Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2016, Az. IX ZR 146/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 15501

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:250216UIXZR146.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX [X.]

Verkündet am:

25. Februar 2016

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 103 Abs. 2 Satz 1

Lehnt
der Insolvenzverwalter die Erfüllung eines beidseits zum [X.]punkt der [X.] noch nicht (vollständig) erfüllten gegenseitigen Vertrages ab, obwohl der andere Teil nach Insolvenzeröffnung noch weitere Leistungen erbracht hat, entstehen hierdurch keine Neuverbindlichkeiten des Schuldners.

[X.] §§
133 B, 157 C; [X.] §
2 Abs.
2; [X.] §
80; [X.] §
2 Abs.
2

Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont richtet sich eine in der Bereitstellung von Versorgungsleistungen (Strom, Gas) liegende [X.] eines Versorgungsunternehmens hinsichtlich eines massezugehörigen, vollständig fremdvermieteten Grundstücks nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht an den Schuldner persönlich, sondern entweder an den Insolvenzverwalter oder an die Mieter (Fortführung von [X.]Z
202, 17; [X.]Z
202, 158).

[X.], Urteil vom 25. Februar 2016 -
IX [X.] -
LG Lüneburg

AG [X.]-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2016 durch [X.] [X.], [X.] Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr.
Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 13.
Januar 2015 aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 3.
April 2014 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein örtliches Versorgungsunternehmen. Die Beklagte be-zog von ihr auf vertraglicher Grundlage Strom
und
Gas für ein der
[X.]
gehörendes Wohnhaus in [X.], welches sie nicht selbst bewohnte, sondern vermietet hatte. Über ihr Vermögen wurde am 27.
Oktober 2010 das [X.] eröffnet und ein [X.]händer bestellt. Die in dem zur Insolvenzmasse gehörenden Haus wohnenden Mieter entnahmen auch nach 1
-

3

-
der Insolvenzeröffnung Strom und Gas aus den Leitungen der Klägerin. Sie zahlten die Mieten
einschließlich der Nebenkosten an den [X.]händer. Die Klä-gerin ging davon aus, dass aufgrund der Insolvenzeröffnung das Vertragsver-hältnis mit der [X.] beendet sei,
und übersandte ihr deswegen am 26.
November 2010 eine "Vertragsbestätigung",
wonach sie das Grundstück ab dem 27.
Oktober 2010 im Rahmen der Grund-
beziehungsweise
Ersatzversor-gung mit Strom und Gas beliefere. Ihre Leistungen wurden teilweise bezahlt. Der letzte Mieter zog zum 31.
Mai 2011 aus dem Anwesen aus; seitdem stand das Haus leer. Mit Schreiben vom 28.
September 2011 gab der [X.]händer das Grundstück an die Beklagte frei. Die endgültige
Einstellung der Versorgung we-gen Zahlungsrückständen erfolgte am 28.
Oktober 2011.

Für die Versorgung mit Strom und Gas
nach Eröffnung
des Insolvenzver-fahrens hat die Klägerin von der [X.] unter Berücksichtigung von [X.] sowie einer Umbuchung zuletzt insgesamt 1.614,72

verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat der [X.]händer nach Aufforderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 14.
Juli 2014 die Erfüllung des
Versorgungsvertrages abgelehnt. Auf die Beru-fung der Klägerin hat das [X.] daraufhin die Beklagte zur Zahlung von 1.309,68

ab dem 14.
Juli 2014 verurteilt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revisi-on
verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat Erfolg.

2
3
-

4

-

I.

Das Berufungsgericht hat die Klage in der Hauptsache für begründet und die Beklagte insoweit für passivlegitimiert angesehen. Durch die Erklärung des [X.]händers
vom 14.
Juli 2014, er lehne die Erfüllung des ursprünglichen [X.]svertrages ab

103 Abs.
2 Satz
1 [X.]), sei ein nach Insolvenzeröff-nung zunächst bestehender
"Schwebezustand"
beendet worden. Für Leistun-gen, die nach Insolvenzeröffnung an den Schuldner erbracht würden, könne der Leistende die vertraglich geschuldete Gegenleistung vom Schuldner verlangen. Mit der
Eröffnung verliere dieser zwar die Verwaltungs-, Verfügungs-
und Pro-zessführungsbefugnis über sein bisheriges Vermögen, nicht jedoch seine Rechts-, Geschäfts-, Partei-
und Prozessfähigkeit. Seine Möglichkeit zu rechts-erheblichem Handeln
nach Insolvenzeröffnung
beschränke sich danach auf den von §
80 Abs.
1 [X.] nicht erfassten Bereich. Diese
Norm berühre nicht seine Fähigkeit, sich gegenüber [X.] weiter zu verpflichten. Die Gläubiger der vom Schuldner neu eingegangenen Verbindlichkeiten könnten sich allerdings nur an dessen insolvenzfreies Vermögen
halten, nicht hingegen an die [X.] oder den Verwalter.

II.

Diese
Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher [X.] nicht stand. Soweit das Berufungsgericht in
An[X.]dung von §
103 [X.] die zuerkannten Ansprüche auf den ursprünglich zwischen der Klägerin und der [X.] bestehenden Versorgungsvertrag stützt, bildet dieser keine An-spruchsgrundlage für die Entstehung von Neuverbindlichkeiten der [X.].
4
5
-

5

-

1.
Die Klägerin verlangt Bezahlung von nach Insolvenzeröffnung an das in die Masse gefallene, nicht von der [X.] bewohnte, sondern vermietete Grundstück geliefertem
Strom und Gas. Bei diesen Entgeltforderungen handelt es sich nicht um Insolvenzforderungen im Sinne von §
38 [X.], weil sie nicht zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Sie mussten deswegen nicht gemäß §
87 [X.] nach den Vorschriften über das Insolvenzver-fahren geltend gemacht werden.

2.
[X.] können auch während des laufenden Insolvenzverfah-rens ihre nach Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen gegen den Schuldner unmittelbar geltend machen ([X.], Urteil vom 26.
September 2013 -
IX
ZR 3/13, NJW
2014, 389 Rn.
8). Sie sind von der [X.] des §
87 [X.] nicht erfasst ([X.], Beschluss vom 28.
Juni 2012 -
IX
ZR 211/11, NJW-RR
2012, 1465 Rn.
4; Urteil vom 26.
September 2013, aaO). Denn ein Schuldner ist, sofern er wie die Beklagte eine natürliche Person ist, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gehindert, durch Abschluss von [X.] neue vermögensrechtliche Verpflichtungen zu begründen. Ebenso [X.] auch kraft Gesetzes Forderungen gegen den Schuldner persönlich entste-hen, etwa aus unerlaubter Handlung. Solche [X.] können ihre Forde-rungen auch während des Insolvenzverfahrens im Wege der Klage durchsetzen (zu allem OLG [X.], NZI
2003, 201, 202).

3.
Eine Neuverbindlichkeit, welche die Klägerin gegen die Beklagte trotz laufenden Insolvenzverfahrens geltend machen könnte, liegt nicht vor, auch [X.]n mit dem Berufungsgericht davon auszugehen wäre, dass die Vorausset-zungen des §
103 [X.] vorlägen, nämlich die Parteien vor Insolvenzeröffnung einen Versorgungsvertrag
geschlossen hätten, der
bei Insolvenzeröffnung beid-6
7
8
-

6

-
seits nicht (vollständig) erfüllt
gewesen wäre (vgl. [X.]/[X.], [X.], 2013, Vorbemerkungen zu §§
433
ff Rn.
212; HK-[X.]/[X.], 7.
Aufl., §
103 Rn.
112),
und der [X.]händer das Wahlrecht des §
103 [X.] erst mit der Erklä-rung vom 14.
Juli 2014 wirksam ausgeübt und die Erfüllung
abgelehnt hätte.
Erbringt jemand bei einem beidseits nicht (vollständig) erfüllten Vertrag in Kenntnis der Insolvenzeröffnung vertragsgemäß seine Leistung an die Masse, ohne den Insolvenzverwalter nach §
103 Abs.
2 Satz
2 [X.] aufzufordern, sein Wahlrecht
auszuüben, kann daraus eine auf diesem ursprünglichen Vertrag beruhende Neuverbindlichkeit gegen den Schuldner auch dann nicht entstehen, [X.]n der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung später ablehnt. Denn der Gläubiger hat die Leistung nicht aufgrund einer neuen Vereinbarung mit dem Schuldner an diesen, sondern aufgrund des vor Insolvenzeröffnung [X.] an die Masse erbracht. Dementsprechend wird auch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur die Ansicht vertreten, Ansprüche aus dem weiteren Bezug von Energie seien Neuverbindlichkeiten des Schuldners aus der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung, [X.]n der Verwalter die [X.] dieses Vertrages später ablehnt.

Allgemeiner Ansicht entspricht es
vielmehr, den stillschweigenden Bezug von Versorgungsleistungen
nach Insolvenzeröffnung bei Hinzutreten [X.] Umstände als konkludentes Erfüllungsverlangen des Verwalters nach §
103 Abs.
1 [X.] und die hieraus entstehenden Forderungen als sonstige Massever-bindlichkeit gemäß §
55 Abs.
1 Nr.
2 Fall
1 [X.] anzusehen (vgl. zu §
17 KO: [X.], Urteil vom 1.
Juli 1981 -
VIII
ZR 168/80, [X.]Z
81, 90, 93
f; vom 21.
April 1982 -
VIII
ZR 142/81, [X.]Z
83, 359, 363
f; zu §
103 [X.]: OLG
Naumburg, Z[X.]
2004, 1145, 1146
f; OLG
Brandenburg, Z[X.]
2009, 525
f; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2011, §
103 Rn.
216; [X.], Energielieferungsver-träge in der [X.], S.
212
f). Ist von einer konkludenten [X.]
-

7

-
wahl nicht auszugehen, kann der fortgesetzte [X.] ohne weitere [X.] nach dem objektiven Empfängerhorizont dahingehend interpretiert werden, dass der Verwalter den Abschluss eines neuen Vertrages begehrt; hierdurch entstehende Forderungen sind dann nach einer Auffassung sonstige Masseverbindlichkeiten im Sinne des §
55 Abs.
1 Nr.
1 [X.] ([X.]/[X.] in: [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 2.
Aufl., §
103 Rn.
35; [X.], aaO S.
212
f, 242). Andere Stimmen befürworten die Begründung sonstiger Masse-verbindlichkeiten unter analoger An[X.]dung von §
55 Abs.
2 Satz
2
[X.] (HK-[X.]/[X.], 7.
Aufl., §
103 Rn.
137;
Wortberg, Z[X.]
2006, 1256, 1259)
oder aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse gemäß §
812 Abs.
1 [X.], §
55 Abs.
1 Nr.
3 [X.], weil insoweit von einer rechtsgrundlosen Abnahme von Energie durch den Verwalter auszugehen sei ([X.]/[X.], [X.], §
103 Rn.
235, 238; vgl. auch [X.], aaO S.
242).
Ein Anspruch gegen den Schuld-ner besteht jedenfalls nicht.

III.

Das angefochtene Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig.

1.
Die Klägerin hat mit der [X.] nach Insolvenzeröffnung keinen neuen
Versorgungsvertrag geschlossen. Die Beklagte hat kein auf den [X.] eines neuen Versorgungsvertrages gerichtetes Angebot der Klägerin angenommen.

a)
Hinsichtlich der Strom-
und Gaslieferungen an ein zur Masse gehö-rendes, vollständig an Dritte vermietetes
Grundstück
fehlt es an einer an die 10
11
12
-

8

-
Beklagte als Schuldnerin
gerichteten
[X.] der Klägerin
auf Abschluss eines aus ihrem insolvenzfreien Vermögen zu erfüllenden Vertrages.

aa)
Nach der Rechtsprechung des [X.] ist in dem [X.] grundsätzlich ein Vertragsan-gebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sogenannten [X.] zu sehen, die von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Dieser Rechtsgrundsatz
zielt darauf ab, einen er-sichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden ([X.], Urteil vom 10.
Dezember 2008 -
VIII
ZR 293/07, NJW
2009, 913 Rn.
6; vom 2.
Juli 2014 -
VIII
ZR 316/13, [X.]Z
202, 17 Rn.
10;
vom 22.
Juli 2014 -
VIII
ZR 313/13, [X.]Z
202, 158 Rn.
12).
Kommen mehrere Adressaten des schlüssig erklärten [X.] des Versorgungsunternehmens in Betracht, ist durch Auslegung aus Sicht eines verständigen [X.] in der Position des möglichen Erklärungsempfängers zu ermitteln, an [X.] sich die [X.] richtet. Weichen der vom Erklärenden beabsichtigte Inhalt der Erklärung und das Verständnis des objektiven Empfän-gers voneinander ab, hat die -
dem Erklärenden zurechenbare
-
objektive Be-deutung des Verhaltens aus der Sicht des Erklärungsgegners Vorrang vor dem subjektiven Willen des Erklärenden.
Mithin kommt es nicht auf die subjektive Sicht des Erklärenden an, sondern darauf, an [X.] sich nach dem objektiven Empfängerhorizont das in der Bereitstellung von Energie
liegende Vertragsan-gebot richtet
([X.], Urteil vom 2.
Juli 2014, aaO Rn.
11; vom 22.
Juli 2014, aaO Rn.
13).

Empfänger dieser [X.] ist typischerweise derjenige, der die tat-sächliche Verfügungsgewalt über den [X.] am Übergabe-13
14
-

9

-
punkt ausübt.
Dies muss nicht immer der Eigentümer, sondern kann auch eine andere Person sein, etwa der Mieter oder Pächter eines Grundstücks. Ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, er also etwa weiß, dass das zu versorgende Grundstück sich im Besitz eines Mieters oder Pächters befindet und dieser die tatsächliche Verfü-gungsgewalt über den [X.] ausübt, ist unerheblich. Denn bei einer am objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrsauffas-sung und des Gebots von [X.] und Glauben ausgerichteten Auslegung der [X.] eines Energieversorgers geht dessen Wille -
ähnlich wie bei unterneh-mensbezogenen Geschäften
-
im Zweifel dahin, den -
möglicherweise erst noch zu identifizierenden
-
Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den [X.] zu
berechtigen und zu verpflichten. Diese auf den Inha-ber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den [X.] [X.] Grundsätze gelten nur dann nicht, [X.]n gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in eine andere Richtung weisen, oder [X.]n der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem [X.] eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer die -
nur einmal fließende
-
Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist ([X.], Urteil vom 2.
Juli 2014, aaO Rn.
12
ff; vom 22.
Juli 2014, aaO Rn.
14
ff).

bb)
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dem
Schuldner die rechtli-che [X.] auf ein dem Insolvenzbeschlag unterliegendes Hausgrundstück entzogen. Ist dieses an Dritte vermietet, bestehen die [X.] gemäß §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner wie vorliegend
als Vermie-ter oder als Mieter an dem Rechtsverhältnis beteiligt ist ([X.], Urteil vom 29.
Januar 2015 -
IX
ZR 279/13, [X.]Z
204, 83 Rn.
28). Ansprüche aus einem 15
-

10

-
gemäß §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] nach Insolvenzeröffnung fortbestehenden Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten (§
55 Abs.
1 Nr.
2 Fall
2 [X.]), [X.]n ihre Erfüllung für die [X.] nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss ([X.], Urteil vom 29.
Januar 2015, aaO Rn.
33).
Der Insolvenz-verwalter muss deswegen anstelle des Schuldners gegenüber den Mietern ei-nes massezugehörigen Hausgrundstücks die Erfüllung ihrer vertraglichen An-sprüche
sicherstellen. Hierzu gehören auch vereinbarte Nebenpflichten
wie die Sicherstellung von Beheizung und Energielieferung (MünchKomm-[X.]/
Hefermehl, 3.
Aufl., §
55 Rn.
163). Im Gegenzug fällt
die Gegenleistung (Mieten und Betriebskostenzahlungen) als Neuerwerb des Schuldners in die Masse (§
35 Abs.
1 Fall
2 [X.]).

Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont richtet sich [X.] eine in der Bereitstellung von Versorgungsleistungen liegende [X.] eines Versorgungsunternehmens
hinsichtlich eines massezugehörigen, [X.] fremdvermieteten Grundstücks
nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht an den Schuldner, sondern entweder an den Verwalter
oder an die Mieter. Denn nur einer von diesen übt die tatsächliche Verfügungsgewalt über den [X.]sanschluss am Übergabepunkt aus, keinesfalls der Schuldner. Auf eine irrtümliche Vorstellung des Versorgungsunternehmens, es erbringe die Leistun-gen aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung nach den Regelungen über die Grund-
oder Ersatzversorgung
(§§
36, 38 [X.])
an den Schuldner, kommt es nicht an, weil das Verständnis der [X.] nach dem objektiven Empfänger-horizont vorgeht. Dies gilt auch im Verhältnis der Klägerin zur [X.].

b)
Der Übersendung der Vertragsbestätigung durch die Klägerin an die Beklagte kommt deshalb keine
rechtliche
Bedeutung
zu; insbesondere stellt sie kein an die Beklagte gerichtetes Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Ver-16
17
-

11

-
sorgungsvertrages dar. Die Bestätigung im Sinne des §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.]/[X.] hat lediglich deklaratorische, nicht hingegen eine konstitu-tive Wirkung. Die Wirksamkeit eines Grundversorgungsvertrages bleibt von [X.] unterbliebenen
oder verzögerten
Bestätigung unberührt (vgl. [X.]/[X.]/de Wyl, Recht der Energiewirtschaft, 4.
Aufl., §
14 Rn.
43). Daher kommt dem Schweigen der [X.] auf die Übersendung der Bestätigung kein Erklärungsinhalt im Sinne der §§
145 ff [X.] zu.

Entsprechendes gilt für die teilweise Bezahlung der Leistungen, ohne dass es insoweit weiterer
Feststellungen
bedarf, wer die Leistungen erbracht hat. Da der Versorgungsvertrag mit dem zustande kommt, an den sich die [X.] nach dem objektiven Empfängerhorizont richtet, ist es unerheblich, wer später Zahlungen an das Versorgungsunternehmen vornimmt.

2.
Es bestehen auch keine Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus einem gesetzlichen
Schuldverhältnis nach den Vorschriften über die Er-satzversorgung

38 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Ein solches kommt nur durch die Entnahme von Leistungen durch Letztverbraucher
zustande. Dies sind [X.], die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen

3 Nr.
25 [X.]). Ein sol-cher Eigenverbrauch ist zu bejahen, solange der Bezieher von Energie und der-jenige, der sie nutzt, sich nicht als selbständige wirtschaftliche Subjekte gegen-überstehen und nicht verschiedene Rechtssubjekte sind
oder
solchen angehö-ren ([X.] in [X.]/[X.]/Hermes, [X.], 3.
Aufl., §
3 Rn.
44 mwN).
Ein Vermieter kann zugunsten seiner Mieter vom Grundversorger keine Ersatz-versorgung in Anspruch nehmen, weil er die Energie nicht "für den eigenen Verbrauch"
kauft ([X.]/[X.], [X.], 2012, §
38 Rn.
10). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bewohnte die Beklagte das Wohnhaus nicht 18
19
-

12

-
selbst, so dass die Entnahme nicht zur Deckung ihres Eigenbedarfes, sondern desjenigen der Mieter erfolgt ist.

3.
Durch die Freigabe des Grundstücks mit Erklärung des [X.]händers im Schreiben vom 28.
September 2011 sind Forderungen aus Lieferungen zwi-schen der Verfahrenseröffnung und dem Zugang der Erklärung bei der [X.] auch nicht nachträglich zu Neuverbindlichkeiten geworden.
Durch die wirk-same Abgabe der Freigabeerklärung scheidet der betreffende Gegenstand
zwar aus der Insolvenzmasse aus und wird der Verwaltungs-
und Verfügungs-befugnis des Schuldners unterstellt (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Februar 2009 -
IX
ZB 112/06, NZI
2009, 382 Rn.
8; vom 3.
April 2014 -
IX
ZA 5/14, NZI
2014, 501 Rn.
6
jeweils mwN). Die Freigabe hat aber nicht zur Folge, dass die Masse von Verbindlichkeiten
befreit wird, die zuvor in Verbindung mit dem freigegebe-nen Gegenstand bereits entstanden sind (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Februar 2006 -
IX
ZR 46/05, NZI
2006, 293 Rn.
12
f; [X.], [X.]E
129, 257 Rn.
25
für Arbeits-verhältnisse;
BFH, BFHE
218, 435, 439
und ZIP
2008, 283 Rn.
6
für [X.]; HambKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
35 Rn.
69; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, §
35 Rn.
23; MünchKomm-[X.]/[X.], aaO
§
35 Rn.
90; [X.]/[X.], [X.], 19.
Aufl., §
35 Rn.
43).

4.
Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Be-reicherung (§
812 Abs.
1 [X.])
bestehen schon deshalb nicht, weil die [X.] Lieferungen nicht des rechtlichen Grundes
entbehren. Die
Klägerin hätte während des laufenden Insolvenzverfahrens entweder Ansprüche allein gegen den [X.]händer auf Bezahlung ihrer Lieferungen
in der Form von [X.] oder aber Ansprüche gegen die einzelnen
Mieter des Hauses. Weiter fehlt es an Leistungen der Klägerin an die Beklagte
im Sinne von §
812 Abs.
1 Satz
1 Fall
1 [X.]. Darunter
ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung 20
21
-

13

-
fremden Vermögens zu verstehen. Dabei kommt es in erster Linie auf die der Zu[X.]dung gegebene Zweckbestimmung, also zunächst darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten nicht überein, ist nach gefes-tigter Rechtsprechung des [X.] eine objektive [X.] aus der Sicht des Zu[X.]dungsempfängers geboten ([X.], Urteil vom 2.
November 1988 -
IVb
ZR 102/87, [X.]Z
105, 365, 369; vom 21.
Oktober 2004 -
III
ZR 38/04, NJW
2005, 60
f). Es kommt daher darauf an, wie eine ver-nünftige Person in der Lage des Empfängers die Zu[X.]dung nach [X.] und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte ([X.], Urteil vom 21.
Oktober 2004, aaO). Der vom Berufungsgericht festgestellte [X.] der Klägerin, die Leistungen nicht an den [X.]händer, sondern an die Schuldnerin erbringen zu wollen, steht demjenigen der [X.] entgegen, diese Leistungen nicht für sich entgegenzunehmen. Bei einer objektiven Be-trachtungsweise handelt es sich nicht um Leistungen an die beklagte [X.], sondern an die Masse
oder die einzelnen Mieter.

5.
Neuverbindlichkeiten bestehen gegenüber der [X.] auch nicht aufgrund der Inanspruchnahme von Leistungen der Klägerin nach Freigabe
des Grundstücks. Es fehlt an Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Beklagte für den kurzen [X.]raum zwischen dem Zugang der Freigabeerklärung des [X.]händers vom 28.
September 2011 bis zur endgültigen Einstellung der [X.] am 28.
Oktober 2011 eine nunmehr an sie gerichtete [X.] auf Abschluss eines unbefristeten Versorgungsvertrages angenommen hat.

Bei der Feststellung der Vertragsparteien sind nach der Rechtsprechung des [X.] kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen zu vernachlässigen. Nur ein solches Verständnis wahrt das bei einer beiderseits 22
23
-

14

-
interessengerechten Auslegung einzubeziehende Anliegen aller Beteiligten, stabile Vertragsbeziehungen zu erreichen und verhindert, dass auf[X.]dige -
und angesichts fehlender Zwischenzählerstände voraussichtlich in aller Regel erfolglose
-
Ermittlungen zwischenzeitlich möglicherweise erfolgter Kleinstbezü-ge erforderlich sind, um festzustellen, wer Vertragspartner des [X.] geworden ist
([X.], Urteil vom 2.
Juli 2014 -
VIII
ZR 316/13, [X.]Z
202, 17 Rn.
21).

Anhaltspunkte für eine Entnahme von Leistungen der
Klägerin durch die Beklagte, die über Kleinstmengen hinausgingen, bestehen nicht.
Das Objekt ist seit dem 1.
Juni 2011 unbewohnt. Aus der von der Klägerin vorgelegten
Ver-brauchs-
und Kostenermittlung zur Rechnung vom 24.
November 2011 geht hervor, dass nach der Zwischenablesung des Stromzählers am 31.
Mai 2011 kein weiterer Stromverbrauch mehr festzustellen war. Hinsichtlich des [X.] enthält der Zwischenwert zum 31.
Juli 2011 keinen gegenteiligen Erklä-rungswert, weil
er nach den Erläuterungen
auf einer Verbrauchsschätzung
aus Anlass einer Preisänderung, nicht jedoch auf einer Zählerablesung beruht.

IV.

Das Berufungsurteil kann
deswegen keinen Bestand haben, es ist [X.] (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsver-

24
25
-

15

-
letzung bei An[X.]dung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis er-folgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß §
563 Abs.
3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 03.04.2014 -
15 C 1666/13 (10b) -

LG Lüneburg, Entscheidung vom 13.01.2015 -
5 S 27/14 -

Meta

IX ZR 146/15

25.02.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2016, Az. IX ZR 146/15 (REWIS RS 2016, 15501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15501

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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