Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.12.2012, Az. X B 39/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 609

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegungsanforderungen


Leitsatz

1. NV: Für eine zulässige Divergenzrüge sind die divergierenden abstrakten Rechtssätze der behaupteten Divergenzentscheidung und der angefochtenen Entscheidung deutlich herauszuarbeiten.   

2. NV: Allein mit dem Vortrag, das FG-Urteil sei rechtlich fehlerhaft, wird eine Divergenz nicht dargelegt.   

3. NV: Eine Verletzung rechtlichen Gehörs wird nicht dargetan, wenn lediglich geltend gemacht wird, das FG sei dem (wenn auch inhaltlich zutreffenden) Klägervortrag nicht gefolgt.   

4. NV: Wird eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen von Beweisanträgen gerügt, so sind diese Beweisanträge genau zu bezeichnen. Eine pauschale Bezugnahme auf den Vortrag im Klageverfahren genügt nicht.   

5. NV: Die Prüfung, ob eine zulässige Klageänderung vorliegt, findet im Revisionsverfahren nur statt, wenn die Revision aus anderen Gründen zuzulassen wäre.

Tatbestand

1

I. Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich gegen ein Urteil, mit dem das Finanzgericht ([X.]) eine Klage auf Aufhebung von [X.] nach §§ 268 ff. der Abgabenordnung abgewiesen hat. Die Klägerin rügt Verfahrensmängel, namentlich die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Übergehen von [X.], Verstöße gegen den klaren Inhalt der Akten sowie gegen die Gesetze der Logik und Denkgesetze. Letztlich sei auch eine Divergenz zur Rechtsprechung des [X.] ([X.]) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) gegeben.  

Entscheidungsgründe

2

II. [X.] ist unzulässig. [X.]begründung der Klägerin genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O an die Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O.

3

1. Die von der Klägerin gerügte Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des [X.] ist nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O dargelegt worden.

4

a) Eine die einheitliche Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O gefährdende Divergenz liegt vor, wenn das [X.] bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der [X.], das [X.], der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], ein anderes oberstes [X.]gericht oder ein anderes Finanzgericht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2012 [X.]1/12, [X.]/NV 2012, 1616; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 53, m.w.N.). Das [X.] muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 2011 [X.]117/10, [X.]/NV 2011, 2075, und vom 20. Juli 2009 [X.]238/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, [X.]; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 54).

5

Dies ist deutlich herauszuarbeiten (vgl. z.B. Senatsbeschluss in [X.]/NV 2011, 2075, m.w.N.).

6

b) Die Rüge der Klägerin, das angefochtene Urteil verstoße gegen die [X.]-Rechtsprechung zu der Frage, wann eine Klageänderung i.S. des § 67 [X.]O zu verneinen sei, genügt dem nicht.

7

Die Klägerin stellt in Bezug auf die behauptete Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 den Rechtssatz auf, keine Klageänderung i.S. des § 67 [X.]O sei der Austausch der Klagebegründung, und belegt diesen mit Literaturstimmen und den [X.]-Urteilen vom 14. November 1995 VIII R 3/95, 4/95, 5/95 ([X.]/NV 1996, 481) und vom 11. Februar 2009 [X.] ([X.]E 226, 1, [X.], 892). Im Übrigen erschöpft sich ihre Beschwerdebegründung im Wesentlichen in den Aussagen, dass nach ihrer Rechtsauffassung keine Klageänderung (im Wege der nachträglichen Klagehäufung) nach § 67 [X.]O gegeben sei, weil lediglich die Klagebegründung dahin ergänzt worden sei, dass die Nichtigkeit der den streitgegenständlichen [X.]n zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 auf die [X.] [X.]. Dem von ihr aufgestellten Rechtssatz hat sie jedoch keinen --abweichenden-- Rechtssatz aus dem [X.]-Urteil gegenübergestellt, sondern lediglich die Richtigkeit des Urteils anhand dieser Maßstäbe bestritten.

8

Im Übrigen lässt sich dem [X.]-Urteil tatsächlich kein divergierender Rechtssatz entnehmen. Die Klägerin verkennt augenscheinlich, dass sie nicht nur --mit Schriftsatz vom 26. Januar 2011-- ihre Klagebegründung erweitert hat, sondern dass sie nunmehr --daneben-- auch die Feststellung der Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 begehrt (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2011). Dies ist unzweifelhaft eine Erweiterung des Klagebegehrens, ungeachtet der Frage, welche Bedeutung im Übrigen der Vortrag für die [X.] hat.

9

c) Das Vorbringen der Klägerin, das [X.] weiche von dem Rechtssatz ab, dass die Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 dazu führe, dass die streitgegenständlichen [X.] (zumindest) rechtswidrig und deshalb aufzuheben seien, rechtfertigt ebenso wenig die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O).

Es handelt sich schon nicht um einen abstrakten Rechtssatz, sondern um ein fallbezogenes Subsumtionsergebnis. Es fehlt dementsprechend an der Bezeichnung einer Divergenzentscheidung, die einen solchen Rechtssatz enthält.

Schließlich hat die Klägerin diese [X.] erstmalig im Schriftsatz vom 12. August 2011 und damit nach Ablauf der [X.] gemäß § 116 Abs. 3 [X.]O erhoben, so dass sie unbeachtlich ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 [X.]116/06, [X.]/NV 2007, 1705; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 22). In der Beschwerdebegründung vom 24. Mai 2011 hatte die Klägerin in diesem Punkt noch keine Divergenz, sondern ein Verkennen ihres Vortrags gerügt.

2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Weise dargelegt.

a) Die Klägerin beanstandet, das [X.] habe den eindeutigen Klägervortrag verkannt, dass die Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide zu deren Unwirksamkeit führe, so dass auch keine Steuerschuld hätte aufgeteilt werden können. Hierin ist, wenn die Klägerin dies auch nicht ausdrücklich ausgeführt hat, die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 119 Nr. 3 [X.]O zu sehen.

Die Klägerin hat jedoch nicht dargelegt, woraus sie folgert, das [X.] habe sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Vielmehr ist den Entscheidungsgründen zu entnehmen, dass das [X.] dies getan hat, wenn auch wohl in rechtlich fehlerhafter Weise: Eine etwaige Nichtigkeit der Steuerbescheide dürfte auf die [X.] [X.]n (vgl. dazu [X.]-Beschluss vom 1. März 2001 VIII B 134/00, nicht veröffentlicht, juris), weil die Aufteilung sich denknotwendig nur auf rückständige, also existente Steuern beziehen kann.

Das [X.] hat unter [X.] auch unter dem Thema der Klageänderung-- ausgeführt, es sei ein völlig neuer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt worden. Dem ist zu entnehmen, dass es den Vortrag der Klägerin in Bezug auf die [X.] aus Rechtsgründen nicht für relevant hielt. Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet nicht, dass das Gericht den Kläger "erhören", sich also seinen rechtlichen Ansichten anschließen müsste ([X.]-Beschluss vom 26. November 2007 VIII B 121/07, [X.]/NV 2008, 397). Ob es dies richtigerweise hätte tun müssen, ist eine Frage der materiell-rechtlichen Richtigkeit der Entscheidung, die grundsätzlich die Zulassung der Revision nicht ermöglicht. Rechtsfehler können nur unter engen Voraussetzungen die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bewirken, wenn sie besonders schwerwiegend sind (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 22. August 2012 [X.]155/11, [X.]/NV 2012, 2015). Eine entsprechende Rüge hat die Klägerin nicht erhoben, erst recht die Voraussetzungen nicht im Einzelnen dargelegt.

b) Soweit die Klägerin das Übergehen von Beweisanträgen rügt, fehlt es an einer § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Darlegung des Verfahrensmangels.

Das [X.] verletzt seine Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O, wenn es einen aus seiner materiell-rechtlichen Sicht entscheidungserheblichen Beweisantrag ablehnt (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2011 [X.]138/10, [X.]/NV 2012, 595).

Die Klägerin hat es bereits versäumt, bestimmte Beweisanträge zu bezeichnen, denen das [X.] nicht nachgekommen sei. Ihre pauschale Bezugnahme auf den Vortrag im Klageverfahren wird dem Zweck des Begründungszwangs bei der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht, den [X.] davon zu entlasten, selbst das Vorliegen etwaiger Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 [X.]O anhand der Akten ermitteln zu müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. September 2011 [X.]144/10, [X.]/NV 2012, 3; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 26).

Zudem fehlt es an einem substantiierten Vortrag, inwiefern das Urteil des [X.] auf dem Übergehen der Beweisanträge beruhen kann. Insbesondere soweit es die Nichtigkeit der den streitgegenständlichen [X.]n zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide 1992 und 1996 betrifft, war die Frage aus der --maßgebenden-- materiell-rechtlichen Sicht des [X.] nicht erheblich, nachdem die Einkommensteuerbescheide durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde [X.]190/07 mit Beschluss vom 11. November 2008 rechtskräftig geworden waren.

c) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten rügt, hat sie ebenfalls entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O nichts dazu vorgetragen, worin dieser Verstoß liegen soll. Dasselbe gilt für das Vorbringen, das [X.] habe gegen die Gesetze der Logik und Denkgesetze verstoßen.

3. Soweit die Klägerin erstmalig mit Schriftsatz vom 12. August 2011 (sinngemäß) rügt, die von dem [X.] (fälschlich) angenommene Klageänderung wäre zulässig gewesen, kann auch dieses Vorbringen nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen ist, ist gemäß § 67 Abs. 3 [X.]O nicht selbständig anfechtbar, sodass eine Überprüfung in einem Revisionsverfahren nur dann in Betracht käme, wenn die Revision aus anderen Gründen zuzulassen wäre ([X.]-Beschluss vom 10. Juli 2007 VII S 25/07 (PKH), [X.]/NV 2007, 2240; vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 67 [X.]O Rz 63). Dies ist vorliegend hingegen nicht der Fall. Im Übrigen ist dieses Vorbringen verspätet.

4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O ab.

Meta

X B 39/11

10.12.2012

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 27. Januar 2011, Az: 14 K 1236/09, Urteil

§ 67 FGO, § 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 119 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.12.2012, Az. X B 39/11 (REWIS RS 2012, 609)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 609

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