Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2012, Az. V ZR 177/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6843

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
177/11
Verkündet am:

27. April 2012

Langendörfer-Kunz

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 21 Abs. 4; BGB § 194
Der Anspruch des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung ist grundsätzlich unverjährbar.

[X.], Urteil vom 27. April 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Krüger, die Richte-rin Dr.
Stresemann, [X.]
[X.] und
die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil der 29. Zivil-kammer des [X.] vom 30. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind die Mitglieder einer [X.]. Die Kläger hatten die Dachgeschosswohnung, die ursprünglich mit der daneben liegenden Wohnung zu einer Einheit verbunden war, im [X.] erworben. Aufgrund der Trennung der Wohnungen verfügt die Wohnung der Kläger nicht mehr über einen zweiten Rettungsweg. Nachdem das Bauauf-sichtsamt dies im April 2008 beanstandet und auf Antrag der Kläger den Bau einer Außenspindeltreppe genehmigt hatte, beauftragten sie einen Architekten 1
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mit deren Planung. In der Eigentümerversammlung vom 23. März 2009 lehnte die Eigentümergemeinschaft den Antrag der Kläger ab, die von dem [X.] geplante Feuertreppe zu errichten. Diesen Beschluss haben die Kläger an-gefochten und beantragt, die Beklagten zur Zustimmung zu verurteilen. Da die Beklagten die Auffassung vertreten, die genaue Ausgestaltung eines [X.] sei Sache der Eigentümergemeinschaft, haben die Kläger im Laufe
des Verfahrens hilfsweise
beantragt, die Beklagten zu verurteilen, dem Antrag zuzustimmen, dass die Eigentümergemeinschaft einen fachgerechten [X.] anbringt.

Das Amtsgericht hat dem Hilfsantrag stattgegeben. Die hiergegen ge-richtete Berufung einer Wohnungseigentümerin, der Beklagten zu 1, die die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, [X.] sie den Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger gemäß § 21 Abs. 4 [X.] die Schaffung eines zweiten Rettungsweges verlangen. Es habe ihnen nicht obgelegen, vor Anrufung des Gerichts eine Beschlussfassung auch über den Hilfsantrag herbeizuführen. Denn die übrigen Wohnungseigentümer hätten zum Ausdruck gebracht, dass sie es generell ablehnten, für einen zwei-ten Fluchtweg zu sorgen. Der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung, der der dreijährigen Verjährungsfrist unterliege, sei nicht verjährt. Die Beanstan-2
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dung durch das [X.] stelle eine Vertiefung der Störung dar und habe deshalb
einen neuen Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung entste-hen lassen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Aus der Begründung der Zu-lassungsentscheidung des Berufungsgerichts, es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob der Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung der Verjährung unter-liegt, ergibt sich keine Beschränkung der Zulassung, zumal eine Beschränkung auf bestimmte Rechtsfragen unwirksam wäre
([X.], Urteil vom 17. November 2009
[X.], [X.]Z
183, 169,
172; Urteil vom 21. September 2006

I
ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182, 183).

2. Die Revision ist begründet. [X.] hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Hilfsantrags der Kläger bejaht.

a) Mit dem Hilfsantrag wollen die Kläger eine Regelung erreichen, die bisher nicht zur Abstimmung stand. Geht es

wie hier

um die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 21 Abs. 4 [X.]), ist die vorherige Befassung der Eigentümerversammlung mit dem Antrag, den der Wohnungseigentümer gerichtlich durchsetzen will, aber Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Leistungsklage. Denn primär zustän-dig für die Beschlussfassung ist die Versammlung der Wohnungseigentümer (§
21 Abs. 1 und 3, § 23 Abs. 1 [X.]).
Vor Anrufung des Gerichts muss sich 4
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der Wohnungseigentümer
daher um die Beschlussfassung der Versammlung bemühen, weil seiner Klage sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dieses fehlt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigen-tümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige [X.] wäre (Senat, Urteil vom 15. Januar 2010

V
ZR 114/09, [X.]Z 184, 88 Rn. 14 f.).

b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen dessen Annahme nicht, dass mit einer entsprechenden Beschlussfassung nicht zu rechnen sei. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht den [X.]n
eine generelle Ablehnung eines zweiten Rettungswegs
un-terstelle. Die Beklagte zu 1 und die übrigen Wohnungseigentümer haben sich durch unterschiedliche Prozessbevollmächtigte vertreten lassen und in unter-schiedlicher Weise zu dem Begehren der Kläger geäußert. Der Umstand, dass die Beklagte zu 1 den Standpunkt vertritt, die Schaffung eines Rettungsweges sei Sache der Kläger und ein etwaiger Anspruch gegen die [X.] sei verjährt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass auch die übrigen Eigentümer der insgesamt 14 Wohneinheiten eine entsprechende Beschlussfassung ablehnen. Das Berufungsgericht hat nicht dargelegt, aus welchen konkreten Umständen oder Äußerungen es eine solche Haltung der übrigen Wohnungseigentümer herleitet.

3. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die [X.] ist aufzuheben und zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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Für den Fall, dass das Berufungsgericht zu
dem Ergebnis kommen soll-te, dass hier ausnahmsweise eine Vorbefassung der Eigentümerversammlung mit dem Hilfsantrag der Kläger nicht erforderlich war, weist der Senat auf Fol-gendes hin: Die Einhaltung der Brandschutzvorschriften entspricht

wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeht

ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 4 [X.]). Der Anspruch des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung ist grundsätzlich
unverjährbar. Ist eine Maßnahme im Interesse ei-ner ordnungsmäßigen Verwaltung notwendig, erfordert diese
ständig ihre Durchführung. So wird der Abschluss notwendiger Versicherungen (§
21 Abs. 5 Nr. 3 [X.]) nicht etwa dadurch entbehrlich, dass solche Versicherungen bisher nicht abgeschlossen worden sind. Das [X.]seigentum muss instand-gesetzt werden (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 [X.]), auch wenn die [X.] schon länger als drei Jahre andauert. Eine solche gleichsam ständig neu entstehende [X.] kann nicht verjähren (Schmid, [X.], 655, 657; ders.,
DWE 2009, 2, 3). Dies folgt auch aus Sinn und Zweck der [X.]. Die Verjährung soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwen-dungen abhandengekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind ([X.], Urteil vom 17. Februar 2010

VIII ZR 104/09, [X.]Z 184, 253 Rn. 18; Urteil vom 20. April 1993

[X.], [X.]Z 122, 241, 244). Diese Erwägungen treffen

ebenso wenig wie auf den unverjährbaren Mängelbeseitigungsan-spruch
des Mieters (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 17. Februar 2010

VIII ZR 104/09, [X.]Z 184, 253)

auf den Anspruch des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung nicht zu. Eine Beweisnot der in Anspruch
ge-nommenen Wohnungseigentümer ist auszuschließen. Denn der einzelne [X.] will mit der Durchsetzung des Anspruchs nach §
21 Abs. 4 10
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[X.] eine ordnungsgemäße Verwaltung für die Zukunft sicherstellen ([X.], [X.], 11. Aufl., § 21 Rn. 48).

Krüger

Stresemann

[X.]

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.06.2010 -
202 C 102/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.06.2011 -
29 [X.]/10 -

Meta

V ZR 177/11

27.04.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2012, Az. V ZR 177/11 (REWIS RS 2012, 6843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6843

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 177/11

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