Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2013, Az. XII ZB 39/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4898

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS
XII ZB 39/11
Verkündet am:

19. Juni 2013

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§
1603, 1629 Abs.
3; FamFG §
113 Abs.
1 Satz
2; ZPO §§
50, 263; SGB
II (idF bis 31.
März 2011) §
11 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7; SGB
II §
11
b Abs.
1 Satz
1 Nr.
7
a)
Endet die gesetzliche [X.] eines Elternteils
nach §
1629 Abs.
3 [X.] mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, so kann das Kind als Antragsteller
in das Verfahren
nur im Wege des gewillkürten [X.] eintreten (teilweise Aufgabe der Senatsurteile vom 23.
Februar 1983
IVb
ZR
359/81

FamRZ 1983, 474 und vom 30.
Januar 1985
IVb
ZR
70/83

mRZ 1985, 471). Dieser ist nicht von der Zustimmung des Antragsgegners abhängig.
b)
Durch die sozialrechtliche Berücksichtigung titulierter Unterhaltspflichten bei ei-nem Antrag des Unterhaltspflichtigen auf Leistungen der Grundsicherung für Ar-beitsuchende erhöht sich dessen unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht.
[X.], Beschluss vom 19. Juni 2013 -
XII ZB 39/11 -
OLG Frankfurt a.M.

[X.]
-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19.
Juni 2013 durch den
Vorsitzenden
Richter Dose und [X.]
[X.], Schilling, Dr.
Günter und Dr.
Botur
für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2.
Familien-senats in [X.] des [X.] vom 22.
Dezember 2010 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückge-wiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:
A.
Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt
für die [X.] ab November 2009.
Die Mutter der Antragstellerin und ursprüngliche Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau
des Antragsgegners. Die im September 1994 geborene Antragstellerin ist deren aus der Ehe hervorgegangene Tochter.
Der 1953
geborene Antragsgegner ist gelernter Maler und Lackierer. Er war als solcher aber nie berufstätig, sondern übte Tätigkeiten auf
verschiede-nen anderen Berufsfeldern aus (u.a. als [X.]soldat, Verkäufer, im Versiche-rungsaußendienst und

bis 2002

als selbständiger Versicherungsvertreter, 1
2
3
-
3
-
später projektweise als Mitarbeiter bei einem Jobcenter). Spätestens seit [X.] ist er arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetz-buch
II. Die [X.]en streiten darüber, ob dem
Antragsgegner wegen Verstoßes gegen seine Erwerbsobliegenheit ein fiktives Einkommen
zuzurechnen ist oder ob er für den Unterhalt deswegen hinreichend leistungsfähig ist, weil er die ge-forderten Beträge

bei Titulierung des Unterhalts

im Rahmen einer Nebentä-tigkeit
auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende
anrechnungsfrei hinzuverdie-nen könne.
Das Amtsgericht
hat den Antragsgegner antragsgemäß
zum Unterhalt verpflichtet.
Das [X.] hat auf die Beschwerde des [X.] den [X.] abgewiesen. Dagegen hat die ursprüngliche Antrag-stellerin die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt.
Die während des [X.] volljährig gewordene Antragstellerin ist anstelle ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten. Sie verfolgt das Unterhaltsbegehren weiter.

B.
Rechtsbeschwerde und [X.] sind zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg.

I.
Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist in wirksamer Weise anstel-le ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten. Die
auf Seiten der ursprünglichen Antragstellerin bestehende
[X.]
nach §
1629 Abs.
3 Satz
1 4
5
6
-
4
-
[X.] bestand zwar über die Scheidung hinaus zunächst noch fort (Senatsurteil [X.]Z 109, 211 =
FamRZ 1990, 283, 284). Sie ist aber mit Eintritt der Volljäh-rigkeit der Antragstellerin
entfallen, was auch wegen des Unterhalts für die [X.] gilt (Senatsurteil vom 23.
Februar 1983

IVb
ZR
359/81

FamRZ 1983, 474, 475). [X.] ist die Antragstellerin in zulässiger Weise anstelle ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten.
1. Wie dem Wegfall der [X.] bei Eintritt der [X.] im Verfahren Rechnung zu tragen ist, ist umstritten.
Nach
der früheren Rechtsprechung
des Senats trat

in Anlehnung an den Eintritt des Gemeinschuldners anstelle des Konkursverwalters nach Beendigung des Konkursverfahrens

ein [X.]wechsel kraft Gesetzes ein, durch den
das unterhaltsberechtigte
Kind ohne
weitere prozessuale Erklärungen an die Stelle des Elternteils treten sollte (Senatsurteile vom
23.
Februar 1983

IVb
ZR
359/81

FamRZ 1983, 474, 475
und vom 30.
Januar 1985

IVb
ZR
70/83

FamRZ 1985, 471, 473). Dagegen ist der Senat in einer neue-ren Entscheidung

bei Einlegung der Revision durch das volljährig gewordene Kind

davon ausgegangen, dass das Kind ein Recht hat, in den Prozess [X.], welches durch Erklärung geltend zu machen ist
(Senatsurteil [X.]Z 109, 211 =
FamRZ 1990, 283, 284). Auch im Schrifttum ist in Zweifel gezogen [X.], dass
sich der [X.]wechsel schon kraft Gesetzes
vollzieht
([X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 5.
Aufl. §
1629 Rn.
12; [X.]/[X.]/[X.] [X.] 3.
Aufl. §
1629 Rn.
51.1 [X.]; [X.]/Streicher Handbuch des Scheidungs-rechts 6.
Aufl. I Rn.
568; Eschenbruch/[X.] 5.
Aufl. Kap.
5 Rn.
64
f.).
Der Senat hält an seiner eingangs genannten früheren Rechtsprechung nicht fest. Aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Prozess-
bzw. Ver-
fahrensstandschaft nach §
1629 Abs.
3 [X.]
folgt vielmehr, dass es der freien 7
8
-
5
-
Entscheidung des volljährig gewordenen Kindes überlassen bleiben muss, ob es sich am Verfahren beteiligt und dieses fortsetzt. Dass das Kind einerseits die Möglichkeit hat, dem Verfahren beizutreten, es andererseits hierzu aber auch nicht gezwungen werden darf, lässt sich nur durch einen gewillkürten Kläger-
bzw. [X.] sicherstellen. Entsprechend war in den genannten, vom Senat entschiedenen Fällen (Senatsurteile vom 23.
Februar 1983

IVb
ZR
359/81

FamRZ 1983, 474, 475 und vom 30.
Januar 1985

IVb
ZR
70/83

FamRZ 1985, 471, 473)
das Verfahren jeweils vom volljährig gewordenen Kind fortgesetzt worden.
Die als zwingend ausgestaltete Regelung in §
1629 Abs.
3 Satz
1 [X.] lässt die Geltendmachung des Unterhalts nur im eigenen Namen des sorgebe-rechtigten Elternteils zu und verfolgt den Zweck,
das Kind aus dem Streit der Eltern herauszuhalten (BT-Drucks. 10/4514 S.
23; [X.]/Peschel-Gutzeit [X.] [2007] §
1629 Rn.
44 [X.]). Dem widerspräche es, wenn das Kind mit Eintritt seiner Volljährigkeit ohne Rücksicht auf seinen Willen zur [X.] bzw. zum Beteiligten des Verfahrens würde. Sollte das Kind sich etwa entschließen, das Verfahren nicht weiterzuführen, müsste es den [X.]
mit der Kostenfolge nach §§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, 269 Abs.
3 ZPO
zurückneh-men. Eine einseitige Erledigungserklärung wäre mangels eines erledigenden Ereignisses unbegründet. Aber auch eine
übereinstimmende [X.] wäre für das Kind mit einem Kostenrisiko verbunden. Dagegen kann der ehemalige [X.]er den Antrag

abgesehen von einer etwai-gen Antragsumstellung auf einen (in seiner Person entstandenen) familienrecht-lichen Ausgleichsanspruch

notfalls einseitig für erledigt erklären, weil mit der Verfahrensführungsbefugnis eine Zulässigkeitsvoraussetzung nachträglich ent-fallen ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 5.
Aufl. §
1629 Rn.
12; [X.]/[X.]/[X.] [X.] 3.
Aufl. §
1629 Rn.
51.1
sowie Senatsurteil vom 26.
April 1989

IVb
ZR
42/88

FamRZ 1989, 850).
9
-
6
-
Durch einen hier allein möglichen gewillkürten [X.] wird demnach nicht nur der Verfahrensherrschaft des (ursprünglichen)
Antragstellers
Rechnung getragen, sondern vor allem auch dem Umstand, dass das Kind nicht ohne seinen Willen Beteiligter des Verfahrens werden darf
und aus dem Streit der Eltern herausgehalten werden soll.
2. Die Antragstellerin hat mit Zustimmung ihrer Mutter den Eintritt in das Verfahren erklärt. Da der [X.]
allein
im Wegfall der Verfahrens-führungsbefugnis begründet liegt und nicht mit einer Änderung des Streitstoffs verbunden ist, bedurfte es keiner Zustimmung des Antragsgegners
(vgl. Se-natsurteil [X.]Z 109, 211 =
FamRZ 1990, 283, 284; Senatsbeschluss vom 27.
Juni 2012

XII
ZR
89/10
FamRZ 2012, 1489 Rn.
11; vgl. auch [X.]Z 123, 132 =
NJW 1993, 3072). Im Gegensatz zum [X.]wechsel bei
Einzelrechts-nachfolge (vgl. Senatsurteil vom 29.
August 2012

XII
ZR
154/09

FamRZ 2012, 1793 Rn.
15) ist der [X.] nicht

wie gemäß
§§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG,
265 Abs.
2 Satz
2 ZPO

kraft ausdrücklicher gesetzlicher An-ordnung an die Zustimmung des [X.] gebunden
(vgl. [X.]Z 123, 132 =
NJW 1993, 3072).
Der [X.] ist dementsprechend auch noch in der [X.] zulässig
(vgl. Senatsurteil [X.]Z 109, 211 =
FamRZ 1990, 283, 284; Senatsbeschluss vom 27.
Juni 2012

XII
ZR
89/10
FamRZ 2012, 1489 Rn.
11; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 34.
Aufl. §
50 Vorbem.
Rn.
24).

II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

10
11
12
-
7
-
1. Nach Auffassung des [X.]s
ist der Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt auch nach
den Anforderungen der gesteigerten Unterhaltspflicht gemäß
§
1603 Abs.
2 [X.] nicht leistungsfähig, denn er könne ohne Gefährdung seines eigenen Selbstbehalts von 900

2011) 950

g-ner könne erst bei einem Bruttoeinkommen von 1.265

7,30

hlen. Ein solches Einkommen könne er, ohne dass es auf seine gesundheitlichen Beschwerden ankomme, nicht erzielen. Aufgrund seiner bisherigen Erwerbsvita seien für ihn Ganztagsstellen, bei denen auch nur 7,30

s-sen.
Der Antragsgegner sei beruflich gestrandet, aus welchen Gründen auch immer. Er sei in so vielen verschiedenen Berufen tätig gewesen, dass er [X.] eine wirkliche Qualifikation habe erwerben können. Auch nach dem von ihm gewonnenen persönlichen Eindruck sei es
unwahrscheinlich, dass er noch eine nennenswerte Chance auf dem Arbeitsmarkt für Vollzeitstellen habe.
Er werde auf Dauer unverschuldet arbeitslos
sein.
Das bedeute aber nicht, dass er deshalb als leistungsfähig
anzusehen sei, weil er gemäß §
11 Abs.
2
Satz
1 Nr.
7 SGB
II (aF) soviel hinzuverdienen könne, dass er den Mindestunterhalt für sein Kind sichern könne. Die Bestim-mung lasse es zwar zu, dass titulierte Unterhaltspflichten vom Einkommen ab-zuziehen seien. Dies gelte aber nicht für in einem laufenden Verfahren noch zu erstellende, sondern lediglich für bei Eintritt der Arbeitslosigkeit schon vorhan-dene Titel. In den Gesetzesmaterialien
zum Sozialgesetzbuch
II lasse sich [X.] Stütze für das Gegenteil finden.
Die Annahme eines fiktiven Einkommens in Höhe des [X.] würde vielmehr zu dem absurden Ergebnis füh-ren, dass der Unterhaltspflichtige sich im Interesse des Kindes auf keinen Fall um einen Arbeitsplatz bemühen dürfe, der ihm ein Einkommen oberhalb des titulierten Unterhalts ermögliche, er also arbeitslos bleiben
müsse. Der "unter-13
14
-
8
-
haltsrechtlichen Bedarfsdeckung"
komme der Vorrang gegenüber öffentlich-rechtlichen Regelungen
dieser Art zu. §
11 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 SGB
II (aF) er-höhe die Leistungsfähigkeit nicht und dürfe dem Unterhaltspflichtigen auch nicht die Möglichkeit einer Abänderungsklage verschließen.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Die vom [X.] getroffene Feststellung, dass der Antrags-gegner kein Einkommen
erzielen kann, das
ihm die
Zahlung von Kindesunter-halt ermöglicht, bewegt sich noch im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdi-gung.
aa) Nach §
1603 Abs.
1 [X.] ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei [X.] seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß §
1603 Abs.
2 Satz
1 [X.] ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügba-ren Mittel zu ihrem und der
Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht). Darin liegt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht. Aus diesen Vorschriften und aus Art.
6 Abs.
2 GG folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Ar-beitskraft. Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden
(Senatsurteile [X.]Z 189, 284 =
FamRZ 2011, 1041 Rn.
29 und
vom 3.
De-zember 2008

XII
ZR
182/06
FamRZ 2009, 314 Rn.
20; [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
2 Rn.
366
ff.).

15
16
17
-
9
-
Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind,
setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus (Senatsurtei-le [X.]Z 189, 284 =
FamRZ 2011, 1041 Rn.
30
f. und
vom 3.
Dezember 2008

XII
ZR
182/06
FamRZ 2009, 314 Rn.
28). Schließlich darf dem [X.] auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet
werden, welches von ihm realistischerweise zu erzie-len ist ([X.] FamRZ 2010, 793).
[X.]) Die angefochtene Entscheidung genügt diesen Maßstäben.
Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner im Verlauf seiner wechselvollen Erwerbsbiografie keine Qualifikation erwerben konnte, die es ihm heute ermöglichen würde, eine Vollzeitstelle zu erlangen. Dafür hat es die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder aufgezeigt, in denen der [X.] beschäftigt war und auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es ihm zuletzt (seit 2002) auf wechselnden Arbeitsstellen
nicht mehr gelungen ist, eine Erwerbstätigkeit nachhaltig zu sichern. Auch soweit die Rechtsbe-schwerde beanstandet, gerade die Vielseitigkeit der Tätigkeiten eröffne dem Antragsgegner
eine reale Beschäftigungschance, bleibt die Würdigung des [X.]s nach den Maßstäben des [X.] noch vertretbar. Da das [X.] nicht zuletzt das Alter des Antrags-gegners und den persönlichen Eindruck, den es von ihm gewonnen hat,
in die Würdigung einbezogen hat, verstößt seine tatrichterliche Würdigung weder ge-gen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze (vgl. Senatsurteil vom 30.
Juli 2008

XII
ZR
126/06
[X.], 2104 Rn.
20).
b) Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht auch von der Zu-rechnung eines (fiktiven) Einkommens abgesehen, das dem Antragsgegner 18
19
20
21
-
10
-
neben seinem Leistungsbezug gemäß dem Sozialgesetzbuch
II anrechnungs-frei zu belassen wäre.
aa) Allerdings schließt der Bezug eines ([X.] neben einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung für sich genommen noch nicht aus, dass das (Erwerbs-)Einkommen für den Unterhalt zur Verfügung stehen kann. Vielmehr kann der Unterhaltspflichtige unter Umständen auch dann un-terhaltsrechtlich leistungsfähig sein, wenn er seinen unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt aus Sozialleistungen bestreiten und ein den Selbstbehalt überstei-gendes Nebeneinkommen für den Unterhalt einsetzen kann (vgl. [X.]/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl.
§
1 Rn.
111
ff. [X.]).
Davon ist im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen. Zwar hat das [X.] keine Feststellungen dazu getroffen, dass es dem insoweit darlegungs-
und beweisbelasteten Antragsgegner nicht möglich sei, eine Ge-ringverdienertätigkeit auszuüben (vgl. auch Senatsurteil vom 18.
Januar 2012

XII
ZR
178/09

FamRZ 2012, 517), durch die er neben der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein nach §
11
b Abs.
2, 3 SGB
II (zuvor §§
11
Abs.
2, 30 SGB
II idF bis 31.
Dezember 2010) teilweise [X.] Einkommen erzielen könnte. [X.] hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass dem Antragsgegner bei Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens mehr als der sogenannte notwendige Selbstbehalt nach der [X.] Tabelle und
den Leitlinien der [X.]e (in diesem Fall [X.] zwischen Er-werbstätigen-
und Nichterwerbstätigenselbstbehalt) zur Verfügung stünde, so dass er für den Unterhalt teilweise leistungsfähig sein könnte.

22
23
-
11
-
[X.]) Zutreffend hat das [X.] die Leistungsfähigkeit des [X.]s auch nicht aus einer möglichen Titulierung des Kindesunterhalts hergeleitet.
Nach §
11 Abs.
2
Satz
1
Nr.
7 SGB
II in der bis 31.
März 2011 geltenden Fassung (im Folgenden: §
11 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 SGB
II aF; nunmehr §
11
b Abs.
1 Satz
1 Nr.
7 SGB
II) sind vom Einkommen eines Antragstellers der Grundsicherung für Arbeitsuchende Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer nota-riell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag abzusetzen. Diese Regelung betrifft die Einkommensermittlung für Leistungsberechtigte der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie knüpft an den Grundsatz an, dass die Sozialleistungsbedürftigkeit einer Person sich an den
ihr zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln orientiert (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S.
20).
Daraus ist von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung die Folge-rung gezogen worden, dass den
Unterhaltspflichtigen, der leistungsberechtigt für die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist, die unterhaltsrechtliche Oblie-genheit treffe, eine Nebentätigkeit auszuüben und zugleich einen Titel errichten zu lassen, damit ihm das diesbezügliche Einkommen
zur Unterhaltszahlung verbleibe
(OLG Brandenburg
FamRZ 2006, 1297, 1299; FamRZ 2007, 1905, 1906; [X.], 2304, 2306
[X.]; NJW 2008, 3366, 3368;
OLG [X.], 221, 222;
KG FamRZ
2011, 1302).
Dem folgt der Senat nicht. Vielmehr kann durch die Titulierung des Un-terhalts und den dadurch ermöglichten Abzug nach §
11 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 SGB
II aF (§
11
b Abs.
1 Satz
1 Nr.
7 SGB
II) die unterhaltsrechtliche [X.] nicht erhöht werden (ebenso [X.], 570, 24
25
26
27
-
12
-
571
f.; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1740, 1741; [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
8 Rn.
197).
Von der Einsetzbarkeit teilweise anrechnungsfreien
Einkommens
unter-scheidet sich die vorliegende Fragestellung dadurch,
dass der Unterhalt schon bei der Ermittlung der Sozialleistungsbedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen Be-rücksichtigung findet. Insoweit muss also zunächst geklärt werden, welches Einkommen dem Unterhaltspflichtigen nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zur Verfügung steht. Zur Vermeidung eines Zirkelschlusses kann dies nur ohne Berücksichtigung einer wegen des Unterhalts erhöhten Sozialleistung durchge-führt werden.
Dem entsprechen auch die sozialrechtlichen Wertungen. Indem der Ge-setzgeber des Sozialgesetzbuchs
II für die Höhe des vom Einkommen abzuset-zenden [X.] an den in einem Unterhaltstitel festgesetzten Unter-haltsanspruch als Obergrenze für die Berücksichtigung der Unterhaltszahlun-gen als Abzugsbetrag anknüpft, unterstellt er lediglich im Sinne einer verwal-tungspraktischen Anwendbarkeit der SGB
II-Vorschriften zur Einkommensbe-rücksichtigung typisierend, dass ein nach Maßgabe der §§
1601
ff. [X.] gege-bener Unterhaltsanspruch auch in der festgelegten Höhe besteht. Es bedarf daher regelmäßig keiner eigenen Feststellungen des Trägers der Grundsiche-rung für Arbeitsuchende oder der Sozialgerichte zur Höhe des [X.] ([X.], 810 Rn.
16). Damit setzt die sozialgesetzliche [X.] voraus, dass der bestehende Unterhaltstitel nach bürgerlichem Recht ermittelt worden ist und bestimmt zugleich, dass sowohl die zuständigen [X.] als auch die Sozialgerichte die [X.] grundsätzlich nicht zu überprüfen haben. Diese beschränken sich auf die Überprüfung, ob der titulierte Unterhalt tatsächlich gezahlt wird ([X.], 392, 395;
[X.], 810 Rn.
13).
28
29
-
13
-
Daraus wird deutlich, dass der Unterhalt allein nach den §§
1601
ff. [X.] zu ermitteln ist, bevor die Sozialleistungsbedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen festgestellt wird. Es ist also nicht zulässig, für die unterhaltsrechtliche [X.] den möglichen Bezug von Sozialleistungen unter Berücksichti-gung eines nach zivilrechtlichen Kriterien unzutreffend bemessenen oder inzwi-schen durch die tatsächliche Entwicklung überholten Unterhaltstitels zu [X.].
Dieselben Grundsätze gelten
im Übrigen auch in
Abänderungsverfahren ([X.] FamRZ 2006, 546; AG Flensburg FamRZ
2012, 1910). Denn auch hier richtet sich die Bestimmung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähig-keit nach §
1603 [X.] und ist die unterhaltsrechtliche Bewertung in Bezug auf die Frage, welcher Unterhalt nach §
11
b Abs.
1 Satz
1 Nr.
7 SGB
II (bzw. §
11 Abs.
2 Satz
1 Nr.
7 SGB
II aF) abzugsfähig ist, vorrangig.

Dose

[X.]

Schilling

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.08.2010 -
72 F 19/10 UK -

OLG Frankfurt a.M., Entscheidung vom 22.12.2010 -
2 UF 274/10 -

30
31

Meta

XII ZB 39/11

19.06.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2013, Az. XII ZB 39/11 (REWIS RS 2013, 4898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4898

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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