Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.05.2019, Az. III ZR 388/17

3. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 7444

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Gegenstand

Unterlassungsanspruch bei Behinderung des Abflusses von Niederschlagswasser durch Straßenbaumaßnahme


Leitsatz

Rückstau von Niederschlagswasser

1. Führt die im Zuge von Sanierungsmaßnahmen erhöhte Gradiente einer Straße dazu, dass der Abfluss von Niederschlagswasser von einem höher gelegenen Grundstück behindert wird, kann darin ein Nachteil im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG liegen.

2. Es genügt jedoch nicht, wenn die Gefahr der Überflutung des betroffenen Grundstücks nur in extremen Ausnahmefällen (Katastrophenregen) zu erwarten ist.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des [X.] - 3. Zivilsenat - vom 4. Januar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte Gemeinde aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau darauf in Anspruch, "durch geeignete Maßnahmen" zu verhindern, dass sich [X.]ndes Niederschlagswasser von einer Gemeindestraße auf sein Grundstück zurückstaut.

2

Der Kläger ist seit 2005 gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer eines im Gebiet der Beklagten belegenen Grundstücks. Dieses liegt zwischen landwirtschaftlichen Flächen im Südosten und der Gemeindestraße "[X.]    " im Nordwesten. [X.] der Straße schließen sich in nordwestlicher Richtung weitere Felder an. Ob ein von Südosten nach Nordwesten verlaufendes Gefälle besteht, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Bodenbeschaffenheit.

3

Der Kläger behauptet, bei stärkeren Regenfällen seien die Böden der oberhalb seines Grundstücks belegenen Felder insbesondere im Winter regelmäßig nicht mehr in der Lage, anfallendes Wasser aufzunehmen, das dann über sein Grundstück und die Gemeindestraße auf die tiefer gelegenen nordwestlichen Felder [X.]. Um sich vor Hochwasser zu schützen, habe er das [X.] des von ihm errichteten Bungalows rund 15 cm über dem Scheitelpunkt des [X.] anlegen lassen. Aus diesem Grund sei sein Eigentum von starken Hochwassern Ende Januar/Anfang Februar 2006 und im [X.] 2011 kaum betroffen gewesen. Allerdings habe die Beklagte im Zuge der Beseitigung der bei dem [X.]hochwasser 2011 entstandenen Schäden an der Straße "[X.]    " entgegen einer anders lautenden Zusicherung die Gradiente der [X.] um 14,5 cm erhöht. Faktisch sei dadurch ein Damm errichtet worden, der den Abfluss des Niederschlagswassers auf die benachbarten Felder behindere. Zwar sei es seitdem noch nicht zu einer Überflutung seines Grundstücks gekommen, dies sei jedoch nur den günstigen Witterungsbedingungen geschuldet.

4

Die Beklagte behauptet, die Grundstücke diesseits der Straße lägen seit jeher tiefer als der Straßenkörper. Im Zuge der Straßenerneuerung sei das ursprünglich vorhandene Entwässerungsrohr durch ein größeres ersetzt worden, das den Abfluss von Niederschlagswasser ausreichend gewährleiste. Die Straße sei überdies mit einem Gefälle in Richtung der auf der anderen Straßenseite gelegenen Straßengräben und Felder versehen worden. Niederschlagswasser könne nicht in Richtung der Wohngrundstücke fließen.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

6

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das [X.] hat ausgeführt, der Kläger könne den geltend gemachten Anspruch weder auf § 1004 in Verbindung mit § 907 oder § 823 BGB noch auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Durch die (behauptete) Veränderung der Straßengradiente habe die Beklagte nicht in unzulässiger Weise auf das Grundstück des [X.] eingewirkt. Die Beklagte sei als [X.]in in Ermangelung anderweitiger landesrechtlicher Bestimmungen grundsätzlich berechtigt, das von höher liegenden Grundstücken auf ihr Grundstück abfließende wilde Niederschlagswasser abzuwehren. Der Kläger sei als [X.] spiegelbildlich verpflichtet, einen Rückstau des abfließenden wilden Niederschlagswassers hinzunehmen, selbst wenn sein eigenes Grundstück nicht dasjenige sei, auf dem das Niederschlagswasser primär angefallen sei. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass die Rückstaugefahr nach der Behauptung des [X.] durch den Ausbau der Gemeindestraße entstanden sei. Die Rücksichtnahme auf den [X.] führe nicht dazu, dass der [X.] an der Bewirtschaftung seines Grundstücks gehindert sei. Auch der [X.] sei mit Blick auf das auf sein Grundstück fließende Niederschlagswasser nicht gehindert, dieses nach seinem Gutdünken zu bewirtschaften. Die Anlegung einer Straße mit erhöhter Gradiente werde durch das Recht auf eigenständige Bewirtschaftung des [X.]-Grundstücks gedeckt. Die veränderte wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks der [X.] entspreche der Planfeststellung und damit einer rechtmäßig geänderten wirtschaftlichen Nutzung des [X.]-Grundstücks. Bei dieser Sachlage stelle sich das geänderte Abflussverhalten von wildem Niederschlagswasser nicht als "künstliche Veränderung des Wasserlaufs" zum Nachteil des [X.] und eine der [X.] zurechenbare Störung dar, sondern als mittelbare Folge einer zulässigen Grundstücksnutzung. Die Beklagte sei nicht Störerin im Sinne des § 1004 BGB. Es handele sich um Niederschlagswasser, das nicht auf dem Grundstück der [X.]. Die Störung gehe von den oberhalb gelegenen Grundstücken aus. In Bezug auf das von fremden Grundstücken abgeleitete Niederschlagswasser treffe die Beklagte nach § 40 Abs. 3 Satz 2 Landeswassergesetz [X.] keine originäre Beseitigungspflicht. Danach sei nur derjenige zur Beseitigung des Niederschlagswassers verpflichtet, bei dem es anfalle. Außerdem fehle es an der von § 907 BGB vorausgesetzten "sicheren" Gefährdung des klägerischen Grundstücks.

II.

9

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Auf der Grundlage des für die Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachvortrags des [X.] ist ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Vornahme von Maßnahmen zur Verhinderung einer zusätzlichen Belastung seines Grundstücks mit wild abfließendem Niederschlagswasser nicht auszuschließen.

1. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bestehen nicht. Die Beklagte erhebt im [X.] insoweit mit Recht keine Einwendungen mehr, mit denen sie allerdings nicht gemäß § 17a Abs. 5 [X.] ausgeschlossen wäre, da die Vorinstanzen über ihre entsprechende vor dem [X.] erhobene Rüge nicht gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 [X.] vorab entschieden haben (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 1993 - [X.], [X.], 367, 370 ff).

2. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien beurteilen sich nach §§ 903 ff, § 1004 BGB in Verbindung mit § 37 des Wasserhaushaltsgesetzes ([X.]) in der Fassung des [X.] vom 31. Juli 2009 ([X.]), der die frühere landesrechtliche Vorschrift des § 80 Abs. 2 bis 5 des Wassergesetzes des Landes [X.] vom 30. November 1992 (GVBl. [X.], im Folgenden: WG [X.]) ersetzt hat (vgl. Entwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] eines [X.], [X.]. 16/12275, [X.]; [X.]/[X.], Wasserhaushaltsgesetz, 11. Aufl., § 37 Rn. 8). Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand lässt sich der geltend gemachte vorbeugende (verschuldensunabhängige) Abwehranspruch des [X.] gegen die Beklagte nicht verneinen. Da das Berufungsgericht vom Tatsachenvortrag des [X.] abweichende Feststellungen nicht getroffen hat, ist dieser im Revisionsverfahren als richtig zu unterstellen. Auf der Grundlage der Behauptungen des [X.] ist der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte begründet.

a) Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich gegen Einwirkungen hierauf - auch durch wild abfließendes Niederschlagswasser -, die von einem Nachbargrundstück ausgehen und sein Eigentum (§ 903 BGB) beeinträchtigen, grundsätzlich mit dem auf Unterlassung gerichteten Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Wehr setzen (zB Senatsurteil vom 18. April 1991 - [X.], [X.], 183, 185 f). Mit dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch können auch künftige Störungen abgewehrt werden, sofern die erstmalige Beeinträchtigung ernsthaft droht (vgl. [X.], Urteile vom 17. September 2004 - [X.], [X.], 3701, 3702 und vom 19. Juni 1951 - [X.], [X.]Z 2, 394, 395). Lässt sich die drohende Beeinträchtigung nicht anders verhindern, kann unter Umständen auch ein aktives Eingreifen des [X.] in Form "geeigneter Maßnahmen" - wie vom Kläger beantragt - geboten sein (vgl. [X.], Urteile vom 12. Juni 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 24 Rn. 27 und vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.], 1035, 1037).

Inhalt und Umfang des Anspruchs im Einzelnen ergeben sich aus der gesetzlichen Regelung des Nachbarrechts, das durch den Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen der Nachbarn gekennzeichnet ist und sich nicht nur im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst findet (§§ 906 ff BGB), sondern auch in den die allgemeinen nachbarrechtlichen Bestimmungen ändernden und sie ergänzenden Rechtsvorschriften enthalten ist. Die jeweilige Eigentümerstellung wird durch die Zusammenschau aller sie regelnden gesetzlichen Vorschriften bestimmt, die zugleich ihren Inhalt wie ihre Schranken ausmachen. In dem hiernach gegebenen Rahmen kann sich der Eigentümer gegen die Beeinträchtigungen seines Eigentums zur Wehr setzen (Senat aaO S. 186 mwN).

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] sei in Ermangelung landesrechtlicher Vorschriften berechtigt, das Niederschlagswasser abzuwehren, während der [X.] dies "spiegelbildlich" auch für den Fall der Beeinträchtigung seines Grundstücks durch einen Rückstau des Wassers hinzunehmen habe, selbst wenn das Niederschlagswasser dort nicht primär angefallen sei, beruht darauf, dass die Vorinstanz § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] verkannt hat.

Nach dieser Bestimmung darf der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Mit dem hier maßgeblichen Inhalt ist die Vorschrift am 1. März 2010 in [X.] getreten (Art. 24 Abs. 2 des [X.] vom 31. Juli 2009 aaO; siehe [X.] zuvor auch § 80 Abs. 2 WG [X.]) und betrifft solche Fallgestaltungen, in denen die tatbestandliche Ablaufbehinderung - wie hier die vom Kläger behauptete Erhöhung der Straßengradiente im Jahr 2012 - nach diesem Zeitpunkt vorgenommen worden ist (Senatsurteil vom 26. Januar 2017 - [X.], [X.] 2018, 29 Rn. 8).

c) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Klägervortrag ist die Beklagte als Störerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen, weil sie bei der Planung und Ausführung der Sanierung der [X.]    " § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht hinreichend beachtet hat.

aa) Bei der Planung und dem Bau von Straßen hat der Träger der Straßenbaulast die anerkannten Regeln der [X.] und der Wasserwirtschaft zu beachten. Zu diesen gehören auch die Vorschriften des Wasser- und Nachbarrechts über Veränderungen des Ablaufs wild abfließenden Wassers (Senatsurteil vom 23. April 2015 - [X.], NVwZ 2015, 1317 Rn. 17 und Senatsbeschluss vom 29. Juni 2006 - [X.], NVwZ-RR 2006, 758 Rn. 8 mwN).

(1) Zum wild ablaufenden, das heißt ungefassten, nicht in einem Bett fließenden Oberflächenwasser gehört grundsätzlich auch Niederschlagswasser (siehe § 37 Abs. 4 [X.]), solange es nicht - wie es hier nicht der Fall ist - nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließt und daher dem Regime der Abwasserbeseitigung nach den §§ 54 ff [X.] unterfällt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 37 Rn. 12; zur - hier nicht einschlägigen - landesrechtlichen Regelung vgl. § 40 WG [X.]).

(2) Verboten ist eine künstliche Veränderung des natürlichen Ablaufs von wild abfließendem Wasser zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks. Ausgangspunkt ist insoweit das natürliche Geländegefälle. Maßgeblich sind hier die vorhandenen [X.] vor der Sanierung der Straße "[X.]". Der natürliche Abflusszustand ist nach den Rechtsverhältnissen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Geltendmachung von Abwehransprüchen des Nachbarn bestehen (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2017 aaO Rn. 16 zu Art. 63 [X.]; [X.], Nachbarrecht, 3. Teil Rn. 281; [X.], [X.], Art. 63 Rn. 4 [Stand: Januar 2009]). Ein natürlicher Ablauf ist daher auch dann gegeben, wenn der natürliche Ursprungszustand in der Vergangenheit durch künstliche Eingriffe verändert worden ist, sofern dies mit Einwilligung der Betroffenen erfolgt oder über einen längeren Zeitraum widerspruchslos hingenommen worden ist. Es ist darauf abzustellen, ob der vorhandene Zustand in seiner Gesamtheit rechtmäßig besteht und damit zugleich den Zustand des natürlichen Gefälles mitbestimmt (Senat und [X.] jew. aaO). Der natürliche Ablauf richtet sich also nach den vorhandenen Boden- und [X.]n, auch wenn diese zuvor nach der vorstehenden Maßgabe (künstlich) verändert wurden ([X.] in [X.]/[X.]/Müggenborg, [X.], 2. Aufl., § 37 Rn. 9).

(3) Ob ein "Nachteil" im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorliegt, ist objektiviert grundstücksbezogen (und nicht nur subjektiv) zu beurteilen. Die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks muss gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt sein; es muss eine "Belästigung" für den Grundstückseigentümer entstanden sein, die von einigem Gewicht und spürbar ist, und dadurch sein Grundstück erheblich beeinträchtigt werden (Senatsurteil vom 13. Mai 1982 - [X.]/80, NVwZ 1982, 700, 701). Nur drohende Nachteile reichen nicht aus, sie müssen tatsächlich eintreten oder doch mit Sicherheit zu erwarten sein (Senatsurteil vom 17. Januar 2017 aaO Rn. 11). Ausreichend ist aber, dass sich die Wasserzufuhr nur bei stärkerem Regen nachteilig auswirkt ([X.] aaO Rn. 285; vgl. auch Senatsurteil vom 13. Mai 1982 aaO).

Ein Nachteil in diesem Sinn ist allerdings zu verneinen, wenn eine Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks nur bei einem ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen (Katastrophenregen) zu erwarten ist (vgl. dazu etwa Senatsurteile vom 5. Juni 2008 - [X.], NVwZ-RR 2008, 672 Rn. 10; vom 19. Januar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 37 Rn. 7 und vom 22. April 2004 - [X.], [X.]Z 159, 19, 22 f). Ebenso wie beispielsweise bei der Anlagenhaftung gemäß § 2 Abs. 3 Haftpflichtgesetz oder der Haftung aus enteignendem Eingriff verwirklicht sich in einem solchen Fall weniger die durch den Rückstau von Niederschlags- oder sonstigem wild abfließendem Wasser geschaffene latente Gefahr, sondern die in einem Katastrophenregen zum Ausdruck kommende höhere Gewalt (Senatsurteile vom 5. Juni 2008; vom 19. Januar 2006 und vom 22. April 2004; jeweils aaO). Ein Nachteil, der letztlich nicht mehr auf dem Eingriff des [X.], sondern auf den Wirkungen höherer Gewalt beruht, kann einen Unterlassungsanspruch nicht begründen. Bei der Beurteilung wird es indes ebenfalls eine Rolle spielen, ob ein (drohendes) Schadensereignis nicht gleichwohl mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln abgewendet werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2006 aaO Rn. 8).

bb) Dies zugrunde gelegt, ist es nach dem bisherigen Sach- und Streitstands nicht ausgeschlossen, dass sich die Straßenbaumaßnahmen der [X.] im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] nachteilig auf das klägerische Grundstück ausgewirkt haben.

(1) Ein Verstoß gegen § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann darin liegen, dass durch Straßenbaumaßnahmen der Abfluss des Wassers auf die Nachbargrundstücke verstärkt wird (zB Senatsurteil vom 6. Dezember 1973 - [X.], BeckRS 1973, 30381350 unter [X.] zu § 81 Abs. 2 Wassergesetz für [X.] vom 25. Februar 1960, [X.]. [X.]). Ebenso darf der [X.] etwa im Zusammenhang mit dem Ausbau einer Straße einen den natürlichen Wasserabfluss verhindernden Damm nicht errichten (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2006 aaO zu einem Lärmschutzwall). Nichts anderes kann für die behauptete Erhöhung der Gradiente einer zu sanierenden Straße um 14,5 cm gelten, sofern sie dazu führt, dass hierdurch das [X.]-Grundstück durch den Rückstau des abfließenden Wassers im vorstehend genannten Sinn beeinträchtigt wird.

(2) Eine bei einem heftigen Regen zu erwartende im Vergleich zu dem Zustand vor der Sanierungsmaßnahme stärkere Überschwemmung eines Grundstücks, insbesondere der darauf errichteten und bislang von Überflutungen nicht oder nicht nennenswert betroffenen Gebäude, stellt einen deutlich spürbaren Nachteil im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] dar, der das Grundstück erheblich beeinträchtigt, sofern dies nicht nur in extremen Ausnahmefällen, sondern regelmäßig wiederkehrend zu befürchten ist. Zugleich liegt darin eine ernsthaft drohende Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass die bestehende Gefahr sich verwirklicht, braucht der Betroffene nicht abzuwarten.

§ 907 BGB ist wegen der spezielleren Regelung in § 37 [X.] nicht anwendbar (vgl. [X.], Urteil vom 12. November 1999 - [X.], [X.], 537, 538 mwN zu § 21 [X.]). Die wassernachbarrechtlichen Vorschriften bestimmen insoweit sondergesetzlich und abschließend, was als unzulässige Einwirkung im Sinne von § 907 BGB anzusehen ist ([X.] aaO).

cc) Einem Anspruch des [X.] lässt sich nach bisherigem Sach- und Streitstand ein etwaiges die Gemeindestraße "[X.]" betreffendes Planfeststellungsverfahren nicht entgegenhalten. Es besteht derzeit kein Anlass für die Annahme, der Kläger könnte angesichts eines planfestgestellten Vorhabens, in dem er seine Rechte hätte geltend machen und gegebenenfalls durchsetzen können, mit zivilrechtlichen Ansprüchen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen sein (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Januar 1999 - [X.], [X.]Z 140, 285, 296, 300 f; [X.], Urteile vom 30. Oktober 2009 - [X.], NJW 2010, 1141 Rn. 18 und vom 10. Dezember 2004 - [X.], [X.]Z 161, 323, 329 ff; siehe auch Senatsurteil vom 23. April 2015 aaO Rn. 11). Zwar ist in dem Hinweisbeschluss des [X.]s davon die Rede, die veränderte wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks der [X.] entspreche der "Planfeststellung". Feststellungen dazu, wann und in welchem Zusammenhang und mit welchem Gegenstand ein Planfeststellungsverfahren stattgefunden hat und welchen Inhalt ein etwaiger Planfeststellungsbeschluss hatte, hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen. Tatsächliche Anhaltspunkte ergeben sich auch weder aus dem [X.] noch sind sie sonst ersichtlich.

d) Zu den von der [X.] bestrittenen Behauptungen des [X.], dass die Sanierungsmaßnahmen an der [X.]   " zu einer Erhöhung der Gradiente von 14,5 cm geführt haben und dass eine solche Erhöhung geeignet ist, einen so erheblichen Rückstau von Niederschlagswasser auf das klägerische Grundstück zu bewirken, dass es bei künftig auftretendem Starkregen und/oder Tauwetter absehbar zu Schäden, insbesondere am Wohnhaus, kommen kann, hat das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, bislang keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Dies ist unter Berücksichtigung des Sachvortrags beider Parteien und der Streithelferin der [X.] nachzuholen.

III.

Das Berufungsurteil ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen zu treffen sind, ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO gehindert.

[X.]     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Arend     

      

Böttcher     

      

Meta

III ZR 388/17

09.05.2019

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Rostock, 4. Januar 2017, Az: 3 U 21/16

§ 1004 Abs 1 S 2 BGB, § 37 Abs 1 S 1 WHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.05.2019, Az. III ZR 388/17 (REWIS RS 2019, 7444)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 990-991 REWIS RS 2019, 7444

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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