Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2015, Az. IX ZR 142/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9090

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 142/13

Verkündet am:

25.Juni 2015

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25.
Juni 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Kayser, den Rich-ter Prof.
Dr.
Gehrlein, die Richterin [X.], [X.]
Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] und die [X.] der [X.] wird das Urteil des 16.
Zivilsenats des [X.] vom 30.
Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 30.
August 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der W.

GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffnet und

M.

zum Insolvenzverwalter bestellt. Weiter setzte das Insolvenzgericht im
Eröffnungsbeschluss
einen Gläubigerausschuss ein und bestellte die Beklagten zu dessen Mitgliedern.

Der Verwalter richtete bei der [X.]

ein Insolvenzver-fahrenssonderkonto als [X.] ein und zog auf diesem Konto Gel-1
2
-
3
-
der
für die
Masse
ein. Von diesem [X.] überwies er über ein Zwischenkonto Gelder auf
ein eigenes als Anderkonto eingerichtetes Festgeld-poolkonto
bei der [X.]

, auf dem er Gelder aus verschiede-nen Insolvenzmassen sammelte. Von diesem Poolkonto vereinnahmte er [X.] für sich oder für von ihm beherrschte Gesellschaften.

Der Gläubigerausschuss tagte unter Beteiligung der Beklagten [X.] am 25.
September 2002 und bestimmte den Beklagten zu
3 zum
Kassen-prüfer. Auch verständigten die Beklagten
sich
-
in Anwesenheit des Verwalters
-
darauf, dass die erste Kassenprüfung vor der zweiten Gläubigerausschusssit-zung
erfolgen solle. In der ersten Gläubigerversammlung am 30.
Oktober 2002
wurde beschlossen, den eingesetzten Gläubigerausschuss beizubehalten
und das vom Verwalter eingerichtete [X.] fortzuführen.

In der [X.] vom 15.
Oktober 2002 bis zum 30.
Mai 2005 überwies der Verwalter in fünfzehn unterschiedlichen Teilbeträgen insgesamt 1.765.928,39

auf das Poolkonto, [X.] kurz vor der ersten Gläubigerversammlung 240.000

, am 28.
Januar 2003 den Betrag von 15.928,39

.
April 2003 den Betrag von 300.000

Am 31.
Oktober 2002, kurz nach der ersten Gläubigerversammlung, überwies er vom Poolkonto 240.000

[X.]
und im Herbst
2004 insgesamt 40.500

, so dass die [X.] um 1.485.428,39

Die erste Kassenprüfung des Beklagten zu
3 fand am 10.
März 2004 statt und umfasste den [X.]raum vom 30.
August 2002 bis zum 27.
Februar 2004. Die zweite Kassenprüfung fand am 31.
März 2005 statt und umfasste den [X.]raum vom 28.
Februar 2004 bis zum 18.
Februar 2005. Bei beiden [X.] gab sich der Beklagte zu
3 hinsichtlich des [X.] mit internen Ab-3
4
5
-
4
-
rechnungen des Verwalters zufrieden, die den wahren Stand des [X.] nicht wiedergaben.

Am 27.
Juni 2005 zeigte sich der Verwalter selber bei der [X.] an, mit Schreiben vom 28.
Juni 2005 legte er seine sämtlichen Ämter als Insolvenzverwalter nieder. Am 30.
Juni 2005 entließ das Insolvenzge-richt ihn und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Durch Strafurteil vom
16.
Oktober 2007 wurde der ehemalige
Verwalter wegen Untreue in 106
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, weil er zahlreichen Insolvenzmassen Geld für eigene Zwecke entnommen hatte. Grundlage dieser Verurteilung waren auch Abbuchungen zu Lasten der Schuldnerin in der [X.] vom 8.
April 2003
bis zum 11.
April 2005 in Höhe von 1.210.000

Der Kläger verklagte die [X.]

wegen der Veruntreu-ungen vom Poolkonto in Höhe von 1.765.928,39

Klage wurde zwischenzeitlich rechtskräftig abgewiesen.

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Mitgliedern
des Gläubiger-ausschusses Schadensersatz in Höhe von 1.485.428,39

Abtretung der Schadensersatzansprüche des [X.] gegen die [X.]

wegen des [X.]. Er wirft ihnen vor, ihre Pflichten durch nach-lässige und nicht zeitgerechte Prüfungen verletzt und dadurch die Masse ge-schädigt
zu haben. Das [X.] hat die
Klage abgewiesen. Auf die Beru-fung des [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeän-dert und die Beklagten verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner (1.485.428,39

-
15.928,39

-
300.000

=)
1.169.500

nebst Zinsen zu [X.]; im Übrigen hat es die Klage ab-
und die Berufung zurückgewiesen. Mit [X.] zugelassenen Revision will der Kläger die Verurteilung der
Be-6
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8
-
5
-
klagten zur Zahlung weiterer 315.928,39

Beklagten mit ihrer [X.] die Wiederherstellung des erstinstanzli-chen Urteils anstreben.

Entscheidungsgründe:

Revision und [X.] sind begründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagten hafteten für die Überweisungen ab dem 14.
Mai 2003, weil die [X.]
viel zu spät und [X.] erfolgt seien. In der Regel müsse man eine kontinuierliche Kontrolle und Überwachung durch den Gläubigerausschuss fordern, die etwa alle drei Monate stattzufinden habe. Auch seien die Prüfungen inhaltlich völlig unzureichend gewesen. In Bezug auf die Überweisungen
Ende Januar 2003 und Anfang April 2003 sei ein kausaler
Schaden allerdings nicht entstanden, weil bis dahin eine erste Kassenprüfung nicht notwendig hätte durchgeführt werden müssen und die Abbuchungen deswegen nicht mehr zu verhindern ge-wesen seien. Eine Ersatzpflicht komme insoweit nur in Betracht, wenn der ver-untreute Betrag -
später aufgedeckt
-
noch hätte zurückgezahlt werden können. Diese
Möglichkeit der nachträglichen Rückführung des veruntreuten Betrages habe jedoch nicht bestanden.
In Bezug auf die Überweisungen ab Mai 2003 seien die Pflichtverletzungen der Beklagten kausal für den eingetretenen Scha-den gewesen. Der Beweis des ersten Anscheins
spreche dafür, dass der Ver-9
10
-
6
-
walter bei einer sorgfältigen Überwachung die Veruntreuungen nicht vorge-nommen hätte. Diesen Anscheinsbeweis hätten die Beklagten
nicht erschüttert.

I[X.]

Die Revision des [X.] hat Erfolg.
Die Ausführungen des [X.]s halten, soweit es die Berufung des [X.] in Höhe von 315.928,39

nebst Zinsen zurückgewiesen hat, rechtlicher Prüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung hätte der vom Kläger geltend ge-machte weitergehende Schadensersatzanspruch wegen der Überweisungen auf das Poolkonto am 28.
Januar 2003 über 15.928,39

April 2003 über 300.000

71 [X.] nicht verneint werden dürfen.

1.
Die Beklagten haben auch in Bezug auf die im Januar und April 2003 erfolgten Überweisungen schuldhaft die ihnen nach der [X.] Pflichten verletzt.
Welche Pflichten nach §
69 [X.] ein Mitglied des Gläubigerausschusses hat und unter welchen Voraussetzungen es nach §
71 [X.] haftet, hat der Senat grundlegend in seinem Urteil vom 9.
Oktober 2014 geklärt (IX
ZR 140/11, [X.], 324). Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen. Den dort aufgestellten Anforderungen genügte die von dem [X.] zu
3 als gewähltem Kassenprüfer entfaltete Prüfungstätigkeit nicht. Auch die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses, die Beklagten zu
1 und 2,
haben ihre (Überwachungs-) Pflichten
schuldhaft
verletzt.

a)
Die zeitliche Ausgestaltung der durch den Beklagten zu 3 vorgenom-menen [X.] war pflichtwidrig. Die erste Prüfung erfolgte ohne er-sichtlichen Grund erst nach einem Jahr und vier Monaten
nach seiner Wahl
11
12
13
-
7
-
zum Kassenprüfer in der ersten Sitzung des Gläubigerausschusses, über ein Jahr nach der Bestätigung des Gläubigerausschusses durch die erste [X.] und damit nicht unverzüglich. Die zweite Prüfung fand
erst nach einem weiteren Jahr statt. Dies entsprach nicht dem vom [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als notwendig festge-stelltem [X.] von drei Monaten. Darin liegt zugleich eine [X.] aller Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschusses. Denn sie ha-ben einerseits in der ersten Sitzung des Gläubigerausschusses bestimmt, dass die erste Kassenprüfung durch den Beklagten zu
3 als Kassenprüfer nicht un-verzüglich, sondern erst vor der nächsten Sitzung des Gläubigerausschusses zu erfolgen habe. Zwar ist nicht festgestellt, wann diese stattfinden sollte. Aber entweder hat der Beklagte zu
3 entsprechend dieser Regelung im März 2004 zeitnah vor der zweiten Ausschusssitzung die Kassenprüfung vorgenommen, dann aber hätten die Beklagten als Ausschussmitglieder nicht dafür Sorge ge-tragen, dass die Kassenprüfung unverzüglich aufgenommen wird. Oder aber sie hätten nicht dafür Sorge getragen, dass der Beklagte zu
3 in Vollzug des [X.] angesetzten Termins für die zweite Gläubigerausschusssitzung die [X.] unverzüglich aufnahm. Im Übrigen haben die Beklagten zu
1 und 2
nicht gegenüber dem Beklagten zu
3 auf einer engmaschigeren Prüfung [X.]. Nötigenfalls hätten sie den Beklagten zu
3 von seiner Aufgabe entbin-den und eine andere Person mit der Prüfung betrauen müssen
(vgl. [X.], [X.]O Rn.
31).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte der Beklagte zu
3 mit der Aufnahme der Kassenprüfung auch nicht bis Mitte Mai
2003, also etwa acht Monate nach seiner Wahl zum Kassenprüfer,
zuwarten dürfen. Vielmehr hätte mit der Prüfung von Geldverkehr und -bestand bis spätestens Mitte
November 2002
begonnen werden
müssen, nämlich zwei Wochen nach der ersten [X.]
-
8
-
bigerversammlung, in der die Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschus-ses in ihrem Amt bestätigt worden waren
(vgl. [X.], [X.]O Rn.
40). Dafür hätten sämtliche Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschusses durch eine klare Absprache während ihrer ersten Ausschusssitzung Sorge tragen müssen.

b) Schon anlässlich der ersten Kassenprüfung vom 10.
März 2004 stellte der Beklagte zu
3 fest, dass sich der wesentliche Teil des Barvermögens der Schuldnerin, nämlich 931.635,58

v.H.),
auf einem Festgeldpoolkonto be-fand, über das [X.] nicht vorhanden waren, sondern nur interne Ab-rechnungen des Verwalters. Damit hätte er sich jedoch nicht begnügen dürfen. Er hätte aufgrund der vom Verwalter ihm bei der Kassenprüfung überlassenen Unterlagen feststellen können, dass es sich bei dem Poolkonto nicht um ein Sonderkonto der Masse, sondern um ein Konto des Verwalters handelte. [X.] des Protokolls der ersten Gläubigerversammlung durfte der Verwalter zwar weitere Hinterlegungskonten einrichten; dass er Gelder der [X.] auf ein Treuhandkonto, gar ein Sammelkonto,
überweisen dürfe, ergibt sich aus dem Beschluss der Gesellschafterversammlung aber nicht. Der Beklagte zu
3
hätte bezüglich des [X.] sofort Nachforschungen anstellen und die Beklagten zu
1 und 2 unverzüglich über den Missstand in Kenntnis setzen müs-sen. Als Mitglieder des Gläubigerausschusses hätten die Beklagten, nachdem sie aufgrund des Protokolls über die Kassenprüfung erkannt hatten, dass der Verwalter Beträge auf Poolkonten
verschob, auf denen eine Zuordnung zum einzelnen Verfahren und eine gesonderte Kontenführung für jedes Verfahren nicht mehr gewährleistet war, unverzüglich einschreiten
müssen (vgl. [X.], [X.] vom 21.
März 2013 -
IX
ZR 109/10, Z[X.]
2013, 986 Rn.
3).

2.
Die verzögerte Aufnahme der Prüfungen und
die geringe Prüfungsin-tensität waren kausal für die Untreuehandlungen des ehemaligen
Verwalters.
15
16
-
9
-

a) Denn dieser wäre durch ordnungsgemäß durchgeführte Prüfungen von den Veruntreuungen abgehalten worden.
Dafür spricht der Beweis des [X.] Anscheins, der vorliegend zur Anwendung kommt, wie der Senat in der be-reits genannten Entscheidung dargelegt
hat
([X.], Urteil vom 9.
Oktober 2014 -
IX
ZR 140/11, [X.]Z
202, 324 Rn.
36
ff). Nach diesen Grundsätzen spricht im Streitfall der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Verwalter die Gelder auf dem [X.] auch in den Monaten Januar und April 2003 unan-getastet gelassen hätte, wenn er ordnungsgemäß überwacht worden wäre. Die aufgeführten [X.] rechtfertigten aus der Sicht des Verwalters die Er-wartung, Veruntreuungen würden
nicht alsbald aufgedeckt. Dadurch, dass mit der Prüfung von Geldverkehr und Geldbestand weder unverzüglich begonnen noch die erforderlichen [X.]e eingehalten
wurden, brachten der Beklagte zu
3 und die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses zum Aus-druck, dass man es mit der Überwachung des Verwalters nicht so genau [X.]. Zudem konnte er annehmen, dass die jeweils nächste Prüfung auch nicht rechtzeitig und
mit der notwendigen Intensität erfolgen würde und deshalb Handlungsspielraum für Veruntreuungen bestand.

Vor der Überweisung von Ende Januar 2003 in Höhe von 15.028,39

hätte bereits die erste Prüfung, vor der Überweisung vom 8.
April 2003
über 300.000

hätte bereits eine weitere Prüfung stattgefunden haben müssen. Wenn der Beklagte zu
3 die [X.]
Mitte November 2002 und Mitte Februar 2003 sorgfältig durchgeführt hätte, hätte ihm die Überweisung von 240.000

chenkonto auf das Poolkonto und zurück im Monat Oktober 2002 auffallen müssen. Schon diese Transaktion [X.] ihm Anlass geben müssen, Nachforschungen über das Poolkonto anzustel-len und die Beklagten zu 1 und 2 über dieses Konto zu informieren. Alle Beklag-17
18
-
10
-
ten hätten dann dem Verwalter untersagen müssen, das Poolkonto in Zukunft zu nutzen.
Gegebenenfalls hätten sie das Insolvenzgericht über den Vorgang informieren müssen.

b)
Der Anscheinsbeweis kann entkräftet werden durch die Darlegung und erforderlichenfalls den Nachweis von Tatsachen, die für ein atypisches Verhal-ten des Verwalters im Falle seiner ordnungsgemäßen Überwachung durch die Mitglieder des Gläubigerausschusses sprechen ([X.], Urteil vom 9.
Oktober 2014, [X.]O Rn.
42). Dies ist den Beklagten nicht gelungen. Nach den [X.] findet ihre Behauptung, der Verwalter sei [X.] zur Veruntreuung erheblicher Finanzmittel bereit gewesen, im Sachverhalt keine Stütze. Diese tatrichterliche Würdigung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Es ist daher davon auszugehen, dass eine ordnungsge-mäße Überwachung des Verwalters durch die Mitglieder des [X.] alle streitbefangenen Veruntreuungen verhindert hätte.
Die Beklagten haben nicht aufgezeigt, dass die Würdigung des Berufungsgerichts insoweit fehlerhaft ist.

[X.])
Sie legen nicht dar, dass sie -
vom Berufungsgericht übergangene
-
erhebliche Tatsachen vorgetragen
hätten, die für ein atypisches Verhalten des Verwalters im Falle seiner ordnungsgemäßen Überwachung durch die [X.] des Gläubigerausschusses sprechen könnten.

(1)
Ihren
Vortrag, der Verwalter sei ohnehin zur schädigenden Handlung fest entschlossen gewesen, hat das Berufungsgericht nicht übergangen. Ihr Vortrag, für den Verwalter habe es kein Zurück mehr gegeben, nachdem er mit den Untreuehandlungen im Jahr 1999 begonnen und gewusst habe, die verun-treuten Werte nicht mehr zurückführen zu können, reicht für die Widerlegung 19
20
21
-
11
-
des Anscheinsbeweis ebenfalls nicht aus. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dem Verwalter sei durch die oberflächlichen und wenigen Kontrollen das Gefühl vermittelt worden, sich ohne Gefahr der Entdeckung
an der Masse vergreifen zu können. Es hat sich beanstandungsfrei davon über-zeugt, dass er bei sorgfältiger Kontrolle und Überwachung von [X.] zu Lasten der streitgegenständlichen Masse abgehalten worden wäre, weil ansonsten sein System der Masseschädigung über das Poolkonto frühzei-tig entdeckt worden wäre. Das [X.] hat unter Verweis auf das Strafurteil ausgeführt, der Verwalter hätte aus Furcht vor dem öffentlichen Zusammen-bruch seines Lebenswerks und vor dem Niedergang seines persönlichen und beruflichen -
ihm äußerst wichtigen
-
Ansehens alles erdenklich Mögliche unter-nommen,
um eine Entdeckung, gar einen öffentlichen Ansehensverlust zu [X.]. Eine solche Person hätte bei enger Kontrolle und dem Verbot, Gelder an das Poolkonto abzuführen, diesen Weg der Veruntreuung nicht gewählt, weil sie
wegen der regelmäßigen und sorgfältigen Kontrollen jederzeit mit der [X.] ihrer
Untreuehandlungen auch in anderen Insolvenzverfahren, mit dem
daraus folgenden Ansehensverlust, aber auch mit dem Verlust der für sie
äu-ßerst ergiebigen Einnahmequelle hätte rechnen müssen. Wie der ehemalige Verwalter bei ordnungsgemäßen Kontrollen sich an der Masse hätte bereichern können, haben die Beklagten nicht dargelegt.

(2)
Der Beweis des ersten Anscheins wird entgegen der Ansicht der [X.] auch nicht dadurch entkräftet, dass der Verwalter
Mitte Oktober 2002 [X.] 240.000

Die Beklagten meinen, zu diesem [X.]punkt habe er noch gar nicht erahnen, geschweige denn wissen können, mit welcher Intensität und Genauigkeit er von den Mitgliedern des eingesetzten Gläubigerausschusses
überwacht werde. Dabei übersehen sie, dass bereits am 25.
September 2002 in Anwesenheit des damaligen
Ver-22
-
12
-
walters die erste Ausschusssitzung stattgefunden hatte. In dieser Sitzung ha-ben die Beklagten vereinbart, die erste Kassenprüfung solle vor der zweiten Ausschusssitzung erfolgen. Dem Verwalter war mithin der zeitliche Kontroll-rahmen bekannt. Zudem hatte er hinsichtlich der
ersten Überweisung auf das Poolkonto Vorsorge getroffen durch Abschluss eines Festgeldvertrages zwi-schen sich als Insolvenzverwalter und als Privatperson in einem Insichgeschäft.
Er zahlte diesen Geldbetrag auch zeitig zurück, nämlich im zeitlichen Zusam-menhang mit der ersten Gläubigerversammlung. Daraus lässt sich in Ergän-zung der Würdigung des Berufungsgerichts folgern, dass er einen
ersten Ver-such unternommen
hat, ob diese Transaktion Insolvenzgericht oder Gläubiger-ausschuss auffallen werde.

(3)
Entsprechendes gilt für den Vortrag der Beklagten, der ehemalige Verwalter habe bei seinen Untreuehandlungen
nicht danach unterschieden, ob in den unterschiedlichen Insolvenzverfahren [X.] eingerichtet worden seien. Gerade in den mit [X.] besetzten Verfahren hätten die vom Verwalter verursachten Schäden die in den anderen Verfahren
entstandenen um ein Vielfaches überstiegen. Aus diesem Vortrag ergibt sich nämlich weder, ob die Mitglieder der [X.] in den anderen Ver-fahren den Verwalter ordnungsgemäß überwacht haben und es dennoch zu Untreuehandlungen gekommen ist, noch, ob die höhere Schadenssumme in den Verfahren mit Gläubigerausschuss sich nicht dadurch erklärt, dass [X.] nur in den Verfahren mit den größeren Massen bestellt werden.

bb)
Ebenso wenig ist dem Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Annahme der Kausalität ein Verfahrensfehler unterlaufen. Es hat nicht gegen seine Hinweispflicht verstoßen (§
139 ZPO). Allerdings darf eine [X.] darauf vertrauen, dass ein Berufungsgericht keine Überraschungsentscheidung trifft. 23
24
-
13
-
Das Berufungsgericht muss daher eine in erster Instanz siegreiche [X.] da-rauf hinweisen, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält. Doch liegen diese Voraussetzungen wie hier nicht vor, wenn eine [X.] in erster Instanz obsiegt hat, die dem Urteil zu-grunde liegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts jedoch als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des [X.] anschließt. Denn in diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche [X.] von [X.] damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein. Das Berufungsgericht hat regelmäßig keinen Anlass zu der Annahme, trotz der in der Berufung zentral geführten Auseinandersetzung über den Streitpunkt be-stehe noch Aufklärungsbedarf und müsse der [X.] Gelegenheit zu weiterem Vortrag und Beweisantritt gegeben werden ([X.], Urteil vom 19.
August 2010
-
VII
ZR 113/09, NZBau
2010, 691
Rn.
18).

3.
Ob auch die übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Scha-densersatzanspruchs aus §
71 [X.] vorliegen, kann anhand der bisher durch das Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden.
Die Sache ist deswegen nicht zur Endentscheidung reif.
Nach dem eindeutigen Wortlaut von §
71 [X.] sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses nur den absonderungsberechtigten Gläubigern und den [X.] zum [X.] ([X.], Urteil vom 9.
Oktober 2014, [X.]O Rn.
44).
Die Klage kann deshalb nur insoweit Erfolg haben, als durch die Veruntreuungen die zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehende Masse vermindert worden ist. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen der ohne die Veruntreuungen anzunehmenden (Soll-)Quote und der aufgrund der noch 25
-
14
-
vorhandenen Masse zu erwartenden ([X.]. Beträge, die auf vorrangig zu befriedigende Gläubiger entfielen, stellen bei der Schadensberechnung nur ei-nen fiktiven Berechnungsposten dar. [X.] nach §
71 [X.] ist nur die Masseminderung, die sich in einer verminderten Befriedigung der nach §
71 [X.] Anspruchsberechtigten tatsächlich niedergeschlagen hat. Freilich darf die so berechnete Schadensersatzleistung als [X.] auch nur zur [X.] dieser Anspruchsberechtigten verwendet werden. Die aufgrund der Bil-dung und Verteilung der [X.] verursachten Kosten einschließlich der Kosten der Einziehung der zu verteilenden Beträge sind vorab der [X.] zu entnehmen ([X.], Urteil vom 9.
Oktober 2014, [X.]O Rn.
45). Eine Scha-densberechnung im vorstehenden Sinne hat das Berufungsgericht nicht vorge-nommen. Es fehlt auch an den hierfür erforderlichen Feststellungen.

4. Weiter wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass nach der Rechtsprechung des Senats den Beklagten gegebenenfalls zur [X.] einer ungerechtfertigten Quotenerhöhung im Urteil vorbehalten wer-den muss, ihre Rechte gegen den Insolvenzverwalter nach Erfüllung der Scha-densersatzansprüche zu verfolgen. Der den Beklagten vorliegend gegen den Kläger zustehende Anspruch ist die Summe etwaig eintretender Quotenerhö-hungen. Die den Beklagten haftende Masse speist sich dabei aus dem, was der Kläger in Verfolgung der fraglichen Ansprüche gegen die beteiligten Banken erzielt, abzüglich der auf vorrangig zu befriedigende Gläubiger entfallenden Be-träge ([X.], Urteil vom 9.
Oktober 2014, [X.]O Rn.
51
f).

II[X.]

Die [X.] der Beklagten ist zulässig und hat ebenfalls Erfolg.
26
27
-
15
-

1.
Die [X.] ist zulässig. Im Hinblick auf die Regelung des §
554 Abs.
2 Satz
1 ZPO, nach der die Statthaftigkeit der Anschließung nicht voraussetzt, dass auch für den [X.]skläger die Revision zugelas-sen worden ist, kann eine [X.] bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann eingelegt werden, wenn die [X.] nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht. Unzulässig ist sie nur dann, wenn sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirt-schaftlichen Zusammenhang steht ([X.], Urteil vom 22.
November 2007 -
I
ZR 74/05, [X.]Z
174, 244 Rn.
38 ff; vom 11.
Februar 2009 -
VIII
ZR 328/07, JZ
2010, 44 Rn.
31; vom 25.
Juni 2009 -
IX
ZR 98/08, [X.]Z
181, 361 Rn.
15; vom 22.
Februar 2011 -
VI
ZR 353/09, NZV
2011, 333 Rn.
12; vom 24.
Sep-tember 2014 -
VIII
ZR 394/12, [X.]Z
202, 258 Rn.
69
f).

So liegt es hier nicht. Entgegen der Ansicht der Revision besteht zwi-schen den Streitgegenständen der Haupt-
und der [X.] der erfor-derliche rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang. Den Beklagten wird vorgeworfen, den Verwalter als [X.] nicht sorgfältig genug überwacht zu haben, wobei nur die ersten beiden Untreuehandlungen des Verwalters Gegenstand der Hauptrevision sind. Sämtliche [X.] wurden jedoch durch das einheitliche schädigende Verhalten der [X.] ermöglicht, nämlich die unzureichende Überwachung des Verwalters in dem
[X.]raum von der ersten Gläubigerausschusssitzung bis zu dessen
Abbe-rufung, die es diesem ermöglich hat, in immer gleicher Weise Gelder der Masse zu entziehen. Die Rechtsfragen, die sich stellen, sind für Haupt-
und Anschluss-revision die nämlichen. Die unsorgfältige Überwachung des Verwalters über den gesamten [X.]raum mit der Folge der verschiedenen Untreuehandlungen 28
29
-
16
-
wohnt deshalb ein rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang inne (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Februar 2009 -
VIII
ZR 328/07, JZ
2010, 44 Rn.
32). Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des [X.] vom 11.
März 2014 (II
ZR 24/13, ZIP
2014, 1019 Rn.
16).

2.
Die [X.] hat bezogen auf den ausgeurteilten Betrag aus den nämlichen Gründen, die verhindern, dass über den weiteren Anspruch des [X.] durch den Senat abschließend entschieden werden kann, ebenfalls Erfolg.
Sie greift nicht durch, soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe rechts-fehlerhaft eine Pflichtwidrigkeit der Beklagten zu 1 und 2 und die Kausalität der Pflichtverletzung aller Beklagten bejaht.
Insoweit wird auf die Ausführungen un-ter I[X.]
1. und 2. Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen,
dass in der ersten durch den Beklagten zu
3 durchgeführten Kassenprüfung im März 2004 die Überweisungen auf das Poolkonto und die Eigenbelege des [X.] nicht beanstandet worden sind. Diesem wurde dadurch vermittelt, seine Untreuehandlungen würden auch in Zukunft nicht aufgedeckt werden. [X.] erhielt er Gelegenheit, bis zur nächsten Prüfung 279.500

b-züglich 40.500

. Entsprechend wurde er durch die zweite im Februar 2005 stattfindende Prüfung bestärkt und veruntreute auf dieselbe Weise weitere 290.000

Mit Recht rügt die [X.] jedoch, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den weiteren Anspruchsvoraussetzungen des §
71
[X.] getroffen hat
(vgl.
I[X.]
3.). Zutreffend führt sie weiter aus, dass nach der Rechtsprechung des Senats den Ausschussmitgliedern zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Quotenerhöhung im Urteil vorbehalten werden muss, ihre Rechte gegen den Insolvenzverwalter nach Erfüllung der [X.] zu verfolgen
(vgl. I[X.]
4.).
30
31
-
17
-

IV.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).

Kayser
Gehrlein
[X.]

Pape
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.10.2012 -
10 [X.]/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.05.2013 -
16 U 161/12 -

32

Meta

IX ZR 142/13

25.06.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2015, Az. IX ZR 142/13 (REWIS RS 2015, 9090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9090

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 109/10 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Pflicht des Gläubigerausschusses zur Beaufsichtigung des Insolvenzverwalters sowie zur Sicherung der Insolvenzmasse durch Verhinderung …


IX ZR 109/10 (Bundesgerichtshof)


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IX ZR 142/13

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