Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2008, Az. II ZR 71/07

II. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2979

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[X.] vom 7. Juli 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 107; BGB §§ 666 f. Eine Regelung in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats einer AG, nach der aus-scheidende Organmitglieder die ihnen im Rahmen ihrer Amtstätigkeit überlassenen [X.] zurückzugeben haben, begegnet keinen Bedenken. Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich schon aus dem Grundgedanken der §§ 666 f. BGB. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2008 - [X.]/07 - [X.] [X.] - 2 - [X.] [X.] hat am 7. Juli 2008 durch [X.], [X.], [X.] und [X.] einstimmig beschlossen: Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.]at beab-sichtigt, die Revision des [X.] durch Beschluss gemäß § 552 a ZPO zurückzuweisen. Streitwert: 2.500,00 • Gründe: Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Das Rechtsmittel hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg. [X.] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ([X.], 1608 = AG 2007, 747) besteht kein Klärungsbedarf hinsichtlich der Rechtsfrage, ob in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft (hier § 10 Abs. 3 GO) wirksam bestimmt werden kann, dass jedes ausgeschiedene [X.] alle ihm im Rahmen seiner Amtstätigkeit übermittelten Unterlagen der [X.] einschließlich etwaiger Duplikate und Ablichtungen [X.] hat. 2 1. Es entspricht allgemeiner Auffassung und ist durch das [X.]atsurteil vom 3. Dezember 1962 ([X.], [X.], 161 f.) bereits geklärt, dass der Geschäftsführer einer GmbH - und dementsprechend der Vorstand einer AG - 3 - 3 - nach Beendigung ihrer Amtszeit gemäß §§ 675, 666, 667 BGB verpflichtet sind, über die in ihren Besitz gelangten Unterlagen der [X.] Auskunft zu er-teilen und sie herauszugeben (vgl. MünchKomm[X.]/[X.]. § 84 [X.]. 98; [X.].[X.]/[X.] § 84 [X.]. 84; [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 84 [X.]. 81 f.). Für ein ausgeschiedenes Aufsichtsratsmitglied (wie den Kläger) kann nichts anderes gelten, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob zwischen der [X.] und einem Aufsichtsratsmitglied (auch) ein Anstel-lungsverhältnis im Sinne eines Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 675 BGB (so [X.], 145, 152; 152, 273) oder ein rein korporationsrechtliches Verhältnis besteht (so MünchKomm[X.]/[X.] 3. Aufl. § 101 [X.]. 67; [X.].[X.]/[X.]/[X.] 4. Aufl. § 101 [X.]. 92; [X.] in [X.]/ [X.] aaO § 101 [X.]. 8; für korporations- und schuldrechtliche Doppelnatur [X.], [X.] 8. Aufl. § 101 [X.]. 2). Die Heranziehung der Grundgedanken der §§ 666 f. rechtfertigt sich jedenfalls aus der einer Geschäftsbesorgung ähnli-chen Funktion des Aufsichtsratsamtes (vgl. [X.]/[X.] aaO [X.]. [X.]) sowie daraus, dass die Interessenlage in Bezug auf die Herausgabe von [X.] bei Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds die gleiche ist wie bei Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds. Die [X.] hat ein be-rechtigtes Interesse daran, dass ihre Dokumente bzw. deren Mehrfertigungen nicht bei ausgeschiedenen Organmitgliedern verstreut bleiben und in unbefugte Hände geraten können. Dabei geht es nicht nur um geheimhaltungsbedürftige, sondern auch um sonstige Unterlagen, die aus gegebenem Anlass einzeln oder in ihrer Zusammenstellung eine im vorhinein nicht abzuschätzende Bedeutung erlangen können. Überdies würde eine Beschränkung der Herausgabepflicht auf aktuell geheimhaltungsbedürftige Dokumente häufig - und erst recht im vor-liegenden Fall mit insgesamt 257 herausverlangten Dokumenten - einen erheb-lichen Verwaltungsaufwand erfordern (vgl. auch [X.], Der Aufsichtsrat 2007, 81). - 4 - a) Soweit die Revision auf die - auch nach Amtsbeendigung [X.] und gemäß § 23 Abs. 5 [X.] einer Verschärfung nicht zugängliche (vgl. [X.] 64, 325) - Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder gemäß §§ 116 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 [X.] hinweist, wird übersehen, dass das [X.] gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 [X.] für Vorstandsmitglieder in glei-cher Weise gilt, ohne dass dies ihrer Verpflichtung zur Herausgabe von [X.] nach Amtsbeendigung entgegensteht. Diese Verpflichtung berührt nicht die Verschwiegenheitspflicht der Organmitglieder und deren ei-genverantwortlichen Umgang mit ihr (vgl. dazu [X.] 64, 325, 327), sondern folgt daraus, dass die Organmitglieder den Besitz an den Unterlagen zum Zweck ihrer Amtsführung erlangt haben und dieser Zweck mit deren Beendi-gung entfällt (vgl. § 667 BGB). 4 b) Anders als die Revision meint, spricht gegen die Verpflichtung eines ausscheidenden Aufsichtsratsmitglieds zur Rückgabe der ihm ausgehändigten Unterlagen auch nicht die bloß abstrakte Möglichkeit, von der [X.] noch wegen etwaiger Fehler der Amtsführung auf Schadensersatz gemäß §§ 116, 93 Abs. 2, 3 [X.] in Anspruch genommen zu werden und dann zu seiner Verteidi-gung auf die Unterlagen angewiesen zu sein. Diese Möglichkeit besteht bei ei-nem ausscheidenden Vorstandsmitglied in gleicher Weise, ändert aber an [X.] gemäß § 667 BGB nichts (vgl. den Sachverhalt im [X.].Urt. v. 3. Dezember 1962 aaO) und führt auch nicht dazu, dass ein [X.] die Rückgabe "prophylaktisch" bis zum Ablauf der [X.] des § 93 Abs. 6 [X.] verweigern kann (in diesem Sinne aber [X.], Der Aufsichtsrat 2007, 81 f.). Seine Interessen sind dadurch geschützt, dass die [X.] die ihm ggf. vorzuwerfende Pflichtverletzung zu bezeichnen und ihm Einsicht in die dafür maßgeblichen Unterlagen zu gewähren hat (vgl. [X.]at, [X.] 152, 280, 285). Für eine davon abweichende Behandlung eines ausge-schiedenen Aufsichtsratsmitglieds fehlt jeder Sachgrund. 5 - 5 - c) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht daraus, dass gemäß § 107 Abs. 2 Satz 4 [X.] jedes Aufsichtsratsmitglied einen Anspruch auf "Aushändigung" der in seine Amtszeit fallenden [X.] hat. Denn das soll dem Aufsichtsratsmitglied nur die ungestörte Wahrnehmung seiner Aufgaben ermöglichen und besagt, wie das Berufungsge-richt zutreffend ausführt, nicht, dass die - vertraulich zu behandelnden (vgl. [X.]/[X.] aaO § 107 [X.]. 196) - [X.] im Besitz eines ausscheidenden Mitglieds zu verbleiben haben. Dies zeigt sich auch an der Pa-rallelvorschrift des § 170 Abs. 3 [X.]. Dieser schreibt zwar eine "Übermittlung" der dort genannten Vorlagen und Prüfberichte an jedes Aufsichtsratsmitglied vor und meint damit ebenfalls eine "Aushändigung"; nach der Begründung des [X.] zu dieser Vorschrift (KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, 22) ist damit aber keine Übereignung zum endgültigen Verbleib verbunden. Satzungs- oder Geschäftsordnungsregelungen über die Rückgabe sind zulässig (ebenso [X.], [X.] 8. Aufl. § 170 [X.]. 14; MünchKomm[X.]/[X.]. § 170 [X.]. 80 f.), obwohl die in § 170 [X.] genannten Unterlagen sogar [X.] sind. 6 2. Da nach alledem ausscheidende Mitglieder des Aufsichtsrats ebenso wie solche des Vorstands die im Rahmen ihrer Amtsführung erlangten [X.] schon entsprechend § 667 BGB herauszugeben haben, bestehen gegen entsprechende Geschäftsordnungsregelungen, die weit verbreitet sind (vgl. [X.] aaO § 103 [X.]. 6), erst recht keine grundsätzlichen Bedenken. 7 a) [X.] kann im vorliegenden Fall, ob § 10 Abs. 3 der vorliegen-den Geschäftsordnung auch insoweit wirksam ist, als dessen Satz 2 die Her-ausgabepflicht auf Duplikate und Kopien erstreckt, was im Schrifttum zum Teil für "unzumutbar" erachtet wird (vgl. [X.] in [X.]/v. Schenck, Arbeitshand-buch für Aufsichtsratsmitglieder 2. Aufl. § 9 [X.]. 107; ihm folgend 8 - 6 - MünchKomm[X.]/[X.]. § 84 [X.]. 98; vgl. dagegen [X.] in [X.], Aktienrecht 3. Aufl. S. 952). Denn zum einen kann sich jedenfalls der Kläger auf Unzumutbarkeit nicht berufen, weil er der unter seiner Mitwirkung beschlosse-nen Geschäftsordnungsregelung zugestimmt hat. Zum anderen ist die genannte Rechtsfrage hier nicht entscheidungserheblich, weil zumindest die Verpflichtung zur Herausgabe der Originalunterlagen wirksam ist und die Beklagte hierauf ihr Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) gegenüber dem Tantiemeanspruch des [X.] stützen konnte. Soweit in dem erstinstanzlichen Urteil noch eine Ver-pflichtung des [X.] zur Herausgabe von etwaigen Duplikaten und Fotoko-pien tenoriert wurde, ist dies durch die zweitinstanzliche Erledigterklärung (§ 91 a ZPO) wirkungslos geworden (vgl. [X.]/[X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 91 a [X.]. 21, 30). b) Im Übrigen besteht Anlass, darauf hinzuweisen, dass für die Verpflich-tung zur Herausgabe von Duplikaten oder Fotokopien die gleichen bereits [X.] Gründe sprechen wie für die Herausgabe der Originale (vgl. oben I 1 vor a), und nicht einzusehen ist, weshalb dies für ein ausgeschiedenes Organ-mitglied "unzumutbar" sein soll. 9 II. Da sonach das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) wegen ihres [X.] gegenüber der von dem Kläger eingeklagten Tantiemefor-derung zustand und diese deshalb erst mit Erfüllung der Gegenforderung der Beklagten [X.] von § 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB fällig wurde (vgl. [X.] 55, 198, 200), kann der Kläger mit seinen in der Revisionsinstanz (nach vorinstanzlicher Erledigung der Hauptsache im Übrigen) weiter verfolgten Anspruch auf [X.] ab Klageerhebung (30. September 2005) keinen Erfolg haben. So-weit sich die Revision auch gegen die (zutreffende) Kostenentscheidung des 10 - 7 - Berufungsgerichts gemäß § 91 a ZPO richtet, ist sie schon nicht statthaft (vgl. [X.], Urt. v. 21. Dezember 2006 - [X.], [X.], 340, 342 [X.]. 21 ff.). 11 Ohne Erfolg rügt die Revision hilfsweise, das Berufungsgericht habe dem Kläger zu Unrecht Zinsen nur für die [X.] vom 18. bis 20. Juli 2006 zuerkannt, obwohl er bereits am 12. Juli 2006 alle in seinem Besitz befindlichen Unterlagen herausgegeben habe und der Beklagten kein (für den Fortbestand ihres [X.] erforderlicher) Anspruch auf die am 17. Juli 2006 bei der Beklagten eingegangene Erklärung des [X.], keine weiteren Unterlagen zu besitzen, zugestanden habe. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger die von der Beklagten im Einzelnen aufgelisteten Unterlagen jedenfalls nicht vollständig herausgegeben; die Revision stellt auch nicht in Abrede, dass die noch [X.] Unterlagen ihm einmal übermittelt worden waren. Zwar erstreckt sich die Herausgabepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 10 Abs. 3 GO auf [X.], "die sich in ihrem Besitz befinden". Das schließt aber im Wege ergän-zender Auslegung der Klausel die Verpflichtung ein, über den Verbleib fehlen-der Unterlagen Auskunft zu geben, was sich auch aus § 666 BGB ergibt (vgl. oben I 1; [X.].Urt. v. 3. Dezember 1962 aaO [X.], 161). Erst mit Abgabe der entsprechenden Erklärung hatte der Kläger seine Verpflichtung vollständig erfüllt. 12 III. [X.] der Beklagten, die sich gegen den ausgeurteil-ten Zinsanspruch für die [X.] vom 18. bis 20. Juli 2006 richtet, verliert unter den - hier gegebenen - Voraussetzungen des § 554 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung. Sie ist allerdings auch offensichtlich unbegründet, weil das von ihr in Bezug ge-nommene Vorbringen der Beklagten in ihrem vorinstanzlichen "Antrag auf [X.] und Urteilsberichtigung/Ergänzung", der Kläger habe in der [X.] - 8 - chen Verhandlung vor dem Berufungsgericht der unvermeidlichen Zahlungsver-zögerung nach Herausgabe der Unterlagen zugestimmt und den ausgeurteilten Zinsanspruch überhaupt nicht mehr geltend gemacht, in Widerspruch zu dem gemäß § 314 Satz 2 ZPO maßgebenden Sitzungsprotokoll (vom 14. Dezember 2006) steht. Danach hat der Kläger, worauf das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 25. Juni 2007 zutreffend hinweist, unter Bezugnahme auf sei-nen Schriftsatz vom 27. November 2006 die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Prozesszinsen "bis zum 20. Juli 2006" beantragt. Unter diesen Umständen kann in der etwaigen Zustimmung des [X.] zu der "unweigerlich eintretenden Zahlungsverzögerung" keine den geltend gemachten Anspruch auf Prozesszinsen bis 20. Juni 2006 ausschließende Stundungsvereinbarung, son-dern allenfalls eine Erklärung des Inhalts gesehen werden, dass der Kläger der- 9 - Beklagten die Zahlungsverzögerung nach Herausgabe der Unterlagen nicht als ein Verschulden anlasten wolle und auf weitergehende Ansprüche wegen [X.] (§ 288 Abs. 4 BGB) verzichte. [X.][X.]

Reichart Drescher Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch [X.] erledigt worden. Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.05.2006 - 9 O 369/05 - [X.], Entscheidung vom 22.03.2007 - [X.] [X.]

Meta

II ZR 71/07

07.07.2008

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2008, Az. II ZR 71/07 (REWIS RS 2008, 2979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2979

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