Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2013, Az. XI ZR 301/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 636

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 301/11

vom

3.
Dezember 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 103 Abs. 1,
ZPO §§ 314, 540 Abs. 1 Nr. 1
Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einem Widerspruch zwi-schen dem in Bezug genommenen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und den Feststellungen des Berufungsgerichts.

[X.], Beschluss vom 3. Dezember 2013 -
XI ZR 301/11 -
Hanseatisches OLG

[X.]

[X.]

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und die
Richter
Dr.
[X.], Dr.
Grüneberg, Maihold
und
Dr.
Matthias

am 3. Dezember 2013

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion in dem Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] Oberlan-desgerichts
[X.]
vom 11.
Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
zur Hälf-te

97 Abs.
1 ZPO).
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] wird das Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] Oberlandesgerichts

[X.]
vom 11.
Mai 2011
im Kostenpunkt und insoweit aufge-hoben, als zum Nachteil der [X.] entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die restlichen Kosten des Be-schwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 45.725

festgesetzt (Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin [X.]

, Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] 22.863,21

).

-
3
-
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen angeblicher Falschberatung in Zusammenhang mit dem Erwerb von L.

-
Zertifikaten.
Die Klägerin unterhielt bei der [X.] bzw. deren Rechtsvorgängerin seit ca. 30
Jahren ein Girokonto. Wegen der von ihrem Stiefvater
geschätzten
Beratung durch den Mitarbeiter B.

der [X.] ließ sich die Klägerin seit
2003 ebenfalls von dem Berater B.

betreuen. Ihr eigenes Depotvolumen
betrug
Ende 2003 ca. 123.000

, den sie 2006 beerbte,
weitere 350.000

.

-Aktien und
600
Stück E.

-Aktien. Aufgrund eines seinem Inhalt nach im Einzelnen strei-
tigen Telefonats Anfang Februar 2007 veräußerte sie auf Empfehlung des Bera-ters B.

sämtliche En.

-
und E.

-Aktien für insgesamt 78.866

Mit
dem Erlös
erwarb sie
50
(hier allein streitgegenständliche)
L.

Zertifikate zum Preis von insgesamt 50.000

.
Weitere
24.000

dem Aktienverkauf
reinvestierte sie in (hier nicht streitgegenständliche) 225,162
Stück D.

-Fondsanteile. Im Mai 2008 erhielt die Klägerin
aus
den L.

-Zertifikaten
eine Bonuszahlung von 4.375

.
Mittlerweile sind die
Zertifikate weitgehend wertlos. Am 12.
Juni 2008 verkaufte die Klägerin die
D.

-Fondsanteile für 22.995,79

Die Klägerin verlangt
von der [X.]
Zahlung von 50.000

n-sen abzüglich der
Bonuszahlung, die Feststellung des Annahmeverzugs, ent-gangene Anlagezinsen sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das [X.] hat der Klage bis auf den entgangenen Zinsgewinn und einen Teil der Anwaltskosten stattgegeben, eine Schadensberechnung anhand der Diffe-1
2
3
-
4
-
renzhypothese vorgenommen und daher nur 22.863,21

im Tatbestand Folgendes als unstreitig festgestellt:
"In einem persönlichen Beratungsgespräch im September 2006 klärte der Berater B.

die Klägerin über Funktionsweise und Ri-
siken von Zertifikaten auf, insbesondere über Kursschwankungen und Emittentenrisiken."
Das Berufungsgericht, das wegen des Sach-
und Streitstandes erster In-stanz auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen hat, hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen und dies

soweit im vorliegenden Zusammenhang
von Interesse

wie folgt begründet:
Die Berufung der [X.] habe keinen Erfolg, da die Klägerin habe beweisen können, dass der Berater B.

nicht ausdrücklich auf das mit
dem

Erwerb der Zertifikate grundsätzlich verbundene Emittentenrisiko hingewiesen habe. Der [X.] halte an seiner Rechtsprechung fest, wonach seitens der [X.] beim Erwerb von Zertifikaten ein solcher Hinweis geschuldet sei. Das gelte im vorliegenden Fall jedenfalls im Hinblick darauf, dass der Klägerin, die hier erstmals Zertifikate erworben habe, jegliche konkreten
Vorkenntnisse gefehlt hätten. Dass ein ausdrücklicher Hinweis in dem
der Order vorausge-gangenen
Telefonat nicht erteilt worden sei, stehe schon nach der Aussage des Beraters
B.

fest, der die Behauptung der [X.] zu einem vorherigen
ausdrücklichen Hinweis gerade nicht bestätigt und vielmehr den Vortrag der Klägerin gestützt habe, wonach erst in einem weiteren Anruf einige Tage nach der Order vom Emittenten-
und Totalverlustrisiko die Rede gewesen sei. Das zeige auch, dass die Klägerin bei vorheriger Aufklärung von dem Geschäft [X.] genommen hätte.

4
5
-
5
-
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Soweit das Berufungsgericht gegen die Beklagte erkannt hat, ist die Revision nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das angegriffene Urteil den An-spruch der [X.] auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1
GG verletzt (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 11.
Mai 2004

XI
ZB 39/03, [X.]Z 159, 135, 139
f. und vom 9.
Februar 2010

XI
ZR 140/09, [X.], 515, 516). Aus demselben Grund ist es gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben und ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings eine Aufklärungs-pflicht der [X.] hinsichtlich des sog. allgemeinen Emittentenrisikos ange-nommen. Wie der erkennende [X.] in seinen Urteilen vom 27.
September 2011 (XI
ZR 182/10, [X.]Z 191, 119 Rn.
25
ff. und XI
ZR 178/10, [X.], 2261 Rn.
26
ff.) entschieden hat, ist eine beratende Bank beim Vertrieb von [X.] auch dann, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine dro-hende Zahlungsunfähigkeit der Emittentin bestehen, verpflichtet, den Anleger darüber aufzuklären, dass er im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Emittentin bzw. Garantiegeberin das angelegte Kapital vollständig verliert (allgemeines Emittentenrisiko).
2. Das Berufungsgericht hat jedoch den Anspruch der [X.] auf rechtliches
Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG verletzt, weil es einerseits auf die tatbestandliche
Feststellung des [X.]s
Bezug genommen hat,
die [X.] sei im September 2006 von dem Berater B.

über das allgemeine Emit-
tentenrisiko aufgeklärt worden,
andererseits aber in den Entscheidungsgründen ausgeführt
hat, die
Klägerin habe beweisen
können, dass seitens des Beraters 6
7
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-
6
-
B.

ein ausdrücklicher Hinweis auf das mit dem Erwerb der Zertifikate
grundsätzlich verbundene Emittentenrisiko nicht erfolgt sei und der Klägerin im Hinblick darauf, dass sie hier erstmals Zertifikate erworben habe, jegliche kon-kreten
Vorkenntnisse
fehlten. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind widersprüchlich und erlauben dem [X.] daher keine hinreichend sichere recht-liche Beurteilung des [X.] (§
545 Abs.
1, §
559 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
a) Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen und [X.] zu nehmen und in Erwägung zu zie-hen ([X.] 70, 288, 293
f.; 96, 205, 216
f.);
eine Verletzung ist aber erst dann gegeben, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Das Gericht muss sich nicht mit jedem Vorbrin-gen der Prozessbeteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich [X.]. Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG ist nur dann gegeben, wenn im Ein-zelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen der [X.] entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entschei-dung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.], Beschluss vom 27.
März 2003

V
ZR 291/02, [X.]Z 154, 288, 300; [X.] 25, 137, 140; 47, 182, 187
f.; 54, 86, 92; 65, 293, 295
f.; 69, 233, 246; 70, 288, 293; 85, 386, 404; 88, 366, 375
f.; [X.], NJW 1994, 2279; NVwZ 1995, 1096; NJW 1998, 2583, 2584; NJW-RR 2002, 68, 69).
b) Nach diesen Maßstäben ist Art.
103 Abs.
1 GG hier verletzt.
Das [X.] hat im unstreitigen Teil seines Urteils festgestellt, dass die
Klägerin
im September 2006 durch den Berater B.

über Funktionsweise
und Risiken von Zertifikaten, insbesondere
das
Emittentenrisiko aufgeklärt [X.] ist. Diese Feststellung gehört wegen der
Bezugnahme
auf das erstinstanz-9
10
11
-
7
-
liche Urteil

540 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO) zum Tatbestand des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Oktober 1988

VIII
ZR 222/87, NJW-RR 1989, 306, 307). Damit
steht die in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getroffene
Feststellung
in Widerspruch, die Klägerin habe beweisen können, dass seitens des Beraters B.

ein ausdrücklicher Hinweis auf das mit dem
Erwerb der Zertifikate grundsätzlich verbundene Emittentenrisiko nicht erfolgt sei und der Klägerin im Hinblick auf Zertifikate jegliche konkreten
Vorkenntnisse fehlten.
Der Umstand, dass sich das Berufungsgericht mit diesem offensichtli-chen Widerspruch nicht auseinandergesetzt, insbesondere nicht deutlich [X.] hat, worauf seine der in Bezug genommenen erstinstanzlichen Feststel-lung widersprechende bessere Erkenntnis gründet, sondern vielmehr lediglich eine Aufklärung in dem
der Order vorangegangenen
Telefonat vom Februar 2007 diskutiert
hat, lässt nur den Schluss zu, dass das Berufungsgericht das unstreitige Parteivorbringen erster Instanz zu einer bereits im September 2006 erfolgten Aufklärung der Klägerin auch über das sog. allgemeine [X.] nicht zur Kenntnis genommen hat.
c) Das Berufungsurteil beruht auf dieser Gehörsverletzung. Diese Vor-aussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. [X.] 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392
f.). Dies ist hier der Fall, weil die Klägerin dann, wenn ihr das allgemeine Emittentenrisiko von Zertifikaten bereits wegen der Aufklärung im September 2006 geläufig gewesen sein sollte, hierüber vor den streitgegen-ständlichen Käufen im Februar 2007 nicht erneut aufgeklärt werden musste (vgl. [X.]surteil vom
27.
September 2011

XI
ZR 178/10, [X.], 2261 Rn.
31
f.).

12
-
8
-
3. Das angefochtene Urteil ist
danach gemäß §
544 Abs.
7 ZPO in dem aus dem [X.] ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache in-soweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird den oben genannten Widerspruch aufzuklären haben.

III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist dagegen [X.], weil insoweit die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung 13
14
-
9
-
eine Entscheidung des [X.] nicht erfordern

543 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halbs.
2 ZPO abgesehen.

[X.]

[X.]

Grüneberg

Maihold

Matthias

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.04.2010 -
313 O 144/09 -

O[X.], Entscheidung vom 11.05.2011 -
13 [X.] -

Meta

XI ZR 301/11

03.12.2013

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2013, Az. XI ZR 301/11 (REWIS RS 2013, 636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 636

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 301/11

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