Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. 1 StR 165/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1906

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 165/12

vom
25. Oktober
2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Angeklagten und des [X.] am 25. Oktober
2012
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 30. September 2011 wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 205 [X.] vorläufig einge-stellt.
2. Der Staatsanwaltschaft [X.] wird Gelegenheit gegeben, bin-nen einer Frist von zwei Monaten gerechnet ab Zugang dieses Beschlusses mitzuteilen, ob ein [X.] entspre-chend Art. 14 Abs. 1 Buchst. a [X.] an die zuständigen Behörden der [X.] auf den Weg gebracht [X.], in dem um Zustimmung zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl des [X.] in [X.] vom 23. Juli 2007 genannten Taten ersucht wird.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbs-
und bandenmä-ßigen Betrugs in Tateinheit mit Steuerhinterziehung sowie wegen gewerbs-
und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen ge-richteten Revision rügt er die Verletzung materiellen Rechts und macht insbe-sondere einen Verstoß gegen den [X.] bei Auslieferungen geltend.
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1. Das Verfahren ist wegen des Grundsatzes der Spezialität (nachfol-gend a), der hier ein noch behebbares Verfahrenshindernis begründet (nach-folgend b), in entsprechender
Anwendung des §
205 [X.] vorläufig einzustel-len (nachfolgend c).
a) Aus dem in Art. 14 des [X.] vom 13. Dezember 1957 ([X.]), das im Rechtshilfeverkehr mit der Repub-lik Südafrika Anwendung findet (vgl. dazu auch [X.] II 2003, 1783), normier-ten Grundsatz der Spezialität ergibt sich hier ein bereits von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfolgungsverbot (Verfahrenshindernis).
aa) Folgendes liegt zugrunde:
Gegen den Angeklagten wurde wegen einer nach einem Bewährungswi-derruf zu vollstreckenden [X.] am 9. Januar 2004 ein Vollstre-ckungshaftbefehl erlassen. Des Weiteren hat das [X.] in [X.] am 23. Juli 2007 einen Haftbefehl gegen den Angeklagten wegen der hier verfahrensgegenständlichen Taten erlassen. Nach Ergreifen des Angeklag-ten in der [X.] haben die Staatsanwaltschaft und die General-staatsanwaltschaft [X.] beim [X.] ein auf beide Haftbefehle gestütztes Auslieferungsersuchen angeregt. Nachdem ein Auslieferungsersu-chen durch Verbalnoten der [X.]n Botschaft in [X.] Nr. 532/2009 und -
erinnernd -
Nr. 599/2009 den [X.] Behörden übermittelt worden a-tionale Beziehungen und Zusammenarbeit der [X.] der [X.] in [X.] unter Bezugnahme auf die vorgenannten Verbalno-ten am 28. September 2010 mit, dass die Verfügung des Ministers für Justiz für die Übergabe des Angeklagten vorliege und
der Angeklagte in [X.] den [X.] Behörden übergeben werde, was dann auch geschah. Die ange-2
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sprochene, auf Art. 11(a) des [X.] Auslieferungsgesetzes von 1962 ([X.] aus 1962) gestützte Verfügung des Ministers für Justiz der [X.] vom 14. September 2010 nimmt ausschließlich Bezug [X.], dass der Angeklagte zur Vollstreckung der [X.] ausgeliefert werde.
bb) Das [X.] ist der Auffassung, der [X.] stehe dessen ungeachtet einer Verurteilung nicht entgegen, da das Schreiben an die [X.] [X.] vom 28. September 2010 einzig maßgeblich sei und keine Beschränkung oder teilweise Ablehnung der Auslieferung (vgl. Art. 18 Abs. 2 [X.]) enthalte.
cc) Aus dem Grundsatz der Spezialität ergibt sich für den ersuchenden Staat eine Beschränkung seiner Hoheitsrechte (vgl. [X.] in [X.]/ [X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 72 [X.] Rn.
2). Nach Art. 14 Abs. 1 [X.] darf der Ausgelianderen, vor der Übergabe begangenen Handlung als derjenigen, die der [X.] oder Maßregel der Sicherung oder Besserung in Haft gehalten oder [X.] der Staat, der ihn ausgeliefert hat, zustimmt (Art. 14 Abs. 1 Buchst. a [X.]) oder wenn nach Verstreichen der Schonfrist des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b [X.] die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Danach durfte der Angeklagte nur wegen solcher vor der Auslieferung begangener Ta-ten bestraft werden, für die die Auslieferung bewilligt worden war (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 1968 -
1 [X.], [X.]St 22, 307; [X.], Urteil
vom 11. März 1999 -
4 [X.], [X.], 363).
Die zur Auslieferung auf-grund eines Europäischen Haftbefehls ergangene Rechtsprechung des Ge-6
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richtshofs der [X.], nach der sich aus einem Verstoß gegen den [X.] lediglich ein
Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen ergibt ([X.], Urteil vom 1. Dezember 2008 -
Rechtssache C-388/08 [[X.] und [X.]], NStZ 2010, 35 mit [X.] [X.], vgl. dazu [X.], Beschluss vom 27. Juli 2011 -
4 StR 303/11, [X.], 100), findet auf die hier vorliegende Auslieferung aus der [X.] keine Anwendung.
Der Umfang der Spezialitätsbindung des um Auslieferung ersuchenden Staates bestimmt sich nach den Regelungen des [X.] in Verbindung mit der [X.]. Im Ansatz zutreffend geht das [X.] dabei davon aus, dass jede vollständige oder teilweise Ablehnung einer beantragten Auslieferung vom ersuchten Staat zu begründen ist (Art. 18 Abs. 2 [X.]). Wird eine Teilablehnung vom ersuchten Staat nicht zum Ausdruck gebracht, kann daher die Auslieferung als im beantragten Umfang bewilligt angesehen werden (vgl. hierzu auch [X.], Urteil vom 26. Oktober 1999 -
1 [X.], [X.], 370). Unbeschadet der Frage, ob hierbei -
dem [X.] fol-gend
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ausschließlich auf die auf eine [X.]
hinweisende Mitteilung an die [X.] Behörden abgestellt werden kann (zur Maßgeblich-keit der [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 27. November 2003 -
3 [X.]), bestimmt sich in diesen Fällen der Umfang der bewilligten [X.] nach dem Inhalt des [X.]. Der ersuchte Staat muss zweifelsfrei erkennen können, inwieweit vom ersuchenden Staat Auslieferung begehrt wird.
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Der Umfang der [X.]
war zunächst unklar. Da der genaue Inhalt des den Behörden der [X.] letztlich übermittelten Ersuchens weder den Urteilsgründen noch dem Akteninhalt zu entnehmen war, ist der Senat dieser Frage im Freibeweisverfahren nachgegangen. Dabei hat das [X.] der [X.] den Umfang der [X.] nun klargestellt. Es hat über die [X.] [X.], das [X.] und das [X.] mitgeteilt, das
dass auch für die im Haftbefehl vom 23. Juli 2007 genannten Taten Ausliefe-rung begehrt werde; dementsprechend sei die [X.] nur auf die Vollstreckung der Reststrafe beschränkt gewesen. Damit kann der [X.] nicht die ihr vom [X.] bezüglich der Tatvorwürfe aus dem Haftbefehl des [X.] in [X.] vom 23. Juli 2007 beige-messene
Bedeutung zuerkannt werden.
b) Das bestehende Verfahrenshindernis hat jedoch nicht zur Folge, dass das Strafurteil des [X.]s nichtig wäre; vielmehr ist dieses lediglich an-fechtbar (vgl. [X.], 77, 78; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 72 [X.] Rn. 28). Auch kann der Verstoß gegen den Grundsatz der [X.] jedenfalls derzeit nicht dazu führen, dass der Senat das Verfahren ge-mäß § 206a [X.] wegen eines [X.]s einstellen müsste. Denn ein solcher Verstoß begründet lediglich ein auch noch in der [X.], zumal auch der Eröffnungsbeschluss ebenfalls nicht nichtig ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2012 -
1 [X.], [X.]St 57, 138 und 1 [X.] jeweils mwN).
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aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kön-nen [X.] auch noch im Revisionsverfahren beseitigt werden (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 1951 -
3 StR 961/51 zur Nachholung eines erforderlichen Strafantrags in der Revisionsinstanz; [X.], Urteil vom 26. Juni 1952 -
5 [X.], [X.]St 3, 73; [X.], Beschluss vom 26. Mai 1961 -
2 StR 40/61, [X.]St 16, 225; [X.], Beschluss vom 12. Dezember 2000 -
4 [X.], NJW 2001, 836). Die Beseitigung von behebbaren Verfahrenshinder-nissen kann dabei aus Gründen der Prozessökonomie (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2000 -
1 [X.], [X.], 347) und im Hinblick auf die pro-zessuale Fürsorgepflicht gegenüber dem Beschuldigten (vgl. dazu [X.], [X.], 55. Aufl., § 206a Rn. 2) sogar geboten sein, um dem Angeklag-ten eine erneute Anklageerhebung und eine erneute Hauptverhandlung zu [X.]. Auch das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 [X.]) kann eine Beseitigung behebbarer [X.] mit den rechtlich dafür zur Verfügung ste-henden Mitteln gebieten.
bb) Diese Grundsätze gelten auch für Verstöße gegen den Grundsatz der Spezialität ([X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2012 -
1
[X.] und 1
[X.], aaO). Es ist allgemein anerkannt, dass es bei einem Verstoß gegen den [X.] auch dem Revisionsgericht möglich ist, ein Verfahrenshindernis zu beseitigen, indem es den [X.] in einem [X.] um Zustimmung zur Strafverfolgung für die nicht von der [X.] erfassten Taten ersucht (vgl. [X.] in aaO, § 72 [X.] Rn. 28b). Stimmt der ersuchte Staat der Ausdehnung der Strafverfolgung auf die weiteren Taten zu, sind seine Rechte, die mit dem [X.] geschützt werden sollen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 72 Rn. 13), gewahrt.
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In gleicher Weise kann die Spezialitätsbindung aus Art. 14 [X.] ent-fallen, wenn der [X.] noch nachträglich auf die Einhaltung des Grund-satzes der Spezialität verzichtet und sich mit der uneingeschränkten Strafver-folgung einverstanden erklärt oder wenn -
was Art. 14 Abs. 1 Buchst. b
[X.] ausdrücklich zulässt -
der [X.], obwohl er die Möglichkeit hatte, das Hoheitsgebiet des Staates, dem er ausgeliefert worden ist, innerhalb von 45 Tagen nach seiner endgültigen Freilassung nicht verlassen hat oder er nach Verlassen dieses Gebiets dorthin zurückgekehrt ist und er auf die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen bei seiner Freilassung hingewiesen worden war (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2012 -
1 [X.] und 1
[X.], aaO).
c) Hiervon ausgehend ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des §
205 [X.] vorläufig einzustellen.
Voraussetzung einer -
vom Angeklagten begehrten -
Einstellung nach §
206a Abs. 1 [X.] wäre das Bestehen eines dauerhaften Verfahrenshinder-nisses; ein zeitiges, behebbares Hindernis berechtigt nicht, nach § 206a [X.] vorzugehen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 1995 -
5 [X.]; [X.], Beschluss vom 4. März 1969 -
2 Ws 588/68, NJW 1969, 998; Rit-scher in BeckOK-[X.], [X.]. 14, §
206a Rn.
1; [X.] in KK-[X.], 6. Aufl., §
206a Rn. 1). Vielmehr ist bei einem

wie hier

noch behebbaren Verfah-renshindernis eine vorläufige Einstellung angezeigt, die ihre Grundlage in § 205 [X.] findet, der für nicht in der Person des Angeklagten liegende Hindernisse (so diesen nicht anderweitig begegnet werden kann) entsprechend (vgl. [X.], [X.], 55. Aufl., § 206a Rn. 8) und auch im Revisionsverfahren an-wendbar ist (vgl. [X.] in LR-[X.], 26. Aufl., § 205 Rn. 10 mN).
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2. Die Vorläufigkeit der Einstellung entfällt und das Verfahren ist endgül-tig einzustellen (§ 206a [X.]), wenn sich herausstellt, dass das [X.] dauerhaft ist. Um hierüber innerhalb einer -
auch gemessen an Art. 6 Abs. 1 [X.] -
angemessenen [X.] entscheiden zu können, gibt der Senat der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, zeitnah ein [X.] zu stellen, wie dies schon die [X.] Behörden angeregt hatten. Wird ein solches [X.] nicht gestellt und ist die Spezialitätsbindung binnen gesetz-ter Frist nicht aus anderen Gründen entfallen, ist das Verfahren nach § 206a [X.] endgültig einzustellen.
3. Weitergehende Entscheidungen durch den Senat sind derzeit nicht veranlasst. Dem Bestand des Haftbefehls des [X.] vom 23.
Juli 2007 steht weder die vorläufige Einstellung nach § 205 [X.] entgegen (vgl. [X.], [X.], 55. Aufl., § 205 Rn. 1), noch der Verstoß gegen den [X.] [X.]/Burchhard in [X.]/[X.]/[X.], Internatio-naler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., [X.], § 11 Rn. 67). Ein beste-hender -
und auch für [X.] zulässiger (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 72 Rn. 23) -
Haftbefehl kann allerdings nicht länger Grundlage freiheitsbeschränkender Maßnahmen sein, solange der 17
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[X.] nicht gewahrt ist. Eine Außervollzugsetzung des Haftbe-fehls (ohne Auflagen, vgl. Art. 14 [X.]) ist dem Senat verwehrt (vgl. § 126 Abs. 3 i.V.m. § 120 Abs. 1 [X.]); das insoweit zuständige [X.] wird von vorliegender Entscheidung unmittelbar unterrichtet.
Nack

Wahl Rothfuß

Graf Jäger

Meta

1 StR 165/12

25.10.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. 1 StR 165/12 (REWIS RS 2012, 1906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1906

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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