Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2005, Az. KZR 16/04

Kartellsenat | REWIS RS 2005, 2372

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[X.][X.]/04
vom 26. Juli 2005 in dem Rechtsstreit

- 2 - [X.] hat am 26. Juli 2005 durch den Präsi-denten des [X.] Prof. [X.], [X.] und [X.], Prof. [X.] und Dr. Raum beschlossen: [X.] Das Verfahren wird ausgesetzt. I[X.] Dem [X.] werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ge-mäß Art. 234 [X.] zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 der [X.] vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des [X.] von Vertriebs- und [X.]undendienstvereinbarungen über
[X.]fahrzeuge (Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95) dahin [X.], daß sich die Notwendigkeit, das Vertriebsnetz insge-samt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren, und das davon abhängige Recht des Lieferanten, Verträge
mit Händlern seines Vertriebsnetzes mit einer Frist von ei-nem Jahr zu kündigen, auch daraus ergeben kann, daß mit dem Inkrafttreten der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 der [X.] vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von [X.] auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltens-weisen im [X.]fahrzeugsektor (Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002) tiefgreifende Änderungen des von dem Lieferan-ten und seinen Händlern bis dahin praktizierten, an der [X.] ([X.]) Nr. 1475/95 ausgerichteten und durch diese
- 3 - Verordnung freigestellten Vertriebssystems erforderlich [X.]? 2. Falls die erste Frage zu verneinen ist:
Ist Art. 4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 dahin auszule-gen, daß die in einem [X.]fahrzeughändlervertrag enthalte-nen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, die nach dieser Verordnung an sich [X.] ("schwarze [X.]lauseln") darstellen, ausnahmsweise dann nicht mit Ablauf der einjährigen Übergangsfrist nach Art. 10 der Verordnung am 30. September 2003 zum Wegfall der Freistellung für sämtliche wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen des [X.]. 81 Abs. 1 [X.] geführt haben, wenn dieser Vertrag unter der Geltung der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 abgeschlossen, an den Vorgaben dieser [X.] ausgerichtet und durch diese Verordnung freigestellt worden ist? Gilt dies jedenfalls dann, wenn die aus dem Gemeinschafts-recht folgende Nichtigkeit aller wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestimmungen nach nationalem Recht die Gesamt-nichtigkeit des [X.] zur Folge hat? - 4 - Gründe: [X.] Die [X.]lägerin ist eine ehemalige Vertragshändlerin der beklagten [X.]-fahrzeugherstellerin. Der den Vertragsbeziehungen zugrundeliegende, nach einem einheitlich verwendeten Muster der [X.] geschlossene Händlerver-trag datiert aus dem Jahre 1996. Er enthält unter anderem folgende Bestim-mungen: 11.3 Ordentliche [X.]ündigung durch [X.] kann den Vertrag mit einer Frist von 24 Monaten kündigen. 11.6 [X.]ündigung wegen Umstrukturierung des Vertriebsnetzes Falls sich die Notwendigkeit ergibt, das [X.] Vertriebsnetz insgesamt oder zu ei-nem wesentlichen Teil umzustrukturieren, ist [X.] berechtigt, den [X.] zu kündigen. Dies gilt auch für den Fall, daß sich die diesem Vertrag zugrundeliegenden rechtli-chen Rahmenbedingungen in wesentlichen Bereichen ändern. 13.2 [X.] Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen dieses Vertrages oder seiner Be-standteile läßt die Wirksamkeit der übrigen Regelungen unberührt. Die [X.] sind im Rahmen des Zumutbaren nach Treu und Glauben verpflichtet, eine unwirksame Bestimmung durch eine ihr im wirtschaftlichen Erfolg gleichkommende wirksame Regelung zu ersetzen, sofern dadurch keine wesentliche Änderung des [X.] herbeigeführt wird; das gleiche gilt, falls ein regelungsbedürftiger Sachverhalt nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Beklagte sprach im September 2002 die [X.]ündigung sämtlicher [X.] zum 30. September 2003 aus. - 5 - Sie begründete diesen Schritt damit, daß die am 1. Oktober 2002 mit einer Übergangsfrist für bestehende Händlerverträge bis zum 30. September 2003 in [X.] tretende Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 gravierende rechtliche und struk-turelle Veränderungen für den Automobilvertrieb mit sich bringe, die auch eine wesentliche Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes erforderten. Mit dem Groß-teil ihrer bisherigen Händler schloß die Beklagte in der Folgezeit mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 neue, an den Vorgaben der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 ausgerichtete Verträge ab. Die [X.]lägerin, der die Beklagte ebenso wie mehreren anderen [X.] keinen neuen Händlervertrag anbot, ist der Auffassung, die [X.]ün-digung der [X.] habe nicht vor Ablauf der zweijährigen Frist für eine or-dentliche [X.]ündigung nach Nr. 11.3 des [X.] am 30. September 2004 zur Beendigung ihres [X.] geführt, weil die Voraussetzungen einer sogenannten Strukturänderungskündigung nach Nr. 11.6 Abs. 1 des [X.] nicht erfüllt seien und Nr. 11.6 Abs. 2 des [X.] sei. Sie hat deshalb [X.]lage auf Feststellung erhoben, daß das [X.] über den 30. September 2003 hinaus bis längstens 30. September 2004 fortbestehe. Das Berufungsgericht hat die [X.]lage abgewiesen. Es hält die in Nr. 11.6 Abs. 1 des [X.] getroffene [X.]ündigungsregelung für wirksam und deren Voraussetzungen für gegeben. Nach seiner Auffassung hatten die aus dem Erlaß der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 resultierenden Änderungen für den Automobilvertrieb die Notwendigkeit einer Umstrukturierung des Vertriebs-netzes der [X.] zur Folge. Eine Reihe von Wettbewerbsbeschränkungen des [X.], die bis dahin durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 freigestellt gewesen seien, stellten nach Art. 4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 [X.] dar. Dies habe zur Folge, daß ohne die - 6 - [X.]ündigung zum 30. September 2003 in allen Mitgliedst[X.]ten der [X.] am 1. Oktober 2003 die Freistellung für sämtliche [X.] [X.]lauseln der Händlerverträge der [X.] entfallen wäre. Es sei der [X.] nicht zumutbar, auch nur bis zum 30. September 2004, dem Ablauf der Frist für eine ordentliche [X.]ündigung, einen Rechtszustand zu akzep-tieren, der allenfalls in einem Vertragsrest ohne wettbewerbsbeschränkende [X.]lauseln oder gar in einem - wegen Gesamtnichtigkeit nach nationalem Recht (§ 306 BGB) - vertragslosen Zustand bestünde. Die daraus folgende Notwen-digkeit der Umstrukturierung des Vertriebsnetzes der [X.] entfalle auch nicht im Hinblick auf die [X.] in Nr. 13.2 Satz 2 Halbs. 1 des [X.]; deren Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil den infol-ge des Inkrafttretens der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 notwendigen Ände-rungen im Automobilvertrieb nicht ohne eine wesentliche Änderung des [X.] getragen werden könne. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.]läge-rin ihr Feststellungsbegehren weiter. I[X.] 1. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in erster Linie von der Be-antwortung der Frage ab, ob die Beklagte nach Nr. 11.6 Abs. 1 des [X.] berechtigt war, die Händlerverträge mit einjähriger Frist zum 30. September 2003 zu kündigen. Der Senat neigt dazu, die Frage mit dem [X.] zu bejahen. Die dazu erforderliche Vertragsauslegung kann er indessen nicht vornehmen, ohne zuvor dem Gerichtshof der Europäischen Ge-meinschaften gemäß Art. 234 [X.] die entsprechende Frage zur Auslegung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 vorzule-gen, dessen Regelung die vertragliche [X.] wörtlich übernimmt. - 7 - a) Die Frage ist entscheidungserheblich. [X.]) Eine vertragliche Befugnis der [X.], den mit der [X.]lägerin ge-schlossenen Händlervertrag mit nur einjähriger Frist zum 30. September 2003 zu kündigen, kann allein aus Nr. 11.6 Abs. 1 des [X.] hergeleitet werden. Auf Nr. 11.6 Abs. 2 des [X.] kann eine wirksame Sonder-kündigung mit einjähriger Frist nicht gestützt werden. Geht die Bestimmung in-haltlich über die nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 zulässigen Abweichungen von der zweijährigen Frist für eine ordentliche [X.]ündigung (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95) hinaus, was von der Auslegung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung abhängt, so ist sie - ungeachtet der gemeinschaftsrechtlichen Folgen, die dies nach sich zieht - jedenfalls wegen unangemessener Benachteiligung der Händler gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. [X.], Urt. v. 21.2.1995 - [X.], [X.]/[X.], 2985 - [X.]fz-Vertragshändler). Sollte Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 dagegen im Sinne der [X.] auszulegen sein, so hat Nr. 11.6 Abs. 2 des [X.] daneben keinen eigenständigen Regelungsgehalt. [X.]) Ein außerordentliches [X.]ündigungsrecht aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage des [X.] gemäß § 313 BGB (dazu [X.], 1395, 1401; [X.] WRP 2004, 695, 698) kommt als Grundlage der hier zu beurteilenden, allein auf die vertragliche [X.]ündigungsregelung gestützten [X.]ündigung der [X.] nicht in Betracht. Es bedarf deshalb keines weiteren [X.] auf die Frage, ob Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2. Spiegelstrich der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 die außeror-dentliche [X.]ündigung eines [X.]fahrzeughändlervertrages aus einem anderen als dem dort genannten Grund der Nichterfüllung wesentlicher Vertragspflichten zuläßt. - 8 - b) Ob der Änderungsbedarf, den die am 1. Oktober 2002 in [X.] getre-tene Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 für den Automobilvertrieb mit sich brach-te, eine Umstrukturierung der Vertriebsnetze im Sinne des Art. 5 Abs.3 Satz 1 1. Spiegelstrich der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 erforderte und die [X.]fahr-zeughersteller zur [X.]ündigung ihrer Händlerverträge mit einjähriger Frist [X.], ist umstritten. [X.]) Nach einer engeren Auffassung, die sich auf die Ausführungen zu Frage 16 der Leitlinien der Europäischen [X.] zu der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 (ebenso zu Frage 68 des Leitfadens zu der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002) stützt, kann sich ein Umstrukturierungsbedarf nur aufgrund des Verhaltens von Wettbewerbern oder sonstiger wirtschaftlicher Entwicklungen ergeben, wobei letztere allerdings auch auf interne Entscheidungen des [X.] zurückzuführen sein können. Nach dieser Auffassung kann das Inkraft-treten der neuen [X.]sverordnung mit einjähriger [X.] eine [X.]ündigung wegen notwendiger Umstrukturierung des Vertriebsnetzes nicht rechtfertigen, weil die Anpassung an eine neue Rechtslage keine Ände-rung des Vertriebsnetzes darstelle (so insbesondere [X.], [X.] 2002, 560, 563; [X.], [X.] 2003, 752, 755 f.). Auch in dem Leitfaden zu der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 ([X.]. in [X.], 5. Aufl., [X.] [X.]en - Branchenregelungen - [X.]fz-Vertrieb, Anhang) vertritt die Europäische [X.] zu Frage 20 die Auffassung, die Tatsache, daß die Geltungsdauer der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 am 30. September 2002 ende und sie durch eine neue Verordnung ersetzt werde, bedeute noch nicht, daß ein Vertriebsnetz umgestaltet werden müsse. [X.]) Die Gegenmeinung stellt auf die Auswirkungen ab, die sich aus dem Inkrafttreten der neuen [X.]sverordnung für die inhaltliche Aus-gestaltung der Automobil-Vertriebssysteme zwangsläufig ergeben, und hält - 9 - dementsprechend [X.] mit einjähriger Frist zum 30. September 2003 für zulässig (so vor allem [X.], [X.]O, S. 1400 f.; Schu-macher, Recht des [X.]fz-Vertriebs in [X.], 2005, S. 102 f.). Diese Auffassung erscheint dem Senat vorzugswürdig. (1) Es ist schon nicht zu erkennen, weshalb sich die Notwendigkeit einer Netzumstrukturierung allein aus wirtschaftlichen Gründen ergeben können soll. Es mag sein, daß dem Verordnungsgeber dieser Fall bei der Formulierung des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 vor Augen gestanden hat. Das schließt indessen nicht aus, die Bestimmung so auszulegen, daß auch rechtli-che Umstände, die Auswirkungen auf das Vertriebssystem haben, die [X.] erfüllen. (2) Richtig ist dagegen ohne Zweifel, daß bei einer reinen Wortlautinter-pretation zwischen dem Vertriebssystem, das auf die Vorgaben der neuen [X.]sverordnung umgestellt werden mußte, und dem Vertriebs-netz zu unterscheiden ist. Andererseits läßt sich das Vertriebssystem aber auch als Teil der Struktur des Vertriebsnetzes verstehen, das nicht nur aus der [X.] der Vertriebspartner (dem Hersteller auf der einen, den Händlern auf der anderen Seite) besteht, sondern durch die vertragliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Vertriebspartnern - das Vertriebssystem - geprägt wird. Denn zu einem Vertriebsnetz werden Hersteller und Händler erst dadurch, daß ein vertragliches Regelwerk sie miteinander verbindet, durch das ihre Vertriebskooperation im einzelnen ausgestaltet wird. [X.] Teil die-ses vertraglichen Regelwerks sind auch diejenigen Vereinbarungen, deren [X.] das Vertriebssystem darstellt. - 10 - (3) Unabhängig von diesen am Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 der [X.] ([X.]) Nr. 1475/95 anknüpfenden Überlegungen erscheint dem Senat eine weite Auslegung aber insbesondere im Hinblick auf das Ergebnis geboten. Die Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 hat einen erheblichen, bis dahin nicht gekannten Änderungsbedarf für die in [X.] praktizierten Automobilver-triebssysteme mit sich gebracht. Die bis dahin verbreitete [X.]ombination von ex-klusivem und selektivem Vertrieb ist unter ihrer Geltung nicht mehr vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 [X.] freigestellt. Die [X.]fahrzeughersteller mußten sich für eines der beiden Vertriebssysteme entscheiden, was in der Praxis zur Folge hat, daß im Rahmen des nahezu ausnahmslos gewählten selektiven Vertriebs-systems Gebietsbeschränkungen und Gebietsschutz der Händler nicht mehr freigestellt sind. Um in den Genuß der [X.] zu kommen, mußten ferner Verkauf und [X.]undendienst, bis zum Inkrafttreten der neuen Gruppenfrei-stellungsverordnung zwangsweise kombiniert, entkoppelt und markenunabhän-gige Werkstätten als Servicewerkstätten zugelassen werden, sofern sie be-stimmte Standards erfüllten. Weitgehend entfallen ist mit der neuen Gruppen-freistellungsverordnung auch die bis dahin noch weit verbreitete Markenexklusi-vität. All diesen Veränderungen mußte ein [X.]fahrzeughersteller vor Ablauf der einjährigen Übergangsfrist des Art. 10 der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 durch Anpassung der bestehenden oder durch [X.]ündigung und Abschluß neuer Händlerverträge Rechnung tragen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, am 1. Oktober 2003 ohne wirksame Vertriebsvereinbarungen mit der [X.] dazustehen. Gelang es nämlich nicht, einen der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 entsprechenden Händlervertrag rechtzeitig vor Ablauf der Umstellungsfrist an die Vorgaben der neuen [X.]sverordnung anzupassen oder ihn (notfalls) zu beenden, so hatte dies möglicherweise (dazu unten zu [X.]) zur - 11 - Folge, daß alle wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen ab 1. Oktober 2003 nach Art. 81 Abs. 2 [X.] nichtig waren, weil wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die nach der Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 noch freigestellt waren, nach der neuen [X.]sverordnung zum Teil [X.]ernbe-schränkungen darstellen, die nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 zur Folge haben, daß die Freistellung für alle [X.] Vereinbarungen des [X.] entfällt (Schütz in [X.], [X.]O, Art. 4 Rdn. 1). Für die Beklagte hätte das bei-spielsweise dazu führen können, daß die betreffenden Händler nicht mehr ge-hindert gewesen wären, [X.]-Neufahrzeuge an nicht autorisierte Wiederver-käufer abzugeben. Innerhalb des Vertriebsnetzes der [X.] hätte zweierlei Recht gegolten mit einer deutlich freieren Stellung derjenigen Händler, die nicht bereit gewesen wären, einer Anpassung des [X.] an die Vorgaben der neuen [X.]sverordnung zuzustimmen. Der Senat ist mit dem Berufungsgericht der Auffassung, daß einem Automobilhersteller derart unge-ordnete Verhältnisse innerhalb seines Vertriebsnetzes auch nicht für die Dauer eines Jahres zumutbar sind. Ein einseitiger Verzicht des Automobilherstellers auf Wettbewerbsbe-schränkungen, die in den früheren Händlerverträgen enthalten, nach der neuen [X.]sverordnung aber nicht mehr freigestellt sind, vermag das Problem entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht ([X.] [X.]O S. 758) nicht zu lösen. Durch einen einseitigen Verzicht kann der Vertragsinhalt nicht verändert werden. Die sich aus Art. 4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 möglicherweise (dazu unten zu 2) ergebende Folge, daß die Freistellung auch für die nach der neuen [X.]sverordnung an sich weiterhin zuläs-sigen Wettbewerbsbeschränkungen mit Ablauf des 30. September 2003 entfal-len würde, konnte durch einen einseitigen Verzicht des Herstellers folglich nicht vermieden werden. - 12 - 2. Die Frage, ob die von der [X.] im September 2002 ausgespro-chene [X.]ündigung den mit der [X.]lägerin geschlossenen Händlervertrag gemäß deren Nr. 11.6 Abs. 1 mit einjähriger Frist zum 30. September 2003 oder - als ordentliche [X.]ündigungen nach Nr. 11.3 - mit zweijähriger Frist erst zum 30. September 2004 beendet hat, bedarf allerdings dann keiner Entscheidung, wenn der Händlervertrag auch ohne die [X.]ündigung den 30. September 2003, den Ablauf der Übergangsfrist nach Art. 10 der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002, nicht überdauert hat. Dies könnte deswegen der Fall sein, weil der im Jahre 1996 abgeschlos-sene, an der damals geltenden Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 ausgerichtete Vertrag wettbewerbsbeschränkende [X.]lauseln - wie etwa die [X.]ombination von exklusivem und selektivem Vertrieb, Beschränkungen des Mehrmarkenvertriebs und die obligatorische Verbindung von Vertrieb und [X.]undendienst - enthält, die durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1475/95 freigestellt waren, nach Art. 4 der [X.] ([X.]) Nr. 1400/2002 aber [X.] darstellen, die nicht nur selbst nicht freigestellt (und auch nicht freistellungsfähig) sind, sondern als "schwarze [X.]lauseln" bewirken, daß die [X.] für sämtliche ver-einbarten Wettbewerbschränkungen, auch soweit sie für sich genommen nach der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 freigestellt wären, nicht gilt. Ob der danach verbleibende Vertragstorso rechtlich Bestand hat oder der Vertrag insgesamt nichtig ist, beurteilt sich nach nationalem Recht ([X.], Urt. v. 8.2.1994 - [X.], [X.]/[X.], 2913 - Pronuptia II), d.h. nach § 306 BGB, der für den hier gegebenen Formularvertrag § 139 BGB verdrängt. Nach § 306 Abs. 3 BGB hat die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln die Gesamtnichtigkeit des [X.] zur Folge, wenn das Festhalten an dem lückenhaften Vertrag für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dies ist nach Auffas-sung des Senats aus den oben unter II 1 b [X.] (3) dargelegten Gründen hin-sichtlich der [X.] anzunehmen. - 13 - Sollte der mit der [X.]lägerin geschlossene Händlervertrag schon aus die-sem Grunde - und damit unabhängig von der Wirksamkeit und dem Wirkungs-zeitpunkt der [X.]ündigung - den Ablauf der Übergangsfrist nach Art. 10 der [X.] ([X.]) Nr. 1400/2002 nicht überdauert haben, so ist die erste Vorlage-frage obsolet. Dasselbe würde dann freilich auch für die in den Leitlinien zu der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 erörterte, von der [X.] verneinte Frage gelten, ob allein das Inkrafttreten der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 mit ein-jähriger Übergangsfrist eine Umstrukturierung des Vertriebsnetzes erfordert und bestehende Händlerverträge von den Herstellern deshalb mit einjähriger Frist zum 30. September 2003 gekündigt werden konnten. Die Tatsache, daß die Frage gleichwohl in den Leitlinien angesprochen und in dem soeben genannten Sinne beantwortet wird, spricht dafür, daß Art. 4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 nicht zu dem Ergebnis führen soll, daß sämtliche [X.], die weder rechtzeitig - mit zweijähriger Frist zum 30. September 2003 - gekündigt noch der Verordnung ([X.]) Nr. 1400/2002 angepaßt wurden, mit Ablauf des 30. September 2003 [X.] geworden und die betroffenen Händlerverträge infolgedessen nach [X.] Recht möglicherweise insgesamt nichtig sind. Ob Art. 4 der Verordnung
([X.]) Nr. 1400/2002 in diesem Sinne einschränkend auszulegen ist, hat der Ge-richtshof der [X.]en zu entscheiden.

Hirsch Goette [X.]
Bornkamm Raum
- 14 - Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.11.2003 - 16 [X.] 13863/03 - [X.], Entscheidung vom 26.02.2004 - U ([X.]) 5585/03 -

Meta

KZR 16/04

26.07.2005

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2005, Az. KZR 16/04 (REWIS RS 2005, 2372)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2372

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