Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.2014, Az. I ZR 36/13

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7099

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Gegenstand

Internationale Zuständigkeit für eine Rückgriffsklage des Hauptfrachtführers gegen den Unterfrachtführer im internationalen Straßengüterverkehr: Bestimmung des Orts der Übernahme des Frachtgutes


Leitsatz

Wird ein Unterfrachtführer von dem ihn beauftragenden Hauptfrachtführer im Wege eines Rückgriffs aus dem Unterfrachtvertrag auf Schadensersatz in Anspruch genommen, bestimmt sich der Ort der Übernahme des Gutes im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR danach, wo der Unterfrachtführer das Frachtgut übernommen hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 20. November 2008, I ZR 70/06, TranspR 2009, 26).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 31. Januar 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Verkehrshaftungsversicherer mit Sitz in den [X.], nimmt das ebenfalls in den [X.] ansässige Transportunternehmen vor dem [X.] wegen des Verlustes von Transportgut im Wege eines Rückgriffs auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die [X.] in [X.] beauftragte das in [X.] ansässige Speditionsunternehmen D.    im April 2008 zu festen Kosten mit dem Transport von Notebooks von [X.]/[X.] nach [X.]. D.    gab den Auftrag an das [X.] Frachtunternehmen [X.]weiter. Dieses holte einen Teil des Gutes in [X.] ab und brachte es zu ihrem in [X.]/[X.] gelegenen Lager. Mit der Weiterbeförderung nach [X.] beauftragte [X.] die Beklagte. Bei der Entladung des Gutes in Großbritan-nien sollen nach der Darstellung der Klägerin 120 Notebooks gefehlt haben.

3

[X.] wurde deshalb vor dem [X.] im Wege eines Rückgriffs von dem Verkehrshaftungsversicherer D.     erfolgreich auf Schadensersatz in Höhe von 66.415,60 € nebst Zinsen in Anspruch genommen (Urteil vom 6. März 2009 - 22 O 128/08). Der Beklagten wurde in diesem Rechtsstreit von [X.] der Streit verkündet.

4

Die Klägerin hat behauptet, als Verkehrshaftungsversicherer von [X.]zum Ausgleich der titulierten Forderung insgesamt 76.185,70 € gezahlt zu haben. Nach [X.]m Recht finde ein Übergang des Schadensersatzanspruchs auf den Haftpflichtversicherer statt. Die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte ergebe sich daraus, dass [X.] ursprünglich in [X.] übernommen worden sei.

5

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von [X.] nebst Zinsen in Anspruch genommen.

6

Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte in Abrede gestellt. Sie hat geltend gemacht, es sei systemfremd, für Streitigkeiten aus einem Transportvertrag zwischen zwei [X.]n Parteien mit einem Übernahmeort des Gutes in den [X.] und einem Ablieferungsort in [X.] die Zuständigkeit [X.] Gerichte anzunehmen.

7

Das [X.] hat die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte durch Zwischenurteil bejaht. Das Berufungsgericht hat sie verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen ([X.], [X.] 2013, 295 = RdTW 2013, 366).

8

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte verneint und demzufolge die Klage als unzulässig abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt:

Der zwischen [X.]und der Beklagten geschlossene Transportvertrag unterliege zwar dem Anwendungsbereich der CMR. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ergebe sich im Streitfall jedoch nicht aus Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.]. Mit dem "Ort der Übernahme des [X.]" im Sinne der genannten Vorschrift sei im Verhältnis zwischen [X.] und der Beklagten nicht der [X.] des [X.] in [X.], sondern der [X.] durch die beklagte Unterfrachtführerin in [X.] in den [X.] gemeint.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der [X.] Gerichte als unzulässig abgewiesen.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den Streitfall die Vorschriften der CMR zur Anwendung kommen. Sowohl der Gesamttransport von [X.] nach [X.] als auch die von der Beklagten durchgeführte Beförderung von [X.] in den [X.] nach [X.] unterliegen dem Anwendungsbereich des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr. Gemäß Art. 1 gilt das Übereinkommen für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des [X.] und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen [X.] liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Alle drei fraglichen [X.] sind Vertragsstaaten der CMR (vgl. [X.], Transportrecht, 8. Aufl., Art. 1 CMR Rn. 6 [X.]). Die jeweiligen [X.] und der Ablieferungsort des [X.] liegen auch in unterschiedlichen [X.].

2. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen [X.] im Streitfall nicht aus Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.].

a) Nach der genannten Vorschrift kann der Kläger wegen aller Streitigkeiten aus einer der CMR unterliegenden Beförderung die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet der Ort der Übernahme des [X.] oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt. Die Zuständigkeitsregelung gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.] gilt sowohl für vertragliche als auch für außervertragliche Ansprüche, etwa aus Delikt, sofern sie mit der Güterbeförderung in einem sachlichen Zusammenhang stehen ([X.], Beschluss vom 31. Mai 2001 - [X.]/00, [X.] 2001, 452 = [X.], 213; Urteil vom 20. November 2008 - [X.], [X.] 2009, 26 Rn. 19 = [X.], 807).

Nach der Rechtsprechung des Senats kommen die Zuständigkeitsregelungen des Art. 31 Abs. 1 CMR grundsätzlich auch dann zur Anwendung, wenn ein (weiterer) Unterfrachtführer als bloße Hilfsperson (Art. 3 CMR) des Hauptfrachtführers von dessen Auftraggeber oder vom Rechtsnachfolger des Auftraggebers wegen Verlusts oder Beschädigung des Transportgutes aus Delikt auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Maßgeblich ist dann der [X.], da dieser die Grundlage für die vom Auftraggeber oder seinem Rechtsnachfolger geltend gemachten Ersatzansprüche bildet. Als Ort der Übernahme im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.] ist in einem solchen Fall in der Regel nicht der Ort der Übernahme des [X.] durch den Unterfrachtführer, sondern der Abgangsort der gesamten Beförderung anzusehen ([X.], [X.] 2009, 26 Rn. 20).

b) Die im Streitfall gegebene Fallgestaltung ist nicht mit derjenigen vergleichbar, über die der Senat in der Revisionssache [X.] mit Urteil vom 20. November 2008 ([X.] 2009, 26) entschieden hat. Der vorliegende Fall unterscheidet sich in einem maßgeblichen Punkt von der dort zugrundeliegenden Fallkonstellation.

aa) In jenem Fall wurde der beklagte Unterfrachtführer als Hilfsperson (Art. 3 CMR) des Hauptfrachtführers von dem Rechtsnachfolger, einem Transportversicherer, des [X.] (= Auftraggeber des Hauptfrachtführers) wegen Beschädigung von Transportgut aus Delikt auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Grundlage für die direkte Inanspruchnahme des [X.] durch den Auftraggeber des Hauptfrachtführers oder dessen Rechtsnachfolger war der [X.], den der [X.] mit dem Hauptfrachtführer geschlossen hat, und nicht das Vertragsverhältnis zwischen dem Haupt/Unterfrachtführer und einem (weiteren) Unterfrachtführer ([X.], [X.] 2001, 452; [X.] 2009, 26 Rn. 18).

Da der [X.] die Grundlage für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Unterfrachtführer bildet, ist als Ort der Übernahme im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.] nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum in der Regel nicht der Ort der Übernahme des [X.] durch den Unterfrachtführer, sondern der Abgangsort der gesamten Beförderung anzusehen ([X.], [X.] 2001, 452; [X.] 2009, 26 Rn. 20; [X.], [X.] 2004, 359, 361; österr. [X.], [X.] 2000, 34 f.; MünchKomm.HGB/[X.], 2. Aufl., Art. 31 CMR Rn. 22; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., Art. 31 CMR Rn. 10; [X.] in [X.], CMR, 3. Aufl., Art. 31 Rn. 26; [X.]/Piper, CMR, Art. 31 Rn. 4, 6; [X.], Transportrecht aaO Art. 31 CMR Rn. 4; [X.]., [X.] 2002, 133, 136). Für diese Sichtweise spricht vor allem der Umstand, dass sie es den am [X.] beteiligten Personen ermöglicht, auch mehrere aus ein und demselben Beförderungsvertrag herrührende Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten eines Staates abzuwickeln ([X.], [X.] 2009, 26 Rn. 23 mwN). Im Falle der Verneinung eines einheitlichen Gerichtsstandes für eine Klage gegen den Hauptfrachtführer und weitere Unterfrachtführer, zu denen seitens des Absen[X.] oder Empfängers des [X.] keine Vertragsbeziehungen bestehen, müsste, wie sich aus Art. 28 Abs. 2 CMR ergibt, das nur mit der außervertraglichen Haftung des (jeweiligen) [X.] befasste Gericht gegebenenfalls auch die Vorschriften der CMR berücksichtigen und anwenden. Denn nach dieser Vorschrift kann sich ein Unterfrachtführer, für den der Hauptfrachtführer gemäß Art. 3 CMR haftet, auf die Bestimmungen des Übereinkommens berufen, die die Haftung des Hauptfrachtführers ausschließen oder begrenzen, wenn gegen ihn Ansprüche aus außervertraglicher Haftung für Verlust oder Beschädigung des [X.] erhoben werden. Ein derartiges Ergebnis liefe zum einen dem Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 CMR zuwider, Streitigkeiten aus einer der CMR unterliegenden grenzüberschreitenden Beförderung auf ganz bestimmte Gerichtsstände zu beschränken, und würde zum anderen die Gefahr divergierender Gerichtsentscheidungen über ein und denselben Lebenssachverhalt in sich [X.] ([X.], [X.] 2009, 26 Rn. 23).

bb) Im Streitfall wird die Beklagte - an[X.] als in den Fällen, die Gegenstand der [X.] vom 31. Mai 2001 ([X.] 2001, 452) und 20. November 2008 ([X.] 2009, 26) waren - von dem Rechtsnachfolger ihres unmittelbaren Vertragspartners im Wege einer Rückgriffsklage wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klägerin macht gegen die Beklagte ausschließlich frachtvertragliche Ansprüche geltend. Der [X.] zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten weist keine unmittelbaren Berührungspunkte zum ursprünglichen [X.] des [X.] in [X.] in [X.] auf. Der [X.], aus dem die Klägerin die Ansprüche gegen die Beklagte herleitet, wurde von zwei in den [X.] ansässigen Transportunternehmen geschlossen. Die Beklagte hat [X.] auch in den [X.] zur Beförderung nach [X.] übernommen. Bei einer derartigen Fallgestaltung besteht - auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 CMR - kein Bedürfnis, auf den ursprünglichen Abgangsort in [X.] als Ort der Übernahme des [X.] im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.] abzustellen. [X.] ist bei der im Streitfall gegebenen Fallgestaltung vielmehr der Ort, an dem die Beklagte [X.] von ihrem direkten Vertragspartner zur Beförderung übernommen hat (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2008 - 6 [X.], unveröffentlicht; MünchKomm.HGB/[X.] aaO Art. 31 CMR Rn. 22; [X.], [X.] 2000, 152; aA österr. [X.], [X.] 2000, 34).

Hierfür spricht zunächst, dass der [X.], aus dem die Ansprüche hergeleitet werden, die größte Nähe zu dem in diesem Vertrag vorgesehenen [X.] und nicht zu dem Abgangsort des [X.] aufweist. Es kommt hinzu, dass der Hauptfrachtführer den von ihm unterzeichneten Frachtbrief - wie auch im Streitfall - oftmals nicht an den Unterfrachtführer weitergibt, sondern im Zusammenhang mit der Übergabe des [X.] an den Unterfrachtführer einen neuen Frachtbrief ausstellt, in dem der Hauptfrachtführer als Absender erscheint und als Ort der Übernahme derjenige Ort ausgewiesen ist, an dem der Unterfrachtführer [X.] selbst übernommen hat (vgl. [X.], Transportrecht aaO vor Art. 34 CMR Rn. 3; MünchKomm.HGB/[X.] aaO Art. 34 CMR Rn. 7; [X.] in [X.] aaO vor Art. 34 Rn. 3). Unterfrachtführer, die im Verlaufe der Beförderung [X.] übernehmen, wissen daher nicht ohne weiteres, wo der Transport seinen Ausgang genommen hat. Der Unterfrachtführer schuldet grundsätzlich nur demjenigen Unternehmen Regress, mit dem er einen [X.] geschlossen hat. Dem Auftraggeber des [X.] ist aber - an[X.] als dem [X.] - in aller Regel bekannt, an welchem Ort der Unterfrachtführer [X.] zur Beförderung übernommen hat. Dem klagenden Hauptfrachtführer bereitet es dann keine unzumutbaren Schwierigkeiten, den richtigen Gerichtsort für eine Regressklage gegen den Unterfrachtführer festzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2008 - 6 [X.], unveröffentlicht). Der Regress nehmende Hauptfrachtführer ist daher nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie der Auftraggeber des [X.], der auf die Einschaltung eines [X.] und den im [X.] vorgesehenen [X.] - an[X.] als der Hauptfrachtführer - regelmäßig keinen Einfluss hat.

III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Büscher                     Pokrant                       Schaffert

              [X.]                   Schwonke

Meta

I ZR 36/13

13.03.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 31. Januar 2013, Az: I-18 U 48/12, Urteil

Art 31 Abs 1 S 1 Buchst b CMR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.03.2014, Az. I ZR 36/13 (REWIS RS 2014, 7099)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7099

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 36/13

31 O 111/20

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