Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2003, Az. 3 StR 430/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 4405

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/02vom13. Februar 2003in der Strafsachegegen1.2.wegen gefährlicher Körperverletzung u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 13. [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.] Prof. Dr. Tolksdorf,[X.] am [X.] [X.], [X.], von [X.], [X.]als [X.],Oberstaatsanwalt beim [X.] in der Verhandlung,Staatsanwältin bei der Verkündung als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten [X.],[X.] Verteidiger des Angeklagten [X.],[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der [X.] das Urteil des [X.] vom 17. April 20021. in den [X.] wegen gefährlicher Körperverletzungund2. in den [X.]nmit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ei-ne andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten [X.] der gefährlichen Körper-verletzung sowie der Zuhälterei in zwei Fällen schuldig gesprochen und gegenihn eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von zwei Jahren ausgespro-chen. Den Angeklagten [X.] hat es wegen gefährlicher Körperverletzung zueiner Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, die es [X.] zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mitihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestütztenRevision sowohl die Schuldsprüche als auch - insoweit deutlich zu [X.] Angeklagten - die [X.]. Die Angeklagten erheben mit ihren Re-- 4 -visionen die Sachbeschwerde, wobei der Angeklagte [X.] den Schuldspruchwegen Zuhälterei in zwei Fällen von seinem Rechtsmittel ausgenommen hat.Die Rechtsmittel haben Erfolg.Nach den Feststellungen zum Körperverletzungsgeschehen lauerten [X.] April 2000 gegen 21.55 Uhr die Angeklagten zusammen mit vier weiterenunbekannten Mittätern dem Zeugen [X.] auf. Nachdem einer [X.] den Zeugen von hinten an der Schulter getippt und ihm [X.] mit einem Gegenstand auf das linke Auge geschlagen hatte, [X.] und traten sie so auf ihn ein, daß er schwere Verletzungen erlitt.1. Revisionen der [X.] die Beweiswürdigung des [X.] zu den [X.]wegen gefährlicher Körperverletzung bestehen durchgreifende sachlichrechtli-che [X.]) Der Angeklagte [X.] hat eine Beteiligung an dieser Tat bestritten,der Angeklagte [X.] hat keine Angaben gemacht. Ihre Überzeugung, daßbeide Angeklagte Mittäter der gefährlichen Körperverletzung waren, hat [X.] auf eine Gesamtschau der in der Hauptverhandlung verlese-nen polizeilichen Vernehmungen des Zeugen [X.]und der ergän-zenden Aussagen der Vernehmungsbeamten gestützt. Insbesondere habe [X.]am 21. Mai 2001 aus einem ihm vorgelegten Ordner die aufden Lichtbildern Nr. 1 und [X.] (Bilder des Angeklagter [X.]) sowie Nr. 53(Bild des Angeklagten [X.] ) abgebildeten Personen "mit hoher Wahrschein-lichkeit" als Mittäter wiedererkannt. Soweit er verkannt habe, daß die [X.] 5 -der Nr. 1 und [X.] nicht verschiedene Personen zeigten, sondern jeweils [X.] [X.] , sei dies wegen des unterschiedlichen Alters der Fotosnachvollziehbar ([X.]). Bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 7. [X.] habe der Zeuge ausgesagt, die auf den Bildern Nr. 1 und [X.] gezeig-ten Personen erkenne er mit hundertprozentiger Sicherheit wieder, bei dem [X.] abgebildeten Mann sei er sich nicht mehr sicher. Bei einer späterenUnterredung am selben Tag habe er gegenüber dem Vernehmungsbeamtengeäußert, er habe auch die Person von Bild Nr. 53 sicher als Mittäter identifi-ziert, jedoch Angst gehabt, dies zu sagen ([X.]. Die vier Aussagen [X.] [X.]seien - so die Überzeugung des [X.] - im [X.], die Abweichungen seien als Ergänzungen zu werten. Von Beginn anhabe der Zeuge die Angeklagten auf den Fotos sicher identifiziert ([X.] 10).b) Diese Beweiswürdigung ist in sich widersprüchlich, in [X.] unvollständig und weist daher Rechtsfehler auf (vgl. [X.],[X.] Aufl. § 337 Rdn. 26 ff.).Entgegen der Wertung der [X.] hat der Zeuge [X.] weder die Angeklagten von Anfang an sicher identifiziert noch [X.]. Denn er hat die Angeklagten bei der ersten Lichtbildvorlage nur"mit hoher Wahrscheinlichkeit" als Mittäter bezeichnet und den auf den BildernNr. 1 und [X.] dargestellten Angeklagten [X.] nicht als die gleiche Personerkannt.Lücken sind schon darin zu sehen, daß die Beweiswürdigung nicht mit-teilt, wie die polizeilichen Lichtbildvorlagen im einzelnen durchgeführt wordensind und anhand welcher Merkmale der Zeuge [X.] die Angeklagten- 6 -über ein Jahr nach der Tat als Mittäter wiedererkannt haben will. Auch [X.] sich nicht dazu, ob zwischen den vom Zeugen am 24. Juli 2000 zeitnah ab-gegebenen Beschreibungen von zwei Mittätern ([X.] 6) und dem äußerenErscheinungsbild der Angeklagten eine Ähnlichkeit besteht (vgl. [X.], 454). Wegen dieser Lücken ist der Senat nicht in der Lage, anhand ob-jektiver Kriterien die Qualität der Wiedererkennung zu überprüfen (vgl. [X.] NStZ-RR 2001, 109).Vor allem lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, daß sich die Jugend-kammer des nur beschränkten Beweiswertes eines "wiederholten [X.]" (BGHSt 16, 204, 205 f.; BGHR StPO § 261 Identifizierung 3, 12, 13;BGH NStZ 1996, 350) bewußt war. Wegen der möglichen suggestiven Wirkungder "ersten Wiedererkennung" ist nämlich ohne nähere Begründung nicht vonvorneherein ausgeschlossen, daß der Zeuge bei der zweiten [X.] 7. Juni 2001 nicht wirklich die Angeklagten mit hundertprozentiger Sicher-heit als Mittäter wiedererkannte, sondern nur deren Fotos, die ihm erst dreiWochen vorher vorgelegt worden waren. Unter den gegebenen [X.] dies vor allem deshalb ausdrücklich erörtert werden müssen, weil demerneuten Wiedererkennen wegen des Fehlens weiterer wesentlicher Beweis-mittel eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, der Zeuge [X.] dieihn teilweise von hinten angreifenden sechs Tatbeteiligten nur kurz sehenkonnte ([X.] 5, 6), kurzfristig das Bewußtsein verlor ([X.] 5) und die Ange-klagten bei der ersten Wiedererkennung lediglich "mit hoher Wahrscheinlich-keit" ([X.] identifizieren konnte.2. Revision der Staatsanwaltschaft- 7 -a) Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hin-sichtlich der [X.] zu Ungunsten der Angeklagten Erfolg.Zwar ist die Beurteilung, ob ein Heranwachsender zur Tatzeit nach [X.] sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand(§ 105 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und wo bei mehreren in verschiedenen Alters- [X.] begangenen Straftaten, auf die teils Jugendstrafrecht und teils all-gemeines Strafrecht anzuwenden wäre, das Schwergewicht liegt (§ 32 [X.]),Sache des tatrichterlichen Ermessens und daher grundsätzlich der [X.] durch das Revisionsgericht entzogen. Jedoch ist - worauf die Staatsan-waltschaft zutreffend abstellt - jeweils eine Gesamtbetrachtung aller [X.] Gesichtspunkte, insbesondere eine Gesamtwürdigung der [X.] notwendig (vgl. BGHSt 36, 37 f., BGHR [X.] § 32 Schwergewicht 3).Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.Auf den Angeklagten [X.] hat die [X.] gemäß § 32 [X.]einheitlich Jugendstrafrecht angewandt, obwohl er von den drei abgeurteiltenTaten zwei als Erwachsener begangen hat, nämlich die hier in Rede stehendeKörperverletzung mit etwa 22 1/2 Jahren und die zweite Zuhälterei mit mehr [X.] Jahren; lediglich bei Begehung der ersten Zuhälterei war er mit 20 1/2 Jah-ren noch Heranwachsender. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß unter Be-rücksichtigung des näher geschilderten, schwierigen Werdegangs des Ange-klagten und seines jetzigen Erscheinungsbildes nicht sicher auszuschließensei, daß er für die Tatzeit der ersten Zuhälterei (Mai/Juni 1998) noch [X.] gleichgestanden habe. Die einheitliche Anwendung des Jugend-strafrechts auf alle Taten hat sie damit begründet, daß die nach diesem Recht- 8 -"zu ahndende erste Tat nach Lage der Dinge den Einstieg in die [X.] darstelle."Beide Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Bei [X.], der Angeklagte habe zur [X.] der ersten Tat noch einem Jugendli-chen gleichgestanden, hat die [X.] mit seiner Tätigkeit im [X.] und den dabei gewonnenen Erfahrungen Umstände außer Betracht ge-lassen, die in die gebotene Gesamtabwägung hätten einbezogen werden [X.]. Die Tätigkeit als Zuhälter läßt eher auf eine gewisse Selbständigkeitschließen und spricht dagegen, daß bei dem Angeklagten, was für die Gleich-stellung eines Heranwachsenden mit einem Jugendlichen maßgeblich ist (vgl.BGHSt 36, 37 ff.), [X.] noch in größerem Umfang wirksam [X.]. Daß das Schwergewicht der Taten des Angeklagten i. S. des § 32 [X.] beider Tat liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wäre, hat das [X.] mit der pauschalen Behauptung, die erste Straftat der Zuhälterei stelleden Einstieg in die spätere Strafbarkeit dar, nicht ausreichend begründet (vgl.[X.], 219). Unter den gegebenen Umständen liegt diese Annahmesogar eher fern, zumal der Angeklagte die Grenze zum Erwachsenenalter beizwei der drei Straftaten deutlich überschritten hatte und bei Begehung der ge-fährlichen Körperverletzung, die das [X.] für besonders gewichtig er-achtet und zum Anlaß für die Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwereder Schuld genommen hat, bereits etwa 22 1/2 Jahre alt war.Beim Angeklagten [X.], der mit einem Alter von 20 Jahren und 10 [X.] zum Tatzeitpunkt gerade noch Heranwachsender war, hat die [X.] zwar seine Betätigung im [X.] erwähnt, jedoch den für die- 9 -Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit entscheidenden Umstand nicht nä-her erörtert, welche Tätigkeiten er in diesem Milieu ausgeübt hat.b) Da die Revision der Staatsanwaltschaft bereits mit der Rüge der [X.] materiellen Rechts erfolgreich ist, kommt es auf die Verfahrensrügen,deren Sinn sich den weitschweifigen Ausführungen ohnehin nur mit Mühe ent-nehmen läßt, nicht mehr an. Insofern gibt das Rechtsmittel aber Anlaß zu fol-gendem Hinweis:Soweit die Staatsanwaltschaft die Verletzung von § 244 Abs. 2 [X.] der §§ 250, 251 StPO rügt und beanstandet, daß die Protokolle der poli-zeilichen Vernehmungen des Geschädigten und einzigen Belastungszeugenverlesen worden sind und dieser nicht vernommen worden ist, macht die Revi-sion - zumal vor dem Hintergrund der dargestellten Beweissituation - nur Sinn,wenn es die Absicht der Staatsanwaltschaft gewesen wäre, sie zu Gunsten [X.] einzulegen, was aber nach Nr. 147 Abs. 3 Satz 2 RiStBV deutlichhätte zum Ausdruck gebracht werden sollen. Sollte die Staatsanwaltschaft - [X.] den Anschein hat - sie indes ausschließlich zu Ungunsten der Angeklagteneingelegt haben, weil sie meint, durch die Vernehmung des Geschädigten hätteder Nachweis geführt werden können, daß die Angeklagten die gefährlicheKörperverletzung, deren sie schuldig gesprochen worden sind, nicht nur mittels- 10 -eines gefährlichen Werkzeuges (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und gemeinschaft-lich (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) begangen haben, sondern auch mittels eineshinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB), so wären die [X.] die Einlegung des Rechtsmittels allerdings kaum nachvollziehbar (vgl. auchNr. 147 Abs. 1 RiStBV).Tolksdorf [X.] [X.] von [X.] [X.]

Meta

3 StR 430/02

13.02.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2003, Az. 3 StR 430/02 (REWIS RS 2003, 4405)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4405

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