Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.11.2014, Az. XI R 11/13

11. Senat | REWIS RS 2014, 1643

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Gegenstand

Infektionshygienische Leistungen einer "Hygienefachkraft" als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen


Leitsatz

Infektionshygienische Leistungen eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene an Krankenhäuser, Altenheime oder Pflegeheime sind (nur) insoweit nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. umsatzsteuerfrei, als diese Einrichtungen mit den bezogenen Leistungen bei der Ausübung einer Heilbehandlungstätigkeit infektionshygienische Anforderungen erfüllen müssen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob und inwieweit der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) als "Hygienefachkraft" an Krankenhäuser und "Alten- bzw. Pflegeheime" [X.] (Streitjahr) nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (UStG a.F.) steuerfreie Heilbehandlungen erbracht hat.

2

Der Kläger ist Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene und seit 1995 als Hygienefachkraft selbständig tätig. Er führt --neben weiteren Leistungen für andere Kunden-- u.a. für Krankenhäuser, Altenheime und möglicherweise --insoweit sind die Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) unklar-- auch für Pflegeheime ("Alten- bzw. Pflegeheime") folgende Tätigkeiten aus:

-       

Erarbeitung von Hygienekonzepten;

-       

Erstellung von Hygieneplänen, Infektionsstatistiken und Mitwirkung bei der Einhaltung der Regeln der Krankenhaushygiene;

-       

Mitwirkung bei der Erkennung von Krankenhausinfektionen;

-       

allgemeine und bereichsspezifische Beratung;

-       

Schulung, Beratung, Fortbildung und fachliche Anleitung von Pflegekräften, Ärzten und sonstigem Personal;

-       

Hausbegehungen;

-       

Telefonische Auskünfte, Dokumentation/Berichtswesen (Mängelliste);

-       

Festlegung der Vorgehensweise bei einer Isolierung von Patienten.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 1996 zunächst, dass er insoweit eine nach § 4 Nr. 14 UStG a.F. umsatzsteuerfreie Tätigkeit ausübe.

4

Nach Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger widerrief das [X.] zum 1. Juli 2006 die Auskunft vom 1. Oktober 1996, weil sich bei einer Gesamtbetrachtung der Aufgaben des [X.] ergebe, dass er keine Behandlungen oder Versorgungen von Patienten vornehme, sondern im Wesentlichen eine beratende, organisatorische und überwachende Tätigkeit gegenüber dem Träger einer Krankeneinrichtung oder anderen Unternehmern erbracht habe.

5

In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat März 2008 behandelte der Kläger die Umsätze gegenüber Krankenhäusern und "Alten- bzw. Pflegeheimen" als gemäß § 4 Nr. 14 UStG a.F. umsatzsteuerfrei.

6

Das [X.] folgte dem nicht, sondern sah im [X.] für den Monat März 2008 die vom Kläger als steuerfrei erklärten Umsätze als steuerpflichtig an. Der Einspruch des [X.] blieb erfolglos.

7

Im Laufe des anschließenden Klageverfahrens reichte der Kläger seine Umsatzsteuererklärung für das [X.] ein. Abweichend davon erließ das [X.] am 22. April 2010 den Umsatzsteuerbescheid für das [X.] und behandelte darin die vom Kläger als umsatzsteuerfrei erklärten Umsätze als umsatzsteuerpflichtig.

8

Das [X.] gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 980 veröffentlichten Urteil statt. Es entschied, die hier nur streitigen, vom Kläger gegenüber Krankenhäusern sowie "Alten- bzw. Pflegeheimen" erbrachten Leistungen seien nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. umsatzsteuerfrei, weil der Kläger mit den gegenüber Krankenhäusern sowie "Alten- bzw. Pflegeheimen" ausgeführten Leistungen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch arztähnliche Leistungen erbracht habe. Das [X.] folge dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 18. August 2011 V R 27/10 ([X.]E 235, 58, [X.]/NV 2011, 2214), wonach infektionshygienische Leistungen eines Arztes, die dieser für andere Ärzte und Krankenhäuser erbringe, damit diese ihre [X.] ordnungsgemäß unter Beachtung der für sie nach dem [X.] ([X.]) bestehenden Verpflichtungen erbrächten, als [X.] nach § 4 Nr. 14 UStG a.F. steuerfrei seien. Der Kläger sei zwar kein Arzt, jedoch sei die Tätigkeit eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 UStG a.F. Das [X.]-Urteil in [X.]E 235, 58, [X.]/NV 2011, 2214 sei zudem nicht nur auf die vom Kläger gegenüber Krankenhäusern, sondern auch auf die gegenüber "Alten- bzw. Pflegeheimen" erbrachten Leistungen anzuwenden.

9

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. Es macht geltend, die Leistungen des [X.] gegenüber "Alten- bzw. Pflegeheimen" wiesen keinen unmittelbaren Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit auf; sie bezögen sich auch nicht unmittelbar auf die Art und Weise einer ärztlichen Tätigkeit. Vielmehr bestünde ein unmittelbarer Bezug zu Betreuungs- und Pflegeleistungen i.S. des § 4 Nr. 16 UStG a.F., so dass der Verweis des [X.] auf das [X.]-Urteil in [X.]E 235, 58, [X.]/NV 2011, 2214 fehlgehe. Außerdem fehle das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) erforderliche persönliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und den Patienten. Den Patienten sei die Tätigkeit des [X.] regelmäßig gar nicht bewusst. Außerdem bestünden schon Zweifel, ob die Leistungen des [X.] überhaupt Heilbehandlungen seien. Die Leistungen des [X.] seien nicht "Behandlungsschritte" in [X.] von Ärzten oder Krankenhäusern, sondern losgelöst davon als Beratungsleistungen neben oder vor Heilbehandlungen der Ärzte oder Krankenhäuser erbracht worden. Die Leistungen des [X.] könnten auch nicht als vorbeugende Leistungen angesehen werden; denn alleine die Beratung eines Arztes oder Krankenhauses zu infektionshygienischen Anforderungen bewirke als solche nicht selbst schon, dass diese Anforderungen auch erfüllt werden. Außerdem stelle das Befolgen infektionshygienischer Anforderungen selbst keine Behandlungsleistung dar, sondern bilde nur den Rahmen, in dem die eigentliche Behandlungsleistung erbracht werde.

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er bringt vor, sowohl ärztliche Heilbehandlungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) als auch Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/[X.] seien Leistungen zur Diagnose, Behandlung und --soweit möglich-- Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Er müsse keine "anerkannte Einrichtung" sein, sondern nur über einen beruflichen Befähigungsnachweis verfügen, was bei ihm der Fall sei (examinierter Krankenpfleger mit Zusatzausbildung zur Hygienefachkraft). Wo die Leistung erbracht werde, sei nach dem [X.]-Urteil in [X.]E 235, 58, [X.]/NV 2011, 2214 ebenso unerheblich wie das Vorliegen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses.

Jedenfalls aber seien seine Leistungen an Altenheime nach § 4 Nr. 16 UStG umsatzsteuerfrei. Es mache keinen Unterschied, ob die Leistungen in einem Krankenhaus oder in einem Altenheim erbracht würden. Die Vorentscheidung habe dies richtlinienkonform umgesetzt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zwar zu Recht entschieden, dass die Leistungen des [X.] an Krankenhäuser nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.[X.] umsatzsteuerfrei sind, soweit sie dazu dienen, dass diese Einrichtungen im Rahmen ihrer steuerfreien Heilbehandlungen ihre Verpflichtungen aus § 36 [X.] erfüllen. Allerdings reichen die tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht aus, um zu beurteilen, ob dies auch für die Leistungen des [X.] an "Alten- bzw. Pflegeheime" gilt.

1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.[X.] waren die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker umsatzsteuerfrei. Diese Vorschrift setzte zunächst Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der [X.]/[X.] und seit 2007 Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in nationales Recht um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.

a) § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.[X.] ist im Lichte dieser Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 19. Dezember 2002 V R 28/00, [X.], 330, [X.] 2003, 532; vom 1. April 2004 V R 54/98, [X.], 505, [X.] 2004, 681; vom 7. Februar 2013 V R 22/12, [X.], 428, [X.] 2014, 126). Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der [X.]/[X.] und Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der MwStSystRL sind in gleicher Weise auszulegen; daher kann auch die Rechtsprechung des [X.] zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der [X.]/[X.] weiterhin zur Auslegung herangezogen werden (vgl. [X.]-Urteil vom 10. Juni 2010 [X.] --Future [X.], [X.]. 2010, [X.], [X.], 540, Rz 26 f.).

b) Der Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" ist ein autonomer unionsrechtlicher Begriff (vgl. [X.]-Urteile vom 20. November 2003 [X.]/01 --Unterpertinger--, [X.]. 2003, [X.], [X.]NV Beilage 2004, 111, Rz 35; vom 20. November 2003 C-307/01 --D' Ambrumenil--, [X.]. 2003, [X.], [X.]NV Beilage 2004, 115, Rz 53).

aa) Sowohl der Begriff "ärztliche Heilbehandlung" als auch der Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen ([X.]-Urteile vom 8. Juni 2006 [X.]/05 --L.u.P.--, [X.]. 2006, [X.], [X.]NV Beilage 2006, 442, Rz 27; vom 10. Juni 2010 [X.]/08 --CopyGene--, [X.]. 2010, [X.], [X.], 526, Rz 28; [X.]-Urteil vom 12. August 2004 V R 27/02, [X.]NV 2005, 583).

Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, kommen für diese Steuerbefreiung ebenso in Betracht ([X.]-Urteile --Unterpertinger-- in [X.]. 2003, [X.], [X.]NV Beilage 2004, 111, Rz 40; --D' Ambrumenil-- in [X.]. 2003, [X.], [X.]NV Beilage 2004, 115, Rz 58; --L.u.P.-- in [X.]. 2006, [X.], [X.]NV Beilage 2006, 442, Rz 29; --CopyGene-- in [X.]. 2010, [X.], [X.], 526, Rz 30) wie Leistungen medizinischer Art, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden (vgl. [X.]-Urteil vom 21. März 2013 [X.]/12 [X.], [X.] --DStR-- 2013, 757, Mehrwertsteuerrecht --[X.]-- 2013, 197, Rz 27 f., m.w.N.).

Arztähnliche Leistungen, z.B. von Krankenpflegern, können ebenfalls Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein, wenn sie zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden (vgl. [X.]-Urteil vom 10. September 2002 [X.]/00 --Kügler--, [X.]. 2002, [X.], [X.]NV Beilage 2003, 30, Rz 40 f.; [X.]-Urteil vom 18. Januar 2005 V R 99/01, [X.]NV 2005, 1392, jeweils zu Leistungen der Behandlungspflege).

bb) Dagegen sind Leistungen, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführt werden und keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, keine Heilbehandlungen (vgl. [X.]-Urteil vom 14. September 2000 [X.]/98 --D.--, [X.]. 2000, [X.], [X.]NV Beilage 2001, 31, Rz 18 f.; [X.]-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 27/03, [X.], 471, [X.] 2004, 862; vom 30. Juni 2005 V R 1/02, [X.], 188, [X.] 2005, 675, unter [X.]; [X.] vom 6. September 2011 V B 64/11, [X.]NV 2011, 2133, Leitsatz, und vom 24. Oktober 2011 XI B 54/11, [X.]NV 2012, 279, Rz 9; [X.]-Urteil [X.] in [X.], 757, [X.] 2013, 197, Rz 29 und 31).

Das gilt insbesondere für Leistungen, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern oder das allgemeine Wohlbefinden steigern sollen (vgl. [X.]-Urteile vom 26. September 2007 V R 54/05, [X.], 241, [X.] 2008, 262; vom 30. Januar 2008 XI R 53/06, [X.], 399, [X.] 2008, 647; [X.] vom 28. September 2007 V B 7/06, [X.]NV 2008, 122; vom 4. Oktober 2012 XI B 46/12, [X.]NV 2013, 273).

cc) Zu den nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.[X.] steuerfreien Heilbehandlungsleistungen gehören auch infektionshygienische Leistungen, die sicherstellen sollen, dass Ärzte und Krankenhäuser die für sie bestehenden Verpflichtungen nach dem [X.] im jeweiligen Einzelfall erfüllen. Der Zweck der Steuerbefreiung, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken, rechtfertigt die Einbeziehung von Leistungen, die ein Arzt mit unmittelbarem Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit erbringt, damit andere Ärzte und Krankenhäuser bei der Ausübung ihrer Heilbehandlungstätigkeit die hierfür bestehenden, medizinisch unerlässlichen und gesetzlich vorgeschriebenen infektionshygienischen Anforderungen erfüllen. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das [X.]-Urteil in [X.], 58, [X.]NV 2011, 2214, dem er sich anschließt.

c) Eine Steuerbefreiung nach den genannten Bestimmungen setzt außerdem voraus, dass der Leistungserbringer über einen entsprechenden beruflichen Befähigungsnachweis verfügt (vgl. dazu allgemein [X.]-Urteil vom 27. April 2006 [X.]/04, [X.]/04 --Solleveld u.a.--, [X.]. 2006, [X.], [X.]NV Beilage 2006, 299; [X.]-Urteile vom 12. August 2004 V R 18/02, [X.], 381, [X.] 2005, 227; vom 11. November 2004 V R 34/02, [X.], 65, [X.] 2005, 316).

Der Nachweis der erforderlichen Qualifikation kann sich für die nicht unter einen der in § 4 Nr. 14 UStG a.[X.] genannten Katalogberufe fallenden Unternehmer z.B. auch aus berufsrechtlichen Regelungen ergeben (vgl. [X.]-Urteile vom 30. April 2009 V R 6/07, [X.], 248, [X.] 2009, 679; vom 8. März 2012 V R 30/09, [X.], 263, [X.] 2012, 623).

2. Ausgehend davon ist das [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Leistungen des [X.] steuerfrei sind, soweit er sie an Krankenhäuser erbracht hat.

a) Diese Leistungen des [X.] sind nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] Teil eines Gesamtverfahrens zur Durchführung von Heilbehandlungen in einem Krankenhaus, das mit den infektionshygienischen Leistungen des [X.] die Erfüllung der ihm nach dem [X.] auferlegten Verpflichtungen in Krankenhäusern sichergestellt hat.

Anhaltspunkte dafür, dass in den Krankenhäusern ganz oder teilweise Leistungen erbracht worden sein könnten, die nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit gedient haben, was die Anwendung der Steuerbefreiung insoweit ausschlösse (vgl. [X.] in [X.]NV 2011, 2133, zu Anästhesisten), sind weder vom [X.] vorgetragen noch sonst ersichtlich.

b) Die gegen diese Beurteilung des [X.] gerichteten Einwendungen des [X.] greifen nicht durch.

aa) Eine Steuerfreiheit der an die Krankenhäuser erbrachten infektionshygienischen Leistungen des [X.] setzt nicht zwingend das --vom [X.] geforderte-- Vertrauensverhältnis zu einem Patienten voraus (vgl. dazu allgemein [X.]-Urteile vom 29. Juni 2011 XI R 52/07, [X.], 461, [X.] 2013, 971, Rz 25 ff.; vom 8. August 2013 V R 8/12, [X.], 548, [X.]NV 2014, 119, Rz 18).

Denn die Tätigkeit des [X.] dient insoweit der unmittelbaren Sicherstellung der erforderlichen infektionshygienischen Voraussetzungen für die stationären oder ambulanten medizinischen Behandlungen, zu deren Einhaltung Krankenhäuser und Ärzte im Rahmen der jeweiligen Behandlung im Einzelfall verpflichtet sind (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 58, [X.]NV 2011, 2214, Rz 20, 22 f.).

Diesem Zweck dienende Leistungen --auch (nur) beratender Art-- sind steuerfrei (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 58, [X.]NV 2011, 2214, Rz 25 ff.).

bb) Soweit das [X.] meint, das Befolgen infektionshygienischer Anforderungen bilde nur den Rahmen, in dem die eigentliche Behandlungsleistung erbracht werde, entspricht dies weder den tatsächlichen Feststellungen des [X.] noch dem [X.]-Urteil in [X.], 58, [X.]NV 2011, 2214.

cc) Für die Richtigkeit der Auslegung des [X.] spricht schließlich die Einführung des § 4 Nr. 14 Buchst. e UStG (i.d.[X.] des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes --[X.]-- vom 26. Juni 2013, [X.], 1809).

Nach dieser Vorschrift sind seit 1. Juli 2013 die zur Verhütung von nosokomialen Infektionen und zur Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, erbrachten Leistungen eines Arztes oder einer Hygienefachkraft an die in § 4 Nr. 14 Buchst. a, b und d UStG genannten Einrichtungen steuerfrei, die diesen dazu dienen, ihre Heilbehandlungsleistungen ordnungsgemäß unter Beachtung der nach dem [X.] und den Rechtsverordnungen der Länder nach § 23 Abs. 8 [X.] bestehenden Verpflichtungen zu erbringen.

Auch der Gesetzgeber geht mittlerweile davon aus, dass es sich bei solchen Leistungen um Heilbehandlungen handelt (vgl. BTDrucks 17/10000, S. 70, Nr. 3 Buchst. a, zum gescheiterten Jahressteuergesetz 2013, i.V.m. [X.] 157/13, Beschluss, S. 2, das dessen Einbeziehung in das [X.] gefordert hat).

c) Der Kläger verfügt auch über den erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis, da er nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene ist (vgl. zu den Voraussetzungen § 4 der Weiterbildungs- und Prüfungsverordnung zu Fachgesundheits- und Krankenpflegerinnen, -pflegern, Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, -pflegern für Krankenhaushygiene des [X.] vom 11. April 1995, Gesetz- und Verordnungsblatt 1995, 315).

3. Allerdings tragen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] seine Annahme nicht, dass dies bei den Leistungen des [X.] an "Alten- bzw. Pflegeheime" ebenso der Fall sei. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

a) Das [X.] hat zwar --für den Senat nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend-- auf Seite 3 seines Urteils festgestellt, dass der Kläger Leistungen an Krankenhäuser und "Altenheime" erbracht hat. Andererseits hat das [X.] --über diese Feststellungen auf Seite 3 hinausgehend-- auf den Seiten 8 und 11 seines Urteils auch Pflegeheime erwähnt.

b) Unklar ist auch, an welche Art von "Alten- bzw. Pflegeheimen" der Kläger seine Leistungen erbracht hat, insbesondere ob die "Alten- bzw. Pflegeheime" --im Sinne der vom [X.] zitierten Empfehlung der [X.] beim [X.] --[X.]-- ([X.] 2005, 1061, unter 2.)-- medizinische und damit assoziierte pflegerische Maßnahmen durchgeführt haben.

aa) Das [X.] hat die insoweit von ihm befürwortete generelle Gleichstellung der vom Kläger erbrachten Leistungen an "Alten- bzw. Pflegeheime" mit seinen Leistungen an Krankenhäuser allein damit begründet, die Zahl von Personen mit chronischen Krankheiten, Abwehrschwäche und Behinderungen mit den Folgen von Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit nehme zu und betreuungsbedürftige Personen würden immer früher aus Einrichtungen der Akutversorgung in [X.], Heime oder nach Hause entlassen (Hinweis auf Empfehlung der [X.] beim [X.], [X.] 2005, 1061, unter 1.).

Dies reicht jedoch nicht aus. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist vielmehr für die Steuerfreiheit infektionshygienischer Leistungen ein unmittelbarer Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit in Krankenhäusern oder anderen medizinischen Einrichtungen erforderlich (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 58, [X.]NV 2011, 2214, Rz 19 ff., 30; BTDrucks 17/10000, S. 70); die Leistungsempfänger müssen mit den empfangenen Leistungen bei der Ausübung ihrer Heilbehandlungstätigkeit die hierfür bestehenden medizinisch unerlässlichen und gesetzlich vorgeschriebenen infektionshygienischen Anforderungen im Einzelfall erfüllen.

Dass bzw. in welchem Umfang die Empfänger der Leistungen des [X.] solche Tätigkeiten ausgeübt haben, steht nicht fest.

bb) Soweit das [X.] aus seinen allgemeinen Erwägungen abgeleitet hat, dass die gegenüber "Alten- bzw. Pflegeheimen" erbrachten Umsätze aus der Tätigkeit eines Hygieneberaters generell als steuerfreie Leistungen i.S. des § 4 Nr. 14 UStG a.[X.] anzusehen seien, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen (vgl. ebenso [X.], Der [X.] 2012, 11, 12; [X.], [X.] 2011, 902, 908).

Davon, dass "Alten- bzw. Pflegeheime" (ausschließlich) Heilbehandlungsleistungen ausführen, kann --entgegen der Auffassung des [X.]-- nicht ausgegangen werden, weil dort in der Regel --jedenfalls auch-- erbrachte Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung keine Heilbehandlungen sind (vgl. [X.]-Urteil --Kügler-- in [X.]. 2002, [X.], [X.]NV Beilage 2003, 30, Rz 41; [X.]-Urteile vom 22. April 2004 V R 1/98, [X.], 514, [X.] 2004, 849, unter [X.]; in [X.]NV 2005, 1392, unter II.2.).

c) Das Vorliegen einer Heilbehandlung kann auch nicht, wie das [X.] meint, ohne weitere tatsächliche Feststellungen damit begründet werden, dass "Alten- bzw. Pflegeheime" in [X.] innerbetriebliche Verfahrensweisen zur [X.] festzulegen haben, der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt unterliegen und nach § 11 Abs. 1 Nr. 9 des [X.] nur dann betrieben werden dürfen, wenn der Träger und die Leitung einen ausreichenden Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleisten und sicherstellen, dass von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden.

aa) § 36 [X.] lautete im Streitjahr auszugsweise:

        

"(1) Die in § 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen" (d.h. Einrichtungen, in denen überwiegend Säuglinge, Kinder oder Jugendliche betreut werden, insbesondere Kinderkrippen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorte, Schulen oder sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime, Ferienlager und ähnliche Einrichtungen) "sowie Krankenhäuser, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialyseeinrichtungen, [X.], Entbindungseinrichtungen, Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 bis 5 des [X.], vergleichbare Behandlungs-, Betreuungs- oder Versorgungseinrichtungen sowie Obdachlosenunterkünfte, Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber, Spätaussiedler und Flüchtlinge sowie sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten legen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur [X.] fest. Die genannten Einrichtungen unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt.
(2) Zahnarztpraxen sowie Arztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, sowie sonstige Einrichtungen und Gewerbe, bei denen durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden können, können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden."

bb) Dass allein die Erstellung von [X.] bzw. die infektionshygienische Überwachung durch das Gesundheitsamt nicht zum Vorliegen einer Heilbehandlung führt, zeigt sich schon daran, dass § 36 [X.] auch Einrichtungen zur Aufstellung von [X.] verpflichtet und der Überwachung durch das Gesundheitsamt unterstellt, die --wie z.B. Gemeinschaftseinrichtungen i.S. des § 33 [X.], [X.], sonstige [X.] und [X.] üblicherweise überhaupt keine Heilbehandlungen ausführen.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht deshalb zur Nachholung der erforderlichen weiteren tatsächlichen Feststellungen an das [X.] zurück.

a) Das [X.] wird dabei zunächst gemäß den Ausführungen unter II.3. zu ermitteln haben, an welche Art von Alten- bzw. Pflegeheimen der Kläger seine Leistungen erbracht hat und ob diese Einrichtungen --im Sinne des [X.]-Urteils in [X.], 58, [X.]NV 2011, 2214-- Heilbehandlungen ausgeführt haben.

b) [X.]. wird das [X.] weiter der Frage nachzugehen haben, ob die Leistungen des [X.] eventuell nach § 4 Nr. 16 Buchst. d oder e UStG a.[X.] oder Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL steuerfrei sein könnten.

Als "eng verbundener Umsatz" im Sinne dieser Bestimmungen ist (auch) eine Leistung anzusehen, die für die Pflege und Versorgung der von den dort genannten Einrichtungen aufgenommenen Personen unerlässlich ist (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 30. Juli 2008 XI R 61/07, [X.]E 222, 134, [X.] 2009, 68; vom 19. März 2013 XI R 45/10, [X.]E 241, 79, [X.]NV 2013, 1348).

Ferner müsste der Kläger eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter sein (vgl. dazu [X.]-Urteile vom 7. September 1999 [X.]/97 --Gregg--, [X.]. 1999, [X.], [X.] 1999, 419; vom 26. Mai 2005 [X.]/03 --Kingscrest Associates und [X.], [X.]NV Beilage 2005, 310, [X.] 2005, 453; vom 15. November 2012 [X.] --Zimmermann--, [X.] 2013, 35, [X.] 2013, 84; [X.]-Urteil in [X.], 548, [X.]NV 2014, 119; [X.] vom 12. Dezember 2013 XI B 88/13, [X.]NV 2014, 550; s. zu diesem Erfordernis auch [X.] Rechtslage ab 2009-- die vom Kläger angeführte BTDrucks 16/11108, S. 37).

c) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung kann von der Zurückverweisung im Streitfall nicht abgesehen werden.

aa) Das [X.] hat den oder die Leistungsempfänger des [X.] nicht festgestellt. Deshalb steht auch nicht fest, welche Leistungen diese im Streitjahr erbracht haben, ob mit ihnen --wie der Kläger im Revisionsverfahren vorgetragen [X.] Rahmenverträge gemäß § 75 des [X.] bestehen und ggf. welchen Inhalt diese Verträge hatten.

bb) Soweit der Kläger angibt, er könne den vom Senat geforderten Nachweis zwar führen, aber müsse dies dann in jedem Besteuerungszeitraum tun, ist dies Folge des Umstands, dass der Steuerpflichtige, der sich auf eine Steuerbefreiung beruft, deren Voraussetzungen nachweisen muss (vgl. [X.] vom 22. Februar 2006 V B 30/05, [X.]NV 2006, 1168, unter [X.]; vom 18. Februar 2008 V B 35/06, [X.]NV 2008, 1001, unter II.4.b).

cc) Aufgrund der Feststellungen des [X.] kann auch nicht beurteilt werden, inwieweit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL vorliegen, auf die sich der Kläger im Revisionsverfahren sinngemäß ergänzend berufen hat. Insbesondere fehlen bislang jegliche Feststellungen dazu, inwieweit die Heime bzw. der Kläger anerkannte Einrichtungen mit sozialem Charakter sind.

Meta

XI R 11/13

05.11.2014

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 13. Dezember 2011, Az: 15 K 4458/08 U, Urteil

§ 4 Nr 14 S 1 UStG 2005, § 4 Nr 16 UStG 2005, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst b EWGRL 388/77, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst c EWGRL 388/77, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst g EWGRL 388/77, Art 132 Abs 1 Buchst b EGRL 112/2006, Art 132 Abs 1 Buchst c EGRL 112/2006, Art 132 Abs 1 Buchst g EGRL 112/2006, § 36 IfSG, UStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.11.2014, Az. XI R 11/13 (REWIS RS 2014, 1643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1643

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