Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.01.2023, Az. 6 AZR 62/22

6. Senat | REWIS RS 2023, 797

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Gegenstand

Pflegedienst in der Ambulanz einer Universitätsklinik - Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil IV Abschnitt 1 EntgO TV-L


Tenor

I. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2021 - 1 [X.] [X.]/21 - unter Zurückweisung der weitergehenden Revision im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Klage bezüglich eines Anspruchs des [X.] auf Zahlung einer Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 Anlage A zum [X.] iVm. Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage F zum [X.] für die [X.] ab Juni 2019 sowie die Feststellungsklage abgewiesen hat.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. März 2021 - 3 Ca 1775 [X.] b/20 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.160,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 120,00 Euro seit dem 1. Juli 2019, 1. August 2019, 1. September 2019, 1. Oktober 2019, 1. November 2019, 2. Dezember 2019, 2. Januar 2020, 3. Februar 2020, 2. März 2020, 1. April 2020, 4. Mai 2020, 1. Juni 2020, 1. Juli 2020, 3. August 2020, 1. September 2020, 1. Oktober 2020, 2. November 2020 sowie dem 1. Dezember 2020 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 Anlage A zum [X.] iVm. Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage F zum [X.] in Höhe von 120,00 Euro brutto monatlich für die [X.] ab Dezember 2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 14 %, die Beklagte 86 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des [X.] auf Zahlung einer Zulage.

2

Der Kläger ist bei dem beklagten [X.] als Krankenpfleger beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet [X.] der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) Anwendung. Die Anlage A Entgeltordnung zum [X.] (im [X.]olgenden [X.]) lautet in der [X.]assung des [X.] Nr. 11 zum [X.] mit Wirkung seit dem 1. Januar 2019 auszugsweise wie folgt:

        

Teil [X.] Beschäftigte im Pflegedienst

        

1.    

Beschäftigte in der Pflege

        

Vorbemerkungen

        

1.    

2Die Bezeichnung ‚Pflegerinnen‘ umfasst Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, … in allen [X.]achrichtungen bzw. Spezialisierungen.

        

…       

        
        

6.    

1Zu der entsprechenden Tätigkeit von Pflegehelferinnen bzw. von Pflegerinnen gehört auch die Tätigkeit in Ambulanzen, Blutzentralen, in Milchküchen oder [X.]rauenmilchsammelstellen und Dialyseeinheiten, soweit es sich nicht überwiegend um eine Verwaltungs- oder Empfangstätigkeit handelt. …

        

…       

        
        

8.    

1Pflegerinnen und Pflegehelferinnen an Universitätskliniken erhalten eine monatliche Zulage nach Anlage [X.] Abschnitt [X.] Nr. 8. …

        

…       

        
        

[X.] [X.] 7

        

1.    

Pflegerinnen mit mindestens dreijähriger Ausbildung und entsprechender Tätigkeit.
…“

3

Die Eingruppierungsregelungen bezüglich anderer [X.]n sehen ebenfalls neben einer bestimmten Qualifikation das Erfordernis „entsprechender Tätigkeit“ vor. Die Vorbemerkungen zu Ziffern 9 bis 11 beziehen sich auf „Beschäftigte der [X.]n [X.] 5 bis [X.] 9“ und gewähren für bestimmte Tätigkeiten monatliche Zulagen.

4

Die [X.] zur [X.] lauten in Ziffer 10 wie folgt:

        

„Zu Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8

        

Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass auch Hebammen sowie Operationstechnische Assistentinnen und Anästhesietechnische Assistentinnen mit abgeschlossener Ausbildung nach der [X.] vom 17. September 2013 in der jeweiligen [X.]assung oder nach gleichwertiger landesrechtlicher Regelung, die die Tätigkeit von Gesundheits- und Krankenpflegerinnen oder von Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen auszuüben haben, die Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 8 erhalten.“

5

Der Höhe nach belief sich die in Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] vorgesehene Zulage für Pflegerinnen und Pflegehelferinnen an Universitätskliniken nach Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage [X.] zum [X.] bis zum 31. Dezember 2019 auf 120,00 Euro brutto monatlich.

6

Der Kläger wird nach [X.] [X.] 7 [X.] vergütet. Er arbeitet in der [X.] Ambulanz im [X.] am Campus K des beklagten [X.]s. Im Wesentlichen besteht seine Tätigkeit in der Patientenaufnahme, der Blutentnahme, dem Legen von Infusionen und ggf. der Durchführung von Lungenfunktionsprüfungen. Zudem hat er die Sprechstundenassistenz mit Terminvereinbarung und Dokumentation vorzunehmen. Ihm obliegt ferner die hygienische Vor- und Nachbereitung der Behandlungsräume sowie die Materialbeschaffung. Alle Tätigkeiten werden im Wechsel mit anderen Beschäftigten verrichtet.

7

Nach Einführung der Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] zum 1. Januar 2019 schrieb [X.]rau B als Ambulanzfachleitung eine E-Mail mit auszugsweise folgendem Inhalt an die Beklagte:

        

„… im Rahmen der Tariferhöhung sollte es eine gesonderte Erhöhung für examinierte Pflegekräfte geben. Auf meine Nachfrage vor ein paar Monaten wurde [X.] gesagt, dass es uns 5 (oben genannt mit [X.]) auch zusteht.

        

Laut dem letzten Info- Brief sollte dieses nun mit der Gehaltsabrechnung im Juli 2019 erfolgen.

        

Diese Zahlung hat aber keiner von uns erhalten. Laut Kollegen auf dem Campus ist in anderen Ambulanzen/[X.]unktionen aber erfolgt.

        

Wir bitten um Klärung und Rückmeldung.“

8

Der Name des [X.] ist im „[X.]“ der E-Mail angeführt.

9

Mit Schreiben vom 25. November 2019 wandte sich der Kläger selbst an das Dezernat Personal der Beklagten und beantragte die ihm „zustehenden 120,00 Euro Zulage für Pflegekräfte gemäß des letzten [X.] rückwirkend ab dem 1.1.2019“. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 ab. [X.]ür die Gewährung sei zwingende Voraussetzung, dass eine krankenpflegerische Tätigkeit ausgeübt werde. Im Bereich des [X.] bilde die krankenpflegerische Tätigkeit nicht den Schwerpunkt.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung der Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] für die Zeit seit dem 1. Januar 2019 verlangt. Er sei im Pflegedienst der Beklagten beschäftigt. Die Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil [X.] Abschnitt 1 [X.] verlange keine „entsprechende Tätigkeit“ als Pflegerin oder Pfleger. Dessen ungeachtet stelle die Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil [X.] Abschnitt 1 [X.] klar, dass die Tätigkeit in einer Ambulanz der Pflegetätigkeit entspreche, soweit nicht überwiegend Verwaltungs- oder Empfangstätigkeit verrichtet werde. Letzteres sei bei ihm nicht der [X.]all. Er sei vielmehr zu mindestens zwei Dritteln seiner Arbeitszeit pflegerisch tätig. Er leiste Behandlungspflege an den Patientinnen und Patienten der Ambulanz.

Ausgehend von einer Höhe der Zulage von monatlich 120,00 Euro brutto ergebe sich für die Monate von Januar 2019 bis einschließlich November 2020 ein Betrag von 2.760,00 Euro brutto.

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.760,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus auf einen Betrag von 360,00 Euro brutto ab dem 1. April 2019 sowie auf jeweils 120,00 Euro brutto seit dem 2. Mai 2019, 3. Juni 2019, 1. Juli 2019, 1. August 2019, 1. September 2019, 1. Oktober 2019, 1. November 2019, 2. Dezember 2019, 2. Januar 2020, 3. [X.]ebruar 2020, 2. März 2020, 1. April 2020, 4. Mai 2020, 1. Juni 2020, 1. Juli 2020, 3. August 2020, 1. September 2020, 1. Oktober 2020, 2. November 2020 sowie dem 1. Dezember 2020 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Zulage (Pflegezulage) in Höhe von 120,00 Euro brutto monatlich ab dem 4. Januar 2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Der Kläger sei schon nicht dem Pflegedienst zuzuordnen. Er verrichte in der Ambulanz durchweg Tätigkeiten, welche medizinischen [X.]achangestellten in ambulanten Praxen übertragen würden. Der Umstand, dass der Kläger noch als Krankenpfleger eingruppiert sei, stehe dem nicht entgegen. Dies beruhe auf der Entscheidung, aus [X.] Gründen auf eine korrigierende [X.] zu verzichten. Nach den tariflichen Vorgaben sei der Kläger als medizinischer [X.]achangestellter nach Teil II Abschnitt 10.8 [X.] einzugruppieren.

Die Gewährung setze die Verrichtung pflegerischer Tätigkeit voraus. Das verdeutlichen schon die Überschrift zu Teil [X.] [X.] „Beschäftigte im Pflegedienst“ und die Überschrift zu Abschnitt 1 „Beschäftigte in der Pflege“. Bezogen auf die Vorbemerkung Nr. 8 werde dieses Tarifverständnis durch die Niederschriftserklärung zu Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] verdeutlicht. Auch diese setze die pflegerische Tätigkeit für den Erhalt der Zulage voraus. Die Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil [X.] Abschnitt 1 [X.] stelle demgegenüber lediglich klar, dass aus dem Umstand der Tätigkeit einer Pflegekraft in einer Ambulanz nicht gefolgert werden dürfe, dass diese nicht als Gesundheits- und Krankenpflegerin eingruppiert werden könne. Nach der Auffassung des [X.] könne hingegen selbst ein Beschäftigter, der zwar eine Ausbildung als Krankenpfleger abgeschlossen habe, aber in der Ambulanz einer Universitätsklinik als Reinigungskraft eingesetzt werde, die Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] beanspruchen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er stützt den Anspruch allerdings nicht mehr in Bezug auf Mitarbeiter anderer Ambulanzen auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Entscheidungsgründe

[X.]ie Revision ist überwiegend begründet. Entgegen der Auffassung des [X.] hat der Kläger seit dem 1. Januar 2019 Anspruch auf die Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.]. [X.]araus folgende Zahlungsansprüche sind bezogen auf die Monate Januar bis einschließlich Mai 2019 jedoch wegen Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist verfallen. [X.]iesbezüglich ist die Revision zurückzuweisen.

I. [X.]ie mit dem Antrag zu 1. erhobene Zahlungsklage ist für die [X.] ab Juni 2019 begründet.

1. [X.]er Kläger hat als Pfleger an einer Universitätsklinik nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] Anspruch auf eine monatliche Zulage nach Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage [X.] zum [X.].

a) [X.]abei kann entgegen der Auffassung des [X.] dahingestellt bleiben, ob und ggf. welche pflegerischen Tätigkeiten der Kläger im Infusionsraum der [X.] Ambulanz verrichtet. [X.]ies folgt aus der Vorbemerkung Nr. 6 Satz 1 zu Teil [X.] Abschnitt [X.].

aa) Abschnitt 1 des Teils [X.] [X.] bezieht sich auf „Beschäftigte in der Pflege“. [X.]er Begriff der Pflege bzw. des [X.] ist tarifvertraglich nicht definiert. Zum Pflegedienst gehören ausweislich der Vorbemerkungen zu Teil [X.] Abschnitt [X.] sowie der nachfolgenden Eingruppierungsregelungen alle Pflegerinnen und [X.] mit „entsprechender Tätigkeit“ sowie pflegerisch tätige Beschäftigte mit einer Qualifikation, welche [X.] und Pflegerinnen ausweislich der Vorbemerkungen gleichgestellt ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Teil [X.]I Abschn. [X.]/1 - Beschäftigte im Pflegedienst Stand Januar 2020 Rn. 14 ff.).

bb) Teil [X.] Abschnitt [X.] erfasst damit primär die sog. „Pflege am Bett“ (vgl. [X.]/[X.]/[X.] [X.] [X.][X.] 1.4.1 Stand Juni 2020 Rn. 14). Nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 6 Satz [X.] gehört zu der „entsprechenden Tätigkeit“ von [X.] bzw. Pflegerinnen ua. aber auch die Tätigkeit in Ambulanzen, soweit es sich nicht überwiegend um eine Verwaltungs- oder Empfangstätigkeit handelt. Gleiches gilt für Blutzentralen, Milchküchen, [X.]rauenmilchsammelstellen und [X.]ialyseeinheiten. In der bis zum 31. [X.]ezember 2018 geltenden [X.]assung sah Teil [X.] [X.] hierfür noch spezielle bereichsbezogene [X.] vor. [X.]iese sind mit der zum 1. Januar 2019 in [X.] getretenen Neufassung des Teils [X.] [X.] entfallen, da es sich typischerweise nicht um pflegende Tätigkeiten im dargestellten Sinne des Teils [X.] [X.] handelt. Über die Vorbemerkung Nr. 6 wird die Tätigkeit in den genannten Bereichen gleichwohl den „entsprechenden Tätigkeiten“ von Beschäftigten in der Pflege zugewiesen, um eine entsprechende Eingruppierung der dort beschäftigten [X.] und Pflegerinnen zu ermöglichen (vgl. [X.], 191 unter 5.2.1).

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] keine reine Eingruppierungsregelung. [X.]ie Tarifvertragsparteien haben mit dieser für die von ihr erfassten Beschäftigten vielmehr nicht nur eine Eingruppierung nach den für die Beschäftigten im „klassischen“ Pflegedienst geltenden Eingruppierungsregelungen ermöglicht, sondern darüber hinaus für diese [X.] bzw. Pflegerinnen den gesamten Anwendungsbereich des Teils [X.] Abschnitt [X.] eröffnet, soweit sie nicht überwiegend Verwaltungs- oder Empfangstätigkeiten verrichten. [X.]urch die Vorbemerkung Nr. 6 werden sie zu „Beschäftigten in der Pflege“ bzw. zu „Beschäftigten im Pflegedienst“. [X.]as macht bereits der Wortlaut der Regelung deutlich. Im Unterschied zur Vorbemerkung Nr. 5 haben die Tarifvertragsparteien für den von der Vorbemerkung Nr. 6 erfassten Personenkreis nicht nur angeordnet, dass diese nach den Tätigkeitsmerkmalen für Pflegerinnen „eingruppiert sind“, sondern haben deren Tätigkeiten als „entsprechende Tätigkeit“ von [X.] bzw. von Pflegerinnen gewertet, sofern nicht überwiegend lediglich Verwaltungs- oder Empfangstätigkeiten zu erbringen sind. [X.]iese umfassende Geltung des Teils [X.] Abschnitt [X.] entspricht auch dem erkennbaren Sinn der Regelung, den genannten Beschäftigtengruppen - entsprechend ihrer Qualifikation - die Einordnung als Pflegekräfte zukommen zu lassen, ohne dass ihre konkrete Tätigkeit in den angeführten Bereichen vom Vorhandensein bzw. Ausmaß einer pflegerischen Tätigkeit abhinge. Eine weitergehende [X.]ifferenzierung innerhalb der „Beschäftigten in der Pflege“ nach ihrem Anteil pflegerischer Tätigkeit würde der mit Teil [X.] Abschnitt [X.] bezweckten umfassenden Regelung der Vergütung der „Beschäftigten im Pflegedienst“, die die Vergütung gerade vereinheitlichen will, widersprechen. [X.]ie Vorbemerkungen Nr. 1 bis Nr. 6 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] stellen in der Gesamtschau letztlich eine Zusammenfassung des Personals dar, welches - entsprechend der Überschrift - die Gruppe der „Beschäftigten in der Pflege“ bildet. [X.]eren Vergütung richtet sich dann nach den Entgeltregelungen des Abschnitts 1 des Teils [X.] [X.], so dass sie unabhängig vom Ausmaß ihrer pflegerischen Tätigkeit auch Anspruch auf die in den Vorbemerkungen enthaltenen Zulagen haben können. [X.]ie ansonsten bestehende Ungleichbehandlung lässt sich aus den Tarifregelungen nicht ableiten.

dd) Hiervon zu unterscheiden ist die [X.]rage, welche „Beschäftigten in der Pflege“ die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung bestimmter Zulagen nach den Vorbemerkungen Nr. 8 bis Nr. 11 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] erfüllen.

(1) [X.]iese differenzieren bezüglich der Ansprüche auf Zulagen entweder nach der Beschäftigungseinrichtung (Vorbemerkung Nr. 8 - Universitätskliniken) oder nach der Eingruppierung verbunden mit besonderen Tätigkeiten (Vorbemerkungen Nr. 9 bis Nr. 11 - [X.]n [X.] 5 bis [X.] 9). Es handelt sich um jeweils selbstständige Anspruchsvoraussetzungen. Eine einheitliche „Pflegezulage“ gibt es nicht.

(2) Bezüglich der mit der Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] für Pflegerinnen und [X.] an Universitätskliniken vorgesehenen Zulage haben die Tarifvertragsparteien in Ziffer 10 der [X.] zur [X.] darüber hinaus für bestimmte Beschäftigtengruppen, welche hinsichtlich ihrer Qualifikation nicht zum Kreis der „Beschäftigten in der Pflege“ gehören und nach der Vorbemerkung Nr. 5 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] nur entsprechend eingruppiert sind, den Erhalt der Zulage gewährt, falls diese die Tätigkeit von Gesundheits- und Krankenpflegerinnen oder von Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen auszuüben haben. Einer solchen Anordnung bedurfte es für die von der Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] erfassten Beschäftigten wegen des weitergehenden Wortlauts dieser Regelung nicht.

(3) [X.]amit haben die Tarifvertragsparteien bei einer Gesamtschau nicht nur die Pflegekräfte, deren Tätigkeit ihrer pflegerischen Qualifikation entspricht, mit der streitbefangenen Zulage bedacht, sondern auch Personen, welche entweder nicht im eigentlichen Pflegedienst tätig sind (Vorbemerkung Nr. 6) oder zwar Pflegearbeit verrichten, hierfür aber nicht die typischen [X.]ormalqualifikationen aufweisen (Ziffer 10 der [X.] zur [X.]). [X.]ies entspricht dem Zweck der Zulagengewährung. Mit der zum 1. Januar 2019 eingeführten dynamischen Pflegezulage für Pflegerinnen und [X.] an Universitätskliniken sollte die Attraktivität des [X.] an solchen Kliniken erhöht werden (vgl. [X.] 2020, 191 unter 5.3). [X.]ie Gewährung der Zulage setzt dementsprechend nur voraus, dass es sich bei dem Beschäftigten um einen Pfleger oder Pflegehelfer iSd. Teils [X.] Abschnitt [X.] handelt und dieser an einer Universitätsklinik beschäftigt ist. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nicht, insbesondere sind keine bestimmten oder besonderen pflegerischen Leistungen zu erbringen ([X.]/[X.]/[X.] [X.] [X.][X.] 1.4.1 Stand November 2022 Rn. 29). Auch auf den Einsatzort innerhalb der Universitätsklinik kommt es nicht an ([X.] [X.] [X.]/Steuernagel [X.]-EGO [X.] Stand 1. September 2022 Rn. 7).

(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich hieraus bezogen auf den Kreis der zulagenberechtigten Beschäftigten keine Widersprüchlichkeiten. Eine Reinigungskraft, welche über eine abgeschlossene Ausbildung als Pflegefachkraft verfügt, wäre nach der Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] nicht dem Pflegedienst zuzurechnen, da sich ihre Tätigkeit nicht auf den Aufgabenbereich einer Ambulanz als solcher bezieht. [X.]as von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der Verhandlung vor dem Senat angeführte Beispiel eines Angehörigen der Geschäftsleitung mit pflegerischer Ausbildung verfängt ebenfalls nicht, weil die Vorbemerkung Nr. 6 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] schon diesen Bereich nicht erfasst und zudem eine Verwaltungstätigkeit vorliegen würde. [X.]ie Vergütung der medizinischen [X.]achangestellten ist entsprechend der unterschiedlichen Qualifikationen und Verwendungsmöglichkeiten in Teil [X.] Abschnitt 10.8 [X.] eigenständig und abschließend geregelt. Zudem haben die Tarifvertragsparteien durch den Änderungstarifvertrag Nr. 12 zum [X.] vom 29. November 2021 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022 für diese Beschäftigtengruppe eine eigene Zulage für den [X.]ienst an Universitätskliniken vorgesehen.

b) [X.]er Kläger kann eine Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] iVm. Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage [X.] zum [X.] beanspruchen.

aa) Er ist Pfleger iSd. Teils [X.] Abschnitt [X.] und über die Vorbemerkung Nr. 6 Satz 1 zu Teil [X.] Abschnitt [X.] in das tarifliche Vergütungssystem für Beschäftigte in der Pflege eingebunden.

(1) Als gelernter Krankenpfleger erfüllt er nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 1 Satz 2 [X.] die Qualifikationsanforderung für einen Beschäftigten in der Pflege. [X.]ies steht zwischen den Parteien nicht in Streit und wird auch dadurch verdeutlicht, dass der Kläger nach [X.] [X.] 7 [X.]allgruppe 1 [X.] vergütet wird. [X.]iese Eingruppierung setzt eine mindestens dreijährige Ausbildung in einem Pflegeberuf voraus (zur Ausbildung von Krankenpflegern vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Teil [X.]I Abschn. [X.]/1 - Beschäftigte im Pflegedienst Stand Januar 2020 Rn. 76 ff.).

(2) [X.]er Kläger ist in einer Ambulanz tätig. Nach den nicht angegriffenen [X.]eststellungen des [X.] arbeitet er in der [X.] Ambulanz im [X.] der Beklagten.

(3) [X.]er Kläger übt nicht überwiegend eine Verwaltungs- oder Empfangstätigkeit aus. Er hat unbestritten vorgetragen, dass er mindestens zu zwei [X.]ritteln Tätigkeiten an den Patienten verrichte. Unabhängig von der [X.]rage, ob es sich hierbei um pflegerische Tätigkeiten handelt, steht damit außer Streit, dass der Kläger überwiegend mit den Patienten und nicht im Verwaltungsbereich arbeitet. Ob es sich bei der Tätigkeit des [X.] inhaltlich um Aufgaben handelt, welche typischerweise medizinischen [X.]achangestellten und nicht Pflegekräften übertragen werde, ist nach dem vorstehend ausgeführten Tarifverständnis ohne Belang.

bb) [X.]er Kläger ist unstreitig bei der beklagten Universitätsklinik beschäftigt und erfüllt damit die Voraussetzungen für die Zulage nach der Vorbemerkung Nr. 8 zu Teil [X.] Abschnitt [X.], ohne dass es entsprechend der Rechtsansicht des [X.] auf die tatsächliche Ausübung pflegerischer Tätigkeiten ankäme (aA mit Bezug auf die hier angegriffene Entscheidung [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Teil [X.]I Abschn. [X.]/1 - Beschäftigte im Pflegedienst Stand Juli 2022 Rn. 311a).

2. [X.]ie Entscheidung des [X.] erweist sich jedoch im Ergebnis insofern als richtig, als es die Zahlungsklage bezogen auf die Monate Januar bis einschließlich Mai 2019 abgewiesen hat. Insoweit ist die Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO). [X.]em mit dem Antrag zu 1. bezogen auf diese Monate geltend gemachten Zahlungsanspruch steht die Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist entgegen.

a) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach [X.]älligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. [X.]ür denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus (§ 37 Abs. 1 Satz 2 [X.]). [X.]ür eine ordnungsgemäße Geltendmachung ist erforderlich, dass der Anspruchsgegner zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufgefordert wird. [X.]er Anspruchsteller muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer nach Grund und Höhe spezifizierten [X.]orderung ist und auf der Erfüllung dieser [X.]orderung besteht. Allein die Aufforderung, die bisherige Nichterfüllung „zu überdenken“ oder „zu überprüfen“, ist noch keine Geltendmachung im Tarifsinn, weil ihr das eindeutige Erfüllungsverlangen fehlt ([X.] 23. November 2017 - 6 [X.] - Rn. 26 mwN, [X.]E 161, 122). [X.]er Erklärende bringt damit nicht zum Ausdruck, den Arbeitgeber auch unabhängig vom Ergebnis der Prüfung in Anspruch nehmen zu wollen (vgl. zu § 37 Abs. 1 TVö[X.]-V [X.] 11. April 2019 - 6 [X.] - Rn. 32 mwN, [X.]E 166, 285; zu § 37 Abs. 1 TVö[X.]-AT [X.] 12. September 2022 - 6 [X.] - Rn. 51).

b) Unabhängig von der [X.]rage der Bevollmächtigung durch den Kläger war die E-Mail von [X.]rau B als Ambulanzfachleitung vom 2. August 2019 entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht geeignet, die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 [X.] zu wahren. [X.]ies kann der Senat selbst entscheiden (vgl. [X.] 12. September 2022 - 6 [X.] - Rn. 50). Mit der E-Mail wird nicht unmissverständlich eine [X.]orderung erhoben, sondern nur eine Bitte „um Klärung und Rückmeldung“ geäußert. Letztlich bezweckt die E-Mail ihrem Wortlaut nach nur die Beseitigung einer Unsicherheit bezüglich der Tarifänderung. [X.]ies stellt keine ordnungsgemäße Geltendmachung iSd. § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] dar.

c) Erst das Schreiben des [X.] vom 25. November 2019 erfüllt die Anforderungen an eine Geltendmachung. Mit diesem macht der Kläger deutlich, dass er sich als Inhaber des Anspruchs sieht („… [X.] zustehenden 120,00 Euro Zulage für Pflegekräfte …“) und dessen Erfüllung verlangt. [X.]ie [X.]ormulierung einer „Beantragung“ steht dem nicht entgegen, es handelt sich dabei erkennbar um eine Zahlungsaufforderung.

d) [X.]iese kann jedoch keine Rückwirkung zum 1. Januar 2019 entfalten.

aa) Bei der Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] iVm. Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage [X.] zum [X.] handelt es sich um einen monatlichen Entgeltbestandteil, der nach § 24 Abs. 1 [X.] spätestens am letzten [X.] zur Zahlung fällig ist.

bb) [X.]ie Zulage für April 2019 war zum 30. April 2019 zur Zahlung fällig, dh. die Ausschlussfrist endete am 30. Oktober 2019 und konnte schon deshalb durch das Schreiben vom 25. November 2019 nicht mehr gewahrt werden. Erst recht gilt dies für die Monate Januar bis einschließlich März 2019. Bezüglich der Zulage für Mai 2019, welche am 31. Mai 2019 zur Zahlung fällig wurde, endete die [X.]rist zur Geltendmachung am 2. [X.]ezember 2019, weil der 30. November 2019 ein Samstag war (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, Abs. 3, § 193 BGB). [X.]er Kläger hat nicht dargelegt, dass er das Schreiben vom 25. November 2019 der Beklagten so rechtzeitig übermittelt hat, dass - ggf. unter Berücksichtigung üblicher Postlaufzeiten - mit einem Zugang vor Ablauf der Ausschlussfrist zu rechnen war (vgl. zu diesem Erfordernis [X.] 12. [X.]ezember 2018 - 5 [X.] - Rn. 40). Erst bezüglich der Zulage für Juni 2019 ist die rechtzeitige Geltendmachung durch das ablehnende Schreiben der Beklagten vom 16. [X.]ezember 2019 belegt.

e) [X.]ie Zahlungsklage ist daher nur bezüglich der [X.]orderung für die Monate Juni 2019 bis einschließlich November 2020 begründet. [X.]er Höhe nach beläuft sie sich entsprechend der Antragstellung nach Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage [X.] zum [X.] in der bis zum 31. [X.]ezember 2019 geltenden [X.]assung auf 120,00 Euro brutto monatlich und damit auf insgesamt 2.160,00 Euro brutto. Zudem kann der Kläger nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzugszinsen für die einzelnen monatlichen Beträge jedenfalls ab dem ersten Tag des [X.]olgemonats oder ab einem späteren [X.]punkt verlangen.

[X.]. [X.]ie [X.]eststellungsklage ist dementsprechend begründet. [X.]er Antrag ist nach dem Vorbringen des [X.] dahingehend zu verstehen, dass er sich auf die Zulage nach Teil [X.] Abschnitt 1 Vorbemerkung Nr. 8 [X.] iVm. Abschnitt [X.] Nr. 8 Anlage [X.] zum [X.] und auf die [X.] ab [X.]ezember 2020 bezieht. [X.]iesbezüglich besteht wegen des Bestreitens des Anspruchs das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche [X.]eststellungsinteresse an der Klärung des Streits (vgl. [X.] 27. Januar 2022 - 6 [X.] - Rn. 19). [X.]er Umstand, dass der Antrag die Tariferhöhungen ab dem 1. Januar 2020 nicht berücksichtigt, ist wegen § 308 Abs. 1 ZPO unbeachtlich.

[X.]I. [X.]ie Kostenentscheidung gründet sich auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Spelge    

        

    Wemheuer    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Kohout    

        

    M. Werner    

                 

Meta

6 AZR 62/22

19.01.2023

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kiel, 16. März 2021, Az: 3 Ca 1775 öD b/20, Urteil

Anl F Abschn IV Nr 8 TV-L, Anl A Teil IV Nr 1 Vorbem 8 TV-L, Anl A Teil IV Nr 1 Vorbem 6 S 1 TV-L, Anl A Teil IV Nr 1 Vorbem 1 TV-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.01.2023, Az. 6 AZR 62/22 (REWIS RS 2023, 797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 797

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