahinstehen. Mit einem entsprechenden Angebot ist die [X.] weder vor noch nach der Leistungseinstellung an die Klägerin he-rangetreten. 13 2. Unabhängig von der Frage der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin durfte die Beklagte für den [X.]raum ab dem 1. November 2003 die Kran-kentagegeldzahlung nicht deshalb verweigern, weil sie die fristlose Kün-digung des Vertrages erklärt hatte. Denn ein Kündigungsgrund lag nicht vor. 14 a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass den Parteien eines Versicherungsvertrages grundsätzlich ein Recht zur 15 - 9 -

Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht. Diese Bestimmung, die das aus dem Gebot von Treu und Glauben entwi-ckelte Kündigungsrecht aus wichtigem Grund abgelöst hat, gehört zu den gesetzlichen Bestimmungen über das außerordentliche Kündigungsrecht, auf die § 14 (2) [X.]/[X.] 94 ausdrücklich verweist ([X.]surteil vom 18. Juli 2007 - [X.]/06 - [X.], 1260 [X.]. 13). b) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht der Beklagten ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des [X.] zugebilligt hat, können selbst im Rahmen der nur ein-geschränkt möglichen revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. [X.]sur-teil vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 14 m.w.[X.]) nicht als tragfähig angesehen werden. 16 aa) Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung setzt gemäß § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB voraus, dass Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar machen. Im Hinblick auf die [X.] Funktion der privaten Krankenversicherung ist anerkannt, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung erst dann gegeben ist, wenn der [X.] in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz [X.]. Das ist vor allem dann der Fall, wenn er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu erschlei-chen versucht ([X.]surteile vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 16; vom [X.] 1984 - [X.] - [X.], 54 unter [X.], jeweils m.w.[X.]). Wie der [X.] in seinen genannten Entscheidungen ausgeführt hat, er-weckt derjenige, der Krankentagegeld wegen Arbeitsunfähigkeit verlangt und dem Versicherer zwar die Arbeitsunfähigkeit mitteilt, nicht aber den 17 - 10 -

Umstand, dass er seinen Beruf ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit prak-tisch voll ausübt, den unzutreffenden Eindruck, er könne seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben und übe sie auch nicht aus. Damit täuscht der Versicherungsnehmer Umstände vor, die eine Leistungspflicht des [X.] ergeben und erschleicht sich diese Versicherungsleistungen ([X.]e vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 17; vom 3. Oktober 1984 aaO un-ter II 3). [X.]) Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass die Kläge-rin an den drei Tagen, an denen sie den von der Beklagten beauftragten Detektiven ihre Werbemittel präsentierte, beruflich tätig wurde und sich vertragswidrig verhielt, indem sie dennoch gegenüber der [X.] geltend machte. Bei der Bewertung, ob Tätigkeiten zur Berufsausübung gehören, kommt es auf das Berufsbild an, das sich aus der bis zum Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübten Tätigkeit der versicherten Person ergibt ([X.]surteil vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 19 m.w.[X.]). Das Berufungsgericht hat die Präsentation der Werbemit-tel zutreffend ihrer Außendiensttätigkeit zugerechnet. Dabei ist es uner-heblich, dass der erste Kontakt mit den von der Beklagten eingeschalte-ten Detektiven durch diese, nicht von der Klägerin veranlasst wurde. Entscheidend ist, dass die Klägerin bei den fraglichen Präsentationster-minen ihre übliche berufliche Tätigkeit entfaltete. Der Annahme einer tat-sächlichen Berufsausübung steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin nur geringfügig beruflich tätig wurde. Von der Regelung des § 1 (3) [X.]/[X.] 94 wird - wie der [X.] in seinem Urteil vom 18. Juli 2007 (aaO [X.]. 24 ff.) entschieden hat - jede berufliche Tätigkeit erfasst. Eine ein-schränkende Auslegung des Merkmals der Nichtausübung des Berufs dahingehend, dass nur Tätigkeiten von bestimmter Art und gewissem Umfang den Krankentagegeldanspruch entfallen lassen können, hat der 18 - 11 -

[X.] ausdrücklich abgelehnt. Vielmehr genügen jedwede auch gering-fügige Tätigkeiten, die dem Berufsfeld des Versicherungsnehmers zuzu-ordnen sind ([X.]surteil vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 26).
[X.]) Auch wenn die Klägerin dadurch ihre vertraglichen Pflichten verletzte, dass sie der Beklagten ihre Berufstätigkeit im Rahmen der drei [X.] verschwieg, ist der Beklagten die Fortsetzung der Krankentagegeldversicherung bis zum 30. November 2004 jedenfalls nicht unzumutbar. Das Berufungsurteil lässt die gebotene wertende Be-trachtung, bei der nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB alle Umstände des [X.] zu berücksichtigen und die beiderseitigen Interessen abzuwä-gen sind, vermissen. 19 (1) Aus welchen Gründen der Beklagten die Fortsetzung des [X.] unzumutbar gewesen sein soll, hat das Berufungs-gericht nicht ausgeführt. Allein der Umstand, dass die Klägerin in einem [X.]raum, für den sie von der Beklagten Krankentagegeld verlangt, ihrer beruflichen Tätigkeit an drei Tagen nachgegangen ist, genügt hierfür nicht. Zwar liegt ein erheblicher Vertrauensbruch nahe, wenn der [X.] seinen Beruf nicht nur im Rahmen von - hier nicht anzunehmen-den - [X.] ausübt und sich nicht nur auf gelegentliche for-melle Tätigkeiten wie das Unterzeichnen vorgefertigter Schriftstücke be-schränkt ([X.]surteil vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 32). Allerdings hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass nach den getroffenen Fest-stellungen die Klägerin lediglich an drei Tagen und jeweils nur für kurze [X.] (90 Minuten, 45 Minuten, 30 Minuten) beruflich tätig wurde. Eine weitergehende Berufsausübung ist in den Tatsacheninstanzen nicht fest-gestellt worden. Der Klägerin kann daher nicht vorgeworfen werden, voll 20 - 12 -

berufstätig gewesen zu sein und gleichwohl von der Beklagten Kranken-tagegeld gefordert zu haben. (2) Im Übrigen hat das Berufungsgericht fehlerhaft nicht berück-sichtigt, dass die Beklagte zu der [X.], als die von ihr beauftragten [X.] sich mit der Klägerin trafen, die Zahlungen von Krankentagegeld längst eingestellt hatte. Auch wenn ein außerordentliches Kündigungs-recht nicht zwingend ein vollendetes Erschleichen von Versicherungs-leistungen voraussetzt, sondern auch bei einem Versuch des Erschlei-chens begründet sein kann, ist die Leistungseinstellung bei der gebote-nen wertenden Betrachtung zu berücksichtigen. Mit der [X.] trotz weiterhin bescheinigter Arbeitsunfähigkeit bringt der [X.] zum Ausdruck, er halte den Versicherten dennoch für arbeitsfähig. Deshalb kann er nicht mehr uneingeschränkt darauf vertrauen, der [X.] werde seine Berufstätigkeit in keiner Weise ausüben. Der Weg-fall des [X.] begründet - dem Versicherer erkennbar - für den Versicherten die Notwendigkeit, auf anderem Wege für seinen Le-bensunterhalt zu sorgen. Auch wenn der Versicherungsnehmer seinen Anspruch für berechtigt hält, kann der Versicherer von ihm nicht erwar-ten, dass er sich bis zum Abschluss eines - im Ausgang ungewissen - Rechtsstreits jeglicher Ausübung seiner Berufstätigkeit enthält. Hinzu kommt, dass die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragsverletzung für einen Versicherer regelmäßig nicht eintreten, wenn [X.] - wie auch hier - nicht erbracht wurden ([X.]surteil vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 34). 21 (3) Weiterhin hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass die Beklagte die Erkenntnisse zur tatsächlichen Berufsausübung der Kläge-rin durch unzulässigen Einsatz der von ihr beauftragten Detektive als 22 - 13 -

Testkunden gewonnen und sich daher selbst unredlich verhalten hat. Dass sie vor dem Einsatz der Detektive tatsächliche Anhaltspunkte für eine Berufsausübung der Klägerin hatte, behauptet die Beklagte selbst nicht. Allein die von ihr vorgebrachten Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ließen nicht darauf schließen, dass die Klägerin ihren Beruf ausübte. Mangels eines entsprechenden Verdachts ist die Beauftragung der Detektive, selbst wenn diese nicht mit verwerflichen Mitteln auf die Klägerin einwirkten, als auf die Verschaffung eines Kündigungsgrundes gerichtet und damit als unlauter anzusehen (vgl. [X.]surteil vom 18. Juli 2007 aaO [X.]. 36).

II[X.] Soweit die Klägerin die Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 513,84 • für die drei Tage, an denen sie die fraglichen [X.] wahrnahm, begehrt, ist ihr [X.] von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden. Im Übrigen ist der [X.] bezüglich dieses Antrags noch nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht wird sich unter Berücksichtigung der unter [X.] darge-legten Grundsätze erneut damit zu befassen haben, ob die Klägerin in dem streitgegenständlichen [X.]raum durchgehend vollständig arbeitsun-fähig in dem Sinne war, dass sie ihrem Beruf in seiner bis zu ihrer Er-krankung ausgeübten Weise nicht mehr nachgehen konnte. Dabei wird es wiederum - ggf. nach ergänzender sachverständiger Beratung - zu be-rücksichtigen haben, welche Gewichte die Klägerin nach ihrer Erkran-kung noch anheben und tragen konnte. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, dass der von ihr als sachver-ständiger Zeuge benannte Dr. J.

nicht gehört worden sei, hat der [X.] geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO). 23 - 14 -

24 Weiterhin hat das Berufungsgericht nicht geklärt, ob die Klägerin - wie die Beklagte geltend gemacht hat - seit dem 15. Juni 2003 berufs-unfähig i.S. von § 15 lit. b [X.]/[X.] 94 war. Schließlich hat es sich nicht mit dem Einwand der Beklagten auseinandergesetzt, dass es sich bei der [X.]Klinik, in der die Klägerin für die [X.] vom 20. März bis 30. April 2003 stationär behandelt wurde und aufgrund der Bewilligung der [X.] erhielt, um eine gemischte Anstalt handele und eine deshalb erforderliche vorherige Leistungszusage i.S. von § 4 (9) Satz 1 [X.]/[X.] 94 fehle. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.10.2005 - 3 O 269/03 - OLG [X.], Entscheidung vom 12.10.2006 - 16 U 65/05 -

Meta

IV ZR 274/06

20.05.2009

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2009, Az. IV ZR 274/06 (REWIS RS 2009, 3418)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3418

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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16 U 65/05

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