Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2021, Az. III ZR 350/20

3. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 1872

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Gegenstand

Private Krankenversicherung: Abrechnung des Einsatzes eines Femtosekundenlasers bei Durchführung einer Katarakt-Operation; Zuschlag für die Anwendung des Lasers


Leitsatz

1. Zur Abrechnung des Einsatzes eines Femtosekundenlasers nach Nummer 1375 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bei Durchführung einer Katarakt-Operation (siehe Senatsurteil vom 14. Oktober 2021 - III ZR 353/20).

2. Der Zuschlag nach Nummer 441 GOÄ bezieht sich nicht lediglich auf Laser, die ohne Vorbereitungsarbeiten im Rahmen einer Operation sofort einsetzbar sind. Er erfasst auch den Einsatz des Femtosekundenlasers bei der Operation des Grauen Stars nach Nummer 1375 GOÄ.

Tenor

Die Revision des [X.]gegen das Urteil des [X.]- 6. Zivilkammer - vom 28. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des [X.]zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Kosten einer [X.]unter Verwendung eines Femtosekundenlasers.

2

Der Kläger unterhält bei der Beklagten einen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag. Am 16. Oktober 2018 unterzog er sich in einer Augenarztpraxis einer [X.](Behandlung des Grauen Stars), die unter Einsatz eines Femtosekundenlasers durchgeführt wurde. Die Arztrechnung vom 2. Februar 2019 wies einen Gesamtbetrag von 2.746,38 € aus, wobei neben der Nummer 1375 ([X.]mit Implantation einer intraokularen Linse) des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (im Folgenden: Nummer … GOÄ) zusätzlich die Nummer 5855 [X.](intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen) analog ("Cataractchirurgie mittels Femto-Laser") in Höhe von 1.005,46 € zum Ansatz gebracht wurde. Die Beklagte, die eine Analogberechnung der Nummer 5855 [X.]als nicht gerechtfertigt ansah, lehnte insoweit eine Erstattung ab. Außerdem kürzte sie den Rechnungsbetrag um weitere 34,86 € (zweimaliger Ansatz der Nummer 75 [X.]für Krankheits-/Befundberichte).

3

Der Kläger hat geltend gemacht, die Durchführung der [X.]mittels eines Femtosekundenlasers sei auf Grund der Diagnose des behandelnden Augenarztes medizinisch notwendig gewesen. Diese Methode sei zudem für das Auge, die Hornhaut und die Netzhaut schonender und präziser. Die Arbeitsschritte des Femtosekundenlasers seien in der [X.]für die [X.](Nummer 1375 GOÄ) nicht enthalten und rechtfertigten die zusätzliche Analogberechnung der Nummer 5855 GOÄ.

4

Das Amtsgericht hat die Beklagte - unter Klageabweisung im Übrigen - zur Zahlung von 102,35 € nebst Zinsen verurteilt (Zuschlag nach Nummer 441 [X.]für den [X.]in Höhe von 67,49 € sowie 34,86 € nach Nummer 75 [X.]für zwei ausführliche Arztberichte). Die Berufung des [X.]hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seine Klage in Höhe des nicht erstatteten [X.]von 937,97 € weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf weitere Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit der Nummer 5855 [X.]analog. Das Amtsgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine analoge Anwendung dieser [X.]nicht in Betracht komme, weil es sich bei der [X.]lediglich um eine Vorbehandlung zur [X.]und nicht um eine selbständige Leistung im Sinne von § 6 Abs. 2, § 4 Abs. 2a [X.]gehandelt habe. Die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung sei danach zu beurteilen, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation bestehe (Hinweis auf Senatsurteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09, NJW-RR 2010, 1355 Rn. 10). Eine solche medizinische Indikation der Vorbehandlung mittels Femtosekundenlaser habe der Kläger nicht substantiiert behauptet. Bereits aus diesem Grund sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den medizinischen Aspekten der [X.]nicht veranlasst gewesen, zumal die medizinische Indikation für die [X.]als solche und das ärztliche Vorgehen im Rahmen des femtosekundenlaser-assistierten Eingriffs zwischen den Parteien nicht streitig seien. Ob die Femtosekundenlasermethode für die Hornhaut und die Netzhaut schonender und präziser sei, könne dahinstehen, da der ausschließliche Zweck einer Operationsmethode, benachbarte Strukturen zu schonen, die Annahme einer selbständigen Leistung nicht rechtfertige. Maßgeblich sei, dass eine [X.]auch ohne Femtosekundenlaser durchgeführt werden könne. Im Ergebnis handele es sich lediglich um eine besondere methodische Ausführung (Laser statt manuell-chirurgisch) eines notwendigen operativen Einzelschrittes auf dem Weg zur Erbringung der unter die Nummer 1375 [X.]fallenden Zielleistung (Katarakt-Operation).

II.

8

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.

9

Der Einsatz eines Femtosekundenlasers bei Durchführung einer [X.]ist nach Nummer 1375 GOÄ, zu welcher der Zuschlag nach Nummer 441 [X.]für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen gegebenenfalls hinzukommt, zu honorieren und nicht zusätzlich nach Nummer 5855 [X.]analog abrechenbar. Da der behandelnde Augenarzt diese Gebührenposition nicht hätte in Rechnung stellen dürfen, hat der Kläger keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte aus dem Krankheitskostenversicherungsvertrag i.V.m. § 1 Satz 1, § 192 Abs. 1 VVG.

1. Für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei der hier durchgeführten [X.]nach Nummer 1375 [X.]enthält das Gebührenverzeichnis der [X.]keinen eigenen Vergütungstatbestand. Dieser Umstand allein rechtfertigt es allerdings noch nicht, die Abrechenbarkeit des Lasereinsatzes von vornherein zu verneinen. Die Gebührenordnung für Ärzte vom 12. November 1982 ist am 1. Januar 1983 in [X.]getreten ([X.]I S. 1522). Das dazugehörige Gebührenverzeichnis wurde letztmals im Rahmen der zum 1. Januar 1996 in [X.]getretenen Vierten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte vom 18. Dezember 1995 ([X.]I S. 1861) überarbeitet. Femtosekundenlaser, die mit Infrarotimpulsen im Bereich von [X.]arbeiten, werden seit 2001 in der Augenheilkunde eingesetzt (insbesondere bei sog. LASIK-Operationen). Die erste klinische Anwendung eines Femtosekundenlasers bei der Katarakt-Chirurgie wurde im Jahre 2008 durchgeführt (vgl. Griebau, [X.]2021, 145, 146 Fn. 10, S. 150; Makoski, [X.]2020, 212, 214; https://de.wikipedia.org/Katarakt [Medizin] und Femtosekundenlaser-Kataraktoperation). Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der mit der Bereitstellung einer solchen Technik verbundene Aufwand bei der Bewertung der [X.]nach Nummer 1375 [X.]berücksichtigt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09, NJW-RR 2010, 1355 Rn. 6 zu der vergleichbaren Situation beim Einsatz einer computerunterstützten [X.]bei Durchführung einer Totalendoprothese nach Nummer 2153 GOÄ; siehe auch OLG Düsseldorf, VersR 2021, 246, 247 den Femtosekundenlasereinsatz betreffend).

2. Gleichwohl kommt eine gesonderte Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers durch die analoge Anwendung eines im Gebührenverzeichnis explizit enthaltenen Gebührentatbestands, insbesondere die analoge Anwendung der Nummer 5855, nicht in Betracht.

a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.]kann der Arzt Gebühren, die nach Abs. 1 Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen sind, nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen. Auch soweit das Gebührenverzeichnis eine bestimmte Leistung nicht aufführt, ist die in § 6 Abs. 2 [X.]vorgesehene Analogberechnung, das heißt die Heranziehung einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses, nur für selbständige ärztliche Leistungen eröffnet (Senatsurteil vom 13. Mai 2004 - III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, 143). Grundvoraussetzung einer gesonderten Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers im Rahmen einer [X.]ist somit, dass es sich dabei um eine selbständige ärztliche Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 2 [X.]handelt.

aa) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung danach zu beurteilen ist, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht. Dies lässt sich nicht ohne Einbeziehung wertender Gesichtspunkte bestimmen. Hierbei ist für die Frage, welche von mehreren gleichzeitig oder im Zusammenhang erbrachten Leistungen selbständig berechnungsfähig sind, neben [X.]im Gebührenverzeichnis selbst vor allem das in § 4 Abs. 2a [X.]niedergelegte Zielleistungsprinzip in den Blick zu nehmen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 [X.]auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. In dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses wird das Zielleistungsprinzip ausdrücklich anerkannt, wenn es dort heißt, dass zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte nicht gesondert berechnet werden können, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind. Durch das Zielleistungsprinzip wird somit gewährleistet, dass ein und dieselbe ärztliche Leistung, die zugleich Bestandteil einer vom behandelnden Arzt gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abgerechnet wird (vgl. Senatsurteile vom 13. Mai 2004 aaO S. 143, 145, 152 f; vom 16. März 2006 - III ZR 217/05, NJW-RR 2006, 919 Rn. 6; vom 5. Juni 2008 - III ZR 239/07, BGHZ 177, 43 Rn. 6 und vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09, NJW-RR 2010, 1355 Rn. 7, 10).

bb) Im vorliegenden Fall kommt es daher entscheidend darauf an, ob - wie die Beklagte geltend macht - die in Nummer 1375 des Gebührenverzeichnisses beschriebene Leistung als eine solche Zielleistung der durchgeführten [X.]angesehen werden muss und die femtosekundenlaser-assistierte [X.]keine eigenständige neue Operationsmethode, sondern lediglich eine besondere Ausführungsart der in Nummer 1375 beschriebenen extrakapsulären [X.]mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) darstellt, die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden kann. Diese in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur unterschiedlich beurteilte Frage ist zu bejahen. Die herkömmliche Katarakt-Operation, zu der als Bestandteil die Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) gehört, wird durch den [X.]nicht ersetzt, sondern lediglich hinsichtlich einzelner Teilschritte bei der Vorbereitung der Entfernung der getrübten Linse modifiziert, so dass die Voraussetzungen einer "besonderen Ausführung" im Sinne des § 4 Abs. 2a Satz 1 Alt. 2 [X.]erfüllt sind (gegen die Abrechenbarkeit als selbständige Leistung nach § 6 Abs. 2 [X.]z.B. OLG Düsseldorf, VersR 2021, 246; OLG Naumburg, VersR 2019, 1348; LG Frankfurt am Main, VersR 2019, 1350; LG Wuppertal, Urteil vom 15. Oktober 2019 - 16 S 57/18, juris; LG Heidelberg, Urteil vom 10. Dezember 2019 - 2 S 14/19, juris; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 23. Januar 2020 - 2 S 7365/18, juris; LG Frankenthal, Urteil vom 11. März 2020 - 2 S 283/18, juris; LG Freiburg im Breisgau, Urteil vom 8. September 2020 - 3 S 37/19, juris; Fenercioglu/Schoenen/Stelberg, [X.]2018, 83; Fenercioglu/Patt/Schoenen/Stelberg, [X.]2019, 70; Fenercioglu/Schoenen, VersR 2021, 252; für die Möglichkeit einer Abrechnung nach § 6 Abs. 2 [X.]i.V.m. Nummer 5855 [X.]analog insbesondere LG Köln, Urteile vom 28. Februar 2018 - 23 O 159/15; vom 15. Januar 2020 - 23 O 215/17 und vom 4. November 2020 - 23 O 94/18; jeweils juris; Griebau, [X.]2021, 145; Makoski, [X.]2018, 755 und [X.]2020, 212; Zach, r+s 2020, 127).

(1) Die Zielleistung zur Behandlung des Grauen Stars wird in Nummer 1375 [X.]wie folgt beschrieben:

"Extrakapsuläre [X.]des Grauen Stars mittels gesteuerten [X.]oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) - gegebenenfalls einschließlich Iridektomie -, mit Implantation einer intraokularen Linse."

Die [X.]mittels [X.]ist heutzutage der gängige Standardeingriff, der darin besteht, dass nach kreisrunder Eröffnung des vorderen Kapselblattes die Linse zerkleinert und abgesaugt wird, wobei zur Zertrümmerung der Linse bei konventioneller Vorgehensweise Ultraschall eingesetzt wird. Anschließend wird in den leeren [X.]eine Kunstlinse eingesetzt. Die [X.]wird insgesamt "manuell-chirurgisch" ausgeführt.

Beim Einsatz eines Femtosekundenlasers zerfällt die [X.]in zwei regelmäßig auch räumlich getrennte Abschnitte. Nachdem der Patient in einem separaten Behandlungsraum liegend unter dem Lasergerät platziert worden ist, übernimmt der Laser im Wesentlichen drei Teilschritte zur Vorbereitung der eigentlichen Operation, nämlich die computergesteuerte Öffnung der Linsenkapsel, die (Vor-)Zerkleinerung der getrübten Linse und die Vorbereitung der Schnittführung des Zugangs in das Auge. Im [X.]an die Zerkleinerung der Linse kann auch eine Astigmatismus-Korrektur nach Nummer 1345 [X.]mittels Lasertechnologie vorgenommen werden. Im nächsten manuell-chirurgischen Operationsabschnitt werden die mit dem Laser in der Hornhaut angelegten Zugänge eröffnet. Durch die Vorzerkleinerung der Linse kann die zu ihrer Zertrümmerung sonst benötigte Ultraschallenergie deutlich reduziert und auf sie unter Umständen sogar ganz verzichtet werden. Nach dem Absaugen der zerteilten Linse wird die Kunstlinse eingesetzt (zu allem Vorstehenden siehe Senatsurteil vom 14. Oktober 2021 - III ZR 353/20, zur [X.]vorgesehen, sowie [X.]aaO S. 248; Makoski, [X.]2018, 755, 757 und [X.]2020, 212, 214; Pieritz, DÄBl. 2017, Jg. 114, Heft 31-32, A 1498; [X.]aaO; siehe auch https://de.wikipedia.org/Phakoemulsifikation, Katarakt [Medizin] und Femtosekundenlaser-Kataraktoperation).

Für einen davon abweichenden Verlauf des laserunterstützten Eingriffs im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte. Nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag des [X.]hat der behandelnde Augenarzt in einem ersten Operationsabschnitt mit Hilfe des Femtosekundenlasers die [X.]eröffnet und den [X.]verflüssigt. Sodann wurden in einem zweiten Abschnitt das zerkleinerte Linsenmaterial abgesaugt und die neue ([X.]eingesetzt (Schriftsatz des [X.]vom 12. September 2019, S. 1 f = GA I 44 f). Da die Operationsmethode und der Operationsverlauf somit in medizinischer Hinsicht nicht weiter aufzuklären waren, haben die Vorinstanzen zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen abgesehen.

(2) Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass bei Verwendung eines Femtosekundenlasers im Rahmen einer [X.]eine eigenständige neue Methode zur Beseitigung des Grauen Stars zum Einsatz kommt. Die Zielleistung "extrakapsuläre [X.]des Grauen Stars mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation)" bleibt unabhängig von der Ausführungsart dieselbe. Die [X.]beinhaltet die Zertrümmerung beziehungsweise Zerkleinerung der Linse, ohne dass dies zwingend durch Ultraschall erfolgen muss (vgl. Pflüger, [X.]2013, 89, 90; Fenercioglu/Schoenen/Stelberg, [X.]2018, 83, 85). Auch bei Einsatz eines Femtosekundenlasers wird die Linse jedenfalls (vor-)zerkleinert. Entgegen der Auffassung der Revision, die sich dabei auf ein Positionierungspapier der [X.]vom 18. November 2017 ([X.]ff) beruft, begründet der [X.]keinen selbständigen operativen Eingriff mit einem eigenständigen Therapiezweck. Der Femtosekundenlaser modifiziert als Teil des [X.]nur einzelne Operationsschritte im Sinne einer unselbständigen Vorbehandlung, indem er einen Zugang zum Operationsgebiet schafft beziehungsweise vorbereitet und den Linsenkörper (vor-)zerkleinert (vgl. [X.]aaO S. 248). Da die Leistungslegende der Nummer 1375 [X.]das methodische Vorgehen lediglich als "Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation)" beschreibt, ohne das hierfür verwendete Verfahren näher zu spezifizieren, ist es im Rahmen der Zielleistung "[X.]des Grauen Stars mit Implantation einer intraokularen Linse" unerheblich, ob einzelne vorbereitende Teilschritte händisch mittels herkömmlicher Schnitt- und Ultraschalltechnik oder unter Zuhilfenahme eines Femtosekundenlasers - als "besondere Ausführung" im Sinne des § 4 Abs. 2a Satz 1 Alt. 2 [X.]- durchgeführt werden. Der Operateur hat die Wahl: Er kann entweder "manuell-chirurgisch" oder aber "femtosekundenlaser-assistiert" vorgehen. Beide Methoden und [X.]zielen indes auf dieselbe in der [X.]abgebildete Zielleistung ab: [X.]des Grauen Stars mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) und Einsetzen einer Kunstlinse. Der Einsatz des Femtosekundenlasers ist daher zwar nicht notwendiger Bestandteil dieser [X.](die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden kann), aber eine besondere (unselbständige) Ausführungsart. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass diese Lasertechnologie bei der Bewertung der unter der Nummer 1375 [X.]erfassten Leistung durch den Verordnungsgeber noch nicht bekannt war und der Einsatz des Lasers in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht abgrenzbar ist (vgl. [X.]aaO; [X.]aaO S. 1349; Fenercioglu/Schoenen/Stelberg, [X.]2018, 83, 84 f; siehe auch Senatsurteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09, NJW-RR 2010, 1355 Rn. 11).

b) Eine eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei einer [X.]ergibt sich auch nicht daraus, dass die Lasertechnologie eine präzisere Schnittführung ermöglicht und durch die Reduzierung der benötigten Ultraschallenergie gegenüber der Standard-[X.]für die Gewebestrukturen, die sich im Nahbereich der getrübten Linse befinden, schonender sein soll, insbesondere auf Grund einer geringeren Belastung des Hornhautendothels (vgl. Griebau, [X.]2021, 145, 153; Zach, [X.]2020, 8, 9). Nach der Rechtsprechung des Senats sind die angestrebte Schonung benachbarter Strukturen beim Erreichen des [X.]und die bloße Optimierung einer bereits in das Gebührenverzeichnis aufgenommenen Zielleistung, sofern die Beschreibung der Zielleistung das methodische Verfahren - wie im Fall der [X.]des Grauen Stars "mittels Linsenkernverflüssigung" nach Nummer 1375 [X.]- nicht nach Techniken und Methoden (z.B. Ultraschall- bzw. Lasereinsatz) spezifiziert, nicht geeignet, eine selbständige ärztliche Leistung zu begründen (Senatsurteile vom 13. Mai 2004 - III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, 145 und vom 21. Januar 2010 aaO Rn. 10 f; siehe auch [X.]aaO; [X.]aaO).

Daran ändert sich auch nichts durch den bloßen Hinweis des [X.]in der Berufungsbegründung (S. 3) auf sein vorgerücktes Alter (79 Jahre). Aus den vorgenannten Gründen reicht dies zur Bejahung einer eigenständigen medizinischen Indikation für den Einsatz eines Femtosekundenlasers nicht aus. Der Kläger hat nichts dazu ausgeführt, dass auf Grund seines Alters ein von der Standardmethode abweichendes ärztliches Vorgehen medizinisch geboten gewesen ist oder die Behandlung mit dem Femtosekundenlaser bei Patienten in fortgeschrittenem Alter über eine Vorbereitung der [X.]hinausgeht. Mangels hinreichenden Sachvortrags des [X.]zu einer "individuellen Indikation" für den Einsatz eines Femtosekundenlasers war die Einholung eines Sachverständigengutachtens daher nicht veranlasst.

Ungeachtet dessen vermag allein eine (altersbedingt) "harte Linse" keine eigenständige Indikation des Femtosekundenlasers zu begründen. Auch bei harten Linsen kann die [X.]auf herkömmliche Weise ohne [X.]durchgeführt werden (siehe LG Heidelberg, Urteil vom 10. Dezember 2019 - 2 S 14/19, juris Rn. 26; Fenercioglu/Schoenen, VersR 2021, 252, 254 f). Bei besonders harten Linsen wird der Einsatz von Ultraschallenergie sogar als sinnvoll angesehen (vgl. Griebau, [X.]2021, 145, 150). [X.]unterscheidet die Leistungslegende der Nummer 1375 [X.]ebenfalls nicht nach verschiedenen Härtegraden der Linse. Fällt bei harten Linsen ein zusätzlicher Aufwand an, kann dem gegebenenfalls bei Bemessung des [X.]nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]Rechnung getragen werden (Fenercioglu/[X.]aaO S. 255).

Ob der Einsatz des Femtosekundenlasers bei Kindern oder Patienten mit verlagerten Linsen individuell eigenständig medizinisch indiziert sein kann, wie das [X.]erwogen hat (aaO S. 1349; dies verneinend Fenercioglu/[X.]aaO S. 254), kann dahinstehen, da ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt beziehungsweise dafür nichts vorgetragen ist.

c) Soweit die Revision zur Beurteilung der Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung unter Berufung auf das Senatsurteil vom 21. Januar 2010 (aaO Rn. 11) darauf abstellen will, ob eine Leistung vor oder während einer [X.]erbracht wurde, kann dies der Entscheidung nicht entnommen werden. Der [X.]hat vielmehr seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung danach zu beurteilen ist, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht. Er hat dies im seinerzeit entschiedenen Fall anhand einer wertenden Betrachtung verneint, weil der Einsatz der zu beurteilenden computerunterstützten [X.]während der [X.](Totalendoprothese des Kniegelenks) erfolgt ist, die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden konnte. Daraus folgt aber gerade nicht im Umkehrschluss, dass jede Leistung vor einer [X.]eine selbständige ist. Darüber hinaus stellt der Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen einer [X.]- wie ausgeführt - eine (unselbständige) Vorbehandlung dar, die Teil des [X.]ist.

d) Auch eine Vergütung durch den doppelten Ansatz der Nummer 1375 [X.](direkt und analog) statt der Berechnung der Nummer 5855 GOÄ, wie sie die Revision unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 13. Mai 2004 (III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, 152 f) in den Raum stellt, kommt nicht in Betracht. Der seinerzeit vom [X.]entschiedene Fall betraf eine hochspezialisierte und komplexe [X.](systematische Kompartmentausräumung mit weitgehender Freilegung von Blutgefäßen und Nervenbahnen im Zusammenhang mit einer Radikaloperation der bösartigen Schilddrüsengeschwulst), die von der einschlägigen Nummer 2757 [X.]nur unvollkommen erfasst wurde. Auf Grund des medizinischen Fortschritts war der zeitliche Aufwand für die Durchführung der [X.]auf das Zwei- bis Vierfache des Aufwands bei Erlass der [X.]angewachsen. Das eingeholte Sachverständigengutachten hatte zum Ergebnis, dass die [X.]nur eine Teilmenge der vorgenommenen ärztlichen Leistungen erfasste und dass weitere erhebliche Leistungen im Bereich anderer Gebührennummern erbracht worden waren. Der [X.]hielt es deshalb ausnahmsweise für zulässig, die entstandene Regelungslücke durch eine weitere den [X.]ausschöpfende Berechnung der [X.]nach § 6 Abs. 2 [X.]zu schließen.

Diese Gründe können auf den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der [X.]nicht übertragen werden. Während in der damaligen Fallkonstellation bei wertender Betrachtung nicht nur eine besondere Ausführungsart der [X.]nach Nummer 2757 [X.]vorlag, weil in erheblichem Umfang zusätzliche Leistungen aus anderen Gebührennummern erbracht worden waren, dient der Einsatz des Femtosekundenlasers - wie ausgeführt - lediglich der Vorbereitung der herkömmlichen [X.]des Grauen Stars, so dass eine besondere Ausführung der Leistung vorliegt, die von der [X.]1375 erfasst wird, zu welcher der Zuschlag nach Nummer 441 [X.]für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen in Höhe von 67,49 € hinzukommt (vgl. [X.]aaO S. 249). Unabhängig vom Einsatz des Femtosekundenlasers ist die ärztliche Maßnahme für den Patienten die gleiche und keine weitergehende: Die vom Grauen Star betroffene Linse wird durch eine Kunstlinse ersetzt (siehe auch Fenercioglu/[X.]aaO S. 255).

e) Dass die Honorierung einer [X.]bei Einsatz eines Femtosekundenlasers nach den Nummern 441, 1375 [X.]selbst bei Ausschöpfung des Gebührenrahmens gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]nicht "auskömmlich" wäre (siehe dazu Senatsurteil vom 13. Mai 2004 aaO S. 149 mwN), lässt sich dem klägerischen Vorbringen nicht entnehmen. Die Beurteilung, dass die Vergütung objektiv weder leistungsgerecht noch auskömmlich ist, setzt voraus, dass der mit dem Einsatz des Femtosekundenlasers verbundene Aufwand und die diesbezüglichen Kostenstrukturen substantiiert offengelegt werden. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, bei wie vielen Operationen ein [X.]in Betracht kommt. Dementsprechend muss die durchschnittliche Kalkulation für die einzelne Femtosekundenlaser-Anwendung dargetan und angegeben werden, welche Umsätze erreichbar sind. Erforderlich sind Ausführungen zur Nutzungsdauer, zur Auslastung im Rahmen der Katarakt-Operationen und zu weiteren Einsatzgebieten des Lasers zum Beispiel bei Durchführung sogenannter [X.](vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 2004 aaO S. 149 f; Fenercioglu/[X.]aaO S. 255). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei komplizierteren Katarakt-Operationen, deren Durchführung durch den Einsatz des Lasers erleichtert wird, der [X.]der Nummer 1375 [X.]gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]ausgeschöpft werden kann. Durch die Steigerung vom 2,3-fachen auf den 3,5-fachen Gebührensatz und den gleichzeitigen Ansatz der Nummer 441 [X.]verteuert sich die [X.]um gut 300 € je Auge ([X.]aaO S. 250). Vor diesem Hintergrund ist angesichts fehlenden Sachvortrags des [X.]nichts dafür ersichtlich, dass das auf der Basis der Nummern 441, 1375 [X.]berechnete [X.]von vornherein nicht auskömmlich ist.

Soweit die Revision meint, der Zuschlag nach Nummer 441 [X.]beziehe sich lediglich auf Laser, die ohne Vorbereitungsarbeiten im Rahmen einer [X.]sofort einsetzbar seien, gibt der Wortlaut der Leistungsbeschreibung ("Zuschlag für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen") dafür nichts her. Aus Nummer 3 der Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt [X.]GOÄ, die einen abschließenden Katalog mit Zuschlägen für operative Leistungen enthält, ergibt sich vielmehr, dass der Zuschlag nach Nummer 441 [X.]gerade (auch) den [X.]bei der [X.]des Grauen Stars nach Nummer 1375 [X.]erfassen soll (vgl. Clausen/Makoski/Kleinke, GOÄ/GOZ, Gebührenverzeichnis, Abschnitt [X.]Rn. 2 f).

Herrmann     

      

Reiter     

      

Kessen

      

Herr     

      

Liepin     

      

Meta

III ZR 350/20

14.10.2021

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hannover, 28. Mai 2020, Az: 6 S 47/19

§ 4 Abs 1 Anlage Nr 441 GOÄ, § 4 Abs 1 Anlage Nr 1375 GOÄ, § 4 Abs 2 S 1 GOÄ, § 4 Abs 2a GOÄ, § 6 Abs 2 GOÄ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2021, Az. III ZR 350/20 (REWIS RS 2021, 1872)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 85-86 REWIS RS 2021, 1872

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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