Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2012, Az. 3 StR 139/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 883

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
139/12
vom
29. November 2012
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 29.
November 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
Becker,

die [X.] am [X.]
Pfister,
[X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Spaniol

als beisitzende [X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlan-desgerichts Düsseldorf vom 27.
September 2011 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes an zwei Menschen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf [X.] der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es [X.] nicht an.
1. Nach den Feststellungen des [X.] gehörte der Ange-klagte Anfang des Jahres 1993 der [X.] orientierten türki-schen Organisation "[X.]" ("[X.]") an. Ende März 1993 beauftragte er von [X.] aus durch einen Telefonanruf den ihm nachge-ordneten, in [X.] tätigen

[X.]

unter Ausnutzung des hierar-chisch strukturierten Machtapparats der Organisation mit der Planung, Vorbe-1
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-
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-
reitung und Durchführung eines Anschlags, ohne dabei die näheren Details vorzugeben. Der angewiesene [X.]

beauftragte daraufhin mit der [X.] eine [X.] aus vier Personen. Diese griff am 1.
April 1993 in [X.] mit Schusswaffen zwei Polizisten an, die sich keines Angriffs versahen und tödlich verletzt wurden.
Das [X.] hat die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte
den Anschlag anordnete, im Wesentlichen den Aussagen des kommissarisch in der [X.] vernommenen Zeugen

[X.]

entnommen. Dieser hat bekun-det, sich nach einer Flucht aus dem Gefängnis am 19.
Februar 1993 einige Zeit -
ebenso wie

[X.]

-
in einer Wohnung in [X.] aufgehalten
zu haben. Dort habe [X.]

ihm -
[X.]

-
berichtet, die Anweisung zu dem [X.] vom 1.
April 1993 telefonisch vom Angeklagten erhalten zu haben.
2. Die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich das [X.] von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen [X.]

und damit von der [X.] überzeugt hat, ist aufgrund eines Widerspruchs rechts-fehlerhaft.
a) Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§
261 StPO), der allein sich unter dem umfassenden Eindruck der [X.] ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken
oder Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen oder gesicher-tem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht (st. Rspr.;
vgl. [X.], Urteil vom 6.
Dezember 2007 -
3 [X.], NStZ-RR
2008, 146, 147 mwN). Nach die-sen (eingeschränkten) revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstäben enthält die Beweiswürdigung einen auf die Sachrüge zu beachtenden Rechtsmangel: 3
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-
5
-
Obschon der Zeuge [X.]

nach den Urteilsgründen in seinen kommissarischen Vernehmungen vom 17.
Februar 2010 und vom 23.
September 2010 unter-schiedliche Angaben zu dem Gespräch mit dem Zeugen [X.]

gemacht hat, geht das [X.] von -
im Kerngeschehen -
konstanten Aussagen des Zeugen [X.]

aus; dies ist widersprüchlich.
b) [X.] hat in den beiden kommissarischen Vernehmungen den Zeitpunkt, zu
dem [X.]

ihm mitgeteilt habe, der Angeklagte habe den [X.] telefonisch angeordnet, in deutlich divergierender Weise beschrieben und dabei das Gespräch insbesondere in einen jeweils völlig anderen Kontext gestellt.
So hat er in seiner ersten Vernehmung erklärt, "er könne sich sehr gut daran erinnern, dass die Anweisung zu dieser Aktion von

E.

erteilt worden sei. Dies sei bei einem Telefongespräch mit [X.]

geschehen. Er selbst ([X.]

) habe anders als [X.]

nicht hinaus auf die Straße gehen kön-nen. Über das Gespräch habe [X.]

den in der Wohnung verbliebenen Per-sonen Mitteilung gemacht. Zur [X.] habe sich

E.

in [X.] aufgehalten. ... Nach der Durchführung der Aktion vom 1.
April 1993 habe [X.]

E.

Informationen über die Aktion zukommen lassen."
Hieraus ergibt sich, dass der Zeuge [X.]

(seiner ersten Aussage zu-folge) die Information über das Telefonat kurz nach diesem -
und somit vor dem Anschlag -
erhalten habe. Zwar wird der Zeitpunkt des Gesprächs mit [X.]

nicht ausdrücklich genannt; doch ist nach dem Gesamtzusammenhang der Schilderung ein anderes Verständnis ausgeschlossen.
Demgegenüber hat der Zeuge [X.]

in seiner zweiten kommissarischen Vernehmung rund sieben Monate später ausgesagt, "sein Gespräch mit

[X.]

, bei dem dieser ihn über die Anordnung des Anschlags durch
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-
6
-

E.

unterrichtet habe, habe nach dem 1.
April 1993", also nach dem Anschlag, stattgefunden.
Vor diesem Hintergrund ist die nicht näher begründete Wertung des [X.], die Aussagen seien -
im Kerngeschehen -
konstant und der Zeuge habe in den beiden Vernehmungen keine voneinander abweichen-den Angaben gemacht, rechtlich nicht tragfähig; denn sie steht ihrerseits
in ei-nem nicht aufgelösten Widerspruch zu dem von ihm selbst mitgeteilten Be-weisergebnis.
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Überzeugungsbildung des [X.] auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht; denn andere Beweismittel oder Indizien, die das konkrete Telefonat und damit die [X.]sanweisung durch den Angeklagten bestätigen, sind nicht gegeben. [X.] war die Aussage des Zeugen -
was das [X.] grundsätzlich nicht verkannt hat -
aus weiteren Gründen besonders kritisch zu würdigen: [X.] [X.]

hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tathandlung, nämlich die Anordnung des Anschlags, nicht selbst wahrgenommen, sondern lediglich über entsprechende Mitteilungen des [X.]

als "Zeuge vom [X.]" berichtet (vgl. [X.], Urteile vom 11.
August 1998 -
1 [X.], [X.] 1999, 7; vom 1.
August 1962 -
3 StR 28/62, [X.]St
17, 382, 385; Beschluss vom 2.
August 1983 -
5 [X.], [X.] 1983, 403; [X.], Beschluss vom 26.
Mai 1981 -
2 BvR
215/81, [X.]E
57, 250, 292
f.). Zudem ist der Zeuge nicht in der Hauptverhandlung, sondern lediglich kommissarisch vernommen worden (vgl. [X.], Urteile vom 9.
Dezember 1999 -
5 [X.], [X.]St
45, 354, 360
f.; vom 13.
April 1983 -
2 StR 733/82, NStZ
1983, 376, 377). Schließlich leistete er nach seiner Festnahme im Jahr 2002 der [X.] aktive Unterstützung bei deren Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der [X.], wurde in der [X.] unter Anwendung des "[X.]" im Jahr 2003 zu 9
10
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einer Freiheitsstrafe von 14
Jahren statt zu der eigentlich verwirkten lebenslan-gen Freiheitsstrafe verurteilt und im Jahr 2007 aus der Haft entlassen (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2003 -
1 [X.], [X.]St
48, 161, 168).
Becker Pfister

[X.]

[X.] Spaniol

Meta

3 StR 139/12

29.11.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2012, Az. 3 StR 139/12 (REWIS RS 2012, 883)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 883

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