Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.02.2023, Az. 9 W (pat) 13/21

9. Senat | REWIS RS 2023, 7221

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2018 123 565.8

(hier: Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr)

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 6. Februar 2023 unter Mitwirkung des Richters [X.]. [X.] als Vorsitzenden, der Richterin [X.] sowie [X.] und [X.] beschlossen:

[X.]:[X.]:BPatG:2023:060223B9Wpat13.21.0

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der am 25. September 2018 beim [X.] eingegangenen und dort mit dem Aktenzeichen 10 2018 123 565.8 geführten Patentanmeldung mit der Bezeichnung

2

„Trockenläuferpumpe mit [X.]“.

3

Die Prüfungsstelle für die Klasse [X.] des [X.]s hat der Anmelderin im Prüfungsbescheid vom 26. Juli 2019 mitgeteilt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. So sei dem Fachmann aus der Druckschrift

4

[X.]: [X.] 6 359 353 B1

5

bereits eine gattungsgemäße [X.] bekannt. Ausgehend hiervon gelange er durch eine Zusammenschau mit der Lehre der Druckschrift

6

[X.]: [X.] 5 548 169 A,

7

die einen Motor mit [X.] zeige, ohne weitere Überlegungen zu der beanspruchten Vorrichtung.

8

Der Auffassung der Prüfungsstelle ist die Anmelderin im Schriftsatz vom 21. Juli 2020 mit einer unveränderten Anspruchsfassung entgegengetreten. Aus ihrer Sicht offenbare keine der genannten Druckschriften eine [X.], demzufolge auch ihre Kombination nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führen könne. Ferner würde der Fachmann die Druckschrift [X.] nicht zur Lösung des in der Anmeldung formulierten Problems heranziehen, da die [X.] in einer elektrischen Pumpe völlig andere seien als in einem Elektromotor. Insofern gelange die Prüfungsstelle nur durch eine unzulässig rückschauende Betrachtung zu ihrer im Prüfungsbescheid geäußerten Einschätzung. Zudem sei festzustellen, dass die Druckschrift [X.] weder die Verortung eines [X.]s auf der Leiterplatte einer Steuereinheit noch seine Anordnung zwischen der Leiterplatte und einem [X.] lehre.

9

Die Prüfungsstelle für Klasse [X.] des [X.]es hat die Anmeldung daraufhin ohne eine – auch nicht beantragte – Anhörung mit Beschluss vom 20. Mai 2021 zurückgewiesen.

Der am Anmeldetag eingereichte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut (mit ergänzter Merkmalsgliederung):

M1.1 Trockenläuferpumpe (1) zum Fördern eines Fördermediums, aufweisend

M1.2 einen Motor (11) zum Antreiben einer Pumpenwelle (2) der Trockenläuferpumpe um eine Längsachse (100),

M1.3 eine Steuereinheit (19), die mit dem Motor (11) zur Ansteuerung verbunden ist,

M1.4 ein fördermediumführendes Pumpengehäuse (4) in dem ein Laufrad (6) angeordnet ist und

M1.5 einen [X.] (7) der das Pumpengehäuse (4) gegenüber dem Motor (11) abdichtet,

dadurch gekennzeichnet, dass

M1.6 die Steuereinheit (19) mit dem [X.] (7) auf der [X.] Seite verbunden ist,

M1.7 wobei die Steuereinheit (19) eine Leiterplatte (20) und einen darauf angeordneten [X.] (21) umfasst, und

M1.8 wobei der [X.] (21) in Längsrichtung zwischen Leiterplatte (20) und [X.] (7) liegend und konzentrisch zu beiden (7, 20) angeordnet ist und

M1.9 in unmittelbarer Anlage zu dem [X.] (7) zur Ausbildung eines thermisch leitenden Kontakts steht.

Sie begründet ihre Entscheidung damit, dass der Gegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 für den von ihr definierten Fachmann ausgehend von der Druckschrift [X.] in Verbindung dem Inhalt der Druckschrift [X.] unter Berücksichtigung seines Fachwissens nahegelegt sei.

Eine Abschrift der am 20. Mai 2021 elektronisch signierten Beschlussbegründung wurde der Anmelderin am 27. Mai 2021 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die einschließlich ihrer Begründung am 24. Juni 2021 beim [X.] elektronisch eingegangen ist.

Darin hat die Beschwerdeführerin bzw. Anmelderin ihre Anmeldung mit gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unveränderter Anspruchsfassung weiterverfolgt und die Zurückerstattung der [X.] beantragt.

Zur Rechtfertigung ihres Antrags auf Rückzahlung der [X.] führt die Beschwerdeführerin aus, dass der dem Beschluss vorausgehende Prüfungsbescheid nicht im Einklang mit den Richtlinien zur Prüfung von Patentanmeldungen des [X.]s stehe. Dort werde nur pauschal behauptet, der die Lehre der Druckschrift [X.] als Ausgangspunkt wählende Fachmann gelange bei Kenntnis des Inhalts der Druckschrift [X.] ohne weitere Überlegungen zu der beanspruchten Trockenläuferpumpe. Diesen Ausführungen mangele es entgegen den Bestimmungen des Abschnitts 2.4 der zitierten Richtlinien nicht nur an einer Gegenüberstellung der beanspruchten Merkmale mit denen des Standes der Technik, sondern auch an einer Darlegung, weshalb der Fachmann veranlasst gewesen sein soll, die beiden Druckschriften zu kombinieren.

Des Weiteren befasse sich der Bescheid vom 26. Juli 2019 nur mit einem Teil der Anspruchsfassung. Die Beschwerdeführerin sei daher zunächst davon ausgegangen, dass einer Patentfähigkeit der nicht aufgeführten Ansprüche auch nichts entgegenstehe. Erst im Beschluss vom 20. Mai 2021 habe die Prüfungsstelle ihre Auffassung offensichtlich revidiert. Zudem schließe der in Rede stehende Bescheid mit der Feststellung: „Bei der gegebenen Sachlage ist eine Patenterteilung derzeit nicht möglich.“ Die Beschwerdeführerin sei insofern von der unmittelbaren Beschlussfassung überrascht gewesen, als sie – auf diese Aussage vertrauend – mit der Fortführung des Prüfungsverfahrens gerechnet habe.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde zurückgenommen. Sie beantragt jedoch weiterhin die Rückzahlung der [X.].

Hinsichtlich der geltenden Anspruchsfassung sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Zurücknahme der Beschwerde steht einer Entscheidung über den noch anhängigen Antrag der Anmelderin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht entgegen (§ 80 Abs. 3 und 4 [X.]), die sich nach billigem Ermessen bestimmt. Billigkeitsgründe können sich insbesondere aus der Sachbehandlung durch das [X.] ergeben, etwa bei sachlicher Fehlbeurteilung, Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen die Verfahrensökonomie. Insgesamt müssen für die Erhebung der Beschwerde ursächliche Umstände vorliegen, die es unbillig erscheinen lassen, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl., § 73, [X.]. 140).

Ein diese Rechtsfolge auslösender Umstand liegt nicht vor.

Die Prüfungsstelle hatte im kurz gefassten, aus sich heraus jedoch verständlich abgefassten Prüfungsbescheid vom 26. Juli 2019 ihre Auffassung damit begründet, dass eine [X.] gemäß dem Patentanspruch 1 gegenüber einer sinngemäß naheliegenden Kombination der Lehren der Druckschriften [X.] und [X.] nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, insoweit unter Anwendung richtigen Rechts.

Hinsichtlich des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 bezieht sich die Prüfungsstelle dabei pauschal auf die Lehre der Druckschrift [X.], ohne näher auf die verschiedenen Merkmale im Einzelnen einzugehen oder entsprechende Textstellen anzugeben. Diese Verfahrensweise setzt sich auch in ihren Darlegungen zum kennzeichnenden Abschnitt des Patentanspruchs 1 fort, in denen sie unter Verweis auf die Offenbarung der Druckschrift [X.] lediglich auf die aus ihrer Sicht entscheidungserheblichen Teilmerkmale abstellt. Obschon die Frage nach der Veranlassung des Fachmanns zur Kombination der beiden Druckschriften unbeantwortet bleibt, konnte die Prüfungsstelle bei der anwaltlich vertretenen Anmelderin erwarten, dass sie die im zitierten Bescheid genannten Druckschriften durcharbeiten und sich so ihren substanziellen Offenbarungsgehalt erschließen konnte. Dies umso mehr, als der Umfang der beiden Druckschriften übersichtlich erscheint, angesichts von jeweils nur einer geringen Anzahl von Zeichnungen (3 bzw. 5 Figuren) und jeweils nicht mehr als zwei Seiten Beschreibung. Das Maß der notwendigen Konkretisierung in einem Prüfungsbescheid richtet sich nämlich auch nach der Person des Adressaten (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl., § 45, [X.]. 16). Bei einer Patentanwaltskanzlei als Empfänger des Prüfungsbescheids war deshalb davon auszugehen, dass die Vertretung der Anmelderin die darin enthaltenen Beanstandungen verstehen und ihre davon abweichende Auffassung hinreichend darlegen konnte, wie es auch ihre Erwiderung vom 21. Juli 2020 dokumentiert.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Wertung der Prüfungsstelle, die eine Patenterteilung mangels erfinderischer Tätigkeit ausgeschlossen hat, in der Sache richtig war. Denn lediglich rechtlich konträre Beurteilungen eines technischen Sachverhalts durch die Anmelderin und die Prüfungsstelle können regelmäßig nicht als Beleg für einen schwerwiegenden Begründungsmangel dienen. Eine Abweichung hiervon ist nur dann möglich, wenn die Argumentation der Prüfungsstelle in einem solchen Maße neben der Sache liegt (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl., § 73, [X.]. 142), dass sie schlichtweg nachvollziehbaren logischen Grundsätzen widerspricht. Dies ist aber weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen noch für den Senat erkennbar.

Auch ein grober Verfahrensverstoß, insbesondere eine Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 45 Abs. 2 [X.], ist nicht ersichtlich. Mit der Wahrung des rechtlichen Gehörs wird jedem Verfahrensbeteiligten ein Anrecht zugestanden, sich zu allen für die abschließende Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gründen vor der Beschlussfassung äußern zu können (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl. [X.]. [X.]. 283 ff.). Hiervon ist die Prüfungsstelle vorliegend nicht abgewichen, da sich durch die Eingabe der Anmelderin vom 21. Juli 2020 weder der beanspruchte Gegenstand geändert hat noch seitens der Prüfungsstelle im angefochtenen Beschluss neue Argumente vorgebracht wurden. Dort hat die Prüfungsstelle die bereits im Prüfungsbescheid dargelegte Argumentation zur Patentfähigkeit aufgegriffen und weiter vertieft. Dabei führte sie auch aus, weshalb der Fachmann die im Beschluss genannten Dokumente unter Berücksichtigung seines Fachwissens kombiniert. Im Hinblick auf die Frage der Rückzahlung der [X.] kommt es letztlich nicht darauf an, ob die Anmelderin die genannten Gründe für überzeugend hält. Entscheidend ist, dass die Begründung die tragenden Erwägungen erkennen lässt (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl. § 80 [X.]. 116 i.V.m. § 73 [X.]. 148).

Soweit die Beschwerdeführerin zudem die fehlende Auseinandersetzung der Prüfungsstelle mit allen ursprünglich eingereichten Ansprüchen rügt, ist festzustellen, dass eine Anmeldung bereits dann zurückzuweisen ist, wenn ein einzelner Anspruch nicht patentfähig ist. Auf die abhängigen Ansprüche und den Nebenanspruch im Einzelnen kam es insoweit nicht mehr an.

Mithin hat die Prüfungsstelle im vorliegenden Fall die Sache ordnungsgemäß und angemessen behandelt, die nachvollziehbare Begründung mit Bezug auf die Druckschriften [X.] und [X.] orientiert sich an der Sache. Im Übrigen musste dem anwaltlichen Vertreter der Anmelderin bewusst sein, dass der Erlass des Zurückweisungsbeschlusses in Abfolge auf den ersten Prüfungsbescheid bei unveränderter Anspruchsfassung ohne zumindest hilfsweise Beantragung einer Anhörung nach gefestigter [X.] in Betracht kam. Für eine Wertung als Überraschungsentscheidung besteht insofern kein Raum (vgl. [X.], [X.], 11. Aufl. [X.]. [X.]. 285).

Meta

9 W (pat) 13/21

06.02.2023

Bundespatentgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.02.2023, Az. 9 W (pat) 13/21 (REWIS RS 2023, 7221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7221

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

20 W (pat) 109/05 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Transimpedanzverstärkeranordnung für hohe Schaltfrequenzen" – Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses aufgrund einer "Unklarheit" eines Merkmals …


20 W (pat) 20/09 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren - "Zusatzanmeldung" – vor Einreichung einer Zusatzanmeldung in Bezug auf die Hauptanmeldung ergangene Bescheide …


18 W (pat) 10/15 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren zur fälschungssicheren Identifikation individueller elektronischer Baugruppen" – zur Sachdienlichkeit der Durchführung einer …


19 W (pat) 3/17 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Automatische Schiebetüranlage mit Notöffnungsvorrichtung" – zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr – erfolglose Beschwerde wegen …


20 W (pat) 58/13 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren zur Steuerung eines sicherheitsrelevanten Funktionsbausteins" – zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr – Verletzung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.