Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2004, Az. III ZR 344/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3178

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 13. Mai 2004 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

[X.] §§ 4 Abs. 2a, 6 Abs. 2; Gebührenverzeichnis Nr. 2757, 2760, 2583, 2803

a) Zur Anwendung des Zielleistungsprinzips bei Durchführung einer Opera-tion nach der Nr. 2757 des Gebührenverzeichnisses.
b) Zur ergänzenden analogen Abrechenbarkeit von ärztlichen Leistungen, die in der Bewertung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen [X.] nicht berücksichtigt sind, weil sie dem Verordnungsgeber bei [X.] der Gebührenordnung noch nicht bekannt gewesen sind (hier: sy-stematische Kompartmentausräumung mit weitgehender Freilegung von [X.] und Nervenbahnen im Zusammenhang mit einer [X.] der bösartigen Schilddrüsengeschwulst).
[X.], Urteil vom 13. Mai 2004 - [X.] - [X.] - 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2004 durch den Vorsitzenden [X.] [X.] und die [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das Urteil des [X.] vom 20. März 2003 teilweise abgeändert und das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 30. Oktober 2003 teilweise aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 469,88 • nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Dezember 1999 zu zah[X.].

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehenden Rechtsmittel der [X.] werden zurück-gewiesen.

Von den Kosten des ersten [X.] haben der Kläger 83 v.H. und die Beklagte 17 v.H. zu tragen. Von den Kosten der Rechtsmittelzüge haben der Kläger 74 v.H. und die Beklagte 26 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen

- 3 -

Tatbestand

Der Kläger, Direktor der Klinik für Allgemeinchirurgie eines Universitäts-krankenhauses, macht gegen die Beklagte auf der Grundlage einer Wahllei-stungsvereinbarung Honoraransprüche geltend, die im Zusammenhang mit einer am 12. Mai 1997 wegen eines sporadischen medullären [X.] durchgeführten [X.] stehen. Soweit hier von Interesse, be-rechnete der Kläger für die [X.] - jeweils nach dem 3,5-fachen des [X.] - eine Gebühr nach Nr. 2757 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte ([X.]), drei Gebühren nach Nr. 2760, zehn Gebüh-ren nach Nr. 2583 und sechs Gebühren nach Nr. 2803. Auf die Rechnung - unter Einschluß weiterer unstreitiger Positionen - von insgesamt 7.522,24 DM zahlte der private Krankenversicherer der [X.] 2.127,39 DM, wobei die-ser die Abrechnung der Gebühr nach Nr. 2757 und von zwei Gebühren nach Nr. 2583 für gerechtfertigt hielt. Die Differenz von 5.394,85 DM (= 2.758,34 •) nebst [X.] ist Gegenstand der Klage.

Das Amtsgericht hat dem Kläger über den anerkannten Betrag hinaus drei Gebühren nach Nr. 2760, weitere sechs Gebühren nach Nr. 2583 und vier Gebühren nach Nr. 2803 zugebilligt und der Klage in Höhe von 1.777,47 • nebst Zinsen entsprochen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

- 4 -

Entscheidungsgründe

Die Rechtsmittel der [X.] haben teilweise Erfolg. Die Klage ist nur in Höhe von 469,88 • nebst Zinsen begründet.

1. Vergeblich wendet sich die Beklagte mit dem Argument gegen ihre Inan-spruchnahme, sie sei über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt nicht im einzelnen in der nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV vorgeschriebenen Weise unterrichtet worden. Ob die zu den Akten gereichte Kopie der Vereinba-rung vom 9. Mai 1997 für sich betrachtet den Anforderungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV genügt (vgl. hierzu im einzelnen die Senatsurteile vom 27. November 2003 - [X.]/03 - NJW 2004, 684, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; vom 8. Januar 2004 - [X.]5/02 - NJW 2004, 686), mag zweifelhaft erscheinen. Der Kläger hat jedoch mit Schriftsatz vom 30. August 2000 behauptet, der [X.] seien darüber hinausgehende Informationen erteilt worden. Dem hat die Beklagte weder widersprochen noch hat sie - etwa im Berufungsverfahren - Vorhalte gemacht, die Anlaß für eine weitere Prüfung der Frage hätten geben können. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht von einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung ausgegangen ist.

2. In der Sache ist die Frage zu beantworten, ob die in den [X.]n 2760, 2583 und 2803 angeführten Leistungen neben der in Nr. 2757 beschriebenen Leistung, der Radikaloperation der bösartigen Schilddrüsenge-schwulst - einschließlich Ausräumung der regionären Lymphstromgebiete und gegebenenfalls der Nachbarorgane -, abgerechnet werden dürfen. - 5 -

a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann der Arzt Gebühren, die nach [X.] 1 Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Lei-stungen sind, nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen. Auch soweit das Gebührenverzeichnis eine bestimmte Leistung nicht aufführt, ist die in § 6 Abs. 2 [X.] vorgesehene Analogberechnung, d.h. die Heranziehung einer nach Art, Kosten- und [X.]aufwand gleichwertigen Leistung des [X.], nur für selbständige ärztliche Leistungen eröffnet.

Prinzipiell kommen alle im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistun-gen als selbständige ärztliche Leistungen in Betracht. Für die Frage, welche von mehreren gleichzeitig oder im Zusammenhang erbrachten Leistungen selb-ständig berechungsfähig sind, ist - neben [X.] im [X.] selbst - vor allem § 4 Abs. 2a [X.] in der Fassung der Vier-ten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte vom [X.] 1995 ([X.] I S. 1861) in den Blick zu nehmen. Nach dieser Bestimmung kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausfüh-rung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch nach § 4 Abs. 2a Satz 2 [X.] für die zur Erbringung der im [X.] aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen [X.]e. In den dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen werden Inhalt und Tragweite dieses als Zielleistungsprinzip bezeichneten Grundsatzes näher verdeutlicht. Es heißt dort:
"Zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operati-ven Leistungen sind in der Regel mehrere operative [X.]e erforderlich. Sind diese [X.]e methodisch notwendige Be-- 6 -

standteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung, so können sie nicht gesondert berechnet werden."

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß die in den Nummern 2760, 2583 und 2803 des [X.] beschriebenen Leistungen bei einer Auslegung nach dem Wortlaut nicht neben der in Nr. 2757 angesprochenen [X.] berechenbar sind.

[X.]) Der Kläger hat mit seiner Berechnung der Nr. 2757 des [X.] deutlich gemacht, daß er die dort beschriebene Radikaloperati-on der bösartigen Schilddrüsengeschwulst vorgenommen hat, die - wie sich aus der eindeutigen Formulierung dieser [X.] ergibt - die [X.] und gegebenenfalls der Nachbar-organe ohne zusätzliche Berechnung einschließt. Die in der nachfolgenden Nr. 2760 beschriebene Ausräumung des regionären [X.] einer Halsseite ist daneben nicht berechenbar (vgl. [X.], Gebührenordnung für [X.], 3. Aufl., [X.], zu Nr. 2760; [X.], Gebührenordnung für Ärzte, 3. Aufl., [X.], [X.]. 2750 bis 2760 Rn. 9). Hierfür spricht zum einen, daß die in dieser Nummer beschriebene Leistung mit derselben Formulierung eingeschlossener Bestandteil der komplexen Leistung in Nr. 2757 ist, zum anderen, daß die [X.] an dieser Stelle - ohne daß dies im Hinblick auf § 4 Abs. 2a Satz 1 und 2 [X.] überhaupt nötig wäre -, noch einmal ausdrücklich an die selbständige Erbringung dieser Leistung geknüpft wird. Von einer selbständi-gen Erbringung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn die Leistung als Teil einer Leistung nach Nr. 2757 erbracht wird. Auch der von den [X.] hinzugezogene Sachverständige Privatdozent Dr. S.

hat einge-räumt, unabhängig von einer anatomischen Klassifikation könne man alle zer-vika[X.] und mediastina[X.] Lymphknoten als regionäre Lymphstromgebiete be-- 7 -

zeichnen, also auch die vom Kläger vorgenommene - und mit einer dreimaligen Anwendung der Nr. 2760 berechnete - Ausräumung der zervikozentra[X.] und der auf der rechten und linken Seite befindlichen zervikolatera[X.] Komparti-mente.

[X.]) Was die verschiedenen im Halsbereich verlaufenden Nerven und Blutgefäße angeht, stehen die jeweils mehrfach abgerechneten [X.] (Nr. 2583) und die Freilegung und/oder Unterbindung von [X.] (Nr. 2803) ebenfalls mit der vorgenommenen [X.] der [X.] in not-wendigem Zusammenhang, so daß es auch insoweit an einer - wie in den bei-den [X.]n nochmals ausdrücklich hervorgehoben - für die Abre-chenbarkeit erforderlichen selbständigen Leistung fehlt. Es sind zwar Fälle denkbar, in denen bei einer Ummauerung des Nervs durch Tumor- oder Nar-bengewebe eine eigenständige Indikation zur Neurolyse vorliegt, etwa beim Herauslösen des Nervus recurrens aus Narbengewebe bei [X.] (vgl. [X.], [X.]O zu Nr. 2584); möglicherweise beruht die vorprozessuale Aner-kennung zweier [X.] für den Nervus recurrens durch den Krankenversi-cherer der [X.] auf einer entsprechenden Würdigung. Es bestehen nach dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen jedoch keine Anhaltspunkte, daß den [X.] und den Freilegungen von [X.] eine eigenständi-ge Indikation zugrunde lag. Vielmehr hat der Sachverständige, wenn auch un-ter Hinweis auf eine aus seiner Sicht suggestive Fragestellung, eingeräumt, daß man als selbständige Leistung nur eine solche ansehen könne, die wegen einer eigenständigen medizinischen Indikation vorgenommen werde, und nicht, um beim Erreichen des [X.]sziels benachbarte Strukturen zu schonen und nicht zu verletzen. Im übrigen ergibt sich aus seinem Gutachten vom 15. Juli 2002 deutlich, daß die durchgeführte Kompartmentausräumung zwin-- 8 -

gend die langstreckige Freilegung von Nervenbahnen und [X.] vor-aussetzte. Besteht jedoch ein solcher Zusammenhang mit der als Hauptlei-stung durchgeführten [X.], können die in Rede stehenden Teilleistungen als Bestandteil der Komplexleistung nicht gesondert abgerechnet werden (vgl. [X.], [X.]. 2580 bis 2604 Rn. 3, [X.]. 2800 bis 2810 Rn. 2).
3. Das Berufungsgericht gelangt gleichwohl im Umfang der Empfehlung des Sachverständigen Dr. S. zu einer Abrechenbarkeit der Leistungen nach den [X.]n 2760, 2583 und 2803, weil es insoweit im [X.] an dessen Gutachten ein Regelungsdefizit der Gebührenordnung [X.], das durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 4 Abs. 2a, § 6 Abs. 2 [X.] geschlossen werden müsse, um eine leistungsgerechte Honorie-rung der ärztlichen Leistung sicherzustel[X.]. Die [X.] zu Nr. 2757 sei bei Einführung der Gebührenordnung für [X.] definiert [X.] und beziehe sich auf die damals - und auch heute noch vielfach - übliche [X.]smethode der Thyreoidektomie mit einer unsystematischen [X.]. Demgegenüber habe der Kläger hier mit der Kompartmentaus-räumung eine [X.]smethode angewendet, die dem Verordnungsgeber noch nicht bekannt gewesen sei, weil sie erst in den neunziger Jahren des [X.] Jahrhunderts entwickelt worden sei. Diese [X.]smethode erfordere einen Umgang mit Gefäßen und Nerven, der in der [X.] als solcher keinen Niederschlag gefunden habe. Dementsprechend habe der Sachverständige davon gesprochen, die in der [X.] be-schriebenen Leistungen stellten nur eine Teilmenge der hier vorgenommenen [X.] dar. Während die in Nr. 2757 beschriebene Leistung einen [X.] von zwei bis drei Stunden erfordere, gehe es hier um eine Spezialopera-tion, die nur in wenigen, auf endokrine Chirurgie spezialisierte Kliniken in - 9 -

[X.] durchgeführt werde und die einen erheblichen zeitlichen und technischen Mehraufwand mit sich bringe. Die Regelungen der [X.], die im Bereich des hier operativ behandelten Organs der Schilddrüse seit 1982 unverändert geblieben seien, stünden bei ihrer starren Anwendung nicht nur der ausreichenden Berücksichtigung medizinischen Fort-schritts entgegen, sondern würden auch dem Recht des einzelnen auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht gerecht und sicherten dem Arzt keine an-gemessene Vergütung seiner - gemessen an der [X.] 1982 - zusätzlichen Leistungen. Unter diesen Umständen sei es Aufgabe der [X.], eine leistungsgerechte Vergütung sicherzustel[X.]. Da der [X.] des § 5 [X.] dem erhöhten Aufwand nicht Rechnung trage und Bedenken da-gegen bestünden, den Arzt auf eine Honorarvereinbarung nach § 2 [X.] zu verweisen, sei es gerechtfertigt, die Leistungen nach den Nummern 2760, 2583 und 2803 als selbständige anzuerkennen und sie im Wege der Analogberech-nung für die Honorierung der neuen [X.]smethode mit heranzuziehen.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Bezie-hung stand.

a) Gegen den tatsächlichen Ausgangspunkt des [X.] sind allerdings keine durchgreifenden Einwände zu erheben. Richtig ist, daß der Verordnungsgeber bei der Novellierung der [X.] ein neues Gebührenverzeichnis geschaffen hat, das sich in weiten Tei[X.] an dem einheitlichen Bewertungsmaßstab der kassen-/vertragsärztlichen [X.] orientiert hat. Mit der zum 1. Januar 1996 in [X.] getretenen [X.] zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte vom 18. Dezember 1995 ([X.] I S. 1861) wurde das Gebührenverzeichnis in verschiedenen Tei-- 10 -

[X.] überarbeitet, wobei die bis zu diesem [X.]punkt von der Bundesärztekam-mer empfoh[X.]en analogen Bewertungen in das Verzeichnis aufgenommen wurden (vgl. [X.], [X.] § 4 Rn. 2, [X.] Analoge Bewertungen und Abrech-nungsempfehlungen, S. 1203). Der Abschnitt L, an dessen Beginn im [X.] mit der Neufassung in § 4 Abs. 2a Satz 2 [X.] die oben zu 2a wie-dergegebene allgemeine Bestimmung zum Zielleistungsprinzip gestellt wurde, blieb hingegen weitgehend unverändert. Hieraus ergibt sich das Problem, daß ein einer Zielleistung zuzuordnender [X.] nicht abrechnungsfähig ist, andererseits die Zielleistung in ihrer Bewertung - das ist ja der wesentliche Sinn ihrer Beschreibung - den ihr methodisch zuzuordnenden [X.] möglicherweise nicht umfaßt (vgl. [X.], [X.], § 4 Rn. 6; [X.], [X.], § 4 S. 24/2), etwa weil er bei ihrer Beschreibung noch nicht bekannt war.

Eine Konstellation dieser Art hat das Berufungsgericht - sachverständig beraten - rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Sachverständige hat die in der [X.] beschriebene [X.] anschaulich als Teilmenge der an der [X.] vorgenommenen [X.] bezeichnet und dabei insbeson-dere darauf hingewiesen, daß die systematische Kompartmentausräumung, die in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts für besondere klinische Konstellationen, vor allem bei fortgeschrittenen Karzinomen und für medulläre [X.] entwickelt worden sei, einen Umgang mit Gefäßen und Nerven erfordere, den der Verordnungsgeber bei der Formulierung und der Be-wertung der [X.] nicht im Auge gehabt habe. Betrachte man als einen wesentlichen objektiv zu erhebenden Parameter den zeitlichen Mehraufwand einer solchen [X.], so liege dieser bei dem zwei- bis vier-fachen der in der [X.] beschriebenen [X.]. Diesem Befund ist die Revision nicht entgegengetreten. Vielmehr hat der von dem [X.]

vaten Krankenversicherer der [X.] hinzugezogene Chirurg und Unfall-chirurg Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 22. August 2002 zuge-standen, der Sachverständige habe sich ausführlich und sachlich korrekt mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit der Leistungsinhalt der [X.] 2757 die an der [X.] intraoperativ erbrachten Leistungen richtig widerspiegele. Er hat lediglich aus diesem Befund etwas andere Folgerungen als der Sachverständige gezogen, gleichwohl aber für nachvollziehbar gehal-ten, daß die erbrachte Leistung über den Inhalt der Nr. 2757 auch bei einer Berücksichtigung des 3,5-fachen des Gebührensatzes hinausgehe und eine zweimalige Berechnung der Nr. 2760 berechtigt sei.

b) Die Revision ist der Auffassung, aus diesem Befund lasse sich eine Abrechenbarkeit nach den Nummern 2760, 2583 und 2803 - auch im Wege einer Analogberechnung - nicht rechtfertigen. Es sei schon die Bewertung des Sachverständigen zu relativieren, wenn er von einer neuen, bei Schaffung der Gebührenordnung unbekannten [X.]smethode ausgehe. Dagegen spre-che, daß der Kläger seine [X.] selbst unter die [X.] eingeordnet habe. Aus dem Gutachten des Sachverständigen, der von zusätz-lichen relevanten Ausweitungen des operativen Standardeingriffs gesprochen habe, lasse sich nur die Folgerung ziehen, daß es sich hier um eine besondere Ausführungsform für eine in der Gebührenordnung bereits definierte Leistung handele. Dem könne - wie geschehen - nach § 5 Abs. 2 [X.] Rechnung getra-gen werden. Demgegenüber schließe § 4 Abs. 2a Satz 1 [X.] die selbständige Abrechenbarkeit einer "besonderen Ausführung" einer anderen Leistung aus. Eine Anwendung des § 6 Abs. 2 [X.] scheitere daran, daß es an der Nichtauf-nahme der Leistung in das Gebührenverzeichnis fehle.
- 12 -

c) Wie der Senat entschieden hat, ist es Sache des Verordnungsgebers, darüber zu befinden, wie ärztliche Leistungen, gegebenenfalls auch unter Be-rücksichtigung nach Erlaß der Verordnung eingetretener Veränderungen des technischen Standards oder der Fortentwicklung wissenschaftlicher Erkennt-nisse, zu bewerten sind. Eine Bindung an die Verordnung besteht nur dann nicht, wenn sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht - etwa Art. 3 oder Art. 12 GG - nichtig ist, was der [X.] selbst feststel[X.] kann (vgl. [X.] vom 18. September 2003 - [X.] - NJW-RR 2003, 1639, 1641). [X.] hinaus sieht die Gebührenordnung für Ärzte nach § 6 Abs. 2 eine Analog-berechnung vor, wenn selbständige ärztliche Leistungen erbracht worden sind, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind.

[X.]) Daß die alleinige Honorierung der [X.]sleistung nach der Nr. 2757 unter Ausschöpfung des [X.]s das Grundrecht des Klä-gers aus Art. 12 verletzten würde, weil die Vergütung nicht "auskömmlich" wäre (vgl. [X.] ZInsO 2001, 463 f; [X.] 152, 18, 25), läßt sich - wie das [X.] zutreffend angenommen hat - auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nicht feststel[X.]. Hierfür genügt nicht die Gegenüberstellung von Punktwerten der [X.]sleistung nach der Nr. 2757 einerseits und der in den Nummern 2760, 2583 und 2803 andererseits. Diese Gegenüberstellung mag zwar ein Indiz dafür darstel[X.], daß bestimmte hier erbrachte Leistungen in der [X.] keine Bewertung erfahren haben, und insoweit die Frage nach einer angemessenen und leistungsgerechten Vergütung auf-werfen. Daß die Vergütung objektiv nicht auskömmlich wäre, könnte jedoch nur beurteilt werden, wenn Aufwand und Kostenstrukturen näher dargestellt wären. In diese Überlegungen müßten auch die Honorierung entsprechender Leistun-gen in der vertragsärztlichen Versorgung und der Umstand einbezogen [X.] 13 -

den, daß Leistungen der genannten Art für gesetzlich Versicherte und Patien-ten, die keine wahlärztlichen Leistungen in Anspruch nehmen, als allgemeine Krankenhausleistungen durch den Pflegesatz oder Fallpauscha[X.] abgegolten werden.

Soweit das Berufungsgericht das Recht des Patienten auf Leben und körperliche Unversehrtheit betont und wegen der Berufspflichten und Grund-rechte des Arztes die Pflicht des St[X.]tes, auch der Gerichte, hervorhebt, medi-zinischen Fortschritt nicht durch eine unangemessene Honorierung ärztlicher Leistungen zu behindern, werden Gesichtspunkte angesprochen, die der [X.] bei seiner Tätigkeit im Auge haben muß, sich aber in dieser Allgemeinheit schwerlich für einen einzelnen Behandlungsfall nutzbar machen lassen. Es fehlt deshalb, soweit die Angemessenheit der Vergütung in Rede steht, an einer ausreichend begründeten und nachvollziehbaren Feststellung eines verfassungswidrigen Zustands, der die Gerichte berechtigen könnte, die Grundlagen für eine Honorierung ärztlicher Tätigkeiten, wie sie insbesondere in § 4 Abs. 2a [X.] und in den allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts L geregelt sind, im Wege verfassungskonformer Auslegung beiseite zu schieben.

Der Senat folgt dem Berufungsgericht daher nicht darin, die vom Kläger erbrachte komplexe [X.]sleistung in ihre [X.]e aufzugliedern und letztere, obwohl sie im Verhältnis zur Komplexleistung nicht selbständige Lei-stungen darstel[X.], im Wege einer Analogberechnung einzeln zu honorieren. Eine solche Lösung berücksichtigt nicht hinreichend die grundlegende Unter-scheidung zwischen selbständigen und nicht selbständigen ärztlichen Leistun-gen und läßt daher außer Betracht, daß die Bewertung der Leistungen im [X.] nicht in der Art eines Baukastensystems strukturiert ist. - 14 -

Zwar lehnt sich eine Heranziehung der [X.]n 2760, 2583 und 2803 nahe an die dortige Beschreibung der ärztlichen Leistungen an; sie führt aber, legt man den Gesamtaufwand an [X.] zugrunde, den der Kläger für die [X.] benötigte und den der Sachverständige für [X.]en dieser Art im Vergleich zu der in Nr. 2757 beschriebenen Leistung allgemein für [X.] erachtet, zu einer unverhältnismäßigen Überhonorierung.

[X.]) Andererseits teilt der Senat nicht die Auffassung der Revision, der Kläger sei auf die Ausschöpfung des [X.]s nach § 5 Abs. 2 [X.] beschränkt oder darauf zu verweisen, mit dem Patienten eine [X.] abzuschließen.

(1) Richtig ist im Ausgangspunkt die Auffassung der Revision, daß der Arzt nach § 5 Abs. 2 [X.] die Möglichkeit hat, die Gebühren innerhalb des Rahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des [X.]aufwands der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Danach besteht durchaus die Möglichkeit, in dem durch den Rahmen begrenzten Umfang auch Besonderheiten Rechnung zu tra-gen, die auf eine neue Behandlungsmethode und Entwicklungen der medizini-schen Wissenschaft zurückgehen. Es ist aber nicht die Aufgabe der Vorschrift, für eine angemessene Honorierung solcher Leistungen zu sorgen, für die eine Analogberechnung in Betracht kommt (vgl. zum Verhältnis von § 6 Abs. 2 GOZ zu § 5 Abs. 2 GOZ Senatsurteil vom 23. Januar 2003 - [X.]/02 - NJW-RR 2003, 636, 637). Ein solches Verständnis nähme dem Arzt die Möglichkeit, den [X.] wegen anderer, gleichfalls vorliegender Umstände aus-zuschöpfen.
- 15 -

(2) Dem Arzt kann auch nicht angesonnen werden, sich in Fäl[X.], in de-nen die Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte wegen eines möglichen Regelungsdefizits Zweifel aufwirft, durch Abschluß einer Vereinbarung ein an-gemessenes Honorar zu sichern. Da durch eine solche Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] lediglich eine abweichende Gebührenhöhe festgelegt wer-den kann, sind die im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistungen ein-schließlich der Punktzah[X.] und Punktwerte für die Abrechnung gleichermaßen verbindlich. Würde der Arzt eine analoge Berechnung von Leistungspositionen für berechtigt halten, auf eine entsprechende Abrechnung jedoch zur Vermei-dung von Streit verzichten wol[X.], könnte er das aus seiner Sicht [X.] Honorar nur durch die Vereinbarung von Steigerungsfaktoren erreichen, die unter Umständen erheblich über den Rahmen des § 5 Abs. 2 [X.] hinausrei-chen. Abgesehen davon, daß eine solche Verfahrensweise auf Widerstand der privaten Krankenversicherer stoßen würde, liefe sie auch auf eine scheinbare Kommerzialisierung ärztlicher Leistungen hinaus, die die Tätigkeit des Arztes unzumutbar erschweren könnte.

[X.]) Der Senat hält es jedoch für zulässig, die Regelungslücke in bezug auf die hier vorgenommene [X.] durch eine weitere, den [X.] ausschöpfende Berechnung der [X.] nach § 6 Abs. 2 [X.] zu schließen. Insoweit folgt der Senat dem Gutachten in dem Befund, daß die in der [X.] beschriebene Leistung nur eine Teilmenge der hier vorgenommenen ärztlichen Leistungen darstellt und daß die durchge-führte [X.] ihrer Art nach den zwei- bis vierfachen zeitlichen Aufwand verlangt. § 4 Abs. 2a Satz 1 [X.] verbietet zwar auch die Berechnung einer Leistung, die eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist (vgl. hierzu [X.], [X.] 2003, 88, 90; - 16 -

Lang/Schäfer/ Stiel/[X.], Der [X.]-Kommentar, 1996, § 4 Rn. 41 f). Für die Anwendung des § 6 Abs. 2 [X.] kommt es daher darauf an, daß die in Rede stehende Leistung eine andere als die im Leistungsverzeichnis beschriebene ist und nicht nur ei-ne besondere Ausführung der letzteren. Wo die Grenze zwischen beidem liegt, läßt sich letztlich nicht ohne Einbeziehung wertender Gesichtspunkte bestim-men. Auch wenn es bei der vorliegenden [X.] im Ausgangspunkt um die in Nr. 2757 beschriebene Leistung ging, sind erhebliche Tätigkeiten im Bereich der [X.]n 2583 und 2803 erbracht worden, die die [X.] in ihrer Bewertung nicht umfaßt. Die [X.] hat ihre besondere Ausprägung durch die arbeits- und zeitaufwendige Ausräumung der Kompartimente erfahren, was bei einer wertenden Betrachtung von der in die Nr. 2757 als Nebenleistung einbezogenen Ausräumung der regionären [X.] so nicht umfaßt wird. Um dieses Defizit auszugleichen, anderer-seits dem Grundsatz der Nichtabrechenbarkeit unselbständiger Leistungen, die notwendiger Bestandteil der durchgeführten [X.] sind, zu folgen, hält der Senat für die in der Bewertung der Komplexleistung nach der Nr. 2757 nicht hinreichend berücksichtigte Ausräumung der Kompartimente eine weitere - die Lücke fül[X.]de - analoge Abrechnung dieser [X.] für gerechtfer-tigt. Der Kläger kann daher über die vorprozessua[X.] Leistungen hinaus [X.] von 469,88 • verlangen. Der Betrag errechnet sich wie folgt:

Nr. 2757 analog, Faktor 3,5 1.476,30 DM
gemindert auf 83 v.H. gemäß § 1 der Vierten
Gebührenanpassungsverordnung v. 27. Sep-
tember 1996 ([X.] I, S. 1488) 1.225,33 DM
abzüglich 25 v.H. wegen stationärer Behand-
lung (§ 6a [X.])

919,00 DM

= 469,88 • - 17 -

[X.] [X.]
[X.] Herrmann

Meta

III ZR 344/03

13.05.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.05.2004, Az. III ZR 344/03 (REWIS RS 2004, 3178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3178

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