Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2022, Az. 6 StR 542/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2957

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Gegenstand

Strafzumessung bei sexuellem Kindesmissbrauch: Berücksichtigung eines Altersgefälles zwischen Täter und Opfer; Begründung einer Gesamtfreiheitsstrafe


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 18. Juni 2021 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die vom [X.] nicht vertretene, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen nahm die damals zwölfjährige Nebenklägerin im [X.] 2019 über eine Internet-Plattform, auf der sie ihr Alter mit 20 Jahren angegeben hatte, Kontakt zu dem im Tatzeitpunkt 33-jährigen Angeklagten auf. Beide tauschten zunächst Nachrichten und Bilder aus. Nach den [X.]ferien kam es zu persönlichen Treffen. Der Angeklagte, der das angegebene Alter der Nebenklägerin bezweifelte, nahm billigend in Kauf, dass sie noch keine 14 Jahre alt war. Dessen ungeachtet vollzog er mit ihr an drei Tagen einmal kurz vor und zweimal nach ihrem 13. Geburtstag ungeschützten Vaginalverkehr bis zum Samenerguss.

3

2. [X.] hat die Taten als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB aF) gewertet und jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 176a Abs. 4 StGB aF angenommen. Ausgehend davon hat sie Freiheitsstrafen von zwei Jahren für die Tat 1 sowie von jeweils einem Jahr und neun Monaten für die weiteren Taten verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gebildet.

4

3. Das wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel deckt keinen Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf. Vor dem Hintergrund der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle tatgerichtlicher Strafzumessungsentscheidungen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 10. April 1987 – [X.], [X.]St 34, 345, 349; Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 [X.], [X.], 105, 106) halten sowohl die [X.] als auch die konkrete Strafzumessung und die Gesamtstrafenbildung des [X.]s rechtlicher Nachprüfung stand.

5

a) [X.] hat die Annahme minder schwerer Fälle darauf gestützt, dass die Kontaktaufnahme von der Nebenklägerin ausgegangen, diese „sexuell neugierig und verliebt“ in den Angeklagten sowie nicht mehr weit von der [X.] entfernt gewesen sei.

6

Soweit sie damit lediglich für den Angeklagten sprechende Umstände aufgeführt hat, lässt dies entgegen der Auffassung der Revision nicht besorgen, dass sie die gegen ihn wirkenden Strafzumessungserwägungen aus dem Blick verloren und die erforderliche Gesamtwürdigung unterlassen hat. Im Rahmen der sich an die [X.] unmittelbar anschließenden konkreten Strafzumessung hat das [X.] die erschwerenden Strafzumessungsgründe des ungeschützten Verkehrs bis zum Samenerguss, des damit einhergehenden Risikos einer ungewollten Schwangerschaft und der einschlägigen Vorstrafen erörtert, so dass nicht davon auszugehen ist, es könnte diese übersehen und nicht in die Gesamtbetrachtung eingestellt haben.

7

b) [X.] hat die Abstufung der Einzelstrafen rechtsfehlerfrei mit der erstmaligen Ausübung des Geschlechtsverkehrs und dem jüngeren Alter der Nebenklägerin begründet. Weitere Ausführungen waren im Hinblick auf die identische Begehungsweise nicht geboten.

8

Soweit die Revision ein Eingehen auf den signifikanten Altersunterschied zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen eines Altersgefälles zwischen Täter und Opfer im Schutzzweck der §§ 176 ff. StGB angelegt ist und daher jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden keinen bestimmenden Strafschärfungsgrund darstellt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Juni 2017 – 4 StR 186/17; vom 24. November 2021 – 2 [X.]/21).

9

Es stellt auch keinen Erörterungsmangel dar, dass die [X.] einen „Seriencharakter“ der Taten nicht erwähnt hat. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was insoweit als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls allein vom Tatgericht zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 2. März 2017 – 4 [X.], [X.], 200; vom 16. Juni 2021 – 6 [X.]/21).

c) Auch die Gesamtstrafenbildung unterliegt keinen Bedenken. Sie ist nach § 54 Abs. 1 StGB ein eigenständiger [X.], bei dem die Person des [X.] und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. In einfach gelagerten Fällen – wie hier – genügt es jedoch, auf die bei der Bildung der Einzelstrafen erörterten Gesichtspunkte Bezug zu nehmen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. März 2018 – 4 StR 568/17, NJW 2018, 1831 [dort nicht abgedruckt]; vom 4. Juni 2019 – 3 [X.]).

König     

      

Feilcke     

      

Tiemann

      

von [X.]     

      

Werner     

      

Meta

6 StR 542/21

04.05.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 18. Juni 2021, Az: 22 KLs 6/20

§ 46 StGB, § 53 StGB, § 176 StGB vom 21.01.2015, §§ 176ff StGB vom 21.01.2015, § 176a Abs 2 Nr 1 StGB vom 21.01.2015, § 267 Abs 3 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2022, Az. 6 StR 542/21 (REWIS RS 2022, 2957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2957

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