Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.08.2012, Az. 1 StR 314/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4050

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Gegenstand

Auslieferung aufgrund Europäischen Haftbefehls: Verzicht auf Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes bei Zustimmung des Angeklagten zur Übergabe; Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz als Verfahrenshindernis


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2012 wird

a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, soweit der Angeklagte wegen vier tatmehrheitlich begangener Vergehen des Betrugs verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Entziehung Minderjähriger, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie wegen - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung, zweifacher Vergewaltigung und Nötigung schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Entziehung Minderjähriger, Betrugs in vier Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung, zweifacher Vergewaltigung und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu den aus der [X.] ersichtlichen Änderungen (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet [X.]. § 349 Abs. 2 StPO.

2

Auf Antrag des [X.] hat der Senat das Verfahren in den [X.] Taten 2 bis 5 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt wurde, gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 28. Juni 2012 ausgeführt:

„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs verstößt gegen den [X.], normiert in Artikel 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den [X.] Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten - 2002/584/[X.] - ([X.]).

Der Angeklagte ist [X.] Staatsangehöriger. Der Lebenssachverhalt der von ihm begangenen Betrugstaten war weder Gegenstand des [X.] Haftbefehls vom 9. November 2009 (vgl. Verfahrensakten [X.], [X.] 220ff), noch des Internationalen Haftbefehls vom 30. Oktober 2009 (vgl. Verfahrensakten [X.], [X.] 84ff). Ein entsprechendes [X.] wurde nicht gestellt. Nach Aktenlage hat der Angeklagte auch nicht auf die Einhaltung des [X.]es verzichtet. Seine ausdrückliche Zustimmung zur Übergabe wegen der im [X.] Haftbefehl genannten Taten (vgl. Verfahrensakten [X.], [X.] 312,313) kann mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht zugleich als „ausdrücklicher Verzicht“ auch auf den Grundsatz der Spezialität nach Art. 13 Abs. 1 [X.] interpretiert werden (vgl. [X.], Urteil vom 08.08.1989 - 1 StR 296/89 -, Fundstelle juris Rdnr. 2 m.w.N. zu Art. 14 [X.]). Ein Entfallen der Spezialität nach Art. 27 Abs. 3 b) [X.] ist ebenfalls nicht gegeben.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] Union ergibt sich bei einer Auslieferung aufgrund [X.] Haftbefehls aus einem Verstoß gegen den [X.] kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen ([X.], Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache [X.]/08 [[X.] und [X.]], NStZ 2010, 35 mit [X.]. Dr. [X.]; konkludent zustimmend: [X.], Beschluss vom 09.02.2012 - 1 [X.]/11 -, Fundstelle juris Rdn. 20).

Gleichwohl erscheint im vorliegenden Fall - auch aus Gründen der gebotenen Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen - kein Innehalten zur Stellung eines [X.]s veranlasst, sondern die beantragte Teileinstellung des Verfahrens opportun.“

3

Dem tritt der Senat bei.

4

[X.] bleibt von der teilweisen Einstellung des Verfahrens unberührt. Der Senat schließt im Hinblick auf die Einsatzstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und die übrigen in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Einzelstrafen von vier Jahren sowie zwei Jahren und acht Monaten aus, dass sich der Wegfall der Verurteilungen im Fall [X.] mit zweimal drei Monaten sowie vier und sieben Monaten Freiheitsstrafe auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hätte.

5

Im Hinblick auf den lediglich geringfügigen Erfolg des Rechtsmittels erscheint es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbliebenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

RiBGH Rothfuß ist urlaubsabwesend
und daher an der Unterschrift gehindert.

Wahl     

Wahl

Hebenstreit

Graf     

     Cirener     

Meta

1 StR 314/12

07.08.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 9. Februar 2012, Az: 4 KLs 303 Js 32048/09

Art 13 Abs 1 EGRaBes 584/2002, Art 27 Abs 2 EGRaBes 584/2002, Art 27 Abs 3 Buchst b EGRaBes 584/2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.08.2012, Az. 1 StR 314/12 (REWIS RS 2012, 4050)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4050

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