Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. StB 4/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15014

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:230217BSTB4.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 4/17
vom
23. Februar 2017
in dem Strafverfahren
gegen

wegen Beihilfe zum Mord
hier:
Haftbeschwerde des Angeklagten

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 23. Februar 2017 gemäß §
304 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 Nr.
1, Abs.
5 StPO beschlossen:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 21.
Dezember 2016 wird [X.].

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte wurde am 29. November 2011 festgenommen aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28.
November 2011 (3 [X.] 97/11), neu gefasst durch dessen Beschluss vom 15. Mai 2012 (3 [X.] 169/12) und abgeändert durch Senatsbeschluss vom 14.
Juni 2012 ([X.]). Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersu-chungshaft. Der Senat hat in der letztgenannten Entscheidung deren Fortdauer über sechs Monate hinaus und durch Beschlüsse vom 4. Oktober 2012 ([X.]), vom 8. Januar 2013 ([X.]) und vom 11. April 2013 ([X.]) deren Fortdauer auch über neun, zwölf und fünfzehn Monate hinaus angeordnet. Zum Tatvorwurf nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss vom 14. Juni 2012 ([X.]) und auf die Anklageschrift des [X.] vom 5.
November 2012. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und vier 1
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Mitangeklagte hat am 6. Mai 2013 vor dem 6. Strafsenat des [X.] begonnen; sie dauert weiter an.
Die Beschwerde des Angeklagten gegen einen die [X.] [X.] Beschluss des [X.] vom 22. Dezember 2014 hat der Senat am 5.
Februar 2015 verworfen (StB 1/15). Ebenso ist er verfahren mit der Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesge-richts vom 24.
Februar 2016, mit dem dieses seine Anträge vom 18. Januar 2016 auf Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise auf [X.] und wiederum [X.] angeordnet hatte; diese hat der Senat mit Beschluss vom 14.
Juli 2016 (StB 20/16) verworfen.
Nunmehr hat die Verteidigung des Angeklagten am 1. Dezember 2016 erneut beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise, diesen außer Vollzug zu setzen. Das [X.] hat die Anträge mit Beschluss vom 21.
Dezember 2016 abgelehnt und wiederum [X.] angeordnet. Hier-gegen richtet sich die neuerliche Beschwerde des Angeklagten. Das [X.] hat dieser mit Beschluss vom 30.
Januar 2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Es besteht weiterhin der dringende Tatverdacht, dass der Angeklagte Beihilfe zu neun Fällen des Mordes leistete, indem er den untergetauchten

B.

und

M.

eine von diesen bestellte Pistole über den Mitan-2
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geklagten

S.

verschaffte, und zwar die jeweils als Tatwaffe ver-wendete Pistole Ceska [X.]. 7,65 mm, [X.] 034678, nebst Schalldämpfer, die S.

auf Vermittlung des Angeklagten bei dem Zeugen

Sch.

erwarb und anschließend an B.

und M.

übergab.
Das [X.] hat in dem Beschluss vom 21.
Dezember 2016 und in dem Nichtabhilfebeschluss vom 30.
Januar 2017 hinreichend dargelegt, dass und aufgrund welcher Beweismittel die Beweisaufnahme den dringenden Tatverdacht im Sinne des im Haftbefehl beschriebenen [X.] nach vor-läufiger Würdigung bestätigt hat.
Die Begründung durch das [X.], die auch auf die zahlrei-chen in dieser Sache ergangenen Haftentscheidungen des [X.] (Beschlüsse vom 25. Juni und vom 22. Dezember 2014, vom 24. Februar und vom 8.
Juni 2016) und des Senats (Beschlüsse vom 14.
Juni 2012 -
[X.], vom 4.
Oktober 2012 -
[X.], vom 8.
Januar 2013 -
[X.], vom 11.
April 2013 -
[X.] und vom 14. Juli 2016 -
StB 20/16) Bezug nimmt, ist nach der Rechtsprechung des Senats, wonach die Beurteilung des dringenden Tatver-dachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vor-zunehmen hat, im [X.] nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 21.
April 2016 -
StB 5/16, [X.], 217 mwN), nicht zu beanstanden.
2. Zutreffend ist das [X.] auch davon ausgegangen, dass der Haftgrund der [X.] weiterhin besteht (§ 112 Abs. 3 StPO); durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Hierzu und zum auch insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstab des 6
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Beschwerdegerichts verweist der Senat -
erneut -
auf seinen Beschluss vom 5.
Februar 2015 (StB 1/15, juris Rn.
7, insoweit nicht abgedruckt in [X.]R StPO §
304
Abs.
4 Haftbefehl 3). An der Gültigkeit der Erwägungen, die das Ober-landesgericht in der dort in Bezug genommenen Entscheidung vom 25. Juni 2014 angestellt hatte, hat sich nach dessen erneuter Bewertung im angefoch-tenen Beschluss und in der Nichtabhilfeentscheidung auch in der Zwischenzeit nichts geändert.
3. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwi-schen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allge-meinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwä-gung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens -
auch an-gesichts der nunmehr über fünf Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens -
fortzudauern. Ihr weiterer [X.] steht angesichts der gegebenen Besonderheiten auch nicht außer [X.] zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
a) Dies gilt auch mit Blick auf das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleis-tete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit. Danach ist der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen wegen der Unschuldsvermu-tung nur ausnahmsweise zulässig. Den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen muss -
unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnis-mäßigkeit -
der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten [X.] als Korrektiv gegenübergestellt werden. Der [X.] verlangt in diesem Zusammenhang auch, dass die Dauer der Unter-suchungshaft nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und 9
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setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfol-gung. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die [X.] in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen, aber auch die [X.] an den die [X.] rechtfertigenden Grund zunehmen ([X.] aaO, S.
217 f. mwN).
Das damit angesprochene Beschleunigungsgebot in [X.], dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur [X.] eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwai-gen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Ver-fahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgrei-fende Planung der Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des [X.] erforderlich. Zu würdi-gen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 17. Januar 2013 -
2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn. 39 ff.; [X.], aaO).
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Gemessen an diesen Anforderungen ist das Verfahren und [X.] die Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Be-schleunigung geführt worden. Wie das [X.] in seinem Beschluss vom 21.
Dezember 2016 im Einzelnen dargelegt hat, wird die Hauptverhand-lung weiterhin in aller Regel an drei Verhandlungstagen pro Woche durchge-führt und betrifft nahezu durchgängig auch den Angeklagten. Auch die weiteren Einwände gegen die Verhandlungsführung (Ladung nur eines [X.], zu geringe Verhandlungszeit pro Sitzungstag) verfangen aus den Gründen des Beschlusses des [X.] vom 21.
Dezember 2016, die der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel auch nicht angreift, nicht.
Im Übrigen verweist der Senat zum Umfang und zu den Schwierigkeiten des Verfahrens auf seine Beschwerdeentscheidung vom 5. Februar 2015 (StB 1/15, juris Rn.
8) und hält daran fest, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Beihilfehandlungen isolierter Betrachtung nicht zugänglich sind; ein gesonder-tes Urteil im Verfahren gegen den Angeklagten scheidet deshalb nach wie vor aus.
b) Wie der Senat zuletzt im Beschluss vom 14. Juli 2016 ausgeführt hat, stellt sich das aufzuklärende Tatgeschehen nicht nur nach der gesetzlichen Strafandrohung als eine erhebliche Straftat dar, sondern wiegt auch unter den konkret gegebenen Umständen schwer. Die im Falle der Verurteilung des [X.] zu erwartende und zu verbüßende Strafe wird deshalb bis auf [X.] die Untersuchungshaft nicht nur unwesentlich übersteigen. Soweit der [X.] meinen sollte, die Vollziehung von Untersuchungshaft über fünf Jahre hinaus stelle sich bei einem Gehilfen aus grundsätzlichen Erwägungen als unverhältnismäßig dar, könnte der Senat dem nicht folgen. Gerade die Ver-12
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hältnismäßigkeitsprüfung erfordert vielmehr eine Berücksichtigung aller Um-stände des Einzelfalls.
[X.] [X.]

Meta

StB 4/17

23.02.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. StB 4/17 (REWIS RS 2017, 15014)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15014

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