Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.02.2013, Az. VII R 37/11

7. Senat | REWIS RS 2013, 8443

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Gegenstand

Zolltarif: Einreihung sogenannter Silikonventile


Leitsatz

NV: In Öffnungen von Kunststoffbehältern einzusetzende Verschlüsse aus Kunststoff, die mit einem zentrisch angebrachten kreuzweisen Einschnitt versehen sind, der sich bei Druck auf den Behälter nach außen wölbt und einen Teil des Behälterinhalts nach außen abgibt, sind als Ventile aus Kunststoff in die Pos. 8481 KN einzureihen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte in den Jahren 2005 und 2006 über verschiedene Hauptzollämter Flaschenverschlüsse aus Kunststoff in das Zollgebiet der [X.] ein, die in den von ihren Vertretern abgegebenen Zollanmeldungen in unterschiedlicher Weise, jedoch zumeist als Silikonventile der [X.]. 8481 80 79 (Zollsatz 2,2 %) der Kombinierten Nomenklatur ([X.]) bezeichnet und antragsgemäß abgefertigt wurden.

2

Bei diesen Waren handelt es sich um runde, hutförmige, mit einem zentrisch angebrachten kreuzweisen Einschnitt versehene Verschlüsse aus Kunststoff verschiedener Größen, die in Öffnungen von Kunststoffbehältern (z.B. Kunststoffflaschen wie Seifen- oder [X.]) eingesetzt werden. Diese sog. Silikonventile verschließen das jeweilige Kunststoffbehältnis praktisch luft- und wasserdicht. Der zentrisch angebrachte Kreuzschlitz wölbt sich nach außen und öffnet den Verschluss, sobald das Kunststoffbehältnis mit Handkraft zusammengedrückt wird, und gibt dadurch einen entsprechenden Teil des [X.] nach außen ab, verschließt das Behältnis aber wieder, wenn kein Druck auf das Behältnis mehr ausgeübt wird.

3

Soweit bei früheren Einfuhren abweichende Bezeichnungen bzw. [X.]itionen der [X.] angegeben worden waren, wurden Warenproben von Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalten ([X.]) untersucht und eingereiht. So hatten die [X.] X und die [X.] Y in Einreihungsgutachten vom 30. Juli 2004 bzw. 4. Januar 2007 die streitigen Waren als "Armatur (Ventil aus Kunststoff für Behälter), nicht für Luftfahrzeuge" bzw. als "Armatur, keine Sanitärarmatur, nicht für Heizkörper oder Reifen, kein Regelventil, Ventil aus Kunststoff, nicht für Luftfahrzeuge" in die [X.]. 8481 80 79 [X.] eingereiht.

4

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) die Ansicht, die streitigen Waren seien "Andere Waren aus Kunststoffen" der [X.]. 3926 90 99 [X.] 2005 bzw. der [X.]. 3926 90 98 [X.] 2006 (Zollsatz 6,5 %) und erhob mit Einfuhrabgabenbescheid Zoll gemäß dem höheren Zollsatz nach. Diese Einreihungsauffassung teilte die [X.] X in Einreihungsgutachten vom 12. Februar 2008 bzw. in einer Stellungnahme vom 25. Juli 2008.

5

Auf die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das [X.] ([X.]) den angefochtenen Abgabenbescheid zum überwiegenden Teil auf. Zwar seien die eingeführten Silikonventile Waren der [X.]. 3926 90 99 [X.] 2005 bzw. der [X.]. 3926 90 98 [X.] 2006. Der Nacherhebung des Zolls nach dem höheren Zollsatz stehe jedoch Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex entgegen. Die unzutreffende Abgabenerhebung beruhe auf einem Irrtum der [X.] X, die mit ihrem Einreihungsgutachten vom 30. Juli 2004 die eingeführten Silikonventile als Waren der [X.]. 8481 80 79 [X.] angesehen habe. Die Klägerin sei gutgläubig gewesen und habe diesen Irrtum nicht erkennen können. Lediglich soweit in den vom Abgabenbescheid betroffenen Zollanmeldungen von dem genannten Einreihungsgutachten abgewichen und andere Warenbezeichnungen verwendet worden seien, sei Vertrauensschutz nicht zu gewähren.

6

Mit seiner Revision macht das [X.] geltend, die streitigen Waren seien zolltariflich als Waren aus Kunststoffen anzusehen, jedoch (anders als vom [X.] und früher auch vom [X.] vertreten) als Verschlüsse aus Kunststoffen richtigerweise in die [X.]. 3923 50 [X.] (Zollsatz ebenfalls 6,5 %) einzureihen. Vertrauensschutz sei nicht zu gewähren, denn die unterbliebene Abgabenerhebung beruhe nicht auf einem sog. aktiven Irrtum der Zollbehörde, weil die [X.] wie angemeldet abgefertigt worden seien. Soweit man wegen des früheren Einreihungsgutachtens der [X.] X vom 30. Juli 2004 einen aktiven Irrtum annehmen wollte, könne Vertrauensschutz nur hinsichtlich der vom [X.] X abgefertigten Einfuhrsendungen geltend gemacht werden.

7

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung dahin zu ändern, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.

8

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist zulässig, jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben, soweit hinsichtlich der im [X.]-Urteil aufgeführten [X.]itionen dieses Bescheids Abgaben in Höhe von … € nacherhoben worden sind.

Nach den Feststellungen des [X.] und der vom [X.] vorgelegten Aufstellung der streitigen Einfuhren beruht dieser vom [X.] nachgeforderte Abgabenbetrag auf der von den Zollanmeldungen abweichenden zolltariflichen Einreihung der [X.] durch das [X.], der zufolge diese nicht --wie angemeldet-- als Waren der Unterpos. 8481 80 79 [X.] (Zollsatz 2,2 %), sondern als andere Waren aus Kunststoffen der Unterpos. 3926 90 99 bzw. 3926 90 98 [X.] (Zollsatz 6,5 %) anzusehen sind. Insoweit ist der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid jedoch rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), weil die eingeführten Silikonventile zu Recht als Waren der [X.]. 8481 [X.] mit einem Zollsatz von 2,2 % abgefertigt worden sind.

Zur [X.]. 8481 [X.] gehören Armaturen und ähnliche Apparate für Rohr- oder Schlauchleitungen, Dampfkessel, Sammelbehälter, Wannen oder ähnliche Behälter, einschließlich Druckminderventile und thermostatisch gesteuerte Ventile. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System ([X.]), die nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] sowie des erkennenden Senats zwar nicht bindende, jedoch wichtige und bei der tariflichen Einreihung zu berücksichtigende Hilfsmittel sind, um eine einheitliche Anwendung des Zolltarifs zu gewährleisten, sind Armaturen und ähnliche Apparate im Sinne dieser Tarifposition Organe, die an Rohr- oder Schlauchleitungen oder Behältern angebracht werden, um mithilfe eines Verschlusses, der je nach seiner Stellung einen Durchgang öffnet oder verschließt, den Durch-, Zu- oder Abfluss strömender Medien (Flüssigkeiten, Gase, Dämpfe, dickflüssige Stoffe) zu regeln ([X.] zur [X.]. 8481 Rz 01.0, 02.0). Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, können Armaturen und ähnliche Apparate aus Stoffen jeder Art (ausgenommen vulkanisierter Weichkautschuk, keramische Stoffe oder Glas) bestehen und verbleiben grundsätzlich in der [X.]. 8481 [X.] ohne Rücksicht auf ihren Verwendungszweck ([X.] zur [X.]. 8481 Rz 06.0, 08.1).

Die streitige Ware erfüllt diese Voraussetzungen. Sie wird an Öffnungen von Behältern angebracht, welche Flüssigkeiten oder dickflüssige Stoffe enthalten, und ist aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit in der Lage, die Öffnung dieser Behälter zu verschließen oder freizugeben und auf diese Weise den Abfluss des jeweiligen Inhalts des Behältnisses zu regeln. Dem Einwand der Revision, das Herausdrücken des [X.] könne nicht als Regelung eines strömenden Mediums angesehen werden, ist nicht zu folgen. Obwohl der Druck in dem Kunststoffbehältnis durch Handkraft erhöht wird, ist es gleichwohl das auf dem Behältnis angebrachte Silikonventil, das aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit auf den erhöhten Druck im Behältnis reagiert und durch sein kurzzeitiges Öffnen und Schließen das Herausströmen des [X.] regelt. Insoweit weisen die streitigen Silikonventile dieselbe Funktionsweise auf wie die von der [X.]. 8481 [X.] erfassten [X.]. Dass sie im Gegensatz zu diesen nicht verwendet werden, um einen Überdruck im Behältnis zu vermeiden, sondern um einen Teil seines Inhalts austreten zu lassen, ist unerheblich, da es zolltariflich grundsätzlich nur auf die Beschaffenheitsmerkmale einer Ware und nicht auf ihren Verwendungszweck ankommt. Die Funktionsweise, nämlich das Öffnen des Verschlusses bei Erreichen eines bestimmten Drucks im Behälter und das darauf folgende Verschließen des Behälters, sobald der Druck nachlässt, bleibt in jedem Fall dieselbe.

Unerheblich ist es auch, dass das Öffnen des streitigen Silikonventils durch das Zusammendrücken des [X.] ausgelöst wird. In den [X.] zur [X.]. 8481 Rz 02.0 ist eine Vielzahl verschiedener Betätigungsmöglichkeiten von Armaturen und Ventilen beispielhaft aufgezählt. Dass eine bestimmte Art der Betätigung eines der Regelung strömender Medien dienenden Erzeugnisses seiner Einreihung in die [X.]. 8481 [X.] entgegensteht, ist nicht erkennbar.

Anders als die [X.] mit ihrem Einreihungsgutachten vom 12. Februar 2008 sowie das [X.] vertreten und das [X.] erwogen --aber offengelassen-- haben, muss eine Ware, um in die [X.]. 8481 [X.] eingereiht werden zu können, keinen Maschinencharakter durch das Vorhandensein mechanischer Elemente aufweisen. Zur Widerlegung der Annahme, das [X.]. 84 [X.] erfasse nur mechanische Apparate und Geräte, genügt der Hinweis auf die zur [X.]. 8471 [X.] gehörenden automatischen Datenverarbeitungsmaschinen und ihre Einheiten. Im Übrigen ist nicht erkennbar, weshalb die das Öffnen und Schließen bewirkende Vorrichtung der streitigen Ware etwas anderes als ein mechanisches Element (Schließmechanik) ist.

Auch geben weder der Wortlaut der zur [X.]. 8481 [X.] gehörenden Unterpositionen noch die entsprechende [X.] einen Hinweis auf die vom [X.] vertretene Auffassung, ein Ventil müsse aus einem Ventilgehäuse und einem Verschlusselement bestehen. Die Avise zum Harmonisierten System Rz 04.0 und 07.0, auf die sich das [X.] insoweit bezieht, beschreiben lediglich bestimmte Arten von Ventilen, ohne dass daraus Rückschlüsse gezogen werden können, welche Beschaffenheitsmerkmale Armaturen oder Ventile der [X.]. 8481 [X.] im Allgemeinen aufzuweisen haben. Weshalb z.B. ein direkt, d.h. ohne Ventilgehäuse in eine Rohrleitung eingebautes Verschlusselement, welches den Durchfluss in der Leitung regelt, mangels Gehäuse kein Ventil sein soll, erschließt sich nicht.

Schließlich kann auch nicht dem Einwand des [X.] gefolgt werden, in den Behältnissen, als deren Verschluss die streitigen Silikonventile dienen, befänden sich stehende, nicht aber strömende Flüssigkeiten. Armaturen und ähnliche Apparate i.S. der [X.]. 8481 [X.] regeln nach der [X.] zur [X.]. 8481 Rz 01.0 (u.a.) den Abfluss von Flüssigkeiten oder Gasen aus (jeglichen) Behältern, also auch aus solchen, in denen Flüssigkeiten oder Gase nicht strömen bzw. fließen, sondern stehen, also durch das Öffnen der Armatur bzw. des Ventils erst zum Strömen gebracht werden (vgl. dazu die Beispiele in [X.] zur [X.]. 8481 Rz 26.1., 30.1, 31.1).

Sind aber die streitigen Silikonventile als Waren der [X.]. 8481 [X.], also als Waren des Abschn. XVI [X.] anzusehen, so sind sie gemäß [X.]. 2 Buchst. p zu [X.]. 39 [X.] aus diesem [X.]itel ausgewiesen.

Meta

VII R 37/11

05.02.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 14. Oktober 2010, Az: 14 K 2888/08, Urteil

Pos 3923 UPos 50 KN, Pos 3926 UPos 9098 KN, Pos 8481 UPos 8079 KN, Kap 39 Anm 2 Buchst b KN

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.02.2013, Az. VII R 37/11 (REWIS RS 2013, 8443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8443

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