Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2011, Az. I ZB 47/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 169

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines an einem Drittort ansässigen Rechtsanwalts - Rechtsanwalt an einem dritten Ort


Leitsatz

Rechtsanwalt an einem dritten Ort

Beauftragt ein Unternehmen, das bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung, der weder am Gerichtsort noch am Unternehmenssitz der Partei und auch nicht an dem Ort der unternehmensinternen Bearbeitung der Sache ansässig ist, sind die Reisekosten des Rechtsanwalts regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten vom Unternehmenssitz zum Gerichtsort erstattungsfähig.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 20. April 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 516,98 €

Gründe

1

I. Die Klägerin ist eine in [X.] ansässige Versicherungsgesellschaft, die über eine Zweigniederlassung in [X.] verfügt. Eine Rechtsabteilung hat die [X.]er Zweigniederlassung nicht.

2

Die Klägerin nahm die Beklagte wegen eines Transportschadens vor dem [X.] auf Zahlung von 14.300 € nebst Zinsen in Anspruch. Mit der Prozessvertretung beauftragte sie in [X.] ansässige Rechtsanwälte, die auch die vorprozessuale Anspruchsdurchsetzung übernommen hatten. Nach dem zwischen den [X.]en zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich hat die Klägerin 30% und die Beklagte 70% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3

Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin Kosten eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts für die Wahrnehmung von zwei Terminen vor dem [X.] in Höhe von 1.269,85 € zur Kostenausgleichung angemeldet. Das [X.] hat bei der Kostenausgleichung die Kosten des unterbevollmächtigten Rechtsanwalts nur bis zur Höhe der Reisekosten für zwei Fahrten von [X.] nach [X.] zur [X.] in Höhe von 531,30 € berücksichtigt.

4

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie die Festsetzung weiterer 516,98 € begehrt hat, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

5

II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

6

1. Die [X.]keit der Kosten eines Unterbevollmächtigten richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ([X.], Beschluss vom 9. September 2004 - [X.], [X.], 84 f. = [X.], 1492 - [X.]). Um dem erforderlichen persönlichen Kontakt und dem Vertrauensverhältnis zwischen [X.] und Anwalt Rechnung zu tragen, kann eine [X.] grundsätzlich die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten auch dann erstattet verlangen, wenn dieser bei dem Prozessgericht nicht zugelassen und am Gerichtsort nicht ansässig ist (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2003 - [X.], [X.], 448 = [X.], 495 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; Beschluss vom 6. Mai 2004 - [X.], [X.], 886 = [X.], 1169 - Auswärtiger Rechtsanwalt im Berufungsverfahren). Die dann gegebenenfalls zusätzlich entstehenden Kosten eines Unterbevollmächtigten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aber nur insoweit erstattungsfähig, als sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten erstattungsfähigen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen ([X.], Beschluss vom 14. September 2004 - [X.] 37/04, NJW-RR 2005, 707, 708; Beschluss vom 21. September 2005 - [X.], [X.], 301, 302; Beschluss vom 28. Juni 2006 - [X.], [X.], 3008 Rn. 7).

7

Maßstab für die [X.]keit von Reisekosten des Hauptbevollmächtigten ist dabei § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO. Danach ist die Beauftragung des Hauptbevollmächtigten nicht erforderlich, wenn ein am Ort des [X.] ansässiger Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter hätte beauftragt werden müssen ([X.], Beschluss vom 13. Mai 2004 - [X.], [X.] 2004, 1212, 1213).

8

2. Die Klägerin war zwar nicht gehalten, einen Bevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen. Sie kann aber auch nicht die höheren Kosten beanspruchen, die dadurch entstanden sind, dass sie einen Hauptbevollmächtigten an einem vom Unternehmenssitz abweichenden dritten Ort beauftragt hat.

9

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Klägerin habe vorgetragen, dass sie über keine eigene Rechtsabteilung verfüge, als international tätiger Versicherer die in [X.] ansässigen Prozessbevollmächtigten regelmäßig mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im nationalen und internationalen Bereich beauftrage und diese im Jahr mit der Prüfung mehrerer hundert derartiger Vorgänge befasst würden. Diese Organisationsform, die den berechtigten Interessen der Klägerin Rechnung trägt, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen, muss die Beklagte zwar grundsätzlich hinnehmen (vgl. [X.], [X.], 3008 Rn. 12). [X.] sind die fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, der eine [X.] vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht klagt, und der weder am Gerichtsort noch am Unternehmenssitz der [X.] ansässig ist, regelmäßig aber nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten vom Unternehmenssitz zum Gerichtsort (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 2007 - [X.], [X.], 726 Rn. 13 = [X.], 957 - Auswärtiger Rechtsanwalt VI). Eine Ausnahme hiervon kommt in Betracht, wenn ein Unternehmen einen Prozessbevollmächtigten an dem Ort beauftragt, an dem die vorausgegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache erfolgt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Mai 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 283 Rn. 7). Einen derartigen Ausnahmefall hat das Berufungsgericht vorliegend aber zutreffend verneint. Dagegen ist es nach der Rechtsprechung des [X.] für sich allein noch kein ausreichender Grund zur Beauftragung des auswärtigen an einem dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten, wenn zwischen der [X.] und dem Prozessbevollmächtigten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit besteht ([X.], NJW-RR 2009, 283 Rn. 8). Damit vergleichbar ist der vorliegende Fall, in dem die Klägerin nicht an ihrem Unternehmenssitz in [X.], sondern in [X.] ansässige Prozessbevollmächtigte vorprozessual und prozessual mit der Rechtsverfolgung beauftragt.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                                               Büscher                                           Schaffert

                                 Koch                                                  [X.]

Meta

I ZB 47/09

21.12.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 20. April 2009, Az: 18 W 363/08, Beschluss

§ 91 Abs 1 S 1 ZPO, § 91 Abs 2 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2011, Az. I ZB 47/09 (REWIS RS 2011, 169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 169

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Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZB 53/21

I ZB 62/17

VIII ZB 106/11

I ZB 47/09

11 W 1542/19

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