Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.09.2019, Az. V R 38/17

5. Senat | REWIS RS 2019, 3870

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Gegenstand

Zum Vorsteuerabzug aus berichtigten Schlussrechnungen


Leitsatz

1. Eine Revision ist auch dann zulässig, wenn das FG der Klage zwar stattgibt, dem Klagebegehren aber nicht voll entspricht.

2. Bei einer Schlussrechnung ergibt sich der Vorsteuerabzug aus der ausgewiesenen Umsatzsteuer abzüglich der bereits in den Abschlagsrechnungen enthaltenen Umsatzsteuer.

3. Eine berichtigte Rechnung setzt ein Dokument voraus, das spezifisch und eindeutig auf die berichtigte Rechnung bezogen ist.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 16.03.2017 - 5 K 5040/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog seit 2003 von der [X.] Bauleistungen für ein zu 57,135 % steuerpflichtig vermietetes Gebäude. Mit geändertem Umsatzsteuerbescheid vom [X.] setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Umsatzsteuer im [X.] an eine Betriebsprüfung auf 52.408,56 € fest.

2

Im November 2011 beantragte der Kläger die Änderung des [X.] 2007 und reichte die Schlussrechnung der [X.] vom [X.] ein, die in der Buchführung bislang nicht enthalten gewesen war. Die [X.] rechnete darin wie folgt ab:

674.812,20 €

netto 

  33.740,61 €

Gewährleistung

  26.000,00 €

Mängel

615.071,59 €

Bemessungsgrundlage

116.863,60 €

19 % Umsatzsteuer

731.935,19 €

brutto (114.195,75 €: lt. Kläger 98.651,86 €)

715.226,00 €

geleistete Zahlungen

  16.709,19 €

offener Zahlbetrag

3

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) machte der Kläger die darin ausgewiesene Differenz zwischen ausgewiesener und geleisteter Umsatzsteuer in Höhe von 57,135 % (10.405,28 €) als Vorsteuer geltend.

4

In einer Mahnung vom 16.11.2010 legte die [X.] ebenfalls eine Netto-Bemessungsgrundlage von 674.812,20 € zugrunde, wies darin aber einen Umsatzsteuersatz von 16 % aus.

5

Mit Schreiben vom 13.03.2012 überreichte der Kläger eine weitere, vom [X.] als "berichtigte Schlussrechnung" bezeichnete, Rechnung der [X.] vom 29.02.2012. Einen Hinweis auf die Schlussrechnung vom [X.] enthielt die Rechnung vom 29.02.2012, mit der der Kläger eine Minderung der Umsatzsteuer 2007 von 52.408,56 € um 14.068,04 € auf 38.340,52 € begehrte, nur insoweit als auf beiden Rechnungen der Vermerk "Komm. 245" angebracht war. Die [X.] hatte in der Rechnung vom 29.02.2012 wie folgt abgerechnet:

674.812,20 €

Bauleistungen

  26.000,00 €

Mängel

648.812,20 €

        

123.274,32 €

19 % Umsatzsteuer

772.086,52 €

brutto

  38.604,33 €

Gewährleistungseinbehalt

733.482,19 €

        

715.226,00 €

geleistete Abschlagszahlungen

(98.651,86 €)

hierin enthaltene Umsatzsteuer

18.256,19 €

Zahlbetrag

6

Mit Bescheid vom 21.06.2012 lehnte das [X.] die Änderung des [X.] 2007 ab. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

7

Im Klageverfahren hatte der Kläger beantragt, die Umsatzsteuer 2007 von bisher 52.408,56 € um 14.068,04 € auf 38.340,52 € herabzusetzen. Der Antrag beruhte auf der anteiligen (57,135 %-igen) Geltendmachung der in der Rechnung vom 29.02.2012 ausgewiesenen Umsatzsteuer (123.274,32 €) abzüglich der in den Abschlagszahlungen ausgewiesenen Umsatzsteuern (98.651,86 €) in Höhe von [X.] (hiervon 57,135 % = 14.068,04 €).

8

Das [X.] gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2018, 413 veröffentlichten Urteil in vollem Umfang statt, erkannte im Tenor aber nur weitere Vorsteuern in Höhe von 1.665,40 € an. Das [X.] ging bei der Berechnung der weiteren anzuerkennenden Vorsteuern davon aus, dass diese sich aus der in dem Zahlbetrag von 18.256,19 € anteilig zu 57,135 % enthaltenen Umsatzsteuern (18.256,19 € x 19/119 = 2.914,85 € x 57,135 % = 1.665,40 €) ergäben.

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Er rügt, dass das [X.] zwar in der Sache richtig entschieden, die Vorsteuern aber unzutreffend berechnet habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil aufzuheben und unter Änderung des [X.] 2007 vom 21.06.2012 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2015 die Umsatzsteuer von 52.408,56 € um 14.068,04 € auf 38.340,52 € herabzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen und die Klage unter Aufhebung des [X.]-Urteils abzuweisen.

Das [X.] ist nach wie vor der Auffassung, dass die Schlussrechnung vom [X.] nicht bereits im Jahr 2007 vorgelegen habe, sondern erst später erstellt worden sei und deshalb nicht im Streitjahr zum Vorsteuerabzug berechtige.

Auch aus der Rechnung vom 29.02.2012 ergebe sich kein Anspruch auf Vorsteuer für den Kläger, denn es liege keine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung vor, sondern eine Abrechnung nach Änderung der Bemessungsgrundlage. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs sei daher nach § 17 Abs. 1 Sätze 2 und 7 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten sei. Das sei jedenfalls nicht das Streitjahr gewesen.

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige (hierzu 1.) Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zu Unrecht einen Anspruch des [X.] aus der Rechnung vom 29.02.2012 angenommen, weil diese --im Gegensatz zur Auffassung des [X.]-- keine Rückwirkung entfaltet (hierzu 2.). Das [X.] ist zudem unzutreffend davon ausgegangen, dass sich bei einer Schlussrechnung der anzuerkennende Vorsteuerbetrag aus dem im Nachforderungsbetrag enthaltenen Steuerbetrag ergibt (hierzu 3.). Das [X.] hat schließlich unzutreffend entschieden, dass ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen mit einem unzutreffend hohen Steuersatz auch hinsichtlich des erhöhten Teiles besteht (hierzu 4.).

1. Die Revision des [X.] ist zulässig, weil der Kläger durch das [X.]-Urteil formell beschwert ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Revision ist u.a., dass der Revisionskläger durch die von ihm angefochtene Entscheidung formell beschwert ist. Die formelle Beschwer ist gegeben, soweit das [X.] dem Klagebegehren nicht voll entsprochen hat (z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom [X.], [X.], 586). Das ist vorliegend der Fall, denn das [X.] hat der Klage in den Gründen zwar vollumfänglich stattgegeben, die Umsatzsteuer 2007 aber nicht, wie vom Kläger beantragt, um 14.068,04 €, sondern nur um 1.665,40 € herabgesetzt.

2. Die Revision ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet, weil das [X.] zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Rechnung vom 29.02.2012 eine Berichtigung der Rechnung vom [X.] darstellt und deshalb im Jahr 2007 zum Vorsteuerabzug führt.

Zwar können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]), der sich der [X.] angeschlossen hat, Rechnungen, die fehlende oder fehlerhafte Angaben aufweisen, mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung berichtigt werden ([X.]-Urteil [X.] vom 15.09.2016 - [X.]/14, [X.]:[X.]; [X.]-Urteile vom 01.03.2018 - V R 18/17, [X.]E 261, 18; vom 20.10.2016 - V R 26/15, [X.]E 255, 348). Das setzt aber nach Art. 219 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom [X.] (MwStSystRL) voraus, dass die berichtigte Rechnung spezifisch und eindeutig auf diese bezogen ist. Dem entspricht die Regelung in § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i.V.m. § 31 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV), wonach die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die berichtigte Rechnung bezogen ist, übermittelt werden müssen (vgl. auch [X.]-Urteil vom 12.10.2016 - XI R 43/14, [X.]E 255, 474, Rz 24). An einem spezifischen und eindeutigen Bezug auf die Rechnung vom [X.] fehlt es vorliegend. Der einzige Hinweis in der Rechnung vom [X.] auf die Rechnung vom [X.] ist der Vermerk "Komm. 245", der sich auch auf der Rechnung vom [X.] befindet. Das aber ist weder spezifisch noch eindeutig.

3. Bei einer Schlussrechnung ergibt sich der Vorsteuerabzug aber vielmehr aus der ausgewiesenen Umsatzsteuer abzüglich der bereits in den Abschlagsrechnungen enthaltenen Umsatzsteuer, wobei ggf. ein nur anteilig anzuerkennender Anteil (hier 57,135 %) zu berücksichtigen ist. Das [X.] hat, wie der Kläger zutreffend rügt, des Weiteren unzutreffend entschieden, dass sich der Vorsteuerabzug aus einer Schlussrechnung aus der in dem Zahlbetrag von 18.256,19 € anteilig zu 57,135 % enthaltenen Umsatzsteuer (18.256,19 € x 19/119 = 2.914,85 € x 57,135 % = 1.665,40 €) ergibt.

4. Ob dem Kläger aus der Rechnung der D-GmbH vom [X.], die nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen bereits im Jahr 2007 vorgelegen hat, im Streitjahr 2007 ein Vorsteueranspruch zusteht, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden.

a) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht gemäß Art. 63 und 167 MwStSystRL, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht (z.B. [X.]-Urteil Klub vom 22.03.2012 - [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 36). Steuertatbestand und Steueranspruch treten nach Art. 63 MwStSystRL zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird. Dem entspricht die Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG. Das ist bei Bau- oder Montagedienstleistungen gewöhnlich der Zeitpunkt der physischen Fertigstellung der Arbeiten ([X.]-Urteil [X.] vom 02.05.2019 - [X.]/18, [X.]:[X.], Rz 23, 27). Bei Bau- oder Montagedienstleistungen, bei denen --wie hier durch die Bezugnahme auf die Vergabe- und Vertragsordnung für [X.] die Abnahme der Arbeiten im Vertrag vereinbart wurde, gehört die Abnahme zur Leistung, die deshalb erst mit der Abnahme erbracht ist ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 35).

b) Da das [X.] zum Zeitpunkt der Abnahme keine Feststellungen getroffen hat, wird es diese in seiner erneuten Entscheidung nachholen müssen. Dabei wird es Folgendes zu beachten haben:

Sollte die Abnahme im Streitjahr 2007 erfolgt sein, ergäbe sich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ein Vorsteueranspruch in Höhe der in der Rechnung vom [X.] ausgewiesenen 19 %, obwohl dieser Steuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG i.d.F. durch Art. 4 Nr. 1 des [X.] 2006 vom [X.] ([X.], 1402) erst für nach dem 31.12.2006 ausgeführte Lieferungen und Leistungen gilt.

Das folgt aber nicht daraus, wie das [X.] zu Unrecht entschieden hat, dass in einer Rechnung überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer zu einem Vorsteueranspruch in der ausgewiesenen Höhe führt. Denn § 15 Abs. 1 UStG lässt i.d.F. durch Art. 5 Nr. 19 a aa des Steueränderungsgesetzes 2003 ([X.] 2003) vom 15.12.2003 ([X.], 2645) nur den Abzug der geschuldeten Steuer zu. Hierzu gehört aber nicht eine unberechtigt ausgewiesene Steuer (z.B. [X.]-Urteil vom 02.04.1998 - V R 34/97, [X.]E 185, 536, [X.] 1998, 695, zu § 14 Abs. 3 UStG a.F.; [X.]-Urteile vom 11.04.2002 - V R 26/01, [X.]E 198, 238, [X.] 2004, 317, und vom 01.02.2001 - V R 23/00, [X.]E 194, 493, [X.] 2003, 673, zu § 14 Abs. 2 UStG a.F.). Das galt im Übrigen im Wege richtlinienkonformer Auslegung auch schon vor Inkrafttreten des [X.] 2003 (z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 185, 536, [X.] 1998, 695; in [X.]E 198, 238, [X.] 2004, 317, und in [X.]E 194, 493, [X.] 2003, 673).

Der Steuersatz von 19 % folgt daraus, dass Änderungen des Steuersatzes gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 UStG auch bereits mit Vereinnahmung einer Anzahlung vor Ausführung der Leistung entstandene Steuer erfassen, wenn die Leistung nach Inkrafttreten der Änderung ausgeführt wird. [X.]. eine auf Grund einer Vereinnahmung vor dem 01.01.2007 zunächst in Höhe von 16 % entstandene Steuer ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 UStG in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Leistung ausgeführt wird (bei Abnahme in 2007 also 2007), auf den Steuersatz von 19 % zu berichtigen, sofern dieser nach dem 31.12.2006 liegt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 38/17

05.09.2019

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. März 2017, Az: 5 K 5040/15, Urteil

§ 12 Abs 1 UStG 2005, § 14 Abs 6 Nr 5 UStG 2005, § 15 Abs 1 UStG 2005, § 17 Abs 1 UStG 2005, § 17 Abs 2 UStG 2005, § 17 Abs 7 UStG 2005, § 27 Abs 1 UStG 2005, § 31 Abs 5 UStDV, Art 63 EGRL 112/2006, Art 219 EGRL 112/2006, UStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.09.2019, Az. V R 38/17 (REWIS RS 2019, 3870)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3870

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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