Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2015, Az. I B 83/14

1. Senat | REWIS RS 2015, 5113

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Gegenstand

"Finaler" ausländischer Vermietungsverlust


Leitsatz

NV: Ein Verlust eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus der Vermietung einer in Österreich belegenen Wohnung, der in Österreich endgültig nicht nutzbar ist, weil der Steuerpflichtige dort keine anderweitigen Einkünfte erzielt und seinerzeit (2009) nach dortigem Recht für Überschusseinkünfte keine Möglichkeit des Verlustvortrags existiert hat, ist kein mit inländischen Einkünften verrechenbarer "finaler" Verlust .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 8. Juli 2014  4 K 1134/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der im Inland wohnende Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) betreibt eine Praxis in [X.] ([X.] --Deutschland--). Er erwarb im Streitjahr (2009) eine Eigentumswohnung in [X.] ([X.]), die er vermietete.

2

Die [X.] Finanzverwaltung erließ gegenüber dem Kläger einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem dessen --dort der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden-- Einkünfte wie folgt berechnet wurden:

3

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

- 5.789,60 €

Sonderausgaben (§ 18 des österreichischen Einkommensteuergesetzes 1988 --öEStG 1988--)

   - 80,00 €

Einkommen

- 5.849,60 €

Hinzurechnung gemäß § 102 [X.]bs. 3 öEStG 1988

9.000,00 €

Einkommsteuer-[X.]emessungsgrundlage

3.150,40 €

darauf entfallende Einkommensteuer

0 €

4

Gegenüber dem [X.]eklagten und [X.]eschwerdegegner (Finanzamt --F[X.]--) erklärte der Kläger für das Streitjahr einen Verlust aus der Vermietung der Wohnung von 10.033,70 €. Der [X.]etrag setzt sich zusammen aus dem Verlust "gemäß Mitteilung F[X.] [X.]" in Höhe von 5.789,60 € und Schuldzinsen in Höhe von 4.244,10 €.

5

Das F[X.] berücksichtigte den Verlust bei Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr weder im Rahmen der steuerlichen [X.]emessungsgrundlage noch bei der [X.]emessung des Steuersatzes im Rahmen des (negativen) [X.] nach Maßgabe von § 32b des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG 2009). Der Kläger ist demgegenüber der [X.]uffassung, der Verlust müsse aus unionsrechtlichen Gründen als sog. "finaler" Verlust aus Vermietung und Verpachtung mit seinen positiven inländischen Einkünften verrechnet werden. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) [X.]aden-Württemberg hat sie mit Urteil vom 8. Juli 2014  4 K 1134/12 ([X.] Steuerrecht/ Entscheidungsdienst 2015, 1293) als unbegründet abgewiesen.

6

Der Kläger beantragt mit seiner [X.]eschwerde die Zulassung der Revision gegen das [X.]-Urteil.

7

Das F[X.] hat sich zu der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) liegt nicht vor.

9

1. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung möchte der Kläger zunächst geklärt wissen:

"Begründet der Umstand, dass ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in einem anderen Mitgliedstaat der [X.], dem kraft Doppelbesteuerungsabkommen als Belegenheitsstaat im Wege der Freistellungsmethode das Besteuerungsrecht zugewiesen ist, nur eine einzige Einkommensquelle unterhält und aus dieser Verluste erleidet, die im Belegenheitsstaat nicht vortragsfähig sind, einen aus tatsächlichen Gründen erlittenen und finalen, da nicht mit weiteren Einkünften im Belegenheitsstaat verrechenbaren Verlust, der trotz [X.] Freistellung entgegen der sog. [X.] in die inländische Einkünfteermittlung einzubeziehen ist?"

Diese Frage ist indes nicht klärungsbedürftig. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a. dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]sbeschlüsse vom 3. April 2008 I B 77/07, [X.], 1445, und vom 25. März 2013 I B 26/12, [X.], 1061). So liegen die Dinge hier. Die zur Prüfung gestellte Frage ist anhand der bereits ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) und des beschließenden [X.]s eindeutig zu verneinen.

a) Die erwähnte Rechtsprechung definiert die Voraussetzungen, unter denen der Ansässigkeitsstaat Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen aufgrund des prinzipiellen Anwendungsvorrangs unionsrechtlichen Primärrechts (und damit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten) berücksichtigen muss, obwohl die betreffenden Verluste nach der bestehenden Abkommenslage ebenso von der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat freizustellen wären, wie Betriebsstättengewinne (sog. [X.]). Die Rechtsprechung besagt, dass die abkommensrechtliche Freistellung der Verluste dann nicht gegen die gemeinschaftlichen Grundfreiheiten verstößt, wenn die Verluste der Betriebsstätte bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte in jenem Mitgliedstaat für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können (z.B. [X.]-Urteil [X.] vom 15. Mai 2008 [X.]/06, [X.]:C:2008:278, [X.], 692), also nicht "final" sind. Trotz einer derartigen Finalität müssen die Verluste im Ansässigkeitsstaat aber wiederum dann nicht berücksichtigt werden, wenn die Finalität darauf beruht, dass nach dem Recht des [X.] keine oder nur eine eingeschränkte Verlustabzugsmöglichkeit besteht. Denn selbst wenn man unterstellt, dass das Zusammenwirken der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat mit der Besteuerung im [X.] zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen kann, ist eine solche Beschränkung ausschließlich dem letztgenannten Staat zuzurechnen ([X.]-Urteil [X.] Ruhesitz am [X.] vom 23. Oktober 2008 [X.]/07, [X.]:C:2008:588, [X.], 566; [X.]surteile vom 9. Juni 2010 I R 100/09, [X.], 30, [X.], 1065; vom 9. Juni 2010 I R 107/09, [X.], 35).

Letzteres ist hier der Fall. Nach den gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen der Vorinstanz konnte der im Streitjahr entstandene Vermietungsverlust des [X.] in [X.] deshalb nicht auf die nachfolgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden, weil nach der dortigen Rechtslage im Streitjahr der Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten (Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft und selbständige Arbeit) beschränkt war und negative Überschusseinkünfte wie jene aus Vermietung und Verpachtung, denen im [X.] keine Gewinne oder Überschüsse gegenübergestanden haben, folglich nicht vortragsfähig gewesen sind. Die "Finalität" des im Streitjahr erlittenen Vermietungsverlusts ist demnach auf eine rechtliche Einschränkung der Verlustabzugsmöglichkeiten durch den [X.] zurückzuführen.

b) Selbst wenn die zu Unternehmensgewinnen [X.]. 7 des Musterabkommens der [X.] ([X.]) ergangene Rechtsprechung zu den finalen Betriebsstättenverlusten auf die hier streitgegenständlichen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 des Abkommens zwischen der [X.] und der Republik [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000, [X.] 2002, 735, [X.], 584 bzw. Art. 6 [X.]) übertragbar wäre, wäre der vom Kläger in [X.] erlittene Verlust daher nicht mit dessen inländischen Einkünften verrechenbar.

c) Dieser Befund kann nicht --wie aber der Kläger meint-- in ein Fehlen von Verlustabzugsmöglichkeiten aus tatsächlichen Gründen umgedeutet werden, sodass die Verluste ausnahmsweise entgegen der [X.] im Inland zu berücksichtigen wären (s. dazu z.B. [X.]surteil vom 5. Februar 2014 I R 48/11, [X.], 371, m.w.N.). Er macht mit der zur Klärung gestellten Frage geltend, er habe den Verlust in [X.] letztlich deshalb nicht nutzen können, weil er dort im Streitjahr keine positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten erzielt habe, die mit den [X.] verrechenbar gewesen wären und sei deshalb aus tatsächlichen Gründen an der [X.] gehindert gewesen. Der Umstand, dass dem Kläger die Verrechnung des Vermietungsverlusts mit positiven anderweitigen [X.] Einkünften nach dortigem Recht möglich gewesen wäre, ändert indes nichts daran, dass die Ursache für die Finalität des Verlusts in der eingeschränkten [X.]smöglichkeit nach [X.] Recht liegt. [X.] als Ansässigkeitsstaat ist nicht aus unionsrechtlichen Gründen gehalten, diese Einschränkung des Belegenheitsstaats durch Schaffung von Verrechnungsmöglichkeiten mit inländischen Einkünften zu kompensieren.

2. Des Weiteren stellt der Kläger zur Klärung durch den [X.], ob "die Abgrenzung von aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen final erlittenen Verlusten derart willkürlich (ist), dass auch aus rechtlichen Gründen erlittene finale Verluste wegen der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers für die Besteuerung des Welteinkommens entgegen der [X.] aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips zu berücksichtigen sind".

Auch diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Sinnhaftigkeit und Praktikabilität der nach der [X.]-Rechtsprechung gebotenen Abgrenzung zwischen berücksichtigungspflichtigen und nicht berücksichtigungsfähigen "finalen" ausländischen Betriebsstättenverlusten sind in Verfahren vor dem [X.] schon mehrfach und fundamental in Zweifel gezogen worden. Der [X.] hat sich dadurch jedoch nicht von seiner Spruchpraxis abbringen lassen, sondern diese kontinuierlich immer wieder bekräftigt. Auf die Ausführungen und Nachweise im [X.]surteil in [X.], 371 (dort Rz 11) wird Bezug genommen (s. darüber hinaus das danach ergangene [X.]-Urteil [X.]/[X.] vom 3. Februar 2015 [X.]/13, [X.]:[X.], [X.], 137). Der [X.] sieht die Rechtslage deshalb --auch in Ansehung des vom Kläger in Bezug genommenen Vorabentscheidungsersuchens des [X.] Köln an den [X.] vom 19. Februar 2014  13 K 3906/09, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, [X.] als geklärt an.

Im Übrigen sieht der [X.] weder einen hinreichenden Grund noch eine rechtssystematische Handhabe, die in ständiger Rechtsprechung vertretene und vom [X.] im Grundsatz gebilligte [X.] aufgrund der [X.]-Rechtsprechung zu den finalen Verlusten aufzugeben. Die nach der [X.]-Rechtsprechung erforderlichen Abgrenzungen mögen nicht immer einfach sein, gänzlich willkürlich sind sie aber nicht.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I B 83/14

22.09.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 8. Juli 2014, Az: 4 K 1134/12, Urteil

Art 6 Abs 1 DBA AUT 2000, Art 6 Abs 3 DBA AUT 2000, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2015, Az. I B 83/14 (REWIS RS 2015, 5113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5113

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1 K 274/20

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