Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2018, Az. V ZB 92/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14229

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[X.]:[X.]:BGH:2018:080218B[X.]92.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 92/17
vom

8. Februar 2018
in der Abschiebungshaftsache

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2018 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, [X.], die Richterin [X.] und [X.] Hamdorf

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 6. April 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen
Behandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste im September 2016 in das [X.] ein. Bei einer im Oktober 2016 durchgeführten [X.] wies er sich mit einer gefälschten [X.] Identitäts-karte und einem gefälschten [X.] Führerschein aus und wurde festge-nommen. Seine Abschiebung in die [X.] wurde verfügt. Das [X.] ordnete am 27. Oktober 2016 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 10. Januar 2017 an, die in dem Bezirk des Amtsgerichts Mühldorf
am Inn 1
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vollstreckt wurde. Eine für den 9. Januar 2017 geplante Abschiebung des Be-troffenen konnte nicht durchgeführt werden, da der durch die Zentrale Auslän-derbehörde ([X.])
[X.] am 3. Januar 2017 per Einschreiben an die [X.] am [X.] in [X.] versandte [X.] dort noch nicht eingegangen war.
Das [X.]
am Inn hat mit Beschluss vom 10. Januar 2017 die [X.]
auf Antrag der beteiligten Behörde bis zum 20. Januar 2017 verlängert. Die nach der am 19. Januar 2017 erfolgten Abschiebung in die [X.] auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde ver-folgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.
Nach Auffassung
des [X.] ist die Haftverlängerung nicht wegen eines Fehlers bei der Anhörung rechtswidrig. Das [X.] habe das Recht
des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen, an dem Temin zur Anhörung vom
10. Januar 2017 teilzunehmen, nicht verletzt. Aus der am 9. Januar
2017 zu den Akten des Amtsgerichts gelangten [X.]begründung sei ersichtlich gewesen, dass der Betroffene durch einen Anwalt vertreten werde. Aufgrund des Erledigungsvermerks der Geschäftsstelle des Amtsgerichts und der Stellungnahme des Geschäftsstellenbeamten vom 17. Februar 2017 sei
auch
davon auszugehen, dass dem Verfahrensbevoll-mächtigen
der Anhörungstermin per Fax mitgeteilt worden sei. Warum er die Terminmitteilung nicht erhalten habe, könne nicht aufgeklärt werden. [X.] davon habe sich ein etwaiger [X.] nicht ausgewirkt. Im Übri-gen hätten die Voraussetzungen für die Verlängerung der [X.] vor-2
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gelegen. Das
Beschleunigungsgebot sei nicht verletzt. Dass der [X.] am 9. Januar 2017 noch nicht bei der [X.] eingegangen
sei, habe die beteiligte Behörde nicht zu vertreten. Es sei davon auszugehen, dass die Verfahrensverzögerung auf die [X.] zurückzuführen sei. [X.] Verschulden bei dem Transport der Postsendung müsse sich die Behörde nicht zurechnen lassen. Einen Kurierdienst zur Übermittlung des [X.]s habe die Behörde nicht einschalten müssen.
III.
Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Erwägungen des [X.] halten einer rechtlichen Prüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] kann eine Rechtswidrigkeit der Haftverlängerung wegen eines Fehlers bei der Anhö-rung des Betroffenen durch das Amtsgericht nicht verneint werden.
a) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der [X.] (Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 228 Rn. 8; Beschluss vom 20. Mai 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 381 Rn. 6 u. 20 mwN). [X.] das Gericht durch
seine Verfahrensge-staltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies, [X.] als das Beschwerdegericht meint, ohne weiteres zu der Rechtswidrigkeit der Haft. Es kommt nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht. Das gilt auch für die Verlängerung der Abschiebungs-
oder Rücküber-stellungshaft, auf die nach § 425 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den
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Erstantrag, also auch diejenigen über die Anhörung, uneingeschränkt [X.] sind (Senat,
Beschluss vom 10. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 228 Rn. 8;
Beschluss vom 6. April 2017 -
V [X.], [X.] 2017, 292 Rn.
7).
b) Entgegen der Ansicht des [X.] tragen der Erledi-gungsvermerk des [X.] und die im Beschwerdever-fahren eingeholte Stellungnahme des Geschäftsstellenbeamten vom 17. Febru-ar 2017 nicht die Annahme, dem Bevollmächtigen des Betroffenen sei der [X.] vom 10. Januar 2017 per Fax mitgeteilt worden.
aa) Der
Geschäftsstellenbeamte
des Amtsgerichts Mühldorf
am Inn hat erklärt, er sei von [X.] am Amtsgericht Dr. W.

am 9. Januar 2017 angewiesen
worden, den
Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen per Fax über den Anhörungstermin zu unterrichten, was er getan und auf der Termins-verfügung
vermerkt habe. Ein entsprechender Erledigungsvermerk befindet sich auch in der Gerichtsakte.
Ein Faxbericht ist jedoch nicht vorhanden.
bb) Die Stellungnahme des Geschäftsstellenbeamten steht, worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist,
nicht mit dem tatsächlichen Verfahrens-ablauf
und dem weiteren Akteninhalt
in Einklang. Den Termin zur Anhörung
vor dem [X.]
hat [X.] am Amtsgericht Dr.
W.

, sondern [X.] am Amtsgericht G.

bestimmt. Dieser hat die Anhörung durchgeführt und über die Verlängerung der Haft entschieden. Es hätte
somit
nahe gelegen, dass auch er bestimmt, wer zu dem Anhörungster-min geladen wird. Zwar ist es denkbar, dass sich der Geschäftsstellenbeamte noch korrekt an den Vorgang des Faxens der Terminsnachricht erinnert und sich lediglich darüber irrt, wer
ihn dazu
angewiesen hat.
Es bleibt aber ein [X.] zu dem [X.]beschluss des Amtsgerichts vom 23. Januar 2017. Der über
die [X.] entscheidende
Richter am Amtsgericht 7
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Dr.
W.

hat darin ausgeführt, der Bevollmächtigte des Betroffenen
habe
die Ladung zu dem Anhörungstermin am 10. Januar 2017 nicht erhalten, weil er in dem Antrag der Behörde nicht als Bevollmächtigter aufgeführt
gewesen
sei. Diese Begründung
ist mit dem Erledigungsvermerk des Geschäftsstellenbeam-ten
und
der Feststellung des [X.], bereits am 9. Januar 2017 sei die Beschwerdebegründung des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffe-nen zu den Akten des [X.] gelangt, so dass die [X.] ersichtlich gewesen sei, nicht vereinbar.
Die Widersprüche zwischen
der
Aktenlage, der Stellungnahme des Ge-schäftsstellenbeamten und der [X.]entscheidung des Amtsgerichts hät-te
das
Beschwerdegericht von Amts wegen aufklären müssen

26 FamFG).

2. Die sonstigen von der Rechtsbeschwerde angeführten Gesichtspunkte führen nicht zu der Rechtswidrigkeit der Haftverlängerung. Die beteiligte [X.] hat das Abschiebungsverfahren mit der nötigen Beschleunigung betrieben.
a) Die Abschiebungshaft muss auch während des Laufs der [X.] des § 62 Abs. 3 Satz 3
AufenthG auf das unbedingt erforderliche Maß be-schränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden; dies ergibt sich schon daraus, dass gemäß
§
62 Abs.
1 Satz
2
AufenthG die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Siche-rungshaft darf deshalb nur aufrechterhalten oder -
wie hier -
verlängert werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar -
gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit -
mit der größtmöglichen Be-schleunigung (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss
vom 11.
Oktober
2012 -
V [X.], juris Rn. 7; Beschluss
vom 1. März 2012

V
ZB 206/11, [X.] 2012, 133 Rn. 15; Beschluss vom 19. Mai 2011

V
ZB 247/10, juris Rn. 7). Dabei sind den für die Anträge auf Abschiebungshaft zuständigen Ausländerbehörden der Länder und der Kreise etwaige Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot 10
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durch die ([X.])
Behörden zuzurechnen, die für die
Passbeschaffung zu-ständig sind (vgl. Senat, Beschluss vom 7.
April
2011 -
V
ZB 111/10, NVwZ 2011, 1214 Rn. 13; Beschluss vom 30. Juni 2011 -
V
ZB 274/10, [X.] 2011, 315
Rn. 25; Beschluss vom 17. Oktober 2013 -
V
ZB 172/12, [X.] 2014, 52 Rn. 15).
b) Diese
Anforderungen sind gewahrt. Es ist
nicht zu beanstanden, dass die [X.] [X.] das von der [X.] Behörde ausgestellte Heim-reisedokument am 3. Januar 2017 per Einschreiben an die [X.] am [X.] in [X.] versandt hat, statt einen Kurierdienst zu beauftragen. Die Übersendung durch Einschreiben
war sinnvoll, weil es sich dabei um eine sichere Versandart handelt. Selbst wenn sich für Einschreiben die [X.] um einen Werktag verlängern sollte (vgl. KG, [X.], 142),
konnte die [X.] [X.] angesichts des zeitlichen Vorlaufs von vier Werktagen darauf vertrauen, dass das am 3. Januar 2017 bei der [X.] aufgegebene
Einschreiben rechtzeitig vor dem geplanten [X.] am 9. Januar 2017
bei der [X.] eintrifft.
Versäumnisse der [X.] sind der beteiligten Behörde nicht zuzurechnen.
IV.
1. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG).
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da weitere [X.] erforderlich sind. Die Sache ist daher an das Beschwerdege-richt zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
2. Der Zurückverweisung steht nicht entgegen, dass der Betroffene zwi-schenzeitlich in die [X.] abgeschoben wurde. Die gebotene Gewährung des rechtlichen Gehörs zu den
von dem Beschwerdegericht zu treffenden Feststel-lungen
kann dadurch erfolgen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Be-13
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troffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird. Einer persönlichen Anhörung des Betroffenen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 17. März 2016

V
ZB 39/15, juris Rn. 10; Beschluss vom 6. Dezember 2012 -
V [X.], [X.] 2013, 154
Rn. 16) zu der
Frage, ob das Amtsgericht den [X.] über den Anhörungstermin vom 10. Januar 2017 unterrichtet hat,
bedarf es nicht.
3. Sollte sich erweisen, dass dem Prozessbevollmächtigten des Betroffe-nen der Anhörungstermin vom 10. Januar 2017
nicht mitgeteilt worden ist, ob-wohl dem [X.] die Bevollmächtigung bekannt war, [X.] die Verlängerung der Haft rechtswidrig. Der Fehler kann nicht rückwirkend geheilt werden.
[X.]
Schmidt-Räntsch
Kazele

[X.]
Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Mühldorf a. Inn, Entscheidung vom 10.01.2017 -
1 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 06.04.2017 -
4 [X.]/17 -

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Meta

V ZB 92/17

08.02.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2018, Az. V ZB 92/17 (REWIS RS 2018, 14229)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14229

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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