Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.12.2013, Az. 8 B 17/13

8. Senat | REWIS RS 2013, 20

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Gegenstand

§ 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gewährt nur ergänzenden Anspruch zur vermögensrechtlichen Restitution


Gründe

1

Die Klägerin macht vermögensrechtliche Ansprüche auf das Grundvermögen der ehemaligen [X.]AG in [X.]/[X.] geltend. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wurden die Aktien der Gesellschaft seit 1923 mehrheitlich von der [X.] mit Sitz in [X.] gehalten, deren Aktionäre [X.] im Sinne der [X.] waren. Diese veräußerten 1939 ihre Inhaberaktien an der [X.] im Nennwert von je 233 000 RM an vier Erwerber, die ihr Generalbevollmächtigter [X.] ausgewählt und mit denen er nach eigenen, späteren Angaben ein [X.] getroffen hatte, dass die Aktien nach dem Ende der [X.] baldmöglichst an die ursprünglichen Inhaber zurückgegeben werden sollten. Nach [X.] wurde die [X.] Zweigniederlassung der [X.] AG sequestriert. Im [X.] 1945 stellten die Erwerber der Inhaberaktien der [X.] diese [X.] wieder zur Verfügung. Er hielt die Aktien aufgrund einer 1946 getroffenen Absprache mit der [X.] treuhänderisch für die früheren Inhaber und verlangte von der [X.] - vergeblich - die Aufhebung der [X.] der Zweigniederlassung des Tochterunternehmens [X.]AG. Laut [X.] wurde die Zweigniederlassung gemäß [X.]-[X.]efehl Nr. 124 mit Wirkung vom 18. Juli 1946 enteignet. In einem Rückerstattungsverfahren der früheren Gesellschafter der [X.] und ihrer Erben wegen der Inhaberaktien wurde am 1. Juni 1950 ein Vergleich über die Rückgabe geschlossen, dessen Wirksamkeit das [X.] mit Urteil vom 12. Dezember 1962 feststellte. Die Gesellschaft selbst wurde nach einer Sitzverlegung aufgelöst und 1964 im Handelsregister gelöscht. [X.] Anträge von Erben der früheren Gesellschafter bezüglich der [X.] AG wurden im Oktober 1997 bestandskräftig abgelehnt. Den Antrag der Klägerin auf Rückübertragung des [X.]etriebsvermögens dieser Gesellschaft lehnte die [X.]eklagte mit dem angegriffenen [X.]escheid vom 26. August 2010 ab. Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Ziel, ihre Restitutionsberechtigung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] (nur noch) bezüglich des "[X.]" der [X.] AG in [X.] feststellen zu lassen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2

Die [X.]eschwerde, die sich auf eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

3

1. Eine Divergenz zum [X.]eschluss vom 30. September 2006 - [X.]VerwG 8 [X.] 39.06 - ist der [X.]eschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

4

a) Das Verwaltungsgericht hat keinen sein Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt, mit dem es einem im zitierten [X.]eschluss des [X.]undesverwaltungsgerichts aufgestellten, diesen tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hätte (vgl. [X.]eschluss vom 21. Juni 1995 - [X.]VerwG 8 [X.] 61.95 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 18). Entgegen der Darstellung der [X.]eschwerdebegründung geht das angegriffene Urteil ebenso wie der zitierte [X.]eschluss ausdrücklich davon aus, dass nur eine dauerhafte und nachhaltige Wiedergutmachung einer [X.] Vermögensentziehung den Anspruch auf Restitution des entzogenen Vermögenswertes ausschließt. Es weicht auch nicht von dem Rechtssatz ab, dass eine vollständige Wiedergutmachung nicht durch Einräumen bloßen [X.]esitzes ohne Rückübertragung der Rechtsposition geschehen kann. Ebenso wenig ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die bloße Rückübertragung einer Eigentumsposition ohne Einräumung der tatsächlichen Verfügungsgewalt zur vollständigen Wiedergutmachung genüge. Die gegenteilige Annahme der Klägerin übersieht, dass das angegriffene Urteil entscheidungstragend auf die Wiedergutmachung der etwaigen - von ihm offen gelassenen - [X.] Schädigung der mittelbaren [X.]eteiligung der [X.]. & [X.]o. AG an der [X.] AG durch die Rückgabe der Inhaberaktien nach [X.] abstellt und insoweit eine vollständige und nachhaltige Wiedergutmachung bejaht, da es in tatsächlicher Hinsicht aufgrund der Angaben [X.] davon ausging, dass nicht nur das Eigentum an den Aktien wieder an die früheren Gesellschafter der [X.]. & [X.]o. AG und deren Erben übertragen wurde, sondern auch der durch [X.] als Treuhänder vermittelte [X.]esitz dieser Aktien und die Verfügungsgewalt darüber. Soweit die [X.]eschwerdebegründung beanstandet, dass mit der Rückgabe der Aktien keine uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über das in [X.] belegene [X.]etriebsvermögen der Tochtergesellschaft verbunden gewesen sei, übersieht sie, dass Gegenstand der Klage nicht mehr, wie im Verwaltungsverfahren, die Restitution des Unternehmens der [X.]AG oder möglicher Reste dieses Unternehmens ist, sondern allein der Anspruch auf [X.]ruchteilsrestitution gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] wegen der geltend gemachten Schädigung der mittelbaren [X.]eteiligung an dieser Gesellschaft. Wie die Klägerin einräumt, könnte der Anspruch auf Unternehmens- oder Unternehmensresterestitution im Übrigen nur dem früheren [X.] oder dessen Rechtsnachfolgern zustehen und nicht den Gesellschaftern des [X.]eteiligungsunternehmens, als deren Rechtsnachfolgerin sie auftritt.

5

b) Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auch nicht, wie die Klägerin meint, auf den Rechtssatz gestützt, trotz anschließender [X.] oder besatzungshoheitlicher Enteignung führe die Wiedererlangung eines Vermögenswertes zum endgültigen Verlust der Ansprüche nach § 1 Abs. 6 [X.]. Wie bereits dargelegt, hat es vielmehr angenommen, der Anspruch nach § 1 Abs. 6 [X.] könne sich bei einer Anteilsschädigung nur auf Restitution der entzogenen (hier mittelbaren) [X.]eteiligung richten und sei wegen der Rückgabe der Inhaberaktien entfallen. Dabei ist es - zutreffend - davon ausgegangen, dass nicht diese Aktien Gegenstand des besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Zugriffs waren, sondern dass die [X.] und die Enteignung ausschließlich die [X.] Zweigstelle des Tochterunternehmens der [X.]eteiligungsgesellschaft betrafen, bezüglich deren der Träger des Tochterunternehmens, nicht jedoch die Gesellschafter der [X.]eteiligungsgesellschaft nach § 6 Abs. 1, Abs. 6a [X.] rückübertragungsberechtigt sein konnten.

6

Da die [X.] sich ausschließlich auf die Anforderungen an eine Wiedergutmachung der [X.] bezieht, lässt sie sich auch nicht in eine bestimmte Grundsatzrüge betreffend den verfahrensgegenständlichen Anspruch auf [X.]ruchteilsrestitution wegen einer - im angegriffenen Urteil überdies nicht abschließend geprüften - Entziehung einer mittelbaren, restitutionspflichtigen oder bereits zurückgegebenen [X.]eteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] umdeuten.

7

2. Mit den zur Grundsatzrüge aufgeworfenen Fragen ist ebenfalls keine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dargelegt. Soweit diese Fragen im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich wären, sind sie bereits anhand des Gesetzes unter [X.]erücksichtigung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beantworten (zu diesen Kriterien vgl. [X.]eschluss vom 24. August 1999 - [X.]VerwG 4 [X.] 72.99 - [X.]VerwGE 109, 268 <270> = [X.]uchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13).

8

a) Die Fragen,

ob die in den westlichen [X.]esatzungszonen erfolgte Rückgabe eines Unternehmens oder einer Unternehmensbeteiligung zugleich eine Wiedererlangung der in der [X.] aus verfolgungsbedingten Gründen verlorenen Rechtsposition hinsichtlich des im [X.]eitrittsgebiet belegenen Vermögens dieses Unternehmens oder eines Tochterunternehmens bedeutet,

und

ob eine von der [X.] bzw. den [X.]ehörden in der [X.] Zone angesprochene [X.] eines [X.]etriebes der Annahme entgegensteht, dieser [X.]etrieb sei den [X.] zurückgegeben worden,

wären im Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, soweit sie eine Unternehmensrückgabe betreffen, weil nicht der Anspruch auf Unternehmensrestitution, sondern nur der Anspruch auf ergänzende [X.]ruchteilsrestitution wegen einer Anteilsschädigung Gegenstand der Klage ist. Soweit die erste Frage auch den im angegriffenen Urteil behandelten Fall der Schädigung einer mittelbaren [X.]eteiligung an einem Unternehmen mit einer im [X.]eitrittsgebiet belegenen Zweigstelle einbezieht, würde sie sich im Revisionsverfahren nicht stellen, weil es für die Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] bei [X.] auf die [X.] oder die Rückgabe der entzogenen [X.]eteiligung nach dem [X.] oder anderen nach dem 8. Mai 1945 erlassenen Vorschriften ankommt und nicht auf die Rückgabe des Vermögens der Tochtergesellschaft, die ohnehin nicht den Gesellschaftern der [X.]eteiligungsgesellschaft zustünde.

9

b) Die Frage,

ob entgegen § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a Halbs. 2 [X.] ein Anspruch nach § 1 Abs. 6 [X.] auch dann ausgeschlossen sein kann, wenn der vorübergehend zurückgegebene Vermögenswert durch besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Enteignung wieder rückgängig gemacht worden ist und eine dauerhafte und nachhaltige Wiedergutmachung des während der [X.] erlittenen Vermögensverlustes (vgl. [X.]TDrucks 12/2480 [X.]) somit nicht erreicht wurde,

ist angesichts des mit ihr vorausgesetzten Verstoßes gegen § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a Halbsatz 2 [X.] schon nach dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres - verneinend - zu beantworten; sie unterstellt allerdings unzutreffend, dass die Rückgabe (der Aktien) und der besatzungshoheitliche Zugriff (auf die Zweigstelle) jeweils dasselbe Objekt betreffen, und würde sich deshalb im Revisionsverfahren ebenfalls so nicht stellen.

Gleiches gilt für die zuletzt aufgeworfene Frage,

ob es für den Fortbestand bzw. Fortfall des Anspruchs nach § 1 Abs. 6 [X.] einen Unterschied macht, ob die vorübergehende (durch [X.]-Enteignung beendete) Wiedererlangung eines Vermögenswertes das Ergebnis eines Verfahrens nach westalliiertem Recht oder nach einer in der S[X.]Z geltenden Vorschrift war.

Auch sie stellt unzutreffend auf das Schicksal der Zweigstelle ab und berücksichtigt nicht, dass Gegenstand der [X.] nur die mittelbare [X.]eteiligung der Rechtsvorgänger der Klägerin war, sodass es für die Frage der vollständigen und nachhaltigen Rückgabe auch nur auf die Rückgabe der [X.]eteiligung ankommen kann und nicht auf die des Vermögens der Tochtergesellschaft. § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] gesteht den Gesellschaftern der [X.]eteiligungsgesellschaft den "doppelten Durchgriff" nicht als Anspruch auf Unternehmensrestitution zu, sondern nur als ergänzenden Anspruch zur Restitution der entzogenen, durch die weitere Entwicklung der [X.]eteiligungs- und der Tochtergesellschaft möglicherweise wertlos gewordenen Gesellschaftsanteile an der [X.]eteiligungsgesellschaft. Daran ändert auch eine mehrheitliche oder hundertprozentige [X.]eteiligung der Gesellschafter an der [X.]eteiligungsgesellschaft sowie dieser Gesellschaft am Tochterunternehmen nichts.

Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob die [X.]eschwerde schon erfolglos bleiben müsste, weil das angegriffene Urteil sich im Revisionsverfahren jedenfalls gemäß § 144 Abs. 4 VwGO als im Ergebnis richtig erweisen würde, etwa weil der mit der Klage noch geltend gemachte Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] sich nur auf die [X.]ruchteilsrestitution bestimmter Vermögensgegenstände - nämlich der unter die Vorschrift fallenden Grundstücke - richten kann und nicht auf die begehrte Restitution eines nicht entsprechend dem sachenrechtlichen [X.]estimmtheitsgrundsatz spezifizierten [X.] eines - ehemaligen - Unternehmens als Sachgesamtheit (vgl. dazu Urteil vom 22. April 2009 - [X.]VerwG 8 [X.] 5.08 - [X.]uchholz 428 § 1 Abs. 6 [X.] Nr. 50 Rn. 37).

Meta

8 B 17/13

20.12.2013

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Weimar, 19. September 2012, Az: 8 K 1196/10 We, Urteil

§ 1 Abs 6 VermG, § 3 Abs 1 S 4 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.12.2013, Az. 8 B 17/13 (REWIS RS 2013, 20)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 20

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