Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.11.2010, Az. 20 W (pat) 20/09

20. Senat | REWIS RS 2010, 1393

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren - "Zusatzanmeldung" – vor Einreichung einer Zusatzanmeldung in Bezug auf die Hauptanmeldung ergangene Bescheide des DPMA haben für das Verfahren über die Zusatzanmeldung keine Geltung – Prüfungsstelle weist Zusatzanmeldung zurück - Anmelder erhält keine Gelegenheit sich zu Beanstandungen zu äußern - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


Leitsatz

Zusatzanmeldung

1. Anders als in den Verfahren über Teilungs- oder Ausscheidungsanmeldungen haben Bescheide und Verwaltungsakte des Deutschen Patent- und Markenamts, die vor Einreichung einer Zusatzanmeldung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 PatG in Bezug auf die Hauptanmeldung ergangen sind, keine Geltung für das Verfahren über die Zusatzanmeldung.

2. Es verletzt den Anspruch des Zusatzanmelders auf rechtliches Gehör, wenn die Prüfungsstelle die Zusatzanmeldung zurückweist, ohne dem Anmelder - sei es im Wege eines Prüfungsbescheides gemäß § 45 PatG, sei es im Wege einer Anhörung gemäß § 46 Abs. 1 PatG - Gelegenheit zu geben, sich zu den Beanstandungen zu äußern, mit denen die Zurückweisung begründet wird. Das gilt auch dann, wenn die Zusatzanmeldung aus denselben Gründen zurückgewiesen wird, aus denen bereits die Hauptanmeldung beanstandet worden war.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2005 017 270.9-35

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2010 durch den Vorsitzenden [X.]. Dr. [X.], den [X.]. [X.], die Richterin [X.] sowie den Richter Dipl.-Ing. Musiol

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 04 B des [X.] vom 6. März 2009 aufgehoben und das Verfahren wird auf der Grundlage der neuen Patentansprüche 1 bis 16 zur erneuten Prüfung an das [X.] zurückverwiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am [X.] als [X.] zu der Hauptanmeldung 10 2005 012 109.8 zunächst ohne [X.] eingereichte Patentanmeldung 10 2005 017 270.9-35 betrifft ein Kanalschätzverfahren, genauer ein Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-[X.]s in einem Kommunikationssystem zur Datenübertragung; des weiteren ein zugehöriges Kommunikationssystem sowie einen zur Verwendung in einem derartigen Kommunikationssystem vorgesehenen Empfänger (vgl. Anmeldeunterlagen, [X.], [X.] 10 - 17).

2

In [X.] werden von einem Sender abgestrahlte elektromagnetische Wellen aufgrund von Verlusten durch Reflexion, Beugung und dgl. gedämpft. Diese Dämpfung ist einerseits ortsabhängig und andererseits bei sich bewegenden Sendern bzw. Empfängern auch zeitabhängig. Da Reflexionen des Signals an mehreren in der Umgebung des Empfängers befindlichen Objekten auftreten können, trifft nicht nur ein einziges Signal an dem Empfänger ein, sondern auch weitere Signalkomponenten, sog. Signalechos, die zeitlich unterschiedlich verzögert empfangen werden (Mehrwege- oder Multipfad-Empfang; vgl. Anmeldeunterlagen, [X.], [X.] 19 - 36).

3

Um die Einflüsse des [X.] zu beherrschen, werden im Stand der Technik sogenannte Superresolution-Verfahren eingesetzt. Diese Verfahren beruhen auf Algorithmen, mit denen der Kanal für die Signalübertragung abgeschätzt werden soll. Der [X.] stellt dabei ein theoretisches Modell dar, mit dem die Veränderung des Signals auf dem Weg von dem Sender zu dem Empfänger beschrieben wird. Im Rahmen der Superresolution-Algorithmen wird versucht, einen theoretischen [X.] abzuschätzen, dessen Einfluss auf das Signal weitestgehend der Realität entspricht. Dies erfolgt anhand eines Vergleichs des tatsächlich am Empfänger eingetroffenen Signals mit auf Basis von verschiedenen [X.] berechneten synthetischen Empfangs-Signalen. Bekannte Algorithmen hierfür sind beispielsweise der so genannte [X.] (Multiple Signal Classification)-Algorithmus oder der [X.] (Estimation of Signal Parameters Via Rotational Invariance Techniques)Algorithmus. Wurde ein Kanal gefunden, der die bestmögliche Schätzung für die Übertragung des Signals ermöglicht, kann aus diesem dann die Laufzeit für das direkt (also ohne Reflexionen) übertragene Signal abgeleitet werden (vgl. Anmeldeunterlagen, [X.], [X.] 11 - [X.], [X.] 4).

4

Der streitigen Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, die Qualität einer Kanalschätzung in Kommunikationssystemen weiter zu verbessern. Insbesondere soll die Genauigkeit der Kanalschätzung weiter erhöht werden (vgl. Anmeldeunterlagen, [X.], [X.] 26 - 30).

5

Die erfindungsgemäße Lösung geht davon aus, dass für die in der üblichen Kommunikationstechnik bzw. der Navigation genutzten Frequenzen keine wesentliche Veränderung des [X.] für auf verschiedenen Frequenzen übertragene Signale zu erwarten ist, also für in unterschiedlichen Frequenzbereichen übermittelte Signale (insoweit) ein gemeinsamer [X.] vorliegt (vgl. Anmeldeunterlagen, [X.], [X.] 36 - S. 5, [X.] 13).

6

Als vorteilhaft sieht die Erfindung an, dass im Vergleich zur bisherigen Vorgehensweise, bei der für jede Sendefrequenz eine individuelle und unabhängige Kanalschätzung erfolgte, weniger unbekannte Parameter des gemeinsamen [X.]s geschätzt werden müssen. Gleichzeitig wird die Genauigkeit der Schätzung deutlich verbessert, da die Schätzung auf Basis von mehr Informationen durchgeführt werden kann. Im Vergleich zu Systemen, bei denen lediglich auf einer einzigen Sendefrequenz eine Datenübermittlung stattfindet, sei die Qualität der Kanalschätzung ebenfalls besser (vgl. Anmeldeunterlagen, ebenda sowie [X.], [X.] 11 - 23).

7

Die ursprünglich eingereichte Patentanmeldung umfasst 23 Ansprüche, von denen drei einander nebengeordnet sind.

8

Der ursprünglich angemeldete Patentanspruch 1 lautet (Aufzählungszeichen hinzugefügt):

9

M1 „Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-[X.]s in einem Kommunikationssystem,

fj ) mit mehreren anhand von Modell-Übertragungskanälen berechneten synthetischen Empfangs-Signalen verglichen werden und

[X.] anhand dieses Vergleichs ein [X.] für die übermittelten Signale geschätzt wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

fj ) ein gemeinsamer Übertragungskanal für alle Signale geschätzt wird.“

Bezüglich der weiteren abhängigen und unabhängigen Ansprüche wird auf die Akte verwiesen.

Im Verfahren zur (ehemaligen) Hauptanmeldung teilte die Prüfungsstelle mit Erstbescheid vom 14. [X.] mit, warum ihrer Meinung nach die Gegenstände der Patentansprüche der Hauptanmeldung nicht patentfähig seien. Insbesondere vertrat die Prüfungsstelle die Ansicht, dass der Gegenstand des in der Hauptanmeldung geltenden [X.] in Ansehung der Druckschrift

[X.]: [X.], X.; PAHLAVAN, K.: [X.]. In: [X.], VOL. 3, NO. 1, [X.], [X.] -234,

nicht mehr als neu gelten könne.

Daraufhin erklärte die Anmelderin mit Eingabe zur Hauptanmeldung 10 2005 012 109.8 vom 13. März2006, eingegangen beim [X.] am 14. März2006, die Zurücknahme der Hauptanmeldung, ohne weiter zur Patentfähigkeit oder zu den Ausführungen des Erstbescheids Stellung zu nehmen.

Mit einer weiteren Eingabe zur (damaligen) [X.] 10 2005 017 270.9-35, ebenfalls vom 13. März2006, eingegangen beim [X.] am 14. März2006, beantragte die Anmelderin die Umwandlung der vorliegenden Anmeldung in eine selbstständige Anmeldung und stellte gleichzeitig [X.].

Mit Beschluss vom 6. März 2009 wies die Prüfungsstelle die vorliegende Anmeldung 10 2005 017 270.9-35 zurück.

Sie führte im Zurückweisungsbeschluss u. a. aus:

„Da der [X.] im Wortlaut identisch ist mit dem [X.] der zwischenzeitlich zurückgenommenen Hauptanmeldung, gilt hierfür die gleiche Beurteilung wie im Prüfungsbescheid zur Hauptanmeldung vom 14. [X.].

Zu diesem Zeitpunkt bestand noch ein Zusatzverhältnis der vorliegenden Anmeldung zur Hauptanmeldung. Die dadurch bedingte besondere Verbindung der beiden Anmeldungen macht sowohl für das Patentamt als auch für die Anmelderin eine gemeinsame Betrachtung der beiden Anmeldungen erforderlich. Aus diesem Grund kann der Anmelderin zugemutet werden, die vom Patentamt mitgeteilten Mängel der Hauptanmeldung, die auf Grund identischer Ansprüche unverändert auch für die [X.] gelten, auch bei der Weiterverfolgung der letzteren als unabhängige Anmeldung zu berücksichtigen. Der Anmelderin musste daher bewusst sein, dass aus den im Prüfungsbescheid zur Hauptanmeldung genannten Gründen auch die in der [X.] beanspruchten Gegenstände nicht patentfähig sind. Dennoch hat sie mit diesem Wissen mit Eingabe vom 13. März 2006 die Umwandlung in eine selbstständige Akte beantragt und [X.] gestellt.“

Die Prüfungsstelle führte im Zurückweisungsbeschluss weiter aus, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu und schloss den Beschluss mit folgenden Aussagen:

„Somit ist ein Verfahren mit [X.] im [X.] angegebenen Merkmalen aus der [X.]) bekannt.

Die Anmelderin hat sich hierzu auch in der früheren Hauptanmeldung nicht geäußert und nicht erkennen lassen, wie der Mangel fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit beseitigt werden soll.“    

sowie

„Damit liegen weiterhin keine für eine Patenterteilung geeigneten Unterlagen vor. Alle entscheidungserheblichen Tatsachen waren der Anmelderin durch das Verfahren in der früheren Hauptanmeldung bereits bekannt. Die Anmeldung ist daher aus den oben genannten Gründen zurückzuweisen.“

Der Zurückweisung lagen die mit dem Anmeldetag beanspruchten Patentansprüche 1 bis 23 zugrunde.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihre Anmeldung weiter. In der mündlichen Verhandlung hat sie neue Patentansprüche 1 bis 16 eingereicht und beantragt, wie beschlossen. Außerdem hat sie angeregt, ihr die Beschwerdegebühr zu erstatten. Die Anmelderin meint, sie sei in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden, weil die Entscheidung der Prüfungsstelle erfolgte, ohne der Anmelderin Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

geltende Patentanspruch 1 lautet (Aufzählungszeichen hinzugefügt):

M1 „Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-[X.]s in einem Kommunikationssystem,

fj ) mit mehreren anhand von Modell-Übertragungskanälen berechneten synthetischen Empfangs-Signalen verglichen werden und

[X.] anhand dieses Vergleichs ein [X.] für die übermittelten Signale geschätzt wird,

fj ) ein gemeinsamer Übertragungskanal für alle Signale geschätzt wird, und wobei

ij ) sowie eine Pfadlänge (l i ) geschätzt wird, wobei die Pfadlängen (l i ) jeweils eines Pfads für die in den verschiedenen Frequenzbereichen an dem Empfänger (1) eintreffenden Signale (s fj ) identisch sind

 dadurch gekennzeichnet, dass

f2 ) eine Vorabschätzung des Übertragungskanals erfolgt,

f2 ) geschätzt wird.“

Bezüglich der weiteren abhängigen und unabhängigen Ansprüche wird auf die Akte verwiesen.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die beanspruchten Gegenstände der geltenden Patentansprüche 1 bis 16 gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und durch diesen auch nicht nahe gelegt seien.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das [X.], weil mit Vorlage der neuen geltenden Patentansprüche 1 bis 16 neue Tatsachen bekannt geworden sind, die für die Entscheidung wesentlich sind (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.]).

1. Die Patentansprüche 1 bis 16 sind zulässig. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 16 ergeben sich aus den Gegenständen der Patentansprüche der ursprünglichen Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörend. Für den geltenden Patentanspruch 1 ergibt sich dies aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 7.

Der [X.] ist in der Fassung der geltenden Unterlagen auch so vollständig und deutlich offenbart, dass der zuständige Fachmann, ein Diplomingenieur der Nachrichtentechnik mit universitärer Ausbildung und Erfahrung auf dem Gebiet der Planung und Auslegung sowie des Betriebs von [X.], ihn ausführen kann.

2. Das Verfahren zum Abschätzen eines Multipfad-Übertragungskanals in einem Kommunikationssystem nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist unzweifelhaft gewerblich anwendbar und gilt auch gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift [X.] als neu. Bei dem dort ausgebildeten Verfahren werden zwar auch Signale in zumindest zwei verschiedenen Frequenzbereichen übermittelt und auf Basis der in den verschiedenen Frequenzbereichen an dem Empfänger (1) eintreffenden Signale (s fj ) ein gemeinsamer Übertragungskanal für alle Signale geschätzt (vgl. beispielsweise [X.], [X.], rechte Spalte 2. Absatz). Diese Abschätzung des gemeinsamen Übertragungskanals geschieht jedoch in einem Schritt (vgl. ebenda sowie Gleichung (10) auf Seite 226; fehlende Merkmale [X.] und [X.]).

Auch der weitere im Verfahren befindliche Stand der Technik nach den Druckschriften

[X.]: [X.], H.: TLS-[X.] in a Time Delay Estimation. In: [X.], 4 - 7May1997, VOL. 3, [X.]619 -1623 und

[X.]: [X.], [X.]; [X.], M.: [X.] Systems on Highly Time and Frequency Selective Channels. In: [X.], [X.] '00, 5-9 June 2000, VOL. 5, S. 2977 - 2980.

kann die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Patentanspruchs 1 nicht gefährden:

Die Druckschrift [X.] beschäftigt sich mit dem Einsatz des auch in der streitigen Anmeldung erwähnten TLS-Esprit Algorithmus für die Laufzeitschätzung und geht über die Offenbarung der Druckschrift [X.] nicht hinaus (ebenfalls fehlende Merkmale [X.] und [X.]).

Die Druckschrift [X.], die sich mit der Turbo-Kanalschätzung in Orthogonal-Frequenz-Diversity Multiplex-Systemen beschäftigt, würde der Fachmann im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht ziehen, da sie - im Widerspruch zu einer der Grundannahmen der streitigen Anmeldung - stark zeit- und frequenz-selektive Kanäle voraussetzt (vgl. bereits den dortigen Titel).

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ergibt sich auch nicht in nahe liegender Weise aus dem zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht zu ziehenden Stand der Technik und dem Fachwissen des zuständigen Fachmanns.

Die [X.] liefert dem Fachmann eine Kanalschätzung unter Verwendung von bei verschiedenen Frequenzen ermittelter Kanalantworten. Der Fachmann hat aufgrund dieser Möglichkeit keine Veranlassung, diese geschlossene Lösung durch ein iteratives Verfahren im Sinne des geltenden Patentanspruchs 1 zu ersetzen.

f2 ) eine Vorabschätzung des Übertragungskanals erfolgt, und (nachfolgend) auf Basis dieser Vorabschätzung der Übertragungskanal anschließend anhand von in einem zweiten Frequenzbereich an dem Empfänger eintreffenden Signalen (s f2 ) geschätzt wird.

Die Merkmale [X.] und [X.] sind dem Fachmann somit mit der Druckschrift [X.] nicht nahegelegt.

Dies gilt ebenso für die weiteren Druckschriften [X.] und [X.], die in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt haben. Dabei ist die [X.] (wie bereits ausgeführt) schon aufgrund des strukturellen Unterschieds ihres Gegenstandes gegenüber dem [X.] nicht geeignet, dem Fachmann die Merkmale [X.] und [X.] im vorliegenden Zusammenhang nahezulegen; der Fachmann wird sich mit ihr nicht weiter beschäftigen.

4. Die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 8 und 15 teilen jeweils die erfinderische Leistung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik und begegnen insoweit keinen Bedenken.

Die Merkmale der abhängigen Patentansprüche gehen über reine Selbstverständlichkeiten hinaus; auch sie begegnen insoweit keinen Bedenken.

5 . Bei dieser Sachlage war die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Über die Schutzfähigkeit der neuen Patentansprüche konnte der Senat keine eigene Entscheidung treffen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Stand der Technik existiert, der einer Erteilung des angemeldeten Patents in dessen jetziger Fassung entgegensteht. Zuständig für eine entsprechende Recherche des druckschriftlichen Standes der Technik zu [X.] Anspruchsmerkmalen sind an erster Stelle die Prüfungsstellen des [X.]s mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken.

In dem Fall, dass die Prüfungsstelle die vorliegende Anspruchsfassung nach ordnungsgemäßer Prüfung als gewährbar erachtet, wird sie auf eine Anpassung der Beschreibung und eine Korrektur der Figur 3 (dort ist wohl nicht die Ableitung der Autokorrelationsfunktion aufgetragen, sondern die Autokorrelationsfunktion selbst) hinwirken müssen.

6. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf Billigkeitserwägungen (§ 80 Abs. 3 [X.]). Der angegriffene Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle ist unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergangen und es kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei einem ordnungsgemäßen patentamtlichen Verfahren das Beschwerdeverfahren unterblieben wäre.

Die Prüfungsstelle war auch im vorliegenden Fall gem. § 45 Abs. 2 [X.] dazu verpflichtet, dem Anmelder die Einwände des Prüfers gegen die Schutzfähigkeit des Gegenstandes der beschwerdegegenständlichen Anmeldung mitzuteilen und dem Anmelder Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das hat die Prüfungsstelle nicht getan. Die Verpflichtung der Prüfungsstelle, vor einer verfahrensabschließenden Entscheidung gegebenenfalls einen Prüfungsbescheid gem. § 45 Abs. 2 [X.] zu erlassen, ergibt sich schon daraus, daß die vorliegende Anmeldung im Zeitpunkt ihrer Prüfung beim [X.] eine selbständige Anmeldung war ohne verfahrensrechtliche Besonderheiten. Denn nach der Rücknahme der Hauptanmeldung mit Wirkung vom 14. März 2006 und mit dem Antrag der Anmelderin vom selben Tage auf Umwandlung der streitigen Anmeldung in eine selbständige Anmeldung war die ursprüngliche [X.] zum Zeitpunkt der rechtswirksamen Stellung des [X.]s zu einer in jeder Hinsicht selbständigen Anmeldung geworden, die in keinem verfahrensrechtlichen Zusammenhang mehr stand mit der ursprünglichen Hauptanmeldung. Das wird u. a. daran deutlich, daß sich die Laufzeit der verselbständigten Anmeldung nur noch nach ihrem eigenen Anmeldetag und nicht auch nach dem der anfänglichen Hauptanmeldung richtet mit der Folge, daß sich diese Laufzeit immer über (derzeit) 20 Jahre erstreckt. Denn auf das Anmeldeverfahren von [X.]en findet § 16 Abs. 2 Satz 1 [X.] keine Anwendung. Nur bei erteilten [X.] berechnet sich der Beginn von deren Laufzeit nach dem Anmeldetag des Zusatzpatents, während sich das Ende von deren Laufzeit nach dem Anmeldetag des [X.] berechnet und zwar auch dann, wenn das Hauptpatent durch Widerruf, Verzicht oder durch Erklärung der Nichtigkeit wegfällt und das Zusatzpatent deswegen zu einem selbständigen Patent wird. Beantragt dagegen ein Anmelder bereits während des Anmeldeverfahrens die Umwandlung einer [X.] in eine selbständige Anmeldung, so verliert diese jeden [X.] und verfahrensrechtlichen Zusammenhang mit der anfänglichen Hauptanmeldung (vgl. [X.], 216 f.. - Schuhklebstoff, damals zu den alten §§ 10 und 11 [X.] vom 5. Mai 1936 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1968; vgl. außerdem [X.], Patentgesetz mit EPÜ, 8. Auflage, § 16 Rdnr. 30; [X.]/[X.] Patentrecht, 10. Auflage, § 16 Rdnr. 24).

Auch dann, wenn es sich im vorliegenden Fall um eine [X.] zu einer fortbestehenden Hauptanmeldung bzw. zu einem bereits erteilten Hauptpatent gehandelt hätte, hätte das Vorgehen der Prüfungsstelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs bedeutet. Denn schon wegen des notwendigen materiellen Unterschieds zwischen Haupt- und [X.] können der [X.] keine früheren Verfügungen, Bescheide oder Beschlüsse des [X.]s zugerechnet, bzw. entgegengehalten werden, die in dem Verfahren über die Hauptanmeldung bzw. das Hauptpatent ergangen sind. Die [X.] ist ihrer Natur nach auf eine jedenfalls teilweise andere Erfindung als die Hauptanmeldung angelegt. § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] definiert die [X.] als eine Anmeldung, die eine Verbesserung oder eine weitere Ausbildung des [X.] bezweckt. Dementsprechend muß die Prüfungsstelle es gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 4 [X.] beanstanden, wenn sie im Rahmen der [X.] feststellt, daß eine [X.] offensichtlich keine Verbesserung oder weitere Ausbildung der Hauptanmeldung bezweckt. Kann der Anmelder diese Beanstandung nicht ausräumen und hält er die [X.] als [X.] gleichwohl aufrecht, dann ist die Anmeldung zurückzuweisen, § 42 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Im Unterschied zur Hauptanmeldung hat die [X.] einen späteren Anmeldetag und daran knüpfen sich alle patentrechtlichen Konsequenzen für die Schutzfähigkeit der [X.]. Auch die Anbindung des Endes der Laufzeit der [X.] an das Laufzeitende der Hauptanmeldung hat keinen materiellen Grund, sondern erklärt sich ausschließlich aus dem Gebührenprivileg der [X.] gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Verzichtet der Anmelder auf dieses Privileg und läßt er seine Anmeldung in eine selbständige Anmeldung umwandeln, so bestimmt sich das Laufzeitende der [X.] nur und ausschließlich nach deren eigenem Anmeldetag (vgl. [X.], 216 f.. - Schuhklebstoff).

www.bundespatentgericht.de ).

Meta

20 W (pat) 20/09

15.11.2010

Bundespatentgericht 20. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.11.2010, Az. 20 W (pat) 20/09 (REWIS RS 2010, 1393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1393

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

20 W (pat) 109/05 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Transimpedanzverstärkeranordnung für hohe Schaltfrequenzen" – Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses aufgrund einer "Unklarheit" eines Merkmals …


20 W (pat) 17/08 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – „Empfänger und Verfahren zum Empfangen eines Kanalprofil aufweisenden Datensignals“ – mangelnde Ausführbarkeit einer …


19 W (pat) 75/09 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Einrichtung zur Speicherung von elektrischer Energie" – Übereinstimmung der Unterlagen der Teilanmeldung mit …


20 W (pat) 58/13 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren zur Steuerung eines sicherheitsrelevanten Funktionsbausteins" – zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr – Verletzung …


17 W (pat) 6/18 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren zur Hervorhebung und Detektion wiederholter Nutzsignalkomponenten innerhalb eines Quellsignals" – zur Patentfähigkeit


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.